European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0070NC00002.20H.0220.000
Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom 23. Jänner 2019, GZ 3 Pu 252/14d‑98, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache betreffend den mj M***** H***** an das Bezirksgericht Haag wird nicht genehmigt.
Begründung:
Der ***** geborene M***** H***** und der ***** geborene T***** H***** sind die Kinder der C***** H***** und des G***** W*****. Der mj M***** lebt beim Vater in S*****, der mj T***** bei der Mutter in M*****. Das Pflegschaftsverfahren für beide Kinder wurde gemeinsam beim Bezirksgericht Perg geführt.
Am 17. Jänner 2020 langte beim Bezirksgericht Haag ein Antrag der Mutter auf Herabsetzung ihrer Unterhaltsverpfichtung gegenüber dem mj M***** ein. Daraufhin übertrug das Bezirksgericht Perg mit Beschluss vom 23. Jänner 2020, GZ 3 Pu 252/14d-98, seine Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache des mj M***** an das Bezirksgericht Haag, weil dieser sich jetzt ständig in S***** beim Vater aufhalte.
Das Bezirksgericht Haag lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache unter Hinweis darauf ab, dass eine Aufsplittung des bisher gemeinsam für beide Minderjährigen beim Bezirksgericht Perg geführten Pflegschaftsverfahrens unzweckmäßig sei.
Das Bezirksgericht Perg legte den Akt gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Die vom Bezirksgericht Perg verfügte Übertragung ist nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch der dem Pflegebefohlenen zugedachte Schutz voraussichtlich besser verwirklicht werden kann. Diese Voraussetzung liegt in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache jenem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt. Maßgebend ist immer das Kindeswohl.
2. Eine Teilübertragung der Zuständigkeit bei Pflegschaftsverfahren mehrerer Kinder, die aus der selben Ehe oder Lebensgemeinschaft entstammen, wird in der Regel aber nicht als zweckmäßig angesehen (RS0129854). Eine Art „gespaltene“ Zuständigkeit mehrerer Pflegschaftsgerichte ist zumeist schon aus praktischen Überlegungen (Aktenführung udgl) zu vermeiden ( Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG² § 111 JN Rz 22).
Auch im vorliegenden Fall wäre es unzweckmäßig, die Pflegschaft für die beiden Kinder bei verschiedenen Gerichten zu führen, weil Informationen aus der einen Pflegschaftssache für die Erledigung der anderen Pflegschaftssache nützlich sein werden. Auch im Hinblick auf die örtliche Situation bieten sich wenig Vorteile, wenn die Pflegschaftssache hinsichtlich des mj M***** gesondert beim Bezirksgericht Haag geführt wird. Ein Aufwand für Fahrten zum Bezirksgericht Perg ließe sich auch bei einer Übertragung der Zuständigkeit nicht zur Gänze vermeiden, weil die Pflegschaft für den mj T***** jedenfalls bei diesem Gericht verbleibt.
Die Übertragung der Zuständigkeit war daher nicht zu genehmigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)