Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit S 5.708,94 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 501,54 S Umsatzsteuer und 192 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Den Klägern gehören mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile des Hauses Wien 1, Wildpretmarkt 2. Die Beklagten sind Mieter des in diesem Hause an der Ecke Brandstätte gelegenen Parterrelokales. Die Kläger kündigten den Beklagten dieses Bestandobjekt zum 31. Dezember 1979 auf, weil es die Beklagten gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung zur Gänze an einen Dritten weitergegeben hätten. Von einer Weiterführung des Betriebes könne keine Rede sein, weil das gegenständliche Lokal Anfang Juni 1979 vollkommen geräumt worden sei. Eine Geschäftseinrichtung sei nicht übernommen worden (ON 3 S 1 = AS 11).
Die Beklagten wendeten ein, daß ihr Rechtsvorgänger Kurt B*** in den aufgekündigten Räumen einen Einzelhandel mit Möbeln, Bodenbelägen und Tapeten betrieben habe. Er habe dieses Unternehmen an die Firma P*** OHG verpachtet. Schon damals sei in zwei Rechtsstreitigkeiten festgestellt worden, daß es sich nicht um eine Untervermietung sondern um eine Verpachtung handle und daher ein Kündigungsgrund nicht gegeben sei. Dieses Pachtverhältnis sei bis 30. Juni 1979 fortgesetzt worden. Ab dem 1.Juli 1979 habe die Firma W. H*** Gesellschaft mbH das Pachtverhältnis ohne Änderung des Betriebsgegenstandes und auf Grund einer vereinbarten Betriebspflicht fortgesetzt. Das Geschäft bestehe seit vielen Jahren und habe in der Branche einen guten Ruf. Die drei hintereinander im gegenständlichen Objekt geführten Möbelgeschäfte seien nach der Verkehrsauffassung als idente Unternehmen anzusehen. Es sei in der Möbelbranche nicht üblich, Kundenlisten aufzustellen (ON 8 S 5 = S 33).
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Im Jahre 1952 mietete Kurt B***, der verstorbene Gatte der Erstbeklagten und Vater des Zweitbeklagten, gemeinsam mit Eduard S***l, der mittlerweile als Mieter ausgeschieden ist, das gegenständliche Bestandobjekt. Zunächst betrieb Kurt B*** dort einen Autohandel. Ab dem 7.Oktober 1965 bis 28.Februar 1966 verkaufte er Möbel, nachdem er eine Gewerbeberechtigung für den Handel mit Möbeln, Tapeten und Fußbodenbelägen erworben hatte. Die Möbel waren teils Kommissionsware der Firma B***, teils wurden sie von anderen Lieferanten bezogen. Die Firma P*** OHG pachtete dieses Unternehmen ab 28.Februar 1966 und führte es in der gleichen Form weiter. Auch diese Firma verkaufte Stilmöbel unter der Marke B***. Dabei handelte es sich um Stilmöbel rumänischer Herkunft mit barockem Einschlag. Das Pachtverhältnis bestand bis 30.Juni 1979. Mit Vertrag vom 29.Juni 1979 verpachtete die Erstbeklagte das Unternehmen an die Firma W. H*** Gesellschaft mbH. Vor Einzug dieser Firma wurde das Geschäft renoviert. Die Firma W. H*** Gesellschaft mbH vertrieb dort Möbel im englischen Stil, gleichfalls mit barockem Einschlag, sodaß sie den gleichen Kundenkreis wie die Vorgängerin ansprach.
Insbesondere durch die langjährige Verkaufstätigkeit der Firma P*** OHG war dem in Frage kommenden Kundenkreis bekannt, daß man an diesem Standort Stilmöbel erwerben kann. Die Geschäftsbezeichnung war ebenso wie die Geschäftseinrichtung (Schreibtische, Ablagen, Prospekte und Kataloge) für die Identifikation des Unternehmens nicht so bedeutsam; maßgeblich waren vielmehr die zur Schau gestellten Waren und die Art der Darbietung. Die von Kurt B***, der Firma P*** OHG und der W. H*** Gesellschaft mbH angebotenen Möbel waren dem Barockstil nachempfunden. Nach Herstellungsart und Preisklasse (einschließlich Accessoires) kamen diese Möbel für eine gehobene Käuferschicht in Frage. Einen Kundenstock im herkömmlichen Sinn gibt es für derartige Möbel nicht. Stammkunden kommen nur zu Ergänzungskäufen. Sieht man von jeweiligen geringfügigen Änderungen ab, sind sowohl die äußere Gestaltung des Geschäftslokales - einschließlich der noch vom Kraftfahrzeughandel herrührenden großflächigen Schaufenstergestaltung - als auch die angebotenen - dem barocken Stil nachempfundenen - Möbel einschließlich der Accessoires gleich geblieben.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß im Hinblick auf die Gleichartigkeit der angebotenen Ware und die Identität des angesprochenen Kundenkreises eine Unternehmenspacht und nicht eine bloße Untervermietung anzunehmen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß auch schon das von Kurt B*** errichtete Unternehmen Gegenstand eines Pachtvertrages habe sein können und führte aus, mit Ende des Pachtverhältnisses sei das Unternehmen an den Verpächter zurückgefallen, wobei diesem auch die von der Firma P*** OHG ausgebaute Bekanntheit des Standortes für den Verkauf von Stilmöbeln zugute komme. Hingegen seien die Überlassung der Geschäftseinrichtung und der Geschäftsbezeichnung sowie die Weitergabe einer Kundenliste in dieser Branche kein wesentliches Element einer Unternehmensverpachtung.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Rechtswirksamerklärung der Kündigung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).
Zu Unrecht wenden sich die Revisionswerber auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Entscheidend ist, daß in den Bestandräumlichkeiten vor und nach der Übergabe an die W. H*** Gesellschaft mbH dasselbe Gewerbe ausgeübt wurde bzw. wird und im wesentlichen gleichartige Waren - dem barocken Stil nachempfundene Möbel - angeboten wurden und werden, die nach Herstellungsart und Preisklasse dieselbe Käuferschicht ansprechen, wie die von den Vorgängern angebotenen Stilmöbel. Der Umstand, daß das Geschäftslokal während der Renovierung durch den neuen Pächter einige Zeit geschlossen war, führte nicht zu einer das lebende Unternehmen wesentlich beeinträchtigenden Unterbrechung des Betriebes, insbesondere wenn man in Betracht zieht, daß der von den angebotenen Waren angesprochene Kundenkreis in der Regel nur in größeren Zeitabständen ein derartiges Geschäft aufsucht (vgl. MietSlg.36.276/45). Entgegen der Ansicht der Revisionswerber wurde auch der Kundenstock der Vorgänger übernommen. Hiefür ist die Übergabe von Kundenlisten nicht erforderlich; abgesehen davon, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen in dieser Branche die Führung derartiger Aufzeichnungen gar nicht üblich ist. Es reicht aus, daß dem in Frage kommenden Kundenkreis bekannt ist, daß an diesem Standort Stilmöbel für den gehobenen Bedarf verkauft werden. Hingegen ändert die Erneuerung des Inventars durch den Pächter nichts am Pachtvertragscharakter einer Unternehmensüberlassung (siehe MietSlg.24.131, 25.113, 28.118). Auch der Umstand, daß der Pächter den Gewerbebetrieb auf Grund einer eigenen Gewerbeberechtigung führt, steht der Annahme eines Pachtvertrages nichts entgegen (vgl. MietSlg.37.125/7). Da für den in Frage kommenden Kundenkreis nicht die Unternehmensbezeichnung sondern vor allem der durch die Langzeiteinführung als Verkaufsquelle für Stilmöbel mit barockem Einschlag bekannte Standort des Unternehmens maßgeblich ist, kommt schließlich auch dem Umstand, daß der nunmehrige Pächter eine andere Unternehmensbezeichnung verwendet, keine entscheidende Bedeutung zu. Die Nichtübernahme einzelner Betriebsgrundlagen, wie etwa des Warenlagers und der Geschäftseinrichtung, ändert nichts daran, daß ein lebendes Unternehmen im Sinne einer organisierten Erwerbsgelegenheit übernommen wurde (vgl. MietSlg.37.125/7 mwN). Insgesamt ist den Vorinstanzen daher darin beizupflichten, daß die wesentlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Unternehmenspacht erfüllt sind und damit der Kündigungsgrund nach § 19 Abs.2 Z 10 MG nicht gegeben ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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