OGH 6Ob77/18v

OGH6Ob77/18v24.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Engelhart & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Christine Fädler, Rechtsanwältin in Wien, wegen 6.299,10 EUR sA, 1. (6 Ob 77/18v) über den (richtig) Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. August 2017, GZ 60 R 57/17p‑53, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 31. Mai 2017, GZ 4 C 670/11z‑48, bestätigt wurde, und 2. (6 Ob 78/18s) über den (richtig) Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. August 2017, GZ 60 R 56/17a‑54, womit 1. die Parteibezeichnung der klagenden Partei berichtigt wurde und 2. die Berufung gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 20. Dezember 2011, GZ 4 C 670/11z‑8, verworfen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00077.18V.0524.000

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs gegen den angefochtenen Beschluss ON 53 wird zurückgewiesen.

2. Der Rekurs gegen den angefochtenen Beschluss ON 54 wird zurückgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42, EUR USt) bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Das Erstgericht verurteilte mit Versäumungsurteil vom 20. 12. 2011 die beklagte Partei im Sinne des Klagebegehrens. Das Versäumungsurteil wurde der beklagten Partei am 16. 1. 2012 zugestellt. Ein bereits davor von der beklagten Partei gestellter Verfahrenshilfeantrag wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 15. 12. 2011 abgewiesen. Der dagegen von der beklagten Partei erstattete Schriftsatz vom 29. 1. 2012 wurde als Rekurs gewertet. Mit Beschluss des Rekursgerichts vom 25. 4. 2012 wurde diesem Rekurs nicht Folge gegeben. Diese Entscheidung wurde der beklagten Partei durch Hinterlegung am 11. 12. 2012 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Innerhalb der von diesem Zeitpunkt an zu rechnenden vierwöchigen Berufungsfrist (§ 464 Abs 1; § 528 Abs 2 Z 2 und 4 ZPO; RIS‑Justiz RS0120072 [T3]) wurde keine Berufung eingebracht.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 10. 3. 2017 bewilligte das Erstgericht der Beklagten die Verfahrenshilfe mit Beigebung eines Rechtsanwalts.

Mit am 5. 5. 2017 eingebrachtem Schriftsatz beantragte die nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Besuchs der Tagsatzung am 20. 12. 2011 und erhob hilfsweise gegen das Versäumungsurteil den Widerspruch gemäß § 397a ZPO, hilfsweise Berufung.

Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und den Widerspruch ab.

Das Handelsgericht Wien gab als Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss ON 53 dem Rekurs der Beklagten gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags nicht Folge und sprach aus, der Revisionsrekurs sei jedenfalls unzulässig.

Als Berufungsgericht sprach das Handelsgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss ON 54 aus, die Parteibezeichnung der klagenden Partei werde berichtigt und die Berufung werde – weil verspätet – verworfen.

Gegen die genannten Beschlüsse richtet sich die als „Revision“ bezeichnete Eingabe der Beklagten, die aber als verspätet zurückzuweisen ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Die unrichtige Benennung eines

Rechtsmittels hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS‑Justiz RS0036258).

Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Beschluss ON 53 richtet, liegt ein Revisionsrekurs iSd § 528 ZPO vor.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Beschluss ON 54 richtet, handelt es sich um einen Rekurs gegen einen Beschluss im Berufungsverfahren, auf den § 519 ZPO anzuwenden ist.

2. Die angefochtenen Beschlüsse wurden der Beklagtenvertreterin am 6. 9. 2017 zugestellt. Die dagegen erhobene „Revision“ ohne Unterschrift eines Rechtsanwalts wurde am 3. 10. 2017 zur Post gegeben. Der vom Erstgericht in der Folge erteilte Verbesserungsauftrag (anwaltliche Unterschrift) wurde zunächst an die Beklagte direkt (unwirksam, vgl RIS‑Justiz RS0036352 [T2]), aber erst am 31. 10. 2017 der Beklagtenvertreterin zugestellt. Die nunmehr mit Anwaltsunterschrift unterfertigte „Revision“ der Beklagten langte am 8. 11. 2017 beim Erstgericht ein.

3. Da hier in keiner Konstellation ein Fall, in dem die Rekursfrist vier Wochen beträgt (§ 521 Abs 1 ZPO: gegen einen Endbeschluss oder einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO), vorliegt, beträgt sie gemäß § 521 Abs 1 Satz 1 ZPO 14 Tage. Nach der wirksamen Zustellung der angefochtenen Beschlüsse am 6. 9. 2017 war gemäß § 521 Abs 2 ZPO der letzte Tag der Rekursfrist somit der 20. 9. 2017. Das am 3. 10. 2017 zur Post gegebene Rechtsmittel war daher verspätet. Daran ändert auch der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts nichts, weil dieser wegen schon vorliegender Fristversäumung unzulässig war und die bereits eingetretene Fristversäumung nicht mehr sanieren konnte (RIS‑Justiz RS0110935). Da die Vorinstanzen ihrer Pflicht, das verspätete Rechtsmittel zurückzuweisen, nicht nachgekommen sind (§ 523 ZPO; RIS‑Justiz RS0044025; Kodek in Rechberger, ZPO4 § 523 Rz 1), war dies vom Obersten Gerichtshof auszusprechen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

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