OGH 6Ob717/85

OGH6Ob717/8516.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Dr. Riedler als Richter in der Verlassenschaftssache der am 15.Jänner 1982 verstorbenen Leopoldine B***, zuletzt 1020 Wien, Obere Donaustraße 67 a, infolge Revisionsrekurses des erbserklärten Erben Dr. Oskar T***, Jurist, 1020 Wien, Obere Donaustraße 77, vertreten durch Dr. Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 17.Oktober 1985, GZ. 43 R 596-598/85-122, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.Juni 1985, GZ. 1 A 62/82-110 und 111, teilweise abgeändert wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Leopoldine B*** ist am 15.1.1982 gestorben. Mit

rechtskräftigem Beschluß vom 18.1.1985, ON 90, wurde die von Dr. Oskar T*** aufgrund des Testamentes vom August 1977 zum gesamten Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen, sein Erbrecht für ausgewiesen erkannt und ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Zum Nachlaß gehört die Liegenschaft EZ 4100 Grundbuch Leopoldstadt. Dr. Heinz P*** brachte gegen die Verlassenschaft nach Leopoldine B*** beim Landesgericht für ZRS Wien eine Klage ein, in welcher er die Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes an dieser Lieenschaft, eventuell die Zahlung von S 294.400,-- s.A. begehrte. Er brachte dazu vor, er habe mit der Erblasserin vereinbart, daß er ihr den Unterschiedsbetrag zwischen dem Hauptmietzins der von ihm in diesem Haus gemieteten Wohnung und dem von ihm erzielten Untermietzins für diese Wohnung abführen werde, wofür das Eigentum an der Liegenschaft mit dem Tode der Erblasserin auf ihn übergehen sollte. In Erfüllung dieser Vereinbarung habe er S 294.400,-- an die Erblasserin abgeführt. Mit noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 29.3.1985, 2 Cg 294/83-23, gab das Landesgericht für ZRS Wien dem Hauptbegehren statt.

Mit Schriftsatz vom 1.4.1985 beantragte Dr. Heinz P*** unter Hinweis auf seine Klage gegen die Verlassenschaft die Absonderung des Nachlasses gemäß § 812 ABGB, Bestellung eines Nachlaßkurators und Anmerkung der Absonderung ob der Liegenschaft EZ 4100 KG Leopoldstadt. Zur Gefährdung brachte er vor, eine letztwillige Anordnung der Erblasserin, in welcher er als Erbe eingesetzt worden sei, sei verschwunden, wobei nur der Erbe Dr. Oskar T*** Zutritt zur Wohnung gehabt habe. Dr. Oskar T*** verwalte das Nachlaßvermögen schlecht. Er habe die Mindestvoraussetzungen für die Vorschreibung eines Erhaltungsbeitrages in dem von ihm verwalteten Haus nicht beachtet und behaupte Benützungsrechte an der erblasserischen Wohnung. Durch die faktische Benützung dieser Wohnung in dem von ihm verwalteten Haus bestehe die Gefahr der schlüssigen Annahme eines unentgeltlichen Benützungsrechtes, welches den Wert der Liegenschaft schmälere.

Das Erstgericht wies in seinem das Verlassenschaftsverfahren beendenden Mantelbeschluß unter anderem die Anträge des Dr. Heinz P*** ab und ermächtigte den Erbenmachthaber, ein Konto der Erblasserin bei der ÖSTERREICHISCHEN L*** ungeachtet einer gerichtlichen Sperre zu realisieren. In der gleichzeitig erlassenen Einantwortungsurkunde behielt es die Erlassung der Verbücherungsklausel und die Entscheidung über ein fideikommissarisches Substitutionslegat zu Gunsten des Dr. Heinz P*** hinsichtlich der Liegenschaft EZ 4100, KG Leopoldstadt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites zu 2 Cg 294/83 des Landesgerichtes für ZRS Wien vor. Die Abweisung der Anträge des Dr. Heinz P*** begründete es damit, daß der Erbe Dr. Oskar T*** bis zum Vorliegen der Verbücherungsklausel über die Liegenschaft ohne abhandlungsbehördliche Genehmigung nicht verfügen könne und Dr. Heinz P*** im Falle des Obsiegens im Eigentumsprozeß wegen allfälliger schlechter Verwaltung nur ein Schadenersatzanspruch zustünde, den er gesondert geltend machen müsse. Bei Verlust dieses Prozesses habe Dr. Heinz P*** aber nur die Stellung eines Substitutionslegatars und könne als solcher den Vorerben nicht an der schlechten Verwaltung hindern. Durch die Vermengung des Nachlasses könne daher kein Nachteil für Dr. Heinz P*** entstehen. Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des Dr. Heinz P*** Folge, hob unter anderem den Beschluß über die Freigabe des Kontos bei der ÖSTERREICHISCHEN L*** (ebenso wie die Einantwortungsurkunde und verschiedene Punkte des Mantelbeschlusses) ersatzlos auf, bewilligte dem Gläubiger Dr. Heinz P*** die Absonderung der Verlassenschaft gemäß § 812 ABGB und verfügte deren Anmerkung ob der Liegenschaft EZ 4100 KG Leopoldstadt. Die Durchführung der Separation und die Auswahl und Bestellung des Absonderungskurators wurde dem Erstgericht vorbehalten. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, Dr. Heinz P*** komme die Stellung eines Verlassenschaftsgläubigers zu. Die Bescheinigung seiner Forderung sei durch das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 29.3.1985, 2 Cg 294/83-23, ungeachtet seiner Anfechtung als erbracht anzusehen. Der Erbe habe dem Vorbringen des Rekurswerbers zur subjektiven Gefährdung entgegengehalten, daß im Testament ein Veräußerungs- und Belastungsverbot verfügt sei, der Rekurswerber als Nacherbe eingesetzt worden sei, die Vorwürfe der Testamentsunterdrückung und der schlechten Verwaltung tatsachenwidrig seien und im übrigen dem Erben nach § 810 ABGB die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft zustehe. Der Erbe habe ein Recht auf die Verwaltung des Nachlasses, welches nur bei Vorliegen einer objektiv hinreichend begründeten Besorgnis und eines unzweifelhaften Anspruches eingeschränkt werden dürfe. Damit gebe der Erbe im Ergebnis zu, daß er sich zur Verwaltung der Liegenschaft berechtigt halte. Zu dem vom Verlassenschaftsgläubiger vorgebrachten Grund, der Erbe versuche, Benützungsrechte an der Wohnung zu behaupten, und durch die faktische Benützung dieser Wohnung in einem von ihm verwalteten Haus bestehe die Gefahr der schlüssigen Annahme eines unentgeltlichen Benützungsrechtes, nehme der Erbe nicht Stellung. Er bestreite dieses Vorbringen auch nicht. Aus seiner Ansicht, zur Verwaltung der Liegenschaft unabhängig davon berechtigt zu sein, ob dem Rekurswerber ein Eigentumsanspruch an dieser Liegenschaft zustehe sowie aufgrund der Hinweise des Erben, eine Verfügung über die Substanz sei ohnehin nicht möglich, könne geschlossen werden, daß zumindest die subjektive Befürchtung des Rekurswerbers, durch eine nicht objektive sondern den Interessen des Erben Rechnung tragende Verwaltung drohe Gefahr, ausreichend dargetan sei. Damit seien der Antrag auf Absonderung der Verlassenschaft und die Anmerkung der Verlassenschaftsseparation gerechtfertigt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich, soweit der erstgerichtliche Beschluß über die Freigabe des Kontos bei der L*** aufgehoben und Dr. Heinz P*** die Absonderung des Nachlasses bewilligt wurde, der Revisionsrekurs des erbserklärten Erben mit den Anträgen, in diesen Punkten den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen oder den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht oder dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Es ist zwar richtig, daß zur Sicherung eines dinglichen Anspruches die Nachlaßseparation nach § 812 ABGB nicht bewilligt werden darf (JBl.1957,644 mit zustimmender Besprechung von Steinwenter ua.). Der Rechtsmittelwerber übersieht jedoch, daß Dr. Heinz P*** noch kein dingliches Recht (Eigentum) an der Liegenschaft besitzt, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dieser Liegenschaft aufgrund eines mit der Erblasserin abgeschlossenen Vertrages behauptet. Zum Erwerb des Eigentums hätte es der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes bedurft. Ein Anspruch auf Absonderung des Nachlasses besteht aber nicht nur bei Geldforderungen, sondern auch bei Ansprüchen auf Handlungen (Weiss im Klang-Komm. 2 III 1019; Welser in Rummel ABGB Rz 12 zu § 812; 3 Ob 624/78; vgl. SZ 20/245).

Aber auch eine subjektive Besorgnis im Sinne des § 812 ABGB ist gegeben.

Die Nachlaßseparation ist nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen (JBl.1978,152; EvBl1976/137). § 812 ABGB will allen Gefahren vorbeugen, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben, z.B. auch einer, die Nachlaßmasse schmälernden wirtschaftlichen Gebarung (Welser a.a.O. Rz 2 zu § 812; EvBl1976/137). Besorgnis der Gefahr ist jedes hinreichend motivierte auch bloß subjektive Bedenken. Ein Nachweis im technischen Sinn ist nicht erforderlich (Koziol-Welser Grundriß 7 II 367; Welser aaO Rz 14 zu § 812; JBl.1978, 152 ua.). Das Rekursgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß sich der Erbe Dr. Oskar T*** zur Verwaltung der Liegenschaft berechtigt hält und er zur Behauptung, er versuche Benützungsrechte an einer im Haus befindlichen Wohnung in Anspruch zu nehmen, nicht Stellung genommen hat. Da es sich bei der Liegenschaft um ein Miethaus handelt, ist die Besorgnis, der Erbe könne durch eine nicht objektiven sondern seinen Interessen Rechnung tragende Verwaltung, etwa durch langfristige Verfügungen über Wohnungen, das Vermögen schmälern, subjektiv gerechtfertigt. Daß der Erbe wegen der fideikommissarischen Substitution über die Substanz nicht verfügen kann, schließt die Gefährdung nicht aus.

Es liegen daher die Voraussetzungen für eine Nachlaßseparation vor, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

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