Spruch:
Der Revision wird nicht stattgegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 21.375 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 3.562,50 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Eine Liegenschaftseigentümerin hatte ihren Ehemann mit folgendem
Nachtrag zu ihrem Alleinerben eingesetzt:
"Nachträglich halte ich noch fest, daß mein Mann...über den Nachlaß grundsätzlich frei verfügen kann. Es darf aber nichts auf seine Tochter...übergehen, weder durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, noch im Erbweg. Ebenso dürfen deren Nachkommen nichts erhalten."
Die Testamentserrichterin starb kinderlos. Ihr Witwer trat die Erbschaft aufgrund des Testamentes an. Er anerkannte im Zuge der Abhandlung vor dem Gerichtskommissär in Gegenwart der Nichten und Neffen seiner verstorbenen Ehefrau, deren gesetzlich berufenen Erben, ausdrücklich, er unterwerfe sich der testamentarischen Auflage, daß nichts (aus dem Nachlaß) auf seine Tochter und deren Nachkommen übergehen dürfe, "wobei für den Fall des Zuwiderhandelns den erbl.Nichten und Neffen...ein aufschiebend bedingtes Nacherbrecht hinsichtlich des Nachlaßvermögens zusteht".
Der Nachlaß der Liegenschaftseigentümerin wurde dem Witwer "unter Hinweis auf das Nacherbrecht gemäß Testamentsausweis" eingeantwortet und aufgrund der Abhandlungsergebnisse auf der Nachlaßliegenschaft das Eigentumsrecht des Witwers mit der Beschränkung durch das Nacherbrecht der vier Nichten und Neffen der Erblasserin grundbücherlich einverleibt.
Einige Monate nach dieser Verbücherung der Abhandlungsergebnisse errichtete der damals bereits im 90.Lebensjahr gestandene Witwer seinerseits ein Testament. Mit diesem setzte er eine damals knapp 54 Jahre alte Frau zu seiner Alleinerbin ein.
Zwei Jahre später starb der Witwer. Er wurde einerseits von der testamentarisch Berufenen als auch von seiner im Testament seiner Witwe negativ genannten Tochter aus erster Ehe als einzige gesetzlich berufene Erbin überlebt. Die Testamentserbin trat die Erbschaft an. Die Tochter des Erblassers meldete ihre Pflichtteilsansprüche an. Die Erbin anerkannte diese Pflichtteilsansprüche allerdings nur insoweit, als das aus der Verlassenschaft der Ehefrau des Erblassers stammende Vermögen, insbesondere die Liegenschaft, aus der Berechnungsgrundlage ausgeschieden werde. Über die Einbeziehung der von der Stiefmutter der Pflichtteilsberechtigten stammenden Verlassenschaftsliegenschaft in die Pflichtteilsberechnung erzielten die Tesamentserbin und die Tochter des Erblassers keine Einigung. Der Nachlaß des Witwers wurde seiner Testamentserbin eingeantwortet.
Die Tochter des Erblassers und Stieftochter der Voreigentümerin der Nachlaßliegenschaft forderte hierauf von der Testamentserbin als ("Teil"-)Pflichtteil wegen der erbrechtlichen Nachfolge in die mit 1 Mio S bewertete Liegenschaft den Betrag von 500.000 S.
Die Testamentserbin wendete ein, daß die Klägerin zufolge der letztwilligen Anordnung ihrer Stiefmutter auch nicht über einen Pflichtteilanspruch nach ihrem Vater etwas aus dessen von der zweiten Ehefrau ererbten Vermögens erhalten dürfe, weil anderenfalls das, was aus dem Nachlaß der verstorbenen zweiten Ehefrau des Erblassers an dessen Todestag noch vorhanden gewesen sei, also insbesondere die Nachlaßliegenschaft, an die Gesetzeserben der Voreigentümerin zu fallen hätte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß ein Pflichtteilanspruch der Klägerin, soweit er die von ihrer Stiefmutter stammende Liegenschaft als Berechnungsgrundlage einbezöge, eine Umgehung des letzten Willens der Voreigentümer bedeutete.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses erstinstanzliche Urteil. Dazu sprach es aus, daß eine Revisionszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliege. Das Berufungsgericht billigte die erstrichterliche Beurteilung aus der Erwägung, daß aus der Pflichtteilsberechnungsgrundlage dasjenige ausgeschieden werden müsse, worüber der Erblasser - etwa als Vorerbe hinsichtlich eines Substitutionsnachlasses - nicht frei zu verfügen berechtigt gewesen wäre.
Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Abänderungsantrag im Sinne des Klagebegehrens an.
Die Beklagte bestreitet das Vorliegen einer Zulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO; im übrigen strebt sie die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Die Revision ist zulässig, weil höchstrichterliche Rechtsprechung über die Wirksamkeit einer letztwilligen, eine bestimmte Person und deren Nachkommen betreffende, dem Begünstigten auferlegte negative Rechtsnachfolgeregelung fehlt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Der Ansatz der berufungsgerichtlichen rechtlichen Ableitung trifft zu:
Was einem Pflichtteilsberechtigten vom Erblasser nicht letztwillig zugedacht hätte werden können, ist auch in die Pflichtteilsberechnungsgrundlage nicht einzubeziehen (arg § 784 ABGB).
War der Vater der Klägerin also durch eine an seinem Todestag wirksame Bindung gehindert, über die von seiner vorverstorbenen zweiten Ehefrau geerbte Liegenschaft zugunsten deren Stieftochter zu verfügen, ist der Wert dieser Liegenschaft auch nicht in die Pflichtteilsberechnungsgrundlage einzubeziehen.
Der Erblasser hatte nun in der Abhandlung des Nachlasses seiner vorverstorbenen zweiten Ehefrau unter dem Eindruck deren letztwilliger Anordnung gegenüber den Nichten und Neffen der Verstorbenen erklärt, er unterwerfe sich der letztwilligen Auflage, daß vom Vermögen seiner verstorbenen Frau nichts auf seine Tochter und deren Nachkommen übergehen dürfe, wobei für den Fall des Zuwiderhandelns den namentlich genannten vier Nichten und Neffen der Verstorbenen ein aufschiebend bedingtes Nacherbrecht zustehe.
Selbst wenn der Vater der Klägerin diese Bindung gegenüber den Gesetzeserben seiner verstorbenen Ehefrau aus reiner Liberalität - und nicht etwa aus einer sei es auch nur sittlichen Pflicht gegenüber seiner verstorbenen Frau - vertraglich auf sich genommen hätte, wäre eine derartige schenkungsweise Einräumung einer Rechtsnachfolgerstellung im Sinne des § 785 Abs 3 letzter Satz ABGB pflichtteilsrechtlich voll beachtlich.
Daß auch nur einer der vier gesetzlichen Erben nach ihrer Stiefmutter inzwischen verstorben wäre, hat die Klägerin nicht vorgebracht. Aktenkundige Hinweise dafür fehlen. Es ist daher davon auszugehen, daß die vertragliche Bindung des Vaters der Klägerin voll aufrecht bestand.
Es war aber auch die vom Erblasser als testamentarisch eingesetzten Alleinerben nach seiner verstorbenen Ehefrau anerkannte letztwillige negative Nachfolgereglung in Ansehung der Klägerin wirksam. Denn selbst wenn man eine derartige negative Nachfolgeanordnung, obwohl sie die Verfügungsfähigkeit ganz entscheidend weniger beschränkt als eine fideikommissarische Substitution, denselben Beschränkungen unterwürfe, wäre die Anordnung in Ansehung der Tochter jedenfalls voll wirksam (§ 611 ABGB).
Es bleibt daher nur noch, den Revisionsausführungen zu entgegnen, daß die Stiefmutter der Klägerin mit ihrer letztwilligen Anordnung nicht ein Verhalten des zum Alleinerben eingesetzten Witwers sanktionieren, sondern eine Rechtsnachfolge über ihr Vermögen treffen wollte, was sogar in der Formulierung ihrer Anordnung sprachlichen Ausdruck fand, wenn es heißt, "es" dürfe nichts auf die Stieftochter und deren Nachkommen übergehen.
Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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