OGH 6Ob684/86

OGH6Ob684/8627.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Zehetner und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Tessa S***, geboren am 3. Oktober 1982, infolge Revisionsrekurses der Mutter Andrea S***, Hausfrau, Stolberggasse 31-33/3/1, 1050 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 14. Juli 1986, GZ. 43 R 312/86-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. Februar 1986, GZ. 9 P 327/84-18, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Regelung seines Besuchsrechtes ab und untersagte ihm den persönlichen Verkehr mit seinem Kind für die Dauer von zwei Jahren. Hiezu führte es aus, die Eltern hätten ihre Probleme aus der gescheiterten Ehe noch nicht verarbeitet und übten sich in wechselseitigen massiven Abwehrhandlungen und Vorwürfen. Die Mutter werde in ihrer Haltung von ihrem Vater noch bestärkt. Derzeit seien die Eltern des Kindes noch nicht reif genug, um die konfliktfreie Anbahnung eines Kontaktes zwischen dem Vater und dem Kind zu ermöglichen. Das Kind habe gegenwärtig nahezu keine Beziehung zu seinem Vater. Durch die zwischen den Eltern bestehenden Spannungen würde es bei Erzwingung eines Besuchsrechtes erheblich irritiert werden. Die bei Ausübung eines solchen Rechtes zu gewärtigenden Auseinandersetzungen zwischen den Eltern könnten zu einer seelischen Gefährdung des Kindes führen. Die befristete Aussetzung des Besuchsrechtes sei somit geboten. Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf. Es schloß aus der Aktenlage, daß sich Probleme bei der Ausübung des Besuchsrechtes nur aus den Spannungen zwischen den Eltern ergäben. Daß auch eine Schädigung des Kindes zu erwarten sei, sei "von niemandem" vorgebracht worden. Angesichts des Alters des Kindes müsse die längerfristige Aussetzung des Besuchsrechtes zwangsläufig zu noch größerer Entfremdung führen, so daß sich die spätere Kontaktanbahnung noch schwieriger gestalten würde. Die Verfahrensdauer lasse auf eine gewisse Beruhigung in den Beziehungen zwischen den Eltern hoffen. Den Eltern werde vor Augen zu führen sein, daß gewisse Kontakte des Kindes mit seinem Vater für seine Entwicklung förderlich seien, sowie daß die Mutter das Kind auf solche Kontakte vorzubereiten und der Vater durch beherrschtes und vernünftiges Verhalten zu vermeiden haben werde, seine Beziehung zum Kind zu belasten. Diesen Aspekten sei bisher zu wenig Augenmerk geschenkt worden. Zur Prüfung der seelischen Situation des Kindes werde das Gutachten eines Kinderpsychologen einzuholen und unter Einbeziehung der Eltern zu prüfen sein, ob und welche Möglichkeiten einer tunlichst belastungsfreien Kontaktaufnahme - allenfalls unter Einschaltung einer dritten Stelle - geschaffen werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist zwar zulässig (JB 203, EFSlg 42.248, 47.126 u.v.a.), im Ergebnis aber nicht berechtigt. Vorauszuschicken ist, daß die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu beiden Elternteilen für die gedeihliche Entwicklung des Kindes grundsätzlich erforderlich ist und deshalb in dessen wohlverstandenem Interesse liegt. Daher darf die Ausübung des Besuchsrechtes nur aus besonders triftigen Gründen vorübergehend eingestellt werden. Eine solche Maßnahme (§ 148 Abs 1 aE ABGB) erscheint deshalb nur gerechtfertigt, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte zu befürchten wäre daß das Besuchsrecht mißbraucht oder sonst in einer für das Kind nachteiligen Weise ausgeübt werden würde. Das Rekursgericht ist zwar - wie die Mutter zutreffend hervorhebt - zu Unrecht davon ausgegangen, es sei bisher nicht behauptet worden, daß das Verhalten des Vaters dem Kind gegenüber dessen Schädigung erwarten lasse (vgl. etwa das Vorbringen der Mutter AS 29). Doch führt auch die Rechtsmittelwerberin zur Begründung ihres Antrages auf Aussetzung des Besuchsrechtes in erster Linie die Spannungen zwischen den Eltern ins Treffen. Auch dürfte die Irritation des Kindes vor allem darauf zurückzuführen sein (vgl. Gutachten des Psychologischen Dienstes AS 33). Sind die bei der Ausübung des Besuchsrechtes auftretenden Irritationen des Kindes allein auf Spannungen zwischen den Eltern zurückzuführen, wie sie häufig nach der Zerstörung der Ehe zu beobachten sind, ist es Pflicht und Aufgabe der Eltern, Liebe und Zuneigung des Kindes zu beiden Elternteilen in gleicher Weise zu fördern. Das mag den Eltern vielfach schwer fallen, doch ist dieses Verhaltensgebot gerade nach der Vernichtung der Ehe für das richtig verstandene Wohl des Kindes, seine Charakterbildung und sein seelisches Gleichgewicht nach gesicherter Erkenntnis von besonderer Bedeutung (EFSlg 40.723, 40.733). Nur dann, wenn die Irritation jenes Maß überschreitet, das als natürliche Folge der Zerreißung des Familienbandes durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden muß, müßte diesem Konflikt für die Frage der Besuchsrechtsgewährung besondere Bedeutung zugemessen werden (EFSlg 40.739 u.a.). Gerade diese Zusammenhänge hat das Gericht zweiter Instanz aber richtig erkannt und dem Erstgericht deshalb die Ergänzung des Verfahrens durch kinderpsychologische Begutachtung unter Einbeziehung der Eltern aufgetragen. Auf Grund dieser zusätzlichen Beweisergebnisse wird gewiß verläßlicher beurteilt werden können, ob das Besuchsrecht zu untersagen bzw. ob und in welchem Umfang dem Vater der persönliche Verkehr mit seinem Kind zu gestatten sein wird.

Soweit die Mutter im Revisionsrekurs - zulässigerweise - Neuerungen vorgebracht hat, wird das Erstgericht auch dieses Vorbringen zu prüfen und im Falle seiner Bewahrheitung in seine Beurteilung miteinzubeziehen haben.

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