OGH 7Ob108/70

OGH7Ob108/708.7.1970

SZ 43/129

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §11 Z6
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §11 Z6

 

Spruch:

Für den Ausschluß von der Versicherung nach § 11 Z 6 AKB ist nicht die Qualifikation als Handgepäck entscheidend, sondern die Frage, ob die beschädigten Sachen dem Versicherungsnehmer zur Beförderung übergeben und sich in dessen Gewahrsame zur Zeit der Beschädigung befinden

Die im abschließbaren Kofferraum befindlichen Sachen sind in Gewahrsame des über dessen Schlüssel verfügenden Fahrers

OGH 8. Juli 1970, 7 Ob 108/70 (LGZ Graz 1 R 27/70; BGZ Graz 26 C 1627/69)

Text

Am 20. Jänner 1967 beauftragte Ludwig S den Kläger mit der Durchführung der Reparatur an einem in Kärnten befindlichen Caterpillar. Er erklärte sich bereit, den Kläger und das für die Reparatur erforderliche Werkzeug an Ort und Stelle zu bringen und beauftragte damit seinen bei ihm als Kraftfahrer tätigen Schwager Josef K, der hiefür sich als Fahrer und seinen bei der Beklagten kraftfahrzeughaftpflichtversicherten PKW gegen Ersatz der Treibstoffkosten zur Verfügung stellte. Aus diesem Grund fand sich Josef K am 22. Jänner 1967 früh beim Kläger ein und nahm zur Fahrt nach Kärnten den Kläger, dessen Gattin und das Werkzeug des Klägers mit. Dieses Werkzeug bestand aus einer Heizkanone im Ausmaß von 80 X 40 X 30 cm, einer Kassette mit verschiedenen Werkzeugen im Ausmaß von 60 X 30 X 40 cm und einer kleineren Kassette mit einem Gedoresatz, hatte ein Gewicht von insgesamt 40 bis 50 kg und wurde in den Kofferraum des PKW gegeben. Auf der Fahrt nach Kärnten verursachte Josef K einen Unfall, durch welchen mehrere Personen verletzt wurden, die Heizkanone im Wert von 6000 S total beschädigt wurde und verschiedenes Werkzeug abhanden kam. Der wegen dieses Unfalles strafgerichtlich verurteilte Josef K wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Dezember 1968 zur Zahlung eines Betrages von 7026 S s A als Ersatz für das beschädigte und abhanden gekommene Werkzeug an den Kläger verpflichtet. Auf Grund dieses Exekutionstitels wurde dem Kläger mit rechtskräftigem Beschluß vom 6. Dezember 1969 die Pfändung und Überweisung der dem Josef K aus dem Versicherungsvertrag zustehende Forderung gegen die Beklagte aus dem Schadensfall Nr X bewilligt. Unter dieser Zahl hatte die Beklagte dem Josef K mit Schreiben vom 10. Mai 1967 mitgeteilt, daß sie zufolge § 11 Abs 6 AKB nicht bereit sei, für das Schlosserwerkzeug des Klägers Ersatz zu leisten (aus dem im Durchschlag als Beilage 2 im Akt erliegenden Schreiben ergibt sich zusätzlich, daß die Beklagte dem Josef K unter Hinweis auf § 8 AKB außerdem mitteilte, daß er "bei Meldung des Verlustes" innerhalb von sechs Monaten eine Klage einbringen müsse, doch haben die Vorinstanzen diesbezüglich keine Feststellungen getroffen).

Unter Berufung auf den geschilderten Sachverhalt begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 13.493.14 S (Kapital von 7026 S zuzüglich der aufgelaufenen Nebengebühren).

Der Beklagte beantragte unter Hinweis auf § 11 Z 6 AKB und das Schreiben vom 10. Mai 1967 Klagsabweisung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, gem § 63 KFG 1967 könne der Versicherer vom geschädigten Dritten unmittelbar geklagt werden, die Leistungspflicht des Versicherers bestehe dabei auch nach Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG fort, ein Versicherungsausschluß nach § 11 Z 6 AKB könne im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, weil der Kläger die Gewahrsame an seinem Werkzeug nicht aufgegeben habe, es handle sich bei diesem Werkzeug jedoch um kein Handgepäck 1 S des § 4 Abs 1 EKHG, weshalb eine Haftung der Beklagten nach diesem Gesetz nicht bestehe.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sah zwar den vom Kläger behaupteten Berufungsgrund der mangelnden Tatsachenfeststellung nicht als gegeben an, trat jedoch seiner Auffassung bei, daß das hier mit dem PKW beförderte Werkzeug als "Handgepäck" zu qualifizieren sei. Da es im übrigen der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Erstgericht beipflichtete, erachtete es das Klagebegehren als gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil der ersten Instanz wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revision kommt Berechtigung zu.

Die Revisionswerberin befaßt sich in erster Linie mit dem Begriff des Handgepäcks i S des § 4 EKHG bzw § 22 EVO, BGBl 1954/213, und nur am Rande mit § 11 Z 6 AKB, in Wahrheit kommt es bei einer Prüfung des gegenständlichen Falles nach allen rechtlichen Gesichtspunkten - vgl Fasching IV 323 Anm 26, RZ 1969, 52 u a - hier auf die Frage der Auslegung des § 4 Abs 1 EKHG nicht an.

Der vom Berufungsgericht gebilligte Hinweis des Erstgerichtes auf die Möglichkeit des geschädigten Dritten, unmittelbar den Versicherer zu klagen, trifft nämlich nicht auf Schadensfälle zu, die sich schon vor dem 1. Jänner 1968 ereigneten. Für derartige Schadensfälle und damit auch im gegenständlichen Fall besteht kein unmittelbarer Anspruch des Geschädigten gegen den Versicherer des Schädigers (ebenso EvBl 1969/425, RZ 1970, 20 u a), ohne die erfolgte Überweisung laut Beschluß vom 12. Juni 1969 wäre daher die gegenständliche Klage von vornherein abzuweisen gewesen.

Der Kläger kann somit sein Begehren lediglich auf seine Stellung als Überweisungsgläubiger stützen, als solcher kann er jedoch nur Ansprüche des Josef K aus dem Versicherungsvertrag geltend machen. Demzufolge wäre an sich auch der von der Beklagten zumindest sinngemäß erhobene Einwand ihrer Leistungsfreiheit gem dem § 8 AKB (§ 12 Abs 3 VersVG) zu prüfen gewesen, doch ist diese Prüfung hier deshalb entbehrlich, weil die Beklagte gegenüber ihrem Vertragspartner Josef K und damit auch gegenüber dem Kläger als Überweisungsgläubiger in Ansehung des beschädigten bzw abhanden gekommenen Werkzeuges zufolge § 11 Z 6 AKB leistungsfrei ist.

Da es sich jedenfalls um beschädigte bzw abhanden gekommene Sachen i S des § 11 Z 6 AKB handelt, kommt es nicht darauf an, ob sie als "Handgepäck" zu qualifizieren sind, sondern lediglich darauf, ob sie dem Versicherungsnehmer Josef K zur Beförderung übergeben wurden oder sich sonst zur Zeit der Beschädigung (des Abhandenkommens) in dessen Gewahrsame befanden. Hiebei ist davon auszugehen, daß die "Übergabe zur Beförderung" nur einen beispielsweise aufgezählten Fall der Gewahrsamsübertragung darstellt (Stiefel - Wussow, AKB[5], 345), daß jedoch bereits die Einräumung der Mitgewahrsame an den Versicherungsnehmer zum Ausschluß des Versicherungsschutzes führt (ebenso Prölss, Vers- VG[14], 674, Stiefel - Wussow, AKB[5], 345, VersR 1963, 252 u a). Für den Ausschluß von der Versicherung ist daher entgegen der Meinung der Vorinstanzen nicht entscheidend, ob der Kläger die Gewahrsame an dem im Kofferraum des PKW des Josef K befindlichen Werkzeug aufgegeben hat, sondern ob Josef K daran Mitgewahrsame erworben hat. Letzteres muß bejaht werden, da die im abschließbaren Kofferraum eines PKW befindlichen Sachen sich mit in der Gewahrsame des über die Schlüssel zum Kofferraum verfügenden Fahrers befinden (vgl Stiefel - Wussow, AKB[5], 406, VersR 1963, 252).

Die Beklagte ist daher gegenüber Josef K zufolge der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Ausschlußklausel des § 11 Z 6 AKB in Ansehung des gegenständlichen Werkzeuges leistungsfrei, der vom Kläger als Überweisungsgläubiger des Josef K erhobene Anspruch ist somit entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht gerechtfertigt.

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