OGH 7Nc74/03x

OGH7Nc74/03x4.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei X*****, Großbritannien, wegen EUR 2.103,88 sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag der klagenden Partei auf Ordination wird abgewiesen.

Text

Begründung

Laut der am 28. 10. 2002 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebrachten Klage habe die in Deutschland ansässige klägerische Versicherung als Transportversicherer der S***** GmbH, welche der beklagten Partei (einer in Großbritannien ansässigen Gesellschaft) den Auftrag erteilt habe, Maschinenteile von Korneuburg (Österreich) nach Großbritannien zu transportieren, bei welchem Transport jedoch eine 48-stündige Verspätung eingetreten sei, wofür wiederum die Versicherungsnehmerin der Klägerin von deren Auftraggeberin mit einem Betrag von EUR 8.019,50 als Verspätungsschaden belangt worden sei, aufgrund des Transportversicherungsvertrages ihrer Versicherungsnehmerin den nunmehrigen Klagebetrag von EUR 2.103,88 bezahlt, welche Forderung einerseits gemäß § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen, andererseits dieser aber auch abgetreten worden sei. Da es sich um einen internationalen Transport von Österreich nach Großbritannien gehandelt habe, bei welchem die Übernahme des Gutes in Österreich gelegen sei, sei zwar die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, jedoch mangle es an einem örtlich zuständigen Gericht in Österreich, weshalb als solches die Bestimmung des angerufenen Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien gemäß § 28 JN begehrt werde, in dessen Sprengel die Klagevertreter ihren Sitz in Wien hätten. Sollte vom Obersten Gerichtshof ein anderes als dieses Gericht bestellt werden, beantragte die Klägerin überdies "bereits jetzt", die Rechtssache an dieses zu überweisen. Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien sprach hierauf beschlussmäßig seine örtliche Unzuständigkeit aus und wies die Klage a limine zurück, weil sich zwar hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit keine Bestimmungen in der CMR fänden, die von der klagenden Partei vorgenommene Anknüpfung derselben an den Kanzleisitz ihrer rechtsfreundlichen Vertreter jedoch "eine rein zufällige Anknüpfung darstellt, die nicht geeignet ist, die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien zu begründen. Vielmehr erscheint eine Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an den Ort der Übernahme des Gutes, nämlich Korneuburg, zielführend und systemkonform." Da bereits ein inländisches Gericht angerufen worden sei, könne erst ordiniert werden, wenn dieses Gericht zuvor seine Zuständigkeit rechtskräftig verneint habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den bekämpften Beschluss auf und trug dem Erstgericht die "Einleitung des gesetzlichen Verfahrens" auf; es sprach weiters aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. In seinen Gründen führte das Rekursgericht hiezu näher aus, das Erstgericht hätte (sogleich) den Antrag der klagenden Partei dem Obersten Gerichtshof zur Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes vorzulegen gehabt, was es im fortgesetzten Verfahren nunmehr nachzuholen haben werde. Das Erstgericht legte nunmehr die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Ordinationsantrag der klagenden Partei vor.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 28 Abs 1 J N kann ein Gericht für eine Rechtssache nur dann als örtlich zuständig bestimmt werden, wenn für diese Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes im Sinne der ZPO oder einer anderen maßgeblichen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind; ist hingegen - wie hier - ein inländisches Gericht (bereits) angerufen, so sind nach ständiger und einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Voraussetzungen für die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes solange nicht gegeben, als dieses seine Zuständigkeit nicht rechtskräftig verneint hat (RIS-Justiz RS0046443 mzN; weiters 10 Nd 502/00; Mayr in Rechberger2 Rz 2 zu § 28 JN). An einen solchen Beschluss wäre der Oberste Gerichtshof sodann - selbst wenn die Verneinung der Zuständigkeit zu Unrecht erfolgt wäre - gebunden (Matscher in Fasching2 Rz 15 zu § 28 mwN). Erst wenn feststeht, dass eine inländische örtliche Zuständigkeit fehlt, kann in einem solchen Fall somit ein Ordinationsantrag gestellt und hierüber vom Obersten Gerichtshof entschieden werden (2 Nd 515/99). Nach der eingangs dargestellten Aktenlage liegt eine derartige rechtskräftige zuständigkeitsverneinende Entscheidung bisher nicht vor. Im Gegenteil: Der diesbezügliche Beschluss des Erstgerichtes wurde vom Rekursgericht aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung "des gesetzlichen Verfahrens" aufgetragen. Diese Entscheidung ist nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO nicht weiter bekämpfbar und damit in Rechtskraft erwachsen. Auch wenn das Rekursgericht - so in seiner Begründung (S 5 der Entscheidung = AS 25) - diese Verfahrensfortsetzung ausschließlich im Sinne einer Vorlagepflicht an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den gestellten Ordinationsantrag erblickt haben sollte (wobei es sich diesbezüglich auf Matscher aaO Rz 149 zu § 28 JN berief, dessen dort genannte einzige oberstgerichtliche Belegstelle 4 Nd 507/98 die dortigen Ausführungen des genannten Autors freilich nicht zu tragen vermag), so ist doch nach der referierten Rechtslage zufolge der dem Rechtsmittel der Klägerin stattgebenden Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz der erstinstanzliche Beschluss damit aus dem Rechtsbestand beseitigt, sodass als zur Fortsetzung aufgetragenes weiteres "gesetzliches Verfahren" (mangels Zulässigkeit eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren: § 244 Abs 2 Z 3 ZPO) derzeit nur die Anberaumung einer vorbereitenden Tagsatzung im Sinne des § 440 ZPO möglich ist. Die insoweit unzutreffenden Erwägungen des Rekursgerichtes vermögen diese eindeutige Rechtslage nicht umzustoßen und dem Obersten Gerichtshof eine Ordinationsbefugnis aufzudrängen, ohne dass die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen (derzeit) gegeben sind.

Da somit die (verfahrensrechtlichen) Voraussetzungen für eine Ordination des Obersten Gerichtshofes gemäß § 28 JN - derzeit - nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden, ohne dass auch die inhaltlichen Voraussetzungen der Ordination beim gegenwärtigen Verfahrensstand zu beurteilen waren.

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