OGH 6Ob680/86

OGH6Ob680/8621.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jutta S***, Betriebsberaterin, Feldkirchen, Triesterstraße 234, vertreten durch Dr. Gerhard Renü Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Franz S***, Tankstellen- und Werkstätteninhaber, Graz, Quiringasse 49, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13. Juni 1986, GZ 1 R 85/86-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Februar 1986, GZ 10 Cg 272/85-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 16.834,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 960 S und an Umsatzsteuer 1.443,15 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe zur vermögensrechtlichen Auseinandersetzung am 4.Februar 1982 eine schriftlich niedergelegte Vereinbarung. Damit trafen sie vor allem Regelungen in Ansehung einer in ihrem gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Liegenschaft und die auf deren Gutsbestand betriebene Tankstelle. Die Nutzung der Liegenschaft sollte danach (unter Aufrechterhaltung der Miteigentumsverhältnisse) von einer Sonderregelung in Ansehung eines kleinen Werkstättengebäudes und des dahinter liegenden Gartens abgesehen gegen ein näher bestimmtes wertgesichertes monatliches Benützungsentgelt dem Manne allein zustehen. Dieser sollte auch unter Liquidation der unter den Ehegatten bestandenen Gesellschaft den Tankstellenbetrieb übernehmen. Aus Anlaß eines vom Manne geplanten Auslandsaufenthaltes änderten und ergänzten die geschiedenen Ehegatten ihre Vereinbarung vom 4.Februar 1982 ab. Das darüber errichtete, mit 6.April 1982 datierte Schriftstück hat folgenden Wortlaut:

"1) Durch die Auswanderung von Franz ergibt sich die

Notwendigkeit, daß Jutta ab 7.4.1982 das in ... gelegene Wohnhaus

... in das alleinige, uneingeschränkte, unwiderrufliche

Verfügungsrecht übernimmt. Es ist ihr gestattet, Um-, Auf- und Zubauten ohne vorherige Rücksprache zu errichten.

2) Die hinter dem Wohnhaus gelegene Grün- und Gartenanlage geht in das alleinige, uneingeschränkte, unwiderrufliche Verfügungsrecht von Jutta über. Die im gemeinsamen Eigentum stehende Gartenfläche kann mit dem im alleinigen Eigentum von Jutta stehenden Grundstück durch Entfernung des Gartenzaunes vereinigt werden. Die im ersten Stockwerk gelegenen Wohnräume, die derzeit untervermietet sind, können von deren Untermietern bis zu deren Auszug die bisherigen Benützungsrechte des Gartens in Anspruch nehmen.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, daß bei einem eventuellen Umbau des kleinen Wohn- und Werkstättengebäudes die hinter dem Gebäude liegende Gartenfläche bis zu der im gemeinsamen Eigentum stehenden Grundstücksgrenze zur Benützung zu diesem Gebäude gehört.

3) Die auf dem Grundstück ... betriebene markenfreie Tankstelle geht mit 7.4.1982 in die Verfügungsgewalt von Jutta über. Es bleibt ihrem Ermessen erlassen, den Tankstellenbetrieb fortzuführen oder einzustellen. Ab 8.4.1982 wird die Tankstelle auf Rechnung von Jutta betrieben, es gehen Risiko und Wagnis zu ihren Lasten. Franz wird für Verbindlichkeiten, die nach dem 8.4.1982 entstehen, schad- und klaglos gehalten.

Ein Nutzungsentgelt für den Betrieb der Tankstelle ist weder vereinbart noch bedungen."

Der geschiedene Ehemann kehrte bereits nach wenigen Monaten wieder in das Inland zurück. Seither bestehen Differenzen unter den Streitteilen über die vom geschiedenen Ehemann beanspruchte Nutzung des Hauses und Führung des gewerblichen Betriebes.

Im Dezember 1982 stellte die geschiedene Ehefrau klageweise ein an den Wortlaut der Abänderungsvereinbarung vom 6.April 1982 angelehntes dreigliedriges Feststellungsbegehren bezüglich des Verfügungsrechtes über Wohnhaus, dahinterliegende Grünfläche und Tankstellenbetrieb.

Die Klägerin stützte sich auf den Wortlaut der in der Urkunde vom 6.April 1982 festgehaltenen Abänderungsvereinbarung. Der Beklagte kündigte in seiner Klagebeantwortung zwar die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges an, weil die Klägerin eine in das Außerstreitverfahren gewiesene rechtsgestaltende Regelung der Benützung einer gemeinsamen Sache anstrebe, er erhob aber nach dem Inhalt des Protokolls in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung die angekündigte Einrede nicht. Der Beklagte machte geltend, die nach der Formulierung des Klagebegehrens zum Streitgegenstand gemachten Umstände seien nicht feststellungsfähig. Zu den strittigen Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen wendete der Beklagte ein, entgegen dem vom Vater der Beklagten formulierten Wortlaut der Abänderungsvereinbarung habe er nie an eine Auswanderung gedacht, sondern nur an ein längstens mit einem Jahr befristetes Dienstverhältnis im Ausland und die Streitteile hätten auch nur eine auf diese Zeitspanne beschränkte Regelung beabsichtigt. Der Beklagte habe der Klägerin in Ansehung des gewerblichen Unternehmens lediglich Verwaltungsvollmachten eingeräumt.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Aus den vom Berufungsgericht übernommenen erstrichterlichen Feststellungen ist in Ergänzung des unbestrittenen Sachverhaltes hervorzuheben:

Die Streitteile hatten das auf ihrem gemeinschaftlichen Grund stehende Wohnhaus gemeinsam bewohnt, bis die Klägerin im Oktober 1981 ausgezogen war. Der Beklagte hatte darauf Wohnräume vermietet und die Tankstelle verpachtet, sich selbst auf den Betrieb der Werkstätte und des Kfz-Handels und im Wohnhaus auf die Benützung eines Büroraumes und des Kellers beschränkt. Nach der Vereinbarung vom 4.Februar 1982 verpachtete er auch den Werkstättenbetrieb bis Ende 1982.

Als der Beklagte im Februar 1982 das Anbot erhielt, für ein Jahr eine Arbeitsstelle in Jordanien anzutreten, erklärte sich die Klägerin auf Anfrage des Beklagten bereit, für die Dauer seiner Abwesenheit den Betrieb weiter zu führen, sie war damit einverstanden, daß ein Angestellter des Beklagten als Vertreter die Werkstätte leite und sie selbst die kaufmännische Betreuung des Werkstättenbetriebes weiterführe. Der Beklagte vereinbarte mit seinem Angestellten, daß dieser den Werkstättenbetrieb ab 7.April 1982 vorläufig für ein Jahr als Pächter führen sollte. Der Auslandsaufenthalt des Beklagten war zeitlich nicht absehbar, sollte aber längstens bis April 1983 dauern.

Die Klägerin legte dem Beklagten kurz vor dessen Abreise die mit 6. April 1982 datierte Urkunde zur Unterschrift vor. Zur Textierung erklärte sie dem Beklagten dabei, sie wolle für den Fall gegenüber dem Pflegschaftsgericht abgesichert sein, daß dem Beklagten im Ausland etwas zustieße. Die in der Urkunde vom 6.April 1982 festgelegten Regelungen waren aber nur für die Zeit bis zur Rückkehr des Beklagten vorgesehen.

Der Beklagte erklärte der Klägerin nach seiner Rückkehr im Juni 1982, nunmehr wieder die Tankstelle betreiben und die Werkstätte selbst führen zu wollen. Er löste sein Bestandverhältnis mit dem Angestellten einvernehmlich mit 30.September 1982. Seither betreibt der Beklagte die Werkstätte und den Kfz-Handel wieder selbst. Das Erstgericht folgerte aus der Feststellung, der Parteiwille bei Abschluß der Abänderungsvereinbarung vom 6.April 1982 sei (entgegen dem Urkundenwortlaut) nur auf eine bis zur Rückkehr des Beklagten zeitlich begrenzte Regelung gerichtet gewesen, daß die Klägerin aus dieser Vereinbarung für die Zeit seit der Rückkehr des Beklagten keine Rechte mehr für sich ableiten könne. Das Berufungsgericht teilte diese rechtliche Beurteilung. Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit einem Abänderungsantrag im Sinne ihres Klagebegehrens und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Revisionsgericht hatte mit Rücksicht auf die am 19.März 1986 erfolgte Zustellung einer Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteiles an den Vertreter der Klägerin und die Beurkundung auf der am 17.April 1986 beim Erstgericht eingelangten Berufungsschrift, daß diese "überreicht" worden sei, Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Berufung. Auf Grund der Erhebungsergebnisse legt das Revisionsgericht zugrunde, daß die Berufungsschrift der klagenden Partei entgegen dem erwähnten Stempelabdruck am angegebenen Tag nicht bei Gericht überreicht, sondern am Vortag an das Erstgericht zur Postaufgabe gebracht worden war. Die Bedenken, daß das angefochtene Urteil wegen Verstoßes gegen die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteiles nichtig sein könnte, sind damit zerstreut.

Zur Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges ist

festzuhalten, daß die geschiedene Ehefrau mit ihrem noch innerhalb

der Jahresfrist nach Auflösung der Ehe durch richterliche

Entscheidung klageweise erhobenen Begehren keine rechtsgestaltende

Regelung in Ergänzung einer unvollständig gebliebenen

rechtsgeschäftlichen Einigung, sondern die Feststellung der

Rechtsverhältnisse im Sinne einer getroffenen Vereinbarung

anstrebte. Sie leitete ihre Ansprüche aus der Vereinbarung ab.

Meinungsverschiedenheiten über die Rechtsfolgen aus einer Vereinbarung zur nachehelichen Vermögensauseinandersetzung sind aber nicht in das Außerstreitverfahren gewiesen und daher im Rechtsstreit auszutragen.

Die in der Revision gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die dem Berufungsurteil angelastete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Ausführungen zur Rechtsrüge setzen sich darüber hinweg, daß nach den zugrundezulegenden Feststellungen die Streitteile mit dem Wortlaut des Schriftstückes vom 6.April 1982 ihre tatsächliche Absicht zu einer bloß für die Dauer des Auslandsaufenthaltes des Beklagten wirkenden Abänderungsvereinbarung zur allfälligen Täuschung des Pflegschaftsgerichtes bewußt unrichtig abfassen ließen. Die schriftliche Beurkundung ihrer Abänderungsvereinbarung ist gemäß § 916 Abs 1 ABGB keine taugliche Anspruchsgrundlage, weil für die Regelung ihrer Rechtsbeziehungen ausschließlich das verdeckte und nicht das von den Streitteilen vorgeschobene Rechtsgeschäft bestimmend ist.

Die Vorinstanzen haben daher im Ergebnis zu Recht erkannt, daß die Klägerin ihr Feststellungsbegehren nicht mit Erfolg auf die am 6. April 1982 beurkundete Vereinbarung zu stützen vermag. Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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