OGH 7Ob13/85

OGH7Ob13/8528.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B C D, Wien 1., Ringturm, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hannelore Margarete E, Angestellte, Mödling, Wiesengasse 4, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 24.064,-- S s.A.

infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 2.Oktober 1984, GZ. 45 R 508/84-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16.Mai 1984, GZ. 37 C 323/83-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.135,36 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 200,-- Barauslagen und S 357,76 USt.) sowie die mit S 2.603,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 240,-- Barauslagen und S 214,80 USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat mit Wirkung vom 1.11.1979 bei der Klägerin eine private Krankenversicherung nach dem Tarif MS der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Spitalkostenzusatzversicherung abgeschlossen. Nach diesem Vertrag war eine monatliche Prämie von S 569,-- zu leisten. Es war vereinbart, daß die Versicherung nur zum Ende des Versicherungsjahres unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden könne, wobei eine Kündigung, die nicht mittels eingeschriebenen Briefes vorgenommen wird, nur rechtswirksam sein sollte, wenn sie rechtzeitig bei der Versicherungsanstalt eingegangen ist.

Im Juli 1980 unterfertigte die Beklagte beim Versicherungsmakler Anton F, über den sie bereits den ursprünglichen Antrag an die Klägerin gestellt hatte, einen Antrag auf Umstellung auf den Tarif 'TW' sowie auf Einbeziehung ihres Sohnes Florian in die Versicherung. Unter Zugrundelegung dieses Tarifes hätte die monatliche Versicherungsprämie nur mehr S 158,-- betragen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat Anton F diesen Antrag am 1.8.1980 bei der Klägerin abgegeben.

Mit Schreiben vom 20.1.1981 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß die beantragte Versicherungsreduktion als Teilkündigung des Vertrages nur zum Ende des Versicherungsjahres möglich sei. Die derzeitige Versicherung könne daher nur mehr zum 1.11.1981 auf einen Spitalgeldtarif herabgesetzt werden. Der Antrag werde deshalb als gegenstandslos erachtet. Die Versicherung werde folglich bis auf weiteres nach dem derzeitigen Tarif weitergeführt, der Sohn der Beklagten sei nicht in den Versicherungsschutz miteinbezogen. Die Reduktion könne schon deshalb nicht mit einem früheren Zeitpunkt erfolgen, weil die Klägerin im Vorjahr aus einem höheren Tarif noch Leistungen von nahezu S 16.000 erbracht hätte. Ein neuerlicher Reduktionsantrag könne mit Versicherungsbeginn 1.11.1981 unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist im Juli 1981 gestellt werden. Gleichzeitig könne auch die Mitversicherung des Sohnes Florian beantragt werden.

Als die Beklagte bemerkte, daß die Klägerin weiterhin von ihrem Konto die ursprünglich vereinbarten Beträge für die monatlichen Prämien abbuchen hatte lassen, ließ sie ihr Konto sperren. Am 23.9.1981 richtete Anton F namens der Beklagten ein Schreiben an die Klägerin, demzufolge der Standpunkt vertreten werde, daß die Versicherung bereits im Juli 1980 für 31.10.1980 gekündigt worden sei. Es wurde der Wunsch der Beklagten geäußert, die bereits eingezogenen S 5.082,-- für den Neuantragstarif TW zu verwenden. Mit Schreiben an Anton F vom 12.10.1981 verwies die Klägerin neuerlich darauf, daß eine wirksame Kündigung bisher nicht erfolgt sei und eine Reduktion der Versicherung unter den gegebenen Umständen nur per 1.11.1981 in Frage käme. Dabei wäre eine neuerliche Antragstellung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erforderlich gewesen, falls die Reduktion nach wie vor gewünscht werde. Da bisher ein neuer Reduktionsantrag mit Beginn 1.11.1981 nicht eingelangt sei, wäre an sich eine Herabsetzung der Versicherung mit diesem Zeitpunkt nicht möglich, doch würde die Klägerin entgegenkommen, wenn kurzfristig eine derartige Antragstellung erfolge. Ein gleichartiges Schreiben wurde am 19.11.1981 an die Beklagte persönlich gerichtet, wobei ein Antragsformular angeschlossen war und darauf hingewiesen wurde, daß eine Umstellung vorgenommen werden könne, falls innerhalb einer Frist von 14 Tagen der entsprechende Antrag gestellt werde. Sollte dies nicht der Fall sein, würde die Klägerin annehmen, daß eine Reduktion der Versicherung, bzw. die Mitversicherung des Sohnes der Beklagten nicht mehr gewünscht werde und die Angelegenheit nicht mehr weiter zu verfolgen sei. Dies würde selbstverständlich nicht von der Verpflichtung entheben, die offenen Beträge aus der bisherigen Versicherung nachzubezahlen.

Die Beklagte hat keinen weiteren Antrag gestellt.

Das Erstgericht hat der Klägerin an rückständigen Prämien S 24.064,-

- s.A.

zugesprochen, wobei es von einer nicht rechtswirksamen Kündigung ausgegangen ist.

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, es sei zwar die ursprüngliche Versicherung nicht rechtzeitig gekündigt worden, doch sei auch eine verspätete Kündigung als rechtswirksam dann zu werten, wenn der Versicherer sie nicht unverzüglich zurückweise. Eine solche unverzügliche Zurückweisung der Kündigung sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Richtig ist, daß die Judikatur den Standpunkt vertreten hat, auch eine an sich unwirksame Kündigung, wie zB eine verspätete, sei als rechtswirksam zu behandeln, falls sie vom Versicherer nicht unverzüglich zurückgewiesen worden ist (7 Ob 2/83, 7 Ob 63,64/82; SZ 28/130, SZ 17/46; Prölss-Martin, VVG 23

106 f). Falls nur diese Rechtsfrage zu entscheiden wäre, lägen allerdings die in § 502 Abs 4 Z 1 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor.

Im vorliegenden Fall wurde jedoch nicht eine bloße Kündigung eingebracht, sondern die Umstellung auf einen anderen Tarif unter Einbeziehung des Sohnes der Beklagten in die Versicherung begehrt. Die Kündigungserklärung muß unzweideutig erkennen lassen, daß eine Lösung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft gewünscht wird, sie muß klar und bestimmt sein. Die Zweifelhaftigkeit oder Mehrdeutigkeit einer Kündigungserklärung geht zu Lasten des Kündigenden (Bruck-Möller 8 I Anm.33 zu § 8, Prölss-Martin, VVG 23 105). Die Kündigung ist bedingungsfeindlich, d.h. sie kann nicht vom Eintritt oder Ausbleiben einer Bedingung abhängig gemacht werden. In diesem Falle ist sie wirkungslos (Bruck-Möller 8 I Anm.33 zu § 8, Bruck-Möller-Wriede 8 VI, K 107 f, Anm.D 31 c).

Im vorliegenden Fall wurde das Schreiben der Beklagten, mit dem eine Änderung des bestehenden Versicherungsverhältnisses gewünscht wurde (Beilage D), gar nicht als Kündigung, sondern als Antrag auf Umwandlung der Versicherung bezeichnet. Es wird auch nicht eine Auflösung des bisherigen Vertragsverhältnisses, sondern die Umstellung dieses Vertragsverhältnisses auf ein solches mit anderem Inhalt, insbesondere unter Einbeziehung einer weiteren Person, begehrt. Das gesamte Verhalten der Beklagten läßt nur den Schluß zu, daß diese keinesfalls eine Beendigung des bisherigen Versicherungsverhältnisses unter allen Umständen, sondern lediglich einen Ersatz dieses Versicherungsverhältnisses durch ein anderes Versicherungsverhältnis wünschte. Ihrem Verhalten muß entnommen werden, daß sie den gänzlichen Wegfall einer Versicherung nicht im Auge hatte. Demnach vertritt auch sie selbst richtig die Auffassung, daß eine Totalkündigung hier nicht anzunehmen sei. Sie steht vielmehr auf dem Standpunkt, es handle sich um eine Teilkündigung, die nach § 7 Abs 4 des dem Vertrag zugrundeliegenden Tarifes (Beilage B) zulässig ist.

Aus den vorgelegten Unterlagen ist allerdings nicht ersichtlich, ob die nach dem Tarif TW zu erbringenden Leistungen auch in jenen Leistungen enthalten sind, die nach dem Tarif MS zu erbringen wären. Auch fehlt es an diesbezüglichen Behauptungen. Nur in einem solchen Fall könnte überhaupt von einer Teilkündigung eine Rede sein. Dem Antrag der Beklagten ist jedoch nicht zu entnehmen, daß sie, selbst wenn die Leistungen nach dem Tarif TW auch in den Leistungen nach Tarif MS zur Gänze enthalten sein sollten, mit einer Reduktion der Versicherung bloß auf ihre Person einverstanden gewesen wäre. Vielmehr ist nach ihrem ganzen Verhalten davon auszugehen, daß die Miteinbeziehung ihres Sohnes in die Versicherung für sie wesentlich war.

Zumindestens bestehen in dieser Richtung Zweifel, die zu Lasten der Beklagten gehen müssen. Die Neueinbeziehung einer weiteren Person in eine bestehende Versicherung kann jedoch nicht als Teilkündigung der bereits bestehenden Versicherung angesehen werden. Von einer Teilbarkeit des Ansuchens der Klägerin kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil nicht zweifelsfrei feststeht, daß eine teilweise Berücksichtigung von der Klägerin überhaupt gewünscht wurde und, wie bereits ausgeführt, Zweifel über den Inhalt einer allfälligen Kündigung zu Lasten des Kündigenden gehen. In seiner Gesamtheit ist somit der Antrag der Beklagten nicht als bloße Teilkündigung der bestehenden Versicherung, sondern als Offert zum Abschluß einer anderen Versicherung unter gleichzeitiger Auflösung des bestehenden Versicherungsverhältnisses anzusehen. Das Zustandekommen eines in einem Offert angestrebten neuen Vertrages ist jedoch nicht von einer einseitigen Willenserklärung durch einen der Vertragsteile abhängig, sondern setzt übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragsteile voraus. Eine Zustimmungserklärung der Klägerin zu dem Anbot der Beklagten auf Änderung des Vertrages wurde nie abgegeben. Bis zum Jänner 1981 hat sich die Klägerin zu dem Anbot der Beklagten überhaupt nicht geäußert, nachher nur in ablehnendem oder modifiziertem Sinn. Das Verhalten der Klägerin nach dem Schreiben vom Jänner 1981 hat also keinesfalls eine Annahme des Anbotes der Beklagten bewirkt. Stillschweigen kann nicht schlechthin als Zustimmung zu einem Anbot gewertet werden (SZ 37/119 ua) sondern im allgemeinen nur dann, wenn der Nichtzustimmende nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder nach dem Gesetz hätte reden müssen (EvBl.1969/97, HS 6226 ua). Insbesondere im Versicherungsrecht kann Schweigen dann in der Regel nicht als Zustimmung gelten, wenn es sich um eine Änderung bestehender Vertragsverhältnisse handelt (Bruck-Möller-Wriede 8 VI/3 K 110 f, Anm.D 36 e). Außer dem Stillschweigen der Klägerin zu dem Anbot der Beklagten bis Jänner 1981 wurde aber kein Umstand dargetan, der eine Wertung des Stillschweigens als Zustimmung zu dem Anbot zulassen würde. Ob die Klägerin auf Grund ihrer Sorgfaltspflicht nach Treu und Glauben verhalten gewesen wäre, rasch auf das Anbot der Beklagten zu antworten, muß hier nicht untersucht werden, weil die Verletzung einer solchen Sorgfaltspflicht höchstens Schadenersatzansprüche der Beklagten begründen hätte können, die nicht geltend gemacht wurden. Im vorliegenden Fall kämen solche Schadenersatzansprüche schon deshalb nicht in Frage, weil im Falle einer Überreichung des Antrages am 1.8.1980 selbst bei einer raschen Ablehnung durch die Klägerin eine rechtzeitige Kündigung zum 1.11.1980 nicht mehr ermöglicht hätte. Eine Umstellung oder Kündigung zum nächstfolgenden Termin, nämlich dem 1.11.1981, hat aber das Schweigen der Klägerin bis zum Jänner 1981 nicht verhindert, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer neuerlichen Antragstellung bis zum Juli 1981 verwiesen hat, sohin eine Versäumung dieses Termines nicht der Klägerin, sondern nur der Beklagten anzulasten ist. Daß ihre Säumnis auf eine falsche Belehrung oder auf ein Fehlverhalten ihres Vertreters zurückzuführen ist, kann nicht zum Nachteil der Klägerin führen.

Da sohin die Klägerin das Anbot der Beklagten auf Umstellung des Vertrages nicht angenommen hat, die Kündigung aber nur im Zusammenhang mit diesem Anbot auf Umstellung des Vertrages verstanden werden kann, wurde das ursprüngliche Vertragsverhältnis nicht beendet, sodaß die der Höhe nach unbestrittene Forderung der Klägerin auf Zahlung der rückständigen Prämien aufrecht ist. Auf die in der Berufung erhobene Beweisrüge ist das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht nicht eingegangen. Bezüglich der angeblichen Vertretungsbefugnis des Dir.G für die Klägerin läßt die Berufung nicht erkennen, welches günstigere Ergebnis die Feststellung einer solchen Vertretungsbefugnis für sie bringen könnte. Es wurden nämlich keine für die Beklagte günstigen Erklärungen des Direktor G festgestellt. Auch die Berufung zeigt nicht auf, welche Feststellungen in dieser Richtung möglich gewesen wären. Was die Frage des Zeitpunktes der Überreichung des Umstellungsantrages anlangt, so ist dieser schon deshalb nicht von entscheidender Bedeutung, weil, wie bereits oben ausgeführt wurde, nicht nur eine bloße Kündigung, sondern ein Antrag auf Umstellung der Versicherung unter Einbeziehung einer weiteren Person gestellt worden ist. Dieser Umstellungsantrag stellt eine notwendige Einheit mit der Kündigung dar. Sohin bedurfte es zur positiven Erledigung im Sinne des Antrages der Beklagten einer Zustimmung der Klägerin. Mangels einer solchen Zustimmung wäre der neue Vertrag auch, falls der Antrag rechtzeitig (nämlich in den letzten Julitagen 1980) gestellt worden wäre, nicht zustandegekommen. Daß aber die Klägerin im Fall einer rechtzeitigen Antragstellung diesem Anbot wahrscheinlich zugestimmt hätte, kann nicht zu einer Beendigung des bisherigen Vertragsverhältnisses führen. Eine Ablehnung eines in den letzten Julitagen gestellten Antrages derart rasch, daß noch im Juli eine Kündigung möglich gewesen wäre, kann ausgeschlossen werden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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