European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107817
Spruch:
Zur Weiterführung des Pflegschaftsverfahrens wird das Bezirksgericht Steyr bestimmt.
Text
Begründung
Die Pflegschaftssache wurde zunächst beim Bezirksgericht Enns geführt. Die Bezirksgerichte‑Verordnung Oberösterreich 2012, BGBl II 2012/205 (BG‑VO OÖ 2012), führte zu einer Änderung der Zuständigkeit. Nach § 1 Z 1 dieser Verordnung wurde das Bezirksgericht Enns mit dem Bezirksgericht Steyr als aufnehmendem Gericht zusammengelegt. Nach § 2 Z 14 BG‑VO OÖ 2012 umfasste der Sprengel des letztgenannten Gerichts nun auch die Gemeinde St. Florian. Die Zusammenlegung wurde nach § 3 Abs 1 Z 2 BG‑VO OÖ 2012 mit 1. Jänner 2014 wirksam.
Rechtliche Beurteilung
Das Bezirksgericht Steyr stellte mit Beschluss vom 8. 1. 2014, GZ 15 Ps 9/14h‑13, den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge (unter anderem) die Nennung der Gemeinde St. Florian in der Aufzählung der zum Sprengel des Bezirksgerichts Steyr gehörenden Gemeinden (§ 2 Z 14 BG‑VO OÖ 2012) aufheben.
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 11. März 2014, V 4/14‑17 ua das Wort „St. Florian“ in der genannten Bestimmung auf. Nach Art 139 Abs 6 B‑VG sprach er aus, dass die Aufhebung mit 30. September 2015 in Kraft trete.
Das Bezirksgericht Steyr legt nun den Pflegschaftsakt zur „Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit und Delegierung des Akts“ dem Obersten Gerichtshof vor. Es vertrat die Auffassung, dass durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs die weitere Zuständigkeit des Bezirksgerichts Enns festgelegt worden sei und daher kein Fall für eine Entscheidung nach § 28 JN vorliege.
Das Bezirksgericht Steyr ist nach § 28 JN als für die Weiterführung des Verfahrens zuständiges Gericht zu bestimmen.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung 4 Nc 10/14d ausgeführt, dass bei Aufhebung einer Verordnungsbestimmung frühere Regelungen nicht wieder in Kraft treten. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hat daher nicht dazu geführt, dass das ehemalige Bezirksgericht Enns für den Anlassfall wieder existent geworden wäre. Aus § 109 JN ergibt sich kein örtlich zuständiges Gericht, sodass analog § 28 Abs 1 JN anzuwenden ist. Aus diesen Gründen hat der Oberste Gerichtshof von Amts wegen (§ 28 Abs 4 JN) ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Kriterien bei der Auswahl sind die Sach‑ und Parteinähe, hier konkret die Wertung des § 109 Abs 1 JN, wonach ein dem Pflegebefohlenen räumlich nahes Gericht entscheiden soll. Auch wenn vom Wohnsitz des Minderjährigen in St. Florian gesehen das Bezirksgericht Steyr nicht das unmittelbar nächstgelegene Bezirksgericht ist, so hat die Ordination den Vorteil, dass die nunmehr zuständige Richterin mit der Rechtssache bereits beim Bezirksgericht Enns betraut war und diese Kontinuität im Verhältnis zum geringfügig weiteren Anfahrtsweg vorzuziehen ist.
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