Spruch:
Oberste Administrativbehörde iS des § 42 Abs. 2 JN ist die höchste Verwaltungsbehörde des betreffenden Verwaltungszweiges, in Angelegenheiten der Bodenreform der Oberste Agrarsenat, auch dann, wenn der Rechtszug im Einzelfall bei einer unteren Instanz enden würde
OGH 9. September 1982, 7 N 501/82 (KG Leoben 6 Cg 477/73)
Text
In den zu 6 Cg 477/73 des Kreisgerichtes Leoben zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien Franz K und Karl und Viktoria B gegen Peter M sprach das angerufene Gericht den Klägern mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 18. 11. 1975, ON 34, die aus dem Titel des Schadenersatzes begehrten Beträge zu, weil der Beklagte dem unanfechtbaren Bescheid der Agrarbezirksbehörde Leoben vom 15. 9. 1972 zuwider die den Klägern im Rahmen eines Grundzusammenlegungsverfahrens vorläufig zugewiesenen Grundstücke nicht rechtzeitig übergeben habe.
Der Oberste Gerichtshof wies den Antrag des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung auf Nichtigerklärung dieses Verfahrens gemäß § 42 Abs. 2 JN zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 1 Abs. 2 Agrarbehördengesetz 1950, BGBl. 1/1951, idF BGBl. 476/1974 stehen die Entscheidungen in den Angelegenheiten der Bodenreform in erster Instanz Agrarbezirksbehörden, in der Landesinstanz Landesagrarsenaten bei den Ämtern der Landesregierungen und in oberster Instanz dem Obersten Agrarsenate beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zu. Der Instanzenzug endet allerdings nach § 7 Abs. 1 leg. cit. mit den im Abs. 2 bezeichneten Ausnahmen beim Landesagrarsenate. Nach der zutreffenden Meinung der Antragstellerin liegt eine solche Ausnahme hier nicht vor. Es ist daher richtig, daß im Grundzusammenlegungsverfahren bei Streitigkeiten aus Eigentum und Besitz an nicht agrargemeinschaftlichen Grundstücken (§ 7 Abs. 2 Z 1) ein Instanzenzug an den Obersten Agrarsenat nicht gegeben ist.
Dennoch ist der Landesagrarsenat auch in solchen Fällen entgegen seiner Meinung nicht "oberste Administrativbehörde" iS des § 42 Abs. 2 JN. Als solche kommen nur die obersten Verwaltungsbehörden in Betracht, das sind in Angelegenheiten, die in den Bereich der Bundesverwaltung fallen, die zuständigen Bundesministerien und in Angelegenheiten, die durch die Landesverwaltung zu vollziehen sind, die jeweilige Landesregierung (Fasching I 270; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2] 16), also das der am Prozeßmangel interessierten Verwaltungsbehörde vorgesetzte oberste Organ (Petschek - Stagel, Der österreichische Zivilprozeß 142), in dessen Ressort die betreffende Angelegenheit in letzter Instanz gehört (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen[4] I 102). Dabei wurde (von allen genannten Autoren) niemals auf die Begrenzung des Instanzenzuges im Einzelfall abgestellt. Anfechtungsberechtigt ist nur die höchste Stelle des in seinem Bereiche sich beeinträchtigt fühlenden Verwaltungszweiges, an die sich im inneren Dienstwege jene Verwaltungsbehörde zu wenden hat, die die Sache beanspruchen zu müssen meint (Sperl, Lehrbuch der bücherlichen Rechtspflege I/1, 95). Das entspricht auch der Auslegung der gleichartigen Bestimmung des § 42 Abs. 2 VfGG, wonach unter der dort antragslegitimierten "zuständigen obersten Verwaltungsbehörde" des Bundes oder eines Landes nicht die oberste Instanz in einer bestimmten Rechtssache zu verstehen ist, sondern die höchste sachlich in Betracht kommende Verwaltungsbehörde an sich, jene Behörde also, in deren Kompetenz eine Angelegenheit fällt und die hinsichtlich dieser Angelegenheit ausschließlich weisungsberechtigt, nicht aber weisungsgebunden ist, also wieder im Bereich der Bundesverwaltung grundsätzlich die Bundesminister und im Bereich der Landesverwaltung die Landesregierung (Ermacora, Der Verfassungsgerichtshof 119 f.; VfGH Slg. 2425).
Die besondere Organisation der Agrarbehörden ändert daran nichts. Einerseits treten die zur Entscheidung über bestimmte Verwaltungsangelegenheiten berufenen weisungsfreien Kollegialbehörden iS des Art. 133 Z 4 B-VG wie hier der Oberste Agrarsenat (VfSlg. 637; VwSlg. 2300 A) in ihrem Zuständigkeitsbereich an die Stelle der sonst nach § 42 Abs. 2 JN (und ebenso nach § 42 Abs. 2 VfGG) berufenen Bundesministerien oder Landesregierungen (Fasching aaO 270; Ermacora aaO 120). Andererseits kommt die Vollziehung in den Angelegenheiten der Bodenreform nach der eingangs genannten Gesetzesbestimmung in oberster Instanz dem Agrarsenate beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zu, sodaß dieser Senat, auch wenn ihm gegenüber den gleichfalls als Kollegialorgan iS des Art. 133 Z. 4 B-VG eingerichteten Landesagrarsenaten (VfSlg. 3829 ua.) kein Weisungsrecht zukommt, für den Bereich der Agrarreform oberste Verwaltungsbehörde ist. Auch der Einrichtung des Obersten Agrarsenates als Bundesbehörde (Walter, Österreichisches Verfassungsrecht 590; Walter - Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechts[3] 227) in den Angelegenheiten der Agrarreform, deren Vollziehung an sich Landessache ist (Art. 12 B-VG; 1 Ob 39/80), kommt dann keine Bedeutung zu, selbst wenn der Instanzenzug im Einzelfall beim Landesagrarsenat endet und davon abgesehen wird, daß der Oberste Agrarsenat im Wege eines Devolutionsantrages auch in diesen Fällen zur Entscheidung berufen sein kann.
Im Ergebnis ist deshalb der wenn auch nicht näher begrundeten Ansicht von Fasching aaO 270 zu folgen, daß (in Angelegenheiten der Bodenreform) der Oberste Agrarsenat zur Antragstellung nach § 42 Abs. 2 JN berufen ist.
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