Spruch:
Das Revisionsrekursverfahren wird bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des zwischen Dr. C*****, Mag. G***** und Dr. W***** als klagenden Parteien und der Privatstiftung als beklagte Partei vor dem Landesgericht Linz zu AZ ***** anhängigen Verfahrens unterbrochen.
Begründung
Im Firmenbuch des Erstgerichts ist seit 31. 12. 2008 die von G***** auf den Todesfall errichtete G***** Privatstiftung eingetragen. Der Stifter starb am 14. 7. 2007.
Punkt 7. der Stiftungsurkunde lautet ua:
„Zum ersten Stiftungsvorstand berufe ich die schon unter Punkt 6. bezeichneten Herren Dr. C***** und Herrn Mag. G*****, wobei dem Stifungskurator sodann die Bestellung eines dritten Vorstandsmitglieds obliegt.
Die Bestellung sowie Abberufung des Stiftungsvorstands obliegt in weiterer Folge den Begünstigten, die die Mitglieder des Stiftungsvorstands mit einfacher Mehrheit wählen und abberufen. Die Abberufung der Mitglieder des Stifungsvorstands kann nur aus wichtigem Grund erfolgen. Jeder Stiftungsbegünstigte hat unabhängig von seiner Beteiligung im Sinn des Punkts 8. dieser Stiftungsurkunde nur eine Stimme ohne weitere Gewichtung (Kopfmehrheit).“
Vorstandsmitglieder sind nach dem aktuellen Firmenbuchstand seit der Ersteintragung der Privatstiftung Dr. C*****, Mag. G***** und Dr. W*****.
S*****, D***** und der am 7. 9. 2005 geborene A***** sind Begünstigte der Privatstiftung.
Am 27. 5. 2010 fassten die Begünstigten D***** und S***** ‑ diese auch als gesetzliche Vertreterin ihres begünstigten Sohns ‑ den (einstimmigen) schriftlichen Beschluss auf Abberufung aller Mitglieder des Stiftungsvorstands aus wichtigem Grund und Bestellung von Mag. D*****, Mag. G***** und Mag. F***** zu Mitgliedern des Stiftungsvorstands.
Am 27. 5. 2010 beantragten die neu bestellten Mitglieder des Stiftungsvorstands unter Vorlage des Beschlusses der Begünstigten vom 27. 5. 2010 ihre Eintragung und die Löschung der abberufenen Vorstandsmitglieder im Firmenbuch.
Das Bezirksgericht Traun bestellte mit Beschluss vom 30. 7. 2010 einen Rechtsanwalt zum Kollisionskurator des minderjährigen Begünstigten zu dessen Vertretung im Zusammenhang mit den Angelegenheiten als Begünstigter. Es genehmigte mit Beschluss vom 20. 10. 2010 das Vorhaben des Kollisionskurators, dem Beschluss vom 27. 5. 2010 nicht zuzustimmen.
Am 8. 11. 2010 fassten ‑ „um eine allfällige Unwirksamkeit des genannten Beschlusses vom 27. 5. 2010 zu sanieren“ ‑ die Begünstigen D***** und S***** gegen die Stimme des vom Kollisionskurator vertretenen minderjährigen Begünstigten den Beschluss, alle Mitglieder des Stiftungsvorstands mit sofortiger Wirkung abzuberufen und die am 27. 5. 2010 zu Mitgliedern des Stiftungsvorstands bestellten Personen „mit Wirkung zum heutigen Tag“ zu Vorstandsmitgliedern zu bestellen. Sie verwiesen zur Begründung auf die Darstellung der wichtigen Gründe im Beschluss vom 27. 5. 2010 und legten in der Folge diesen Beschluss dem Erstgericht vor.
Mit Beschluss vom 27. 1. 2012, 6 Ob 101/11p, stellte der Oberste Gerichtshof den Beschluss des Erstgerichts vom 24. 1. 2011, mit dem der Antrag der Revisionsrekurswerber vom 27. 5. 2010 abgewiesen worden war, wieder her.
Mit Urteil vom 31. 5. 2013 wies das Landesgericht Linz im Verfahren ***** das von Dr. C*****, Mag. G***** und Dr. W***** gegen die Begünstigten und die Revisionsrekurswerber gerichtete Klagebegehren des Inhalts, die von den Begünstigten mit den Beschlüssen vom 27. 5. 2010 und 8. 11. 2010 vorgenommene Abberufung der Kläger als Vorstandsmitglieder der Privatstiftung und die mit diesen Beschlüssen vorgenommene Bestellung der Revisionsrekurswerber zu Vorstandsmitgliedern der Privatstiftung werde für unwirksam erklärt, mit der Begründung ab, es läge ein wichtiger Grund für die Abberufung vor. Dem klagenden Stiftungsvorstand sei als grobe Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen, dass er, obwohl im Stiftungsvorstand schon vor den angefochtenen Beschlüssen überlegt worden sei, die künftigen Zuwendungen an die Begünstigten mit einem bestimmten relativen Betrag in Abhängigkeit vom operativen Ergebnis der Gesellschaften der Privatstiftung festzusetzen, nachfolgend die Zuwendung des vom gerichtlichen Sachverständigen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ermittelten Aufrollungsbetrags für die Vergangenheit in Höhe von 1,1 Mio EUR konditional mit dem Verbleib als Stiftungsvorstand verknüpfte. Das Oberlandesgericht Linz gab mit Urteil vom 19. 12. 2013 der Berufung der Kläger mit der Begründung nicht Folge, die Beklagten seien nicht passiv legitimiert, denn die Klage wäre gegen die Privatstiftung zu richten gewesen. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung mit Urteil vom 28. 8. 2014 (6 Ob 41/14v).
Bereits am 13. 8. 2013 hatten die Rechtsmittelwerber unter neuerlicher Vorlage ihres bereits erledigten Antrags vom 27. 5. 2010 ihre Eintragung als Vorstandsmitglieder mit Vertretungsbeginn seit 27. 5. 2010 und die Löschung der abberufenen Vorstandsmitglieder im Firmenbuch beantragt. Sie erklärten in ihrem Schriftsatz vom 25. 11. 2014, ihr Antrag stütze sich auch auf den Abberufungsbeschluss vom 8. 11. 2010.
Das Erstgericht ermöglichte den Antragstellern die „Adaptierung“ ihres Antrags durch Darstellung geänderter Verhältnisse im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 101/11p. Diese ergänzten ihr Vorbringen.
Die im Firmenbuch eingetragenen Vorstandsmitglieder erhoben den Einwand der entschiedenen Sache im Hinblick auf das mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 101/11p beendete Verfahren.
Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 28. 11. 2014 den am 13. 8. 2013 überreichten Eintragungsantrag zurück, weil dieser Antrag bereits rechtskräftig entschieden worden sei.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass es den Eintragungsantrag, soweit als Abberufungsgrund die mit Beschluss des Stiftungsvorstands vom 12. 5. 2010 erfolgte Änderung des Punkts 7. der Stiftungserklärung geltend gemacht wird, zurück‑ und im Übrigen abwies. Der Abberufungsgrund der Änderung des Punkts 7. der Stiftungsurkunde sei im früheren Firmenbuchverfahren bereits rechtskräftig erledigt worden. Im Übrigen beriefen sich die Rechtsmittelwerber auf durch einen Abberufungsbeschluss nicht gedeckte, in unzulässiger Weise nachgeschobene Abberufungsgründe. Der unterbliebenen konkreten Beantwortung der dem Stiftungsvorstand mit Schreiben zweier Begünstigter vom 12. 5. 2010 gestellten Frage komme nicht das Gewicht eines wichtigen, die Abberufung rechtfertigenden Grundes zu.
Das Rekursgericht sprach aus, der Revisionsrekurs sei zulässig, weil es bei der Beurteilung der Zulässigkeit des „Nachschiebens“ von Abberufungsgründen auf die zu § 75 AktG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen habe, höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu für den Fall der Abberufung des Vorstands in der Privatstiftung durch eine Personenmehrheit jedoch fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, jene in dem Sinn abzuändern, dass dem Erstgericht die Einleitung und Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungs-/Zurückweisungsgrund aufgetragen werde. Hilfsweise werden ein Aufhebungsantrag und ein Antrag auf Abänderung im dem Eintragungsantrag stattgebenden Sinn gestellt.
Die abberufenen Mitglieder des Stiftungsvorstands beantragen in ihrer Rechtsmittel-beantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Revisionsrekursverfahren ist gemäß § 19 FBG zu unterbrechen:
2. Am 29. 1. 2014 brachten die abberufenen Mitglieder des Stiftungsvorstands gegen die Privatstiftung beim Landesgericht Linz zu AZ ***** die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit (in eventu Nichtigerklärung) der von den Begünstigen der Privatstiftung am 27. 5. 2010, 8. 11. 2010 und 4. 3. 2013 gefassten Beschlüsse ein, mit denen die Kläger als Mitglieder des Stiftungsvorstands abberufen wurden (vgl 6 Ob 148/14d). Das Verfahren ist anhängig.
3. Hängt die Entscheidung über eine Eintragung oder Änderung (Löschung) ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das Gegenstand eines anderen anhängigen Gerichtsverfahrens ist, so kann das Gericht anordnen, dass sein Verfahren so lange unterbrochen wird, bis in Ansehung dieses Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt (§ 19 Abs 1 FBG).
Die Unterbrechung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (6 Ob 77/07b ua).
4. Die im genannten Verfahren des Landesgerichts Linz als Hauptfrage zu entscheidende Frage der Unwirksamkeit der Abberufung der Mitglieder des Stiftungsvorstands ist für das vorliegende Eintragungsverfahren präjudiziell:
5. Die jeweiligen Mitglieder des Stiftungsvorstands und ihre Vertretungsbefugnis sowie das Erlöschen oder eine Änderung ihrer Vertretungsbefugnis sind ohne Verzug zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden (§ 15 Abs 5 1. Satz PSG). Die (jeweilige) Eintragung in das Firmenbuch wirkt lediglich deklarativ (6 Ob 195/10k GesRZ 2011, 239 [H. Torggler] = JBl 2011, 321 [Karollus] = ZfS 2011, 68 [Kalss]; Arnold, PSG³ § 15 Rz 130 mwN).
6. Ein rechtswidriger Abberufungsbeschluss ist unwirksam, weshalb eine rechtswidrige Abberufung von den Abberufenen mit Feststellungsklage (6 Ob 195/10k) gegen die Privatstiftung (6 Ob 41/14v GesRZ 2015, 68 [Csoklich] = ZfS 2014, 178 [Torggler]) zu bekämpfen ist. Umgekehrt kann die Privatstiftung die Zulässigkeit der Abberufung in einem von ihr anzustrengenden streitigen Verfahren klären lassen (6 Ob 178/05b SZ 2006/18; Arnold, PSG³ § 15 Rz 137 mwN).
7. Bei der Anmeldung der Löschung infolge von Abberufung von Mitgliedern des Vorstands einer Privatstiftung ist von amtswegen zu prüfen, ob der Abberufungsgrund schlüssig dargelegt wurde und die dem Eintragungsgesuch zugrunde liegenden Tatsachen glaubwürdig sind (6 Ob 101/11p GesRZ 2012, 270 [N. Arnold] = PSR 2012, 32 [Murko/Zollner]). Die Frage der Zulässigkeit der Abberufung ist im Firmenbuchverfahren, in dem das abberufene Vorstandsmitglied Partei und rechtsmittellegimiert ist (6 Ob 195/10k; 6 Ob 101/11p; Arnold, PSG³ § 15 Rz 123), nur Vorfrage des Eintragungsbegehrens, sodass die Frage der Rechtswidrigkeit (Zulässigkeit) der Abberufung für das Firmenbuchgericht bindend im streitigen Verfahren, in dem sie Hauptfrage ist, zu klären ist. Bis zur Klärung dieser Frage im streitigen Verfahren kann das Firmenbuchverfahren unterbrochen werden (Arnold, PSG³ § 15 Rz 137a; Zentrum für Stiftungsrecht, GesRZ 2011, 161 [163]).
8. Im vorliegenden Fall ist der zwischen den abberufenen Vorstandsmitgliedern und der Privatstiftung vor dem Landesgericht Linz anhängige Prozess auch für die Eintragung der Revisionsrekurswerber in das Firmenbuch als Mitglieder des Vorstands der Privatstiftung präjudiziell. Da der Stiftungsvorstand nach der Stiftungserklärung nur drei Mitglieder zu umfassen hat, wären die Rechtsmittelwerber nicht wirksam bestellt worden, wenn die Unwirksamkeit der Abberufung im Prozess festgestellt wird.
9. Nach § 19 Abs 2 FBG hat eine Interessenabwägung stattzufinden. Von der Unterbrechung ist abzusehen, wenn das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung erheblich überwiegt. Ein erhebliches Überwiegen des Interesses der Privatstiftung an einer raschen Erledigung des Eintragungsbegehrens gegenüber dem der Rechtssicherheit dienenden Abwarten des Ausgangs des Prozesses ist nicht ersichtlich.
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