Normen
ABGB §1170
ABGB §1333
Bundes-Abgabenordnung §21
Umsatzsteuergesetz 1972 §1
ABGB §1170
ABGB §1333
Bundes-Abgabenordnung §21
Umsatzsteuergesetz 1972 §1
Spruch:
§ 1 Umsatzsteuergesetz 1972 - Wenn die Zahlung der vereinbarten Stornogebühr wirtschaftlich die Leistung des bereits auf Grund des Werkvertrages geschuldeten, wegen des unterbliebenen vollen Leistungsaustausches gemäß § 1168 ABGB zu kürzenden Entgeltes darstellt, besteht Umsatzsteuerpflicht. Ab Eintritt des Verzuges ist der Entgeltsbetrag einschließlich der in ihm enthaltenen Umsatzsteuer - unabhängig Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld des Unternehmers - zu verzinsen (abweichend von SZ 48/140). Soweit die Umsatzsteuerpflicht reicht, sind auch die Verzugszinsen in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen. Soweit dagegen Verzugszinsen vom Umsatzsteuerbetrag zu vergüten sind, hat es beim gesetzlichen Zinsfuß von 4% zu verbleiben, weil Umsatzsteuer von der Umsatzsteuer (und deren Zahlungszuschlägen) nicht geschuldet wird
OGH 14. März 1979, 6 Ob 784/78 (LGZ Graz 1 R 158/78; BG ZRS Graz 2 Cg 604/76)
Text
Die klagende Partei begehrt von der Beklagten eine "Stornogebühr" von 16 298 S, d. s. 40% der Auftragssumme zuzüglich 16% Umsatzsteuer 14 050 S + 2248 S) nach dem von den Beklagten der ARGE M erteilten Werkauftrag vom 6. September 1974. Vom Klagsbetrag begehrt die klagende Partei 8.5% Zinsen seit 17. Oktober 1975 zuzüglich 16% Umsatzsteuer von den Zinsen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenteilbegehrens von 4.5% - statt. Es kam zusammenfassend zu folgender rechtlichen Beurteilung; Die ARGE M sei als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen. Als solche sei sie im Sinne des § 26 ABGB wie eine natürliche Person rechtsfähig. Sie habe als solche mit den Beklagten Verträge schließen können. Über die Veräußerung des von der Arbeitsgemeinschaft betriebenen Unternehmens an die Klagerin sei ein gültiger Kaufvertrag zustandegekommen, weil alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft dieser Veräußerung ausdrücklich oder schlüssig zugestimmt haben. Die Klägerin könne daher die der Arbeitsgemeinschaft gegen die Beklagten zustehenden Vertragsrechte geltend machen. Die Tatbestände nach §§ 27 und 28 UWG seien nicht erfüllt. Der Bestellung der Beklagten läge keine Irreführung durch den Vertreter Sch. zugrunde. Im Werkvertrag sei auch keine Sittenwidrigkeit zu erblicken. Die Beklagten seien ungerechtfertigt vom Vertrag zurückgetreten. Sie schuldeten daher die vereinbarte Stornogebühr. Diese unterläge zwar als Konventionalstrafe im Sinn des § 1336 ABGB grundsätzlich der richterlichen Mäßigung, die Klägerin habe aber einen erlittenen Schaden in der Höhe des vereinbarten Betrages nachgewiesen, so daß keine Übermäßigkeit vorliege. Die Klagsforderung sei daher auch der Höhe nach berechtigt. Sie sei seit 17. Oktober 1975 fällig. Von diesem Tag an sei der Klagsbetrag zum gesetzlichen Zinsfuß von 4% zu verzinsen.
Das Berufungsgericht wies in Abänderung dieser Entscheidung das - gesamte streitverfangen gebliebene - Begehren ab. Es führte unter Bezugnahme auf die in SZ 45/102 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht aus, daß ein zum Vertragsabschluß führendes Anbot nicht an eine individuell bezeichnete Person gerichtet sein müsse, sondern daß es vielmehr genüge, daß der Anbotsteller feststellbar sei. Durch die Annahme des Anbotes sei ein Vertrag zwischen den Beklagten und zwar nicht der Arbeitsgemeinschaft selbst, weil dieser keine Rechtspersönlichkeit zukomme, wohl aber mit den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft zustande gekommen. Auch wenn in die Bezeichnung des von der Arbeitsgemeinschaft geführten Unternehmens kein Name eines ihrer Mitglieder aufgenommen worden sei, seien die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für den Beklagten doch feststellbar gewesen. Mangels Zustimmung der Beklagten zu einer Übernahme des von ihnen mit der Arbeitsgemeinschaft geschlossenen Vertrages auf der Unternehmerseite durch die Klägerin, bestehe zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis. Die Klägerin sei daher nicht befugt, Ansprüche aus Vertragsverletzungen gegen die Beklagten geltend zu machen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge und sprach ihr den Betrag von 16 298 S samt 4.64% Zinsen von 14 050 S und 4% Zinsen von 2248 S jeweils seit 17. Oktober 1975 zu. Das Zinsenmehrbegehren auf Zahlung von 4.5% Zinsen von 16 298 S seit 17. Oktober 1975 sowie das Begehren auf Zahlung von 16% Umsatzsteuer aus dem vom Betrag von 2248 S zu errechnenden Zinsenbetrag wurden abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Forderung auf Leistung einer sogenannten Stornogebühr setzt zunächst das wirksame Zustandekommen eines Vertrages zwischen den Beklagten und der in den Werkaufträgen genannten Arbeitsgemeinschaft voraus. Diese war im Sinn der herrschenden Lehre und Rechtssprechung nicht als juristische Person zu qualifizieren, wie das Erstgericht angenommen hat. Die Vertragsstellung auf Unternehmerseite konnte daher nur der in der Arbeitsgemeinschaft zusammengefaßten Personenmehrzahl, nicht aber einer von diesen verschiedenen Rechtsperson zukommen. Das Berufungsgericht hat nicht nur dies richtig erkannt. Es hat auch zutreffend dargelegt, daß die positive Kenntnis der Beklagten um die Identität der einzelnen in der Arbeitsgemeinschaft zusammengefaßten Gesellschafter für die erforderliche Bestimmbarkeit der Vertragspartner nicht vonnöten war. Die objektive Bestimmbarkeit der einzelnen in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Personen, in deren Namen der Vertreter Sch. aufgetreten war und in deren Namen auch den Beklagten die Auftragsbestätigung vom 12. September 1974 zuging, reichte für einen wirksamen Vertragsabschluß hin.
Der festgestellte Inhalt des Vertrages, einschließlich der vom Vertreter Sch. gemachten Provisionszusage, begrundet entgegen der von den Beklagten verfochtenen Ansicht keine Anfechtbarkeit. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft vereinbarten mit der klagenden KG im Kaufvertrag über das von der Arbeitsgemeinschaft betriebene Unternehmen, daß die Kommanditgesellschaft in alle laufenden und noch nicht abgeschlossenen Aufträge mit allen Rechten und Pflichten eintrete, die Kunden an die Arbeitsgemeinschaft vor dem 31. Dezember 1974 erteilt haben. Den Beklagten ist zuzugeben, daß es zur Wirksamkeit der damit auch in Ansehung des mit ihnen geschlossenen Werkvertrages zwischen weichendem und eintretendem Unternehmer vereinbarten Vertragsübernahme ihrer Zustimmung als Besteller bedurfte. Für die Annahme einer schlüssigen Vorwegzustimmung fehlt es an hinreichenden Behauptungen und Beweisen. Keinesfalls dürfte in der bereits erwähnten Berechtigung des Unternehmers die von ihm geschuldeten Arbeiten durch einen von ihm ausgewählten Verarbeitungsbetrieb ausführen zu lassen, schon eine Zustimmung zu einem Eintritt eines noch unbestimmten dritten Unternehmers als Vertragspartners in die gesamte Vertragslage erblickt werden.
Damit ist aber für die Revisionswerber nichts gewonnen. Nach dem festgestellten Sachverhalt haben nämlich sie im Jahr 1975 das Stornoschreiben an die klagende Partei gerichtet. Die darin erklärte mangelnde Bereitschaft zur Vertragszuhaltung beruhte weder auf einem vertraglich noch auf einem gesetzlich begrundeten Gestaltungsrecht. Die Stornoerklärung der Revisionswerber war nach ihrem rechtserheblichen Inhalt vielmehr bloß die Erklärung, den abgeschlossenen Vertrag nicht erfüllen zu wollen. Diese Erklärung war nach ihrem Inhalt an den Vertragspartner beabsichtigt. Sollte dieser - mangels einer nachträglichen schlüssigen Zustimmung der Revisionswerber zur Vertragsübernahme durch die klagende Partei nach wie vor die ARGE gewesen sein, mußte doch die klagende Partei nach dem mit der ARGE geschlossenen Vertrag als ermächtigt angesehen werden, eine Stornoerklärung namens der ARGE entgegenzunehmen.
Die Stornoerklärung der Revisionswerber löste also die Fälligkeit eines der Stornogebühr entsprechenden Teiles des vereinbarten Entgelts aus. Die Klagsforderung beruht nicht auf der Ausübung eines Gestaltungsrechtes durch die klagende Partei, wozu diese erst bei einem voll wirksamen Eintritt in die gesamte Vertragstellung berechtigt gewesen wäre. Die Klagsforderung ist vielmehr ein Teil jener Ansprüche, die die ARGE wirksam an die klagende Partei abgetreten hat. Zu dieser Abtretung bedurfte es keiner Zustimmung oder sonstigen Mitwirkung der Revisionswerber als der Schuldner. Die Forderungsberechtigung der klagenden Partei wurde daher zurecht angenommen.
Die Höhe der vereinbarten Stornogebühr übersteigt nach den getroffenen Feststellungen den im Sinne des § 1168 Abs. 1 ABGB gekürzten Entgeltanspruch nicht. Damit fehlt es auf jeden Fall an den Voraussetzungen für ein richterliches Mäßigungsrecht im Sinne des § 1336 Abs. 2 ABGB. Daher erübrigt sich auch eine Prüfung, wieweit der Erstbeklagte den Werkauftrag als Gastwirt im Rahmen seines Handelsgewerbes abgeschlossen hat (§§ 348, 351 HGB).
Die klagende Partei begehrt im Sinne ihrer Stornorechnung vom 40%igen Stornobetrag auch Umsatzsteuer im Ausmaß von 16%. Wäre der Stornobetrag steuerrechtlich als eine echte Vertragsstrafe zu werten, läge kein umsatzsteuerbarer Vorgang vor (vgl. Kranich - Siegl - Waba, Komm. II zu § 1, 38 in Anm. 139 sowie zu § 4, 23 in Anm. 53; auch Doralt - Haßler - Sauerland, Die österr. Umsatzsteuer, 170 f.). Bei der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist vor allem der wirtschaftliche Zweck der Leistung und nicht so sehr die von den Parteien darüber getroffene Vereinbarung und schon gar nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung maßgebend. Die Zahlung der vereinbarten Stornogebühr stellt wirtschaftlich die Leistung des bereits auf Grund des Werkvertrages geschuldeten, wegen des unterbliebenen vollen Leistungsaustausches aber gemäß § 1168 ABGB zu kürzenden Entgelts dar. Die klagende Partei (ihre Zedentin) hatte als Unternehmer im Hinblick auf die konkrete Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen bereits Aufwendungen - vor allem Provisionszahlungen - erbracht, die im Rahmen des wirtschaftlichen Austauschverhältnisses abzugelten waren. Zwar wurde der Leistungsaustausch in einem Stadium abgebrochen, noch ehe die Beklagten als Besteller tatsächlich wirtschaftliche Werte in Empfang nahmen. Das ändert aber daran nichts, daß die klagende Partei (ihre Zedentin) bereits wegen des vereinbarten Leistungsaustausches Aufwendungen erbrachte und die Beklagten dafür einen Teil des vereinbarten Entgelts zu zahlen haben. Deshalb unterliegt die Einnahme des Unternehmers in diesem Fall nach Ansicht des erkennenden Senates der Umsatzsteuerpflicht.
Die Revisionswerber schulden daher infolge ihrer ungerechtfertigten Stornoerklärung 40% der Auftragssumme zuzüglich Umsatzsteuer.
Gegen die Fälligkeit des Klagsbetrages mit spätestens 17. Oktober 1975 haben die Beklagten nichts eingewendet; sie ist auch nach der jedenfalls vor diesem Tag anzusetzenden Stornoerklärung der Revisionswerber unbedenklich.
Die Umsatzsteuerbeträge sind bürgerlich-rechtlich Teil des vereinbarten Entgelts. Sie werden unabhängig von der Entstehung der Steuerschuld des Unternehmers (vgl. § 19 Abs. 2 UStG 1972) im privatrechtlichen Verhältnis zwischen Unternehmer und Besteller dann fällig, wenn die Entgeltforderung als solche fällig wird (so auch im Fall eines Kaufpreises einschließlich Umsatzsteuer bei Annahmeverzug des Käufers: SZ 48/140). An diese bürgerlich-rechtliche Fälligkeit knüpft sich die Verzugsfolge des § 1333 ABGB. Daher ist der volle Entgeltbetrag einschließlich der in ihm enthaltenen Umsatzsteuer ab Eintritt des Verzuges zu verzinsen. Die gegenteilige Auffassung, wie sie in SZ 48/140 ausgeführt wurde, berücksichtigt nicht ausreichend die durch den Schuldnerverzug vereitelte Möglichkeit einer sofortigen Verfügung des Gläubigers über den Geldbetrag (jederzeitige Anlagemöglichkeit oder der Möglichkeit zur Verringerung des eigenen Kreditschuldenstandes). Dieser Gesichtspunkt vermag mit dem Argument, daß es sich beim Umsatzsteuerbetrag im Vermögen des Unternehmers wirtschaftlich nur um eine Durchlaufpost handle, nicht entkräftet zu werden. Die in SZ 48/140 ausgeführte Ansicht über die Verzinsung eines zivilrechtlich fälligen Umsatzsteuerbetrages, in Ansehung dessen die Steuerschuld des Unternehmers erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht, wird daher nicht aufrecht erhalten.
Zinsen gebühren also vom gesamten Klagsbetrag ab 17. Oktober 1975.
Was letztlich die von den Verzugszinsen begehrten Umsatzsteuerbeträge anlangt, ist zu erwägen:
Verzugszinsen sind nach dem klaren Wortlaut des § 1333 ABGB eine Vergütung für die Verzögerung der geschuldeten Zahlung. Sie stellen also den Ausgleich für eine Leistungsstörung dar und stehen damit außerhalb des planmäßigen Leistungsaustausches. Die Finanzlehre und -praxis steht aber seit der Einführung des UStG vom 16. Oktober 1934, dRGBl. I 942, unverändert auf dem Standpunkt, daß bei der steuerrechtlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise Verzugszinsen ebenso wie Ziel- und Stundungszinsen als "Zahlungszuschläge" Entgeltbestandteile sind und daher die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage erhöhen (zum UStG 1934: Strack, Das Umsatzsteuerrecht, Orac 1956, 464 in Kap. 118 und 599 in Kap. 176; zum geltenden Recht: Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Komm. z. UStG 1972, 63 in Anm. 1 zu § 4 und S 90/3 in Anm. 10 zu § 6; Kranich - Siegl - Waba, Komm. z. MehrwertsteuerG II, Anm. 11-13 zu § 4 UStG; VwGH 17. September 1963, Z. 2075/61, VwGH-Slg. 2925 (F)). Diese Betrachtungsweise legte das Revisionsgericht auch bereits seiner Entscheidung vom 14. Dezember 1976, 4 Ob 580/76, zugrunde. Der erkennende Senat sieht sich nicht bestimmt, von dieser Ansicht ab zugehen.
Soweit die Umsatzsteuerpflicht reicht, sind also auch die Verzugszinsen in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen. Bei einem Anspruch auf gesetzliche Verzugszinsen im Ausmaß von 4% beträgt daher bei Anwendung eines Umsatzsteuersatzes von 16% der vom Schuldner dem Gläubiger zu leistende Hundertsatz 4.64% (= 4% x 1.16).
Soweit dagegen Verzugszinsen vom Umsatzsteuerbetrag zu vergüten sind, hat es beim gesetzlichen Zinsfuß von 4% zu verbleiben, weil Umsatzsteuer von der Umsatzsteuer (und deren Zahlungszuschlägen) nicht geschuldet wird (§ 4 Abs. 11 UStG 1972).
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