Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.094,85 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 823,35 Umsatzsteuer und S 5.038,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte die Feststellung, daß er aufgrund der Mietverträge vom 19. Dezember 1985 Hauptmieter der Bestandräumlichkeiten Nr. 1, 2, 5 und 6 im Hause Wien 7, Lerchenfelder Gürtel 6, sei. Er brachte vor, er habe die Verträge mit den zu drei Viertel berechtigten Mehrheitseigentümern abgeschlossen. Der Beklagte, der nur zu einem Viertel Miteigentümer des Hauses sei, bestreite die Mietrechte des Klägers, sei aber an die von der Eigentümermehrheit abgeschlossenen Mietverträge gebunden. Der Beklagte wendete insbesondere ein, die Verträge mit dem Kläger enthielten ungewöhnliche Bestimmungen. So sei als Verwendungszweck die Benützung durch "Hostessen" festgelegt. Außerdem seien die Mietverträge mit einer Vereinbarung gekoppelt, wonach der Kläger an einzelne der Vermieter eine Entschädigungszahlung von monatlich S 9.000,- zu entrichten habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:
Der Kläger hat mit Ing. Franz G***, Maria S*** und Gerhard S***, die im Abschlußzeitpunkt insgesamt zu drei Viertel Miteigentümer der Liegenschaft Wien 7, Lerchenfelder Gürtel 6 waren, am 19. Dezember 1985 zwei Verträge abgeschlossen, mit welchen ihm die Mehrheitseigentümer die Bestandeinheiten Nr. 1, 2, 5 und 6 im Haus gegen einen monatlichen Zins von S 24,40 pro Quadratmeter vermietet haben. In beiden Verträgen ist festgehalten, daß der Mietgegenstand nur "zur Verwendung durch Hostessen verwendet werden" dürfe. Außerdem traf der Kläger mit Maria und Gerhard S*** unter Beitritt des Vierteleigentümers Ing. Franz G*** am selben Tag eine "Vereinbarung über Entschädigungszahlung", mit welcher er sich verpflichtete, an Maria und Gerhard S*** eine monatliche "Entschädigung" von S 9.000,- zuzüglich Umsatzsteuer, "mindestens jedoch monatlich S 8.000,-" zusätzlich Umsatzsteuer auf das Konto der Maria S*** und des Gerhard S*** einzuzahlen. In den Punkten 4 und 7 dieser Vereinbarung ist ferner festgehalten:
"4. Der Nachteil der - bedingt durch die Nutzung durch Hostessen - zusätzlich stattfindenden Lärmbelästigung in der Nacht und tagsüber, der allgemeinen Minderung der Wohnqualität von Maria und Gerhard S*** sowie der Schaden, der Gerhard S*** dadurch entsteht, daß er verzichtet, eine Geschäftstätigkeit auf top 1 und 2 sofort aufzunehmen und der Schaden, der durch den Wettbewerbsnachteil Gerhard S*** dadurch entsteht, daß er seine Geschäftstätigkeit im 1. Stock entfalten wird müssen sowie der allgemeine Imageverlust wird Maria und Gerhard S*** sowie deren ev. Rechtsnachfolger von Hrn. Anton S*** mit einer
monatlichen Entschädigungszahlung abgegolten .... 7. Ausdrücklich vereinbart ist, daß die Nichtzahlung dieser Entschädigungszahlung - da sie im kausalem Zusammenhang mit der Nutzung der von Hrn. Anton S*** gemieteten Lokale
steht - Maria und Gerhard S*** berechtigen, genauso wie bei Nichtzahlung der Miete von den Mietverträgen für top 1, 2, 5 und 6 zurückzutreten und das Mietverhältnis aufzukündigen".
Die Wohnung Nr. 5 war bereits mit Vertrag vom 2. Jänner 1985 für Hostessenzwecke in Untermiete gegeben worden. Außerdem befindet sich schon seit 1984 ein Hostessenbetrieb (Bordell) im Haus. Der Beklagte, dem diese Umstände bekannt waren, war weder dem Abschluß der Mietverträge zugezogen worden, noch hat er diesen bzw. der "Vereinbarung über Entschädigungszahlung" zugestimmt. In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Wirksamkeit der mit der Mehrheit der Miteigentümer abgeschlossenen Mietverträge gegenüber dem Beklagten, weil die Vermietung zur Verwendung durch Hostessen sowie die Vereinbarung über Entschädigungszahlung als Vereinbarungen ungewöhnlichen Inhaltes anzusehen seien, sodaß gemäß § 834 ABGB die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer geboten sei. Da der Beklagte den Mietverträgen nicht zugestimmt habe, seien diese nicht gültig zustande gekommen und der Kläger sei auch nicht als Mieter der im Begehren genannten Bestandobjekte anzusehen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Feststellungsbegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-
übersteige. Es führte aus, wenn auch die Feststellungen des Erstgerichtes unbekämpft geblieben seien, sehe es sich doch zur Klarstellung veranlaßt, daß Maria und Gerhard S*** bei Abschluß der Mietverträge vom 19. Dezember 1985 nicht selbst Miteigentümer der Liegenschaft, sondern - wie sich aus dem Akt 38 C 652/86 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien ergebe - die erbserklärten Erben nach dem am 3. Juli 1985 verstorbenen Hälfteeigentümer Richard S*** gewesen seien. Mit Beschluß vom 20. November 1985 habe das Verlassenschaftsgericht den beiden erbserklärten Erben jedoch die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß § 145 AußStrG und § 810 ABGB überlassen. Sie seien daher auch ohne Befassung des Verlassenschaftsgerichtes berechtigt gewesen, Mietverträge abzuschließen. Das Erstgericht habe nicht festgestellt, ob bei Abschluß der Mietverträge ein gemeinsamer Verwalter der Liegenschaft von sämtlichen Miteigentümern bestellt gewesen sei. Aber selbst wenn die Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung infolge Bestellung eines gemeinsamen Verwalters ausschließlich von diesem wahrzunehmen seien, wäre ein von der Mehrheit ungeachtet der Bestellung eines gemeinsamen Verwalters mit einem Dritten abgeschlossener Mietvertrag, sofern er keine außergewöhnlichen Bedingungen enthalte, wirksam. Der Abschluß eines Mietvertrages zum vereinbarten Verwendungszweck als "Hostessen-Wohnung" stelle zwar eine wichtige Veränderung dar, von einer solchen könne aber dann keine Rede sein, wenn im Hause auch schon andere Bestandobjekte mit Wissen und Willen des Minderheitseigentümers zur Ausübung der Prostitution vermietet worden seien. Auch sonst enthielten die Hauptmietverträge keine außergewöhnlichen Bedingungen. Wohl stehe die "Vereinbarung über Entschädigungszahlung" mit den Mietverträgen in unmittelbarem Zusammenhang, zumal dort für den Fall der Nichtzahlung der vereinbarten Entschädigung sogar das Recht der Vermieter zur Auflösung oder Aufkündigung der Mietverhältnisse vorgesehen sei. Dennoch betreffe diese Zusatzvereinbarung keine Ansprüche der Maria und des Gerhard S*** in ihrer Eigenschaft als Vermieter, sondern Entschädigungen für die Beeinträchtigung ihrer Mietrechte in der im
1. Stock gelegenen Wohnung Nr. 9. Der ungewöhnliche Inhalt dieser Vereinbarung könne somit daran nichts ändern, daß die Mietverträge an sich mangels ungewöhnlichen Inhaltes als Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung gemäß § 833 ABGB auch gegenüber dem Beklagten wirksam zustande gekommen seien. Ob der Beklagte Anspruch auf einen Teil der vereinbarten Entschädigungszahlung hätte, weil die Vereinbarung möglicherweise eine Mietzinsvereinbarung darstelle und daher nur in Umgehungsabsicht getroffen worden sei, sei in diesem Verfahren nicht zu prüfen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist berechtigt.
Soweit er allerdings als Feststellungsmangel rügt, daß Maria und Gerhard S*** zum Abschluß der beiden Mietverträge nur in Vertretung der Verlassenschaft nach Richard S*** berechtigt gewesen wären, genügt der Hinweis auf die Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz, daß seiner Entscheidung ohnehin diese Eigentumsverhältnisse zugrundegelegt hat. Ob die übrigen vom Beklagten behaupteten Feststellungsmängel vorliegen, wird erst bei Darlegung der Rechtslage zu erörtern sein.
Strittig ist die Frage, ob die von den Miteigentümern, denen die Liegenschaft insgesamt zu drei Viertel zugeschrieben ist, abgeschlossenen Mietverträge den Beklagten als Eigentümer des restlichen Viertelanteiles binden. Damit im engen Zusammenhang steht die weitere Frage, ob die beiden erbserklärten Erben Maria und Gerhard S*** mit den Mietverträgen die von ihnen vertretene Verlassenschaft auch ohne abhandlungsbehördliche Genehmigung der Verträge binden konnten.
Der Beklagte wurde den Vertragsverhandlungen nicht beigezogen und hat den Verträgen auch seine Zustimmung verwehrt. Er wäre aber an die Mietverträge ungeachtet dieser Umstände gebunden, wenn deren Abschluß als Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung gemäß § 833 ABGB und nicht als wichtige Veränderung im Sinne der §§ 834 und 835 ABGB zu beurteilen wäre. Zur ordentlichen Verwaltung, in deren Angelegenheit die nach dem Verhältnis der Anteile zu berechnende Stimmenmehrheit den Ausschlag gibt (Gamerith in Rummel, ABGB, § 833 Rz 10 mwN), gehören die Maßnahmen, die der Erhaltung und der Verwaltung des Gemeinschaftsgutes dienen, sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweisen, im Interesse aller Miteigentümer liegen und keine besonderen Kosten verursachen (Gamerith, aaO, § 833 Rz 4). Der Abschluß von Bestandverträgen mit Dritten auf ortsübliche Zeit bzw. zu ortsüblichen Bedingungen, zu angemessenem wertgesicherten Mietzins und entsprechenden Betriebskostenanteil ist eine Maßnahme im Rahmen der ordentlichen Verwaltung nicht jedoch auch der Abschluß solcher Verträge zu außergewöhnlichen Bedingungen (Gamerith, aaO Rz 5 mwN). Im vorliegenden Fall haben die Miteigentümer Verträge über mehrere Bestandobjekte abgeschlossen. In diesen Verträgen wurde der Mieter auf die Verwendung durch "Hostessen" (also für Bordellzwecke) beschränkt. Darüber hinaus haben die erbserklärten Erben Maria und Gerhard S*** unter Beitritt des Vierteleigentümers Ing. Franz G*** mit dem Mieter eine "Vereinbarung über Entschädigungszahlung" abgeschlossen, die insoweit mit den beiden Mietverträgen gekoppelt ist, als Maria und Gerhard S*** bei Nichtzahlung der Entschädigung zur Aufkündigung der Mietverhältnisse - also wie bei Nichtzahlung des Mietzinses gemäß § 30 Abs 2 Z 1 MRG - berechtigt sind. Als Grund für die Koppelung der Vereinbarung mit den beiden Mietverträgen wird nicht bloß - wie das Berufungsgericht ausführt - die Beeinträchtigung von Mietrechten der Maria und des Gerhard S*** im 1. Stockwerk des Hauses, sondern - unter anderem - auch der "allgemeine Imageverlust" festgehalten, der doch nur im Zusammenhang mit der Vermietung von Bestandobjekten im Haus zu Bordellzwecken verstanden werden kann. Es kann dann aber auch nicht zweifelhaft sein, daß die Vereinbarung über Entschädigungszahlung und die beiden Mietverträge, die zwischen denselben Vertragspartnern abgeschlossen wurden, miteinander eine rechtliche Einheit bilden und die Vermietung der im Erdgeschoß des Hauses gelegenen Objekte an den Kläger zur Benützung durch "Hostessen", wie auch im übrigen das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, zu außergewöhnlichen Bedingungen erfolgt ist. Im übrigen hat das Erstgericht - entgegen den Darlegungen des Berufungsgerichtes - keineswegs festgestellt, daß schon bisherige Vermietungen zu Bordellzwecken in diesem Haus auch mit "Willen" des Beklagten erfolgt seien. Es stellte bloß fest, daß dies dem Beklagten bekannt war. Auch die Beschränkung des Verwendungszweckes auf Benützung durch Prostituierte kann keineswegs als Vermietung zu üblichen Bedingungen beurteilt werden.
Erfolgte also die Vermietung an den Kläger durch die Mehrheitseigentümer zu außergewöhnlichen Bedingungen, so binden die Verträge vom 19. Dezember 1985 den Beklagten, der diesen nicht zugestimmt hat, als wichtige Veränderung im Sinne der §§ 834 f ABGB nicht. Im übrigen bedürften die Verträge, soweit sie von Maria und Gerhard S*** als erbserklärte Erben namens einer Verlassenschaft abgeschlossen wurden, als Maßnahmen, die nicht zur ordentlichen Verwaltung zählen, zu ihrer Wirksamkeit auch der bisher nicht erteilten abhandlungsbehördlichen Genehmigung (vgl. Welser in Rummel aaO § 810 Rz 13).
In Stattgebung der Revision war daher das erstgerichtliche Urteil, mit dem das Feststellungsbegehren abgewiesen wurde, wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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