OGH 7Nc13/16w

OGH7Nc13/16w11.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Höllwerth als Vorsitzenden und die Hofräte Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Mag. I***** Z*****, geboren am ***** 1957, *****, AZ 30 P 71/15p des Bezirksgerichts Weiz, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070NC00013.16W.0811.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Weiz vom 13. April 2015, GZ 30 P 71/15p‑439, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Leopoldstadt wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Begründung

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 25. 10. 2012 (ON 215) wurde für die Betroffene – nach Verfahrenseinleitung bei diesem Gericht im Jahr 2003 – Dr. T***** H*****, ein in Wien ansässiger Rechtsanwalt, zum Sachwalter zur Vertretung der Betroffenen vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt.

Mit Beschluss vom 16. 10. 2014 (ON 380) übernahm das Bezirksgericht Weiz die Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache nach § 111 JN im Hinblick auf eine Hauptwohnsitzmeldung der Betroffenen in dessen Sprengel. Tatsächlich hat sich aber die Betroffene dort nie aufgehalten, sondern war weiterhin in Wien wohnhaft.

Ein Antrag der Betroffenen auf Aufhebung der Sachwalterschaft ist bislang noch unerledigt. Beweis wurde dazu nur durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens aufgenommen. Unmittelbare Beweisaufnahmen durch das zuletzt zuständige Bezirksgericht Weiz sind dazu nicht erfolgt.

Das Bezirksgericht Weiz übertrug mit dem im Spruch genannten, in Rechtskraft erwachsenen Beschluss die Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Leopoldstadt. Es verwies im Wesentlichen auf den ständigen Aufenthalt der Betroffenen im Sprengel des überwiesenen Gerichts, dessen langjährige Sachkenntnis und die bislang bloß mittelbare Beweisaufnahme durch das übertragende Gericht.

Das Bezirksgericht Leopoldstadt lehnte die Übernahme des Akts unter Hinweis auf offene Anträge ab.

Das Bezirksgericht Weiz legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nach § 111 Abs 1 JN setzt voraus, dass dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies trifft dann zu, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird (RIS-Justiz RS0046929).

§ 111 Abs 1 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist, weshalb die Pflegschaftsaufgaben grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden sollen, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung liegt (RIS-Justiz RS0049144, RS0047027 [T10]).

2. Offene Anträge sprechen nicht grundsätzlich gegen eine Zuständigkeitsübertragung (vgl RIS‑Justiz RS0046929 [T3]), es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (RIS‑Justiz RS0047032). Letzteres trifft im vorliegenden Fall nicht zu, weil das übertragende Gericht zum allein noch offenen Antrag bislang selbst keine unmittelbaren Beweisaufnahmen durchgeführt hat (7 Nc 5/16v mwN). Demgegenüber verfügt das überwiesene Gericht über langjährige Erfahrung im Zusammenhang mit dieser Sachwalterschaftssache.

3. Für die Zuständigkeitsübertragung spricht neben dem Lebensmittelpunkt der Betroffenen im Sprengel des überwiesenen Gerichts zudem der Umstand, dass der für die Betroffene bestellte Sachwalter seinen Sitz ebenfalls in Wien hat.

4. Die Übertragung ist daher zu genehmigen.

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