OGH 7Ob119/97v

OGH7Ob119/97v17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Bundesbahnen, Wien 2., Nordbahnstraße 50, vertreten durch Dr.Bernhard Weissborn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei reg. Firma Johann K*****, vertreten durch Dr.Hanns Hügel ua Rechtsanwälte in Mödling, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3.Dezember 1996, GZ 41 R 602/96z-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 3.Juni 1996, GZ 9 C 48/95i-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.655,68 (darin S 609,28 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestrittenermaßen befindet sich der aufgekündigte Lagerplatz auf einem Teil des Bahnhofsgeländes M*****, der unmittelbar östlich an den Strang der Südbahn anschließt, er verfügt über ein eigenes Zubringergeleis, weiter östlich schließt sich ein weiterer Lagerplatz mit einem eigenen Zubringergeleis an. Der gegenständliche Lagerplatz wurde 1913, allerdings in einem etwas kleineren Ausmaß, vom damaligen Firmeninhaber der beklagten Partei, dem Großvater des jetzigen Firmeninhabers, angemietet. Dieser Mietvertrag wurde am 11.9.1941 von der Deutschen Reichsbahn auf eine Fläche von 902 m2 vergrößert, dabei wurde der Bestandzweck mit der Lagerung von Kohlen, Koks, Holz und Baustoffen umschrieben. Im Jahr 1947 wurde ein auf eine Fläche von 1026 m2 ausgedehnter Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen; im Zusatzvertrag vom 18.7.1959 wurde außerdem die Errichtung eines Lagers für 20 Dessougasflaschen und 30 Sauerstoffflaschen gestattet und damit der flächenmäßige Umfang der Bestandsache im heute gültigen Ausmaß von 1462,50 m2 geregelt. Seit dem Jahr 1913 befindet sich auf der gegenständlichen Bestandfläche ein Lagerplatz samt Holzhallen in einfacher Bauweise. Seit jeher werden dort Brennmaterialien und sperrige Sachen, die die beklagte Partei in einem Geschäftslokal nicht lagern kann, wie etwa Baustahlgitter, Betonmischmaschinen, große Sägen, Brennstoffe und ähnliches, zum Teil auch in den Hallen, gelagert. Etwa bis zum Jahr 1990 wurden von der klagenden Partei Waggons direkt auf der Bestandfläche zur Anlieferung von Brennstoffen, vor allem von Kohle, beigestellt, wobei die Brennstrofflieferungen in großem Umfang über einen rund 30 m langen Gleisanschluß erfolgten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden von der klagenden Partei auch andere Gegenstände wie Betonmischmaschinen und Rodeln geliefert. Das restliche auf der Liegenschaft eingelagerte Material wurde seit jeher durch Speditionen auf den Lagerplatz verbracht. Etwa ab dem Jahr 1990 änderte sich die Situation insofern, als auch die Lieferung von Brennmaterialien, wie Holz, Kohle oder Koks, über Speditionen und nicht mehr über den bestehenden Geleisanschluß erfolgte, da Kohlelieferungen an private Haushalte nur noch in paketierter Form erfolgten und es kaum mehr zu offenen Kohleauslieferungen kam. Die beklagte Partei lagerte aber nach wie vor auf dem gegenständlichen Lagerplatz diverse feste Brennmaterialien und die zuvor erwähnten sperrigen Gegenstände. Es bestand nie eine Pflicht seitens der Bestandnehmerin, Gegenstände im Auftrag der Klägerin zu lagern. Die beklagte Partei benützte die gegenständliche Liegenschaft im zuletzt beschriebenen Umfang auch im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung regelmäßig.

Die Klägerin stützte ihre Aufkündigung auf § 1 Abs 2 Z 1 MRG. Die Bestandsache liege im unmittelbaren Bahnhofsbereich. Im Bestandvertrag sei sowohl eine Beistellgebühr für Güterwaggons als auch die Gütermanipulation im Zusammenhang mit dem Bahnhofsbetrieb vereinbart worden. Die Vermietung sei sohin im Rahmen des Betriebes der klagenden Partei als Eisenbahnunternehmen erfolgt. Im übrigen sei auch der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG gegeben, weil die beklagte Partei die vermietete Bestandsache nicht mehr regelmäßig benütze.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, die Klägerin habe eine 1977 wider sie erhobene Aufkündigung auf ihre Einwendungen hin zurückgezogen und anerkannt, daß das Bestandverhältnis nur aufgrund von Kündigungsgründen nach dem MRG aufgekündigt werden könne. Auf das Mietverhältnis sei auch tatsächlich das MRG anzuwenden. Der Betriebsgegenstand der klagenden Partei sei der Transport von Personen und Waren, keineswegs jedoch, nicht benötigte Bestandobjekte zu Lagerzwecken an andere Unternehmen zu vermieten. Laut dem Mietvertrag hätten lediglich für den Betrieb der Bahn nicht erforderliche Räumlichkeiten einer außerbetrieblichen Nutzung zugeführt werden sollen, sodaß eine Vermietung im Rahmen des Betriebes eines Verkehrsunternehmens nicht gegeben sei. Im übrigen seien die in der Kündigung angeführten Allgemeinen Bedingungen für den Abschluß von Bestandverträgen, auf die sich die klagende Partei berufe, nicht vereinbart worden. Die beklagte Partei verwende das Bestandobjekt regelmäßig als Lagerplatz, vor allem für Kohle und Holz. Die Klägerin habe sich auch des Kündigungsgrundes verschwiegen, zumal sie schon in einem Schreiben vom 15.3.1993 die Behauptung der Nichtbenützung aufgestellt habe.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Der Bestandvertrag zwischen den Streitteilen unterliege dem MRG. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 1 MRG liege nicht vor, weil das Mietobjekt nicht "im Rahmen des Verkehrsunternehmens ÖBB" vermietet worden sei. Es sei gemäß dem Bundesbahngesetz von 1992 Aufgabe der ÖBB, Personen und Güter zu befördern und die dazu erforderlichen Einrichtungen zu unterhalten. Hingegen gehöre zu ihrem Betrieb weder der Verkauf noch die damit erforderliche Lagerung von Brenn- und Baustoffen, wie sie für eine Eisenhandlung typisch seien. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG liege nicht vor, weil die beklagte Partei den Mietgegenstand vertragsgemäß regelmäßig zur Lagerung von Brenn- und Baustoffen verwende. Es habe sich in den letzten Jahren lediglich der Umschlag von Kohle verringert, welche nicht mehr mit der Bahn geliefert werde.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß die Aufkündigung rechtswirksam sei. Es sprach aus, daß die (ordentliche) Revision zulässig sei. Gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MRG (idF des 3.WÄG) seien vom Anwendungsbereich des MRG Mietgegenstände ausgenommen, die im Rahmen des Betriebes unter anderem eines Verkehrsunternehmens vermietet werden. "Im Rahmen des Betriebes" bedeute, daß die Vermietung vom Betriebsgegenstand des Unternehmens erfaßt sein müsse, bei außerbetrieblichen Vermietungen sei das MRG anzuwenden. Der Betriebsgegenstand eines Eisenbahnunternehmens umfasse die Beförderung von Personen und Gütern, dazu gehöre aber auch die Vermietung von Lagerplätzen und -räumen auf dem Bahnhofsgelände, um dort (wenn auch nicht ausschließlich) Güter, die das Eisenbahnunternehmen für den Bestandnehmer befördere, zu lagern. Die Vermietung von Lagerplätzen und -räumen auf dem Bahnhofsgelände sei naheliegend, werde doch damit der Güterumschlag wesentlich vereinfacht, weil der Transport zu einem Zwischenlager entfalle. Eine weitere Vereinfachung der Güterverladung könne dadurch erreicht werden, daß das Mietobjekt über einen eigenen Schienenstrang mit der Gleisanlage verbunden sei. Die Klägerin habe der Beklagten bis 1990 Brennstoffe, Kohlen, aber auch andere Güter geliefert. Trotz des Abschlusses von Zusatzvereinbarungen habe die Bestandsache laut Punkt 8 der Allgemeinen Bedingungen für den Abschluß von Bestandverträgen "der Einlagerung von Gütern, und zwar in der Regel von solchen, die mit der Bahn ankommen oder abgehen" gedient. Dies sei auch im wesentlichen bis 1990 so geschehen. Damit sei aber die Vermietung des Lagerplatzes samt Aufbauten vom Betriebsgegenstand des Bahnhofes M***** umfaßt, sodaß der Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 Z 1 MRG vorliege. Da mit der Rechtswirksamkeitserklärung der Aufkündigung die beklagte Partei zur Abtragung der Baulichkeiten zu verpflichten sei, sei dafür eine Leistungsfrist von vier Monaten zu bestimmen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 1 Ob 698/84 (= NZ

1986, 83 = MietSlg 36.293/49) zur Aufkündigung von Geschäftslokalen

in Stadtbahnviadukten ausgeführt, daß die Beurteilung, ob ein derartiges Mietverhältnis den Kündigungsbeschränkungen des MRG unterliege oder nicht, nur durch einen Vergleich des Geltungsbereiches dieses Gesetzes mit der früheren Norm erfolgen könne. Nach § 1 Abs 4 MG fanden die Kündigungsbeschränkungen dieses Gesetzes unter anderem auf Räume, die sich auf Eisenbahngrundstücken befinden und die nach ihrer Zweckbestimmung mit dem Betrieb der Eisenbahn im Zusammenhang stehen, nur insofern Anwendung, als der Mieter den Mietgegenstand seit mindestens 1.8.1914 innehatte. Ob der Zusammenhang mit dem Betrieb der Eisenbahn bestand, entschied im Zweifel das BMfV. Ferner waren nach § 1 Abs 2 Z 3, 4 und 6 MG vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes Räume ausgenommen, die im Betrieb des Gewerbes der Beherbergung von Fremden, von Vereinen, Selbstverwaltungskörpern, öffentlichen Körperschaften oder Anstalten, im Betrieb näher bezeichneter Heime oder von Lagerhäusern im Lagerhausbetrieb vermietet wurden. Dagegen bestimmt § 1 Abs 2 Z 1 MRG, daß Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebes eines Beherbergungs-, Garagierungs-, Verkehrs-, Speditions- oder Lagerhausunternehmens oder eines (dort näher bezeichneten) Heimes vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallen. Damit hat der Gesetzgeber die im § 1 Abs 4 MG vorgesehene Sonderregelung zugunsten des Eisenbahnbetriebes, mit welcher die Verfügungsfreiheit der Bahn über Mietgegenstände auf Eisenbahngrundstücken gesichert werden sollte, beseitigt und die Verkehrsunternehmen nunmehr den sonst im § 1 Abs 2 Z 1 MRG genannten Unternehmen - unter welchen sich auch die im § 1 Abs 2 Z 3, 4 und 6 MG angeführt gewesenen begünstigten Gewerbe, Vereine und Anstalten befindet - gleichgestellt. Die Formulierung "im Rahmen des Betriebes" kann nach allgemeinem sprachlichen Verständnis nur zum Ausdruck bringen, daß es sich dabei um die Ausübung des Betriebsgegenstandes durch Vermietung handelt und die außerbetriebliche Vermietung durch solche Unternehmungen, wie schon bisher, in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt. Die Auslegung der neuen Ausnahmeregelung sollte sich nach Vorstellung der Gesetzesverfasser an der Rechtsprechung zu den erwähnten, als Vorbild genommenen Ausnahmebestimmungen des MG orientieren. Die Rechtsprechung zu § 1 Abs 2 Z 3 MG hat die Unterstellung von Mietverhältnissen unter diesen Ausnahmetatbestand unter anderem davon abhängig gemacht, daß die Vermietung im Betrieb des Fremdenbeherbergungsgewerbes erfolgt ist und diese Voraussetzung bei Vermietung zur Ausübung eines Gewerbes selbst in der Absicht, damit im Hotelbereich Gewerbebetriebe anzusiedeln, deren Dienstleistungen für den Hotelbetrieb erforderlich sind, verneint. Die Vermietung muß vielmehr vom Betriebsgegegenstand des Unternehmens erfaßt sein. Ähnliches muß auch für die von einem Verkehrsunternehmen vermieteten Räume gelten. In dem der Entscheidung 1 Ob 698/84 (MietSlg 36.293/49) zugrundeliegenden Vermietung von Geschäftsräumen in Viadukten von Stadtbahnbögen wurde ein Zusammenhang mit dem Betrieb des Verkehrsunternehmens verneint. Der zuvor geschilderte Standpunkt wurde in der Folge in 4 Ob 517/92 (= WoBl 1992/103) wiederholt. In der Folge wurde die Bestimmung des § 1 Abs 2 Z 1 MRG durch das 3.WÄG (BGBl 1993/800) dahingehend ergänzt, daß auch von Flughafenbetriebsunternehmungen in Bestand gegebene Mietgegenstände nicht dem Anwendungsbereich des MRG unterliegen, wenn sie im Rahmen des Betriebes vermietet werden. Dazu wird in den AB (1268 Blg zur 18. GP, 9) ausgeführt, daß durch die Einbeziehung von Flughafenbetriebsunternehmungen in den Ausnahmetatbestand sachlich nicht gerechtfertigte Unterscheidungen (etwa zwischen Bahnhöfen und Flughäfen) vermieden werden sollen, damit Mietverhältnisse, die zur typischen Infrastruktur eines Flughafens gehörten, wie zB Gastronomie- und Handelsbetriebe, nicht vom Geltungsbereich des MRG erfaßt sind. Handels- und Gastronomiebetriebe im Bereich eines Bahnhofes oder eines Flughafensunternehmens können, müssen aber nicht der Versorgung der Reisenden dienen, sondern stellen ein auch an die Allgemeinheit gerichtetes Anbot unabhängig von der Inanspruchnahme der Dienste des Verkehrsunternehmens dar. Auf den gegenständlichen Fall bezogen stand in der Vergangenheit der Verkauf von Kohle, Holz und anderen Brennstoffen sowie von Eisenwaren zweifellos in einem engen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb der Vorläufer der klagenden Partei, weil die Anlieferung dieser Güter gemeiniglich fast ausschließlich über dieses Verkehrssystem erfolgte. Dementsprechend bot das Eisenbahnunternehmen Händlern auf ihrem Gelände Lagerungsmöglichkeiten an, um den eigenen Güterverkehr damit zu fördern. Daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit geändert haben, ändert nichts daran, daß die Vermietung nur zu diesem Zweck erfolgte und viele Jahre hindurch der Hauptgegenstand des Bestandverhältnisses war. Daß der Gleisanschluß zum aufgekündigten Grundstück von der beklagten Partei seit einigen Jahren nicht mehr in Anspruch genommen wird, ändert nichts daran, daß die von ihr in Bestand genommenen Flächen seitens der Bestandgeberin nur zur Intensivierung ihres eigenen Güterverkehrs gedacht waren und die Verpachtung dementsprechend im Rahmen des Betriebes des Verkehrsunternehmens erfolgte. Dafür spricht auch die räumliche Anordnung des in Bestand gegebenen Grundstückes zwischen dem Hauptstrang der Südbahn und einem weiteren mit einem Gleisanschluß versehenen Lagergelände. Das vorliegende Bestandverhältnis unterliegt daher allein schon aufgrund dieser Konfiguration nicht den Kündigungsbeschränkungen des MRG.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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