Spruch:
Der Anspruch auf den mangelnden Unterhalt gemäß § 796 ABGB kann nur auf eine Geldrente gerichtet sein, außer dem Ehegatten wurde durch Vertrag oder letzten Willen eine Naturalversorgung zugewendet
Eine Analogie zu § 14 Anerbengesetz, wonach der überlebende Ehegatte, der nicht Anerbe ist, das Recht hat, einen den ortsüblichen Lebensumständen angemessenen Unterhalt auf Lebenszeit (Ausgedinge) auf dem Erbhof zu verlangen, kann zur Füllung behaupteter Lücken des Tiroler Höfegesetzes nicht herangezogen werden
OGH vom 14. Oktober 1981, 6 Ob 8/81 (LG Innsbruck 1 R 107/81; BG Schwaz 1 C 21/80)
Text
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Gestattung der unentgeltlichen Benützung mehrerer Räume im Hause W (Tirol) Dorfstraße 6, in eventu die Benützung dieser Wohnung so lange, als sie darauf als Ehewohnung angewiesen sei. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Sie sei die Witwe des am 1. Dezember 1969 verstorbenen Richard A. Den von Richard A hinterlassenen geschlossenen Hof habe die Beklagte als Anerbin übernommen. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin finde in dem mit 200 000 S ausgemessenen Erbteil keine Deckung. Auch unter Berücksichtigung der von ihr bezogenen Pensionen von monatlich insgesamt 3766.66 S stehe der Klägerin im Rahmen des ihr gebührenden mangelnden anständigen Unterhaltes die Benützung der von ihr bisher im geschlossenen Hof ihrer Tochter bewohnten Räume zu. Der Anspruch gebühre ihr auch gemäß § 97 ABGB, weil die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Gatten der Klägerin verpflichtet sei, ihr die seinerzeitige Ehewohnung zu erhalten. Schließlich stützte die Klägerin ihren Anspruch "auch auf die ratio des Tiroler Höfegesetzes und auf das bäuerliche Gewohnheitsrecht" mit der Behauptung, es sei "an sich im bäuerlichen Lebensbereich eine Selbstverständlichkeit, die erblasserische Witwe auch ohne förmliche letztwillige Verfügung durch den Erblasser bis zu ihrem Tode auf dem Hof zu belassen".
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und bestritt den unmittelbaren Anspruch der Klägerin auf Benützung einer bestimmten Wohnung.
Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren ab und ging dabei von folgenden Feststellungen aus: Die Beklagte ist die Stieftochter der Klägerin. Der am 1. Dezember 1969 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbene Richard A war der Gatte der Klägerin und Vater der Beklagten. Er hinterließ nebst sonstigen Vermögenswerten den geschlossenen Hof "P" in EZ 33 I KG W. Der Übernahmswert des geschlossenen Hofes wurde nach dem Tiroler Höfegesetz im Verlassenschaftsverfahren mit 800 000 S festgesetzt. Der Hof wurde von der Beklagten als Anerbin übernommen. Der Klägerin als gesetzlicher Erbin zu einem Viertel fielen als Erbe 200 000 S (1/4 des Übernahmswertes des Hofes) und je zwei Achtel - Miteigentumsanteile an den Liegenschaften 37 II und 116 II je KG W und EZ 85 II KG X zu. Bei den beiden ersten Liegenschaften handelt es sich um eine Wiese und einen Wald. Die Liegenschaft EZ 85 II KG X stellt eine Alm dar.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der behauptete Unterhaltsanspruch im Sinne des gemäß Art. XXIII § 3 Abs. 2 BGBl. 280/1878 anzuwendenden § 796 ABGB aF sei schon deshalb nicht gegeben, weil ein Anspruch auf Naturalunterhalt nur bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft bestehe. Die Klägerin hätte also höchstens einen Anspruch auf Geldunterhalt, nicht aber einen Anspruch auf Überlassung einer konkreten Wohnung. Außerdem scheide ein unterhaltsmäßiger Anspruch auf Naturalleistungen in jenen Fällen, in denen nur der mangelnde anständige Unterhalt gebühre, schon begrifflich aus, weil es im gegenteiligen Falle im Belieben des Unterhaltsberechtigten stunde, auf welche fehlende Komponente seines Unterhaltsanspruches er sein persönliches Einkommen anrechnen und für welchen Teil des Unterhalts er eine Naturalforderung stellen wolle. Die Klägerin könne ihren Anspruch aber auch nicht auf § 97 ABGB stützen. Diese Bestimmung sei erst seit 1. Jänner 1976 in Kraft und regle außerdem nur die Beziehungen zwischen Ehegatten, sodaß eine Verpflichtung des Erben, dem überlebenden Teil die Ehewohnung zu überlassen, daraus nicht entnommen werden könne. Ein im bäuerlichen Rechtsbereich allgemein geübter und in seinem Gewicht einem Bestandteil des bäuerlichen Gewohnheitsrechtes gleichzusetzender Rechtsbrauch, wonach der Witwe des Hofbesitzers über die von ihr voll ausgeschöpften Erbansprüche hinaus noch die unentgeltliche Benützung der ganzen früheren Ehewohnung auf dem Hof zustehe, bestehe nicht. Dies könne auch aus dem Tiroler Höfegesetz nicht abgeleitet werden.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge, billigte die Rechtsansichten des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S übersteigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Auffassung der Klägerin, ihr Anspruch sei, soweit er aus § 796 ABGB abgeleitet werde, gerechtfertigt, kann nicht zugestimmt werden, dabei bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Ehegatte überhaupt und insbesondere bei aufgehobener Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Naturalunterhalt hat (vgl. dazu Reinl in JBl. 1969, 370 ff., 373). Für den Anspruch auf mangelnden Unterhalt gemäß § 796 ABGB ist es einhellige Auffassung, daß dieser nur auf eine Geldrente gerichtet sein kann, außer dem Ehegatten ist durch Vertrag oder letzten Willen eine Naturalversorgung zugewendet worden (Ehrenzweig[2] II/2, 180 f.;
Piekarski, Der gesetzliche Unterhaltsanspruch des Ehegatten, 74;
Anders, Familienrecht, 159). Dies wird damit begrundet, daß es sich um einen obligatorischen Anspruch gegen sämtliche Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile handelt (Piekarski a.a. O., 71), der Unterhaltsberechtigte also die Stellung eines Nachlaßgläubigers einnimmt (Weiß in Klang[2] III, 954). Der Hinweis der Klägerin auf § 672 ABGB vermag ihr nicht zu helfen, weil in dieser Bestimmung nur die den Umfang des Unterhaltes bestimmenden Komponenten aufgezählt sind, aber nicht die Art des Anspruches, nämlich ob diese Komponenten naturaliter oder durch Geldleistung zu befriedigen sind. Deshalb steht die Lehre auch auf dem Standpunkt, daß es im Falle eines Unterhaltslegates dem Beschwerten freisteht, ob er es in Natur oder in Form einer Geldrente leisten will (Weiß a.a. o., 582 f. mit weiteren Hinweisen in FN 13). Aus der Veröffentlichung der vom LGZ Wien stammenden, in der Revision angeführten Entscheidungen EFSLg. 6714, 8347 und 22 500 gehen die diesen Entscheidungen zugrunde gelegenen Sachverhalte und das jeweilige Urteilsbegehren nicht hervor. Den Veröffentlichungen ist nur zu entnehmen, daß sich die Entscheidungen mit der Frage des standesgemäßen bzw. anständigen Unterhaltes befaßten. Aus ihnen kann daher ebensowenig wie aus der vom OGH stammenden Entscheidung EFSlg. 13 588 (= MietSlg. 22 043), welche die Löschung eines im Grundbuch auf Grund einer als Unterhaltsvermächtnis beurteilten letztwilligen Verfügung für minderjährige Kinder einverleibten Wohnungsrechtes nach deren Selbsterhaltungsfähigkeit zum Gegenstand hatte, für die hier zu lösende Frage, ob aus den §§ 672, 796 ABGB (§ 976 ABGB ist hier - wie schon das Erstgericht zutreffend ausführte - gemäß Art. XXIII § 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl. 280, in der vor diesem Gesetz geltenden Fassung anzuwenden) ein Naturalanspruch auf die frühere Ehewohnung abzuleiten ist, etwas gewonnen werden.
Da die Klägerin nach diesen Ausführungen ihren Anspruch jedenfalls nicht aus § 796 ABGB ableiten kann, kann die Frage auf sich beruhen, ob ein Naturalunterhalt bei Ansprüchen auf mangelnden anständigen Unterhalt überhaupt begrifflich möglich ist.
Auf den § 97 ABGB kann der Anspruch der Klägerin entgegen ihrer Meinung - ohne daß es der Behandlung der Frage bedarf, ob der Anerbe Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger nach dem Erblasser ist (vgl. dazu RZ 1972, 89) und ob diese Bestimmung mit Rücksicht auf den Beginn ihrer Wirksamkeit (1. Jänner 1976) anwendbar ist - schon deshalb nicht gestützt werden, weil Berechtigte und Verpflichtete im Sinne dieser Bestimmung, deren Zweck darin besteht, den einen Ehegatten in seinem Anliegen auf Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen Ehegatten zu schützen (Schwind, Eherecht[2], 77 EvBl. 1978/37.121), nur die Ehegatten sind (Ent - Hopf, Neuordnung der persönlichen Rechtswirkung der Ehe, 154).
Schließlich hält die Klägerin noch an ihrer Auffassung fest, der geltend gemachte Anspruch könne aus dem bäuerlichen Gewohnheitsrecht begrundet werden. Es stelle nämlich eine echte Gesetzeslücke dar, wenn das Tiroler Höfegesetz keinen Versorgungsanspruch der Witwe kenne. Aus dieser fehlenden Regelung könne nicht auf eine Ablehnung eines solchen Versorgungsanspruches durch das Tiroler Höfegesetz geschlossen werden. Das Klagebegehren sei keines contra legem, sondern höchstens eines praeter legem. Es könne sich "nicht auf eine ausdrückliche Norm stützen". Auch das Erstgericht habe darauf hingewiesen, daß bei Erbfolge und bei sonstigem Eigentumsübergang eines geschlossenen Hofes die rechtlichen Gebräuche nicht ganz außer Betracht bleiben dürfen und der Witwe in solchen Fällen ein Ausgedinge eingeräumt werde. Gerade der Begriff "anständiger" Unterhalt verlange es, daß die Witwe, die oft jahrzehntelang durch schwere Arbeit zur Erhaltung des Hofes beigetragen habe, in ihren alten Tagen dort bis zum Tod verbleiben könne. Das Schweigen der österreichischen Bundesverfassung könne nicht als völlige Ablehnung eines Gewohnheitsrechtes gedeutet werden. Es wäre wünschenswert, daß die Rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit § 796 ABGB und der aufgezeigten Gesetzeslücke des Tiroler Höfegesetzes die Notlage vermeiden helfe, in welche eine bäuerliche Witwe im Tiroler Bereich geraten könne, während eine andere Witwe im Bereich der Geltung des Anerbengesetzes davon durch § 14 Anerbengesetz verschont bliebe.
Darüber, daß es keine Norm des Tiroler Höfegesetzes gibt, nach welcher der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf die frühere Ehewohnung zusteht, besteht wohl auch für sie kein Zweifel, da sie zugibt, ihren Anspruch nicht auf eine ausdrückliche Norm stützen zu können. Sofern die Klägerin mit diesen Ausführungen die Füllung der von ihr behaupteten "echten Gesetzeslücke" des Tiroler Höfegesetzes durch analoge Anwendung des § 14 Anerbengesetz anstrebt, muß dies schon daran scheitern, daß eine solche analoge Anwendung nicht in Betracht kommen kann, weil § 21 Anerbengesetz die Geltung des Anerbengesetzes unter anderem für Tirol ausdrücklich ablehnt.
Den Revisionsausführungen zur Frage des Gewohnheitsrechtes muß entgegengehalten werden, daß auch nach Auffassung der Befürworter des Gewohnheitsrechtes als Rechtsquelle daran festzuhalten ist, daß eine tatsächliche Übung in der Rechtsgemeinschaft bestehen muß, die auf der Überzeugung beruht, daß die Maxime dieses Verhaltens geltendes Recht darstellt (vgl. Bydlinski in Klang[2] IV/2, 167 in FN 212; Koziol - Welser, Grundriß des Bürgerlichen Rechts I[5], 32; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft[4], 345), es im vorliegenden Fall aber nach dem Akteninhalt schon an der tatsächlichen allgemeinen Übung der Gestattung der unentgeltlichen Benützung der früheren Ehewohnung durch die Witwe auf dem Hofe fehlt, wobei auch die Klägerin keinen konkreten Hinweis auf die Unrichtigkeit der diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichtes zu geben vermag. Die Klägerin kann daher ihren Anspruch nicht aus einem bäuerlichen Gewohnheitsrecht herleiten.
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