OGH 6Ob687/85 (6Ob688/85)

OGH6Ob687/85 (6Ob688/85)21.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei R*** S***

S*** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, Bad Mitterndorf, vertreten durch Dr. Hans Skroch, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wider die beklagten Parteien 1) Franz S***, Elektroingenieur, Obertressen Nr. 182, Bad Aussee; 2) Tizia S***, Hausfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr. Karlheinz Angerer, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen 341.859,34 S s.A. (Revisionsstreitwert: 340.489,34 S; C 7/84 des Bezirksgerichtes Bad Aussee) und 35.945 S s.A. (Revisionsstreitwert: 31.661,63 S; C 8/84 des Bezirksgerichtes Bad Aussee), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 10. Juni 1985, GZ R 101, 102/85-23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Aussee vom 26. September 1984, GZ C 7/84 -17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1) Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Bestätigung der erstgerichtlichen Klagsstattgebung im verbundenen Rechtsstreit

C 8/84 im Umfang von 31.661,63 S s.A. richtet, zurückgewiesen.

2) Im übrigen wird

  1. a) die Revision der zweitbeklagten Partei zurückgewiesen und
  2. b) der Revision der erstbeklagten Partei nicht Folge gegeben. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 12.861,45 S (darin enthalten 1.081,95 S Umsatzsteuer und 960 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand der beiden verbundenen Rechtsstreite sind jeweils Forderungen der Klägerin aus zwei verschiedenen Kreditverträgen:

1) Im verbundenen Akt resultiert die geltend gemachte Klagsforderung von 35.945 S s.A. aus dem von der Klägerin mit den beiden Beklagten am 16. Mai 1980 geschlossenen Abstattungskreditvertrag.

2) Im führenden Akt wird die Klagsforderung auf den von der Klägerin mit dem Erstbeklagten am 2. (richtig gemäß Beilage A: 14.) Mai 1979 abgeschlossenen Kreditvertrag gestützt.

Hiezu ist aus den Feststellungen der Vorinstanzen hervorzuheben:

Mit diesem Kreditvertrag wurde dem Erstbeklagten von der Klägerin ein Überziehungskredit über das Konto Nr. 2001.865 bis zum Betrag von 60.000 S, später erhöht bis zum zweifachen Monatsbezug des Beklagten (damals im Bereich von 100.000 S), eingeräumt. Nach den schriftlichen Bedingungen des Kreditvertrages war der jeweilige Schuldbetrag zu dem von der Kreditgeberin jeweils festgesetzten Zinsfuß, "derzeit" 9,25 % pro Jahr, zu verzinsen. Verzugszinsen sollten in der vom Kreditgeber jeweils festgesetzten Höhe, "derzeit" 16,25 % pro Jahr, entrichtet und im Falle einer Überziehung des ausnützbaren Kreditrahmens die vom Kreditgeber jeweils festgesetzte Überziehungsprovision von "derzeit" 7 % pro Jahr vom Überziehungsbetrag bezahlt werden. Ferner sollte eine Kreditprovision von "derzeit" 1,5 % pro Jahr vom ausnützbaren Kreditrahmen verrechnet werden.

Gemäß Punkt 3) der Kreditbedingungen war der gesamte Kredit bis zum 31. März 1984 abzudecken, beide Vertragsteile sollten jedoch unbeschadet dieser Laufzeitvereinbarung berechtigt sein, das Kreditverhältnis jederzeit unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist aufzukündigen.

Gemäß Punkt 5) der Kreditbedingungen war der Kreditgeber berechtigt, den gesamten Kredit sofort fällig und zahlbar zu stellen, wenn ..... "der Kreditnehmer oder (einer) der Bürge(n) seine Zahlungen einstellt oder zahlungsunfähig wird". Mit Bürgschaftsvertrag vom 14. Mai 1979 übernahm die Zweitbeklagte zur Sicherstellung dieses Kredites die Haftung als Bürge und Zahler bis zum Höchstbetrag von 60.000 S. In der Folge überzog der Erstbeklagte am 31. Dezember 1981 den (erweiterten) Kreditrahmen, leistete aber weder die dem Fialialleiter der Klägerin angekündigten Zahlungen noch sorgte er für die diesem zugesagte Abdeckung des Kontos bis Ende Juni 1982. Daraufhin kündigte die Klägerin mit Schreiben des Klagevertreters vom 26. Juli 1982 den Kreditvertrag auf und ersuchte den Erstbeklagten, den aushaftenden Betrag von 322.946,46 S bis zum 9. August bei sonstiger Androhung der Klage zu überweisen. Hiezu berief sich die Klägerin in der nachfolgenden Korrespondenz auf die Punkte 3) und 5) des Kreditvertrages.

Die Klägerin hat bei der Kreditabrechnung an Zinsen, Verzugszinsen und Kreditprovision insgesamt 1.370 S zu viel verrechnet. Per 7. Dezember 1982 haftete daher nur ein Kreditsaldo von 340.489,34 S unberichtigt aus.

Im führenden Akt begehrte die Klägerin mit der Behauptung, sie habe das Kreditverhältnis gemäß Punkt 5) des Kreditvertrages aufgelöst, vom Erstbeklagten letztendlich die Zahlung des von ihr fälliggestellten und per 7. Dezember 1982 offenstehenden Kreditobligos von 341.859,34 S s.A., und zwar hinsichtlich des Teilbetrages von 60.000 S "seit 7. Dezember 1982" zur ungeteilten Hand mit der Zweitbeklagten. Von der Zweitbeklagten als Bürgin und Zahlerin begehrte sie die Zahlung von 60.000 S "seit 7.Dezember 1982" zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten. Sie stützte dieses Begehren überdies auf ein mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 15. Dezember 1982 abgegebenes Anerkenntnis der Beklagten. Die Beklagten hielten dem entgegen, daß der Kredit von der Klägerin zu Unrecht fälliggestellt worden sei. Dieser sei nämlich bekannt gewesen, daß der Erstbeklagte fast ständig im Ausland tätig sei und deshalb die Rückzahlungen unregelmäßig erfolgen würden. Die Klägerin habe dazu ihr Einverständnis erklärt und bisher auch tatsächlich die unregelmäßigen Rückzahlungen anerkannt und in Empfang genommen. Der eingeklagte Kreditsaldo sei überhöht, weil die Klägerin Verzugszinsen aus dem Gesamtbetrag begehre, obwohl die Überziehungen besprochen und genehmigt worden seien. Auch habe sie vereinbarungswidrig von Anfang an 9,75 % anstatt 9,25 % Zinsen und anstelle einer Kreditprovision von 1,5 % pro Jahr eine solche von 0,375 % vierteljährlich verrechnet. Schließlich habe sie unzulässigerweise - weil ohne Verständigung des Erstbeklagten - den Zinssatz bis auf 12,75 % erhöht.

Das Erstgericht verurteilte die beiden Beklagten im führenden Akt zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 60.000 S und den Erstbeklagten zur Zahlung von 280.489,34 S samt 12 % Zinsen und 8 % Überziehungszinsen bzw. Verzugszinsen aus 340.489,34 S seit 7. Dezember 1982 und wies das gegenüber dem Erstbeklagten gestellte Mehrbegehren im Umfang von 1.370 S sowie das Zinsenmehrbegehren der Klägerin ab. Im verbundenen Akt gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit dem Betrag von 31.661,63 S s.A. Folge und wies es im Umfang von 4.284 S sowie des gestellten Zinsenmehrbegehrens ab. Die abweislichen Aussprüche des erstgerichtlichen Urteiles sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

Auf Grund der eingangs wiedergegebenen wesentlichen Tatsachenfeststellungen vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, daß die von der Klägerin vorgenommene Kündigung des Kreditvertrages schon im Hinblick auf die Zahlungseinstellung des Erstbeklagten berechtigt gewesen sei, weshalb sich der Einwand der mangelnden Fälligkeit als unzutreffend erweise. Die Klägerin habe sich aber Abrechnungsmodalitäten bedient, die weder im Kreditvertrag selbst noch in den diesem zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen in der Fassung vom 1.Oktober 1979 verankert gewesen wären. Insoweit könne sie sich nicht mit Erfolg auf ein Anerkenntnis der Beklagten berufen, weil hier deren Irrtumsanfechtung durchschlage. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der von den Beklagten im Umfang der erstgerichtlichen Klagsstattgebungen erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach der Kreditvertrag wegen nicht termingerechter Erfüllung der Zahlungsverpflichtung zu Recht aufgekündigt und der Saldo fälliggestellt worden sei. Zu der von den Beklagten aufgeworfenen Frage der Überprüfung der Verrechnung von Nebengebühren durch die Klägerin und zu deren Irrtumsanfechtung in bezug auf das Anerkenntnis verwies das Berufungsgericht darauf, daß ein Kontokorrentverhältnis vorgelegen sei. Die Beklagten hätten gemäß den Punkten 9) und 10) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditinstitute durch die Unterlassung der Erhebung von Einwendungen gegen die ihnen zugegangenen Abschluß-Kontoauszüge die darin ausgewiesenen Salden anerkannt. Desgleichen sei mit Schreiben vom 15.Dezember 1982 ein Anerkenntnis abgegeben worden. Ein solches Anerkenntnis könne aber nur im Falle einer listigen Irreführung, die im vorliegenden Fall von den Beklagten gar nicht behauptet worden sei, angefochten werden. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei daher eine neuerliche Durchrechnung des Kreditkontos bis 30.September 1982 nicht erforderlich gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Urteilsaufhebung, hilfsweise auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung. Die Klägerin stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, soweit sie sich gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes im verbundenen Rechtsstreit richtet, unzulässig. Dasselbe gilt für die von der Zweitbeklagten erhobene Revision gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes im führenden Akt. Die Revision des Erstbeklagten ist im übrigen nicht berechtigt.

Nach ihrer Anfechtungserklärung bekämpfen die Beklagten das Urteil des Berufungsgerichtes "dem gesamten Umfange nach". Damit steht auch der von ihnen gestellte Revisionsantrag im Einklang. Dabei übersehen die Revisionswerber jedoch, daß das vollbestätigende Urteil des Berufungsgerichtes die stattgebenden Urteilsaussprüche des Erstgerichtes in zwei zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen zum Gegenstand hatte. Eine solche Verbindung hat aber auch nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 so wie bisher (vgl. EvBl 1983/6 mwN) auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluß. Die Streitwerte der verbundenen Rechtssachen sind nicht zusammenzurechnen (Petrasch in ÖJZ 1983, 173 und ÖJZ 1985, 294; JBl. 1984, 554; Arb. 10.507; 5 Ob 665/83). Im vorliegenden Fall hat der vom vollbestätigenden Berufungsurteil betroffene Geldstreitwert des verbundenen Verfahrens C 8/84 des Erstgerichtes 31.661,63 S betragen. Die dagegen von den Beklagten erhobene Revision ist daher gemäß § 502 Abs 3 Satz 1 ZPO unzulässig.

Dasselbe gilt für die Revision der Zweitbeklagten gegen das vollbestätigende Urteil des Berufungsgerichtes im führenden Verfahren C 7/84 des Erstgerichtes. Hier wurde nur ein Teilbetrag in Höhe von 60.000 S des gesamten aushaftenden Kreditsaldos von 341.859,34 S bzw. von 340.489,34 S (Gegenstand des Berufungsverfahrens) gegen beide Beklagte geltend gemacht, weil die Zweitbeklagte nur bis zu einem solchen Höchstbetrag die Solidarbürgschaft für die Kreditverbindlichkeiten des Erstbeklagten übernommen hatte. Für die Zulässigkeit der Revision sind daher gemäß § 55 Abs 4 JN beide Beklagte nur in Ansehung des Teilbetrages von 60.000 S als materielle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 1 ZPO anzusehen. Hier kann jedoch die Zusammenrechnungsregel des § 55 Abs 1 Z 1 JN schon deshalb keine Anwendung finden, weil gegen den Erstbeklagten von der Klägerin im führenden Akt nicht mehrere Ansprüche geltend gemacht worden sind. Eine Zusammenrechnung konnte daher nur nach § 55 Abs 2 JN in Betracht kommen, wobei jedoch für den hier vorliegenden Fall einer solidarischen Verpflichtung der materiellen Streitgenossen § 55 Abs 2 JN ausdrücklich normiert, daß sich der Streitwert nur nach der Höhe des einfachen Anspruches, also nach dem von beiden Beklagten unter Inanspruchnahme ihrer Solidarhaftung begehrten Geldbetrag von 60.000 S, richtet (vgl. Petrasch in ÖJZ 1983, 173). Daraus folgt gemäß § 502 Abs 3 Satz 1 ZPO die Unzulässigkeit der von der Zweitbeklagten erhobenen Revision, zumal ihr auch gegen jenen Teil des berufungsgerichtlichen Urteiles, der nicht sie selbst, sondern nur den Erstbeklagten betrifft, keinerlei Rechtsmittellegitimation zukommt (Fasching, Kommentar IV, 12).

Es waren daher die Revision beider Beklagten im verbundenen Verfahren und diejenige der Zweitbeklagten im führenden Verfahren zurückzuweisen.

Der Erstbeklagte wendet sich mit der Rechtsrüge seiner gemäß § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässigen Revision gegen die Ausführungen des Berufungsgerichtes, mit denen die Möglichkeit der Irrtumsanfechtung des mit Schreiben des Beklagtenvertreters abgegebenen Anerkenntnisses, aber auch jenes Anerkenntnisses, welches gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditinstitute durch Unterlassung der rechtzeitigen Reklamation gegen die ihm zugegangenen Auszüge über Verrechnungsperioden und Rechnungsabschlüsse zustande gekommen sei, verneint worden ist. Der Revisionswerber macht in diesem Zusammenhang auch Feststellungsmängel geltend, weil im Hinblick auf seinen (festgestellten) Auslandsaufenthalt (im Irak) nicht ausreichend klargestellt worden sei, ob ihm die Kontoauszüge der Klägerin überhaupt hätten zugehen können.

Alle diese vom Erstbeklagten aufgeworfenen Rechtsfragen können aber dahingestellt bleiben, weil sich die Bestätigung des Ersturteiles durch das Berufungsgericht bereits ohne Rücksicht auf das Vorliegen von Saldenanerkenntnissen des Kreditschuldners und deren allfällige Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums als gerechtfertigt erweist. Nach der Berechnung des Erstgerichts haftete nämlich per 7. Dezember 1982 der Kreditsaldo zu Lasten des Erstbeklagten tatsächlich mit dem der Klägerin zugesprochenen Betrag von 340.489,34 S aus. Konkrete Einwendungen gegen diese Berechnung wurden in der Berufung und in der Revision nicht vorgetragen. Schon aus diesem Grunde mußte der Revision des Erstbeklagten ein Erfolg versagt bleiben.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Auf die Unzulässigkeit der Revision der Zweitbeklagten wurde in der Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen, weshalb kein Streitgenossenzuschlag gebührt.

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