OGH 7Nc20/09i

OGH7Nc20/09i5.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller und Dr. Hoch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Y***** D*****, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 22. 9. 2009, GZ 53 Ps 211/09f-2, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Graz-Ost wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Die 21-jährige Mutter der nun drei Monate alten, außerehelich geborenen Y*****, M***** D*****, ist als Asylwerberin im Flüchtlingsheim Feldkirchen bei Graz untergebracht. Sie stimmte zunächst einer Inkognitoadoption des Kindes zu, zog ihre Zustimmung am 15. 9. 2009 aber wieder zurück. Laut Mitteilung des Jugendwohlfahrtsträgers (JWT) Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Soziale Arbeit mit Familien, Bezirk 20, ist das Flüchtlingsheim Feldkirchen nicht in der Lage, einen Wohnplatz für Mutter und Kind zur Verfügung zu stellen. Das Kind wird derzeit bei den in Aussicht genommenen Adoptiveltern in Wien gepflegt und versorgt.

Der JWT hat an das Bezirksgericht Leopoldstadt am 22. 9. 2009 den Antrag gestellt, die gesamte Pflege und Erziehung wegen Gefährdung des Kindeswohls an ihn zu übertragen.

Das Bezirksgericht Leopoldstadt übertrug mit Beschluss vom selben Tag die Zuständigkeit gemäß § 44 JN dem Bezirksgericht Graz-Ost, in dessen Sprengel sich die Mutter aufhält. Der derzeitige Aufenthaltsort des Kindes in 1200 Wien sei nur vorübergehend und begründe keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn des § 109 Abs 1 JN.

Das Bezirksgericht Graz-Ost lehnte mit Beschluss vom 1. 10. 2009 die Übernahme mit der Begründung ab, diese liege nicht im Interesse der Pflegebefohlenen, die sich nicht in Graz aufhalte.

Daraufhin legte das Bezirksgericht Leopoldstadt den Akt gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache ist nicht zu genehmigen.

Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch der dem Pflegebefohlenen zugedachte Schutz voraussichtlich besser verwirklicht werden kann. Dafür müssen besondere Gründe vorliegen (RIS-Justiz RS0046984). Als Ausnahmebestimmung ist § 111 JN restriktiv auszulegen (7 Nc 5/08g mwN ua). Entscheidend ist allein das Wohl des Kindes (1 Nd 504/82 uva). Anzunehmen ist, dass es in der Regel dem Kindeswohl entspricht, wenn die Pflegschaftssache jenem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (4 Nd 507/95 mwN uva). Da sich Y***** derzeit nicht bei der Mutter in Feldkirchen bei Graz befindet, ist die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Graz-Ost nicht gerechtfertigt. Steht der künftige Aufenthalt - wie hier - noch nicht endgültig fest, ist eine Zuständigkeitsverlagerung nach ständiger Rechtsprechung abzulehnen (5 Nc 22/07s mwN).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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