OGH 6Ob662/86

OGH6Ob662/8613.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Resch, Dr.Schobel sowie Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.A*** Heizung-Wasser-Stahlbau Gesellschaft mbH, Neuhofen an der Krems, vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 236.627,73 S samt Nebenforderungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28. Juli 1986, GZ.5 R 28/86-12, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 7.November 1985, GZ.1 Cg 206/85-6, im Zinsenpunkt bestätigt und in der Hauptsache abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen den bestätigenden Teil des Berufungsurteiles richtet. Im übrigen wird der Revision nicht stattgegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.723,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft. Sie hat als Bauherr in Ansehung der Heizungsanlage für eines ihrer Bauvorhaben Unternehmer unter Verwendung eines von ihr erstellten Vordruckes zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Nach den dabei formulierten Bestimmungen waren Angebote unter Verwendung eines vom einladenden Bauherrn aufgelegten Vordruckes abzufassen. Die in das Einladungsschreiben aufgenommenen Angebotsbestimmungen lauteten im ersten Satz ihres Punktes 5.:

"Die Kalkulation ist nach der ÖNORM B 2061 durchzuführen, wobei als Stichtag für die Preisbildung der erste Tag jenes Kalendermonates gilt, in dem die Angebotsfrist abläuft."

Das Angebotsformular selbst enthält in seinem Kopf folgenden Hinweis:

"S*** FÜR DIE P***: lt.Pkt.5 der Angebotsbestimmungen". Nach dem Vordruck des Angebotsschreibens waren als Bestandteile des Angebots unter anderem "die ÖNORMEN B 2111 (Ausgabe 1.Jänner 1973)" angeführt. Die Anbotssteller hatten nach Punkt 6 des Angebotsschreibens die Preise, aufgeschlüsselt nach Lohnanteil und dem Anteil an "Sonstigem" auszuweisen. Für die Arbeitsausführung waren - nach der einen Bestandteil des Angebotsschreibens bildenden Technischen Beschreibung - einzelne Bauetappen vorgesehen (Punkt 9 a; zu den sich daraus für die Auftragnehmer ergebenden Herstellungsfristen haben die Parteien keine Behauptungen aufgestellt).

Nach dem Punkt 7 des Angebotsschreibens anerkennt der Antragsteller folgende Preisbestimmungsregel:

"Die angebotenen Einheits-, Bausch- und Regiepreise laut Leistungsverzeichnis gelten im Sinne der ÖNORM A 2050 als Festpreise (auf 15 Monate ab Stichtag für die Preisbildung)."

Die Klägerin beteiligte sich als Anbotsteller mit einem formularmäßigen Angebotsschreiben an der Ausschreibung, erhielt den Auftrag und erbrachte die Vertragsleistungen. Unbestritten ist der mehr als 15 Monate nach dem als Stichtag festgelegten 1.Juni 1981 gelegene, für die Bestimmung der veränderlichen Preise maßgebende Tag.

Strittig ist ausschließlich die Auslegung der Entgeltsermittlungsregel nach dem oben wörtlich zitierten Punkt 7 des Angebotsschreibens. Die Klägerin will diese Entgeltsvereinbarung dahin verstanden wissen, daß im Falle einer Entgeltsbestimmung zu einem nach Ablauf der vereinbarten Festpreisfrist von 15 Monaten die volle Preisänderung seit dem Stichtag zu beachten sei. Die Beklagte vertritt dagegen den Standpunkt, daß Preisbewegungen innerhalb der 15-monatigen Festpreisfrist auch bei einer Entgeltsbestimmung zu einem nach Ablauf dieser Frist gelegenen Tag für eine Preisanpassung außer Betracht zu bleiben hätten und nur die zwischen dem Ende der Festpreisfrist und dem für die Entgeltsberechnung maßgeblichen Tag eingetretenen Preisbewegungen erheblich seien.

Zwischen den Streitteilen ist unbestritten, daß bei der von der Klägerin geforderten und von der Beklagten abgelehnten Vertragsauslegung das der Klägerin gebührende Entgelt um den Klagsbetrag von rund 240.000 S höher wäre als das von der Beklagten anerkannte.

Das Erstgericht teilte die Vertragsauslegung der Klägerin und gab dem Klagebegehren mit Ausnahme des 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens statt.

Das Berufungsgericht folgte der von der Beklagten vertretenen Vertragsauslegung und änderte das Urteil erster Instanz in dessen klagsstattgebendem Teil im Sinne der Klageabweisung ab. Der im Zinsenpunkt erhobenen Berufung der Klägerin gab es dementsprechend nicht Folge. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

Die Klägerin ficht das Berufungsurteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf volle Klagsstattgebung gerichteten, Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Zu dem vom Erstgericht abgewiesenen Zinsenteilbegehren finden sich keine besonderen Ausführungen. Nach der Rechtsmittelerklärung und dem Rechtsmittelantrag ist aber die Anfechtung auch auf den bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung zu beziehen. In diesem Umfang ist die Revision allerdings gemäß § 502 Abs 3 ZPO unzulässig. Im übrigen ist die Revision deshalb zulässig, weil über die Auslegung einer formularmäßigen Vertragsbestimmung zu erkennen ist, die nach dem Verwender des Formulars über den zur Entscheidung vorliegenden Rechtsfall hinaus von Bedeutung ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Bei größeren Bauvorhaben können aus technischen oder auch nur aus organisatorischen Gründen zwischen dem Vertragsabschluß und der Leistungsausführung längere Zeiträume liegen. Aus Erfahrung muß damit gerechnet werden, daß innerhalb solcher Zeiträume die der Kalkulation zugrundegelegten Werte einer Veränderung unterliegen. Die Auswirkungen solcher als möglich, ja meist als wahrscheinlich vorausgesetzter, im Ausmaß die nach den Erfahrungen zu bedenkenden Grenzen nicht übersteigender Bewegungen der Kostenbestimmungsfaktoren auf das Leistungsentgelt können Gegenstand einer wirksam vorweg getroffenen vertraglichen Regelung sein. Sogenannte Festpreisvereinbarungen überwälzen das Risiko von allgemeinen Preissteigerungen voll auf den Unternehmer, Vereinbarungen über sogenannte veränderliche Preise, auch Preisgleitklauseln genannt, grundsätzlich auf den Besteller. Eine Aufteilung der Preisrisikotragung in der Weise, daß Änderungen des allgemeinen Preisgefüges bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (zu Lasten des Unternehmers) für die Entgeltbestimmung unbeachtlich sein, Preisänderungen nach diesem Zeitpunkt aber (zu Lasten des Bestellers) bei der Entgeltbestimmung berücksichtigt werden sollen, stellt ein gedankliches Zwischenmodell dar, das als solches weder im Verdacht schwerwiegender inhaltlicher Unausgewogenheit, noch auch bei Aufanhme in Formularerklärungen im Verdacht der Unüblichkeit steht. Gerade öffentlich-rechtliche Körperschaften als Auftraggeber pflegen Fristen ab Vertragsabschluß festzulegen, innerhalb derer Preisgleitregelungen keine Anwendung finden (vgl.Kühne in Leistungsbestimmung in Bauverträgen, Orac 1979, S.16 und Mell-Schwimann Grundriß des Baurechts, Prugg 1980, S.85). Der Vereinbarung längerer Festpreisfristen ist dabei im Zweifel nicht die Absicht einer Berechnungsvereinfachung durch Ausschaltung von vernachlässigbarer Minimalveränderungen, ähnlich den Schwellwertfestlegungen in Wertsicherungsklauseln, zu unterstellen, sondern vielmehr eine bewußte Risikoaufteilung.

Bei einem solchen Verständnis kann der Inhalt der strittigen Regelung, nach der die angebotenen Preise auf 15 Monate ab Stichtag für die Preisbildung als Festpreise zu gelten haben, mangels sonstiger besonderer für die Auslegung heranzuziehender Umstände im Sinne des Standpunktes der beklagten Partei nur dahin bestimmt werden, daß Marktpreisänderungen bis zum Endzeitpunkt der Frist für die Entgeltbestimmung außer Ansatz zu bleiben hatten und nur Marktpreisänderungen ab diesem Zeitpunkt zu einer Anpassung des Leistungsentgeltes an die geänderten Marktpreise berechtigten. Für die Entgeltbestimmung ist der (nach Punkt 5 der Angebotsbestimmungen zu ermittelnde) Stichtag kraft ausdrücklicher und unmißverständlicher Regelung (nach Punkt 7 des Angebotesschreibens) um 15 Monate in die Zukunft verlegt.

Daran gehen sämtliche Ausführungen der Revision über die Bedeutung von Wertsicherungsklauseln, über Bauvertragsregelungen ohne besondere Abreden zur Preisanpassung sowie über die Auslegung unklarer Vertragsbestimmungen im allgemeinen vorbei. Auch das Argument der vermeintlichen Unnötigkeit, Preise zu einem bestimmten Stichtag (hier: 1.Juni 1981) anzubieten, wenn für eine allfällige Anpassung der Preise die Preisbasis zum Ende eines Festpreiszeitraumes heranzuziehen wäre, ist nicht stichhältig. Anzupassen sind die - vom Auftraggeber mit den Ansätzen der Mitbewerber zu vergleichenden - Preise, die vom Unternehmer für den vereinbarten Stichtag anzusetzen sind. Diese Stichtagpreise sind Grundlage jeder künftigen Entgeltbestimmung. Welche Verschiebungen des allgemeinen Preisgefüges aber für eine Anpassung maßgeblich sein sollen, regelt ausschließlich und unzweideutig die in Punkt 7 des Angebotsschreibens aufgenommene Bestimmung in der Weise, daß der Anpassungsfaktor nicht der Quotient aus dem Index am Verrechnungstag zum Index des Stichtages, sondern der Index des Verrechnungstages zum Index eines 15 Monate nach dem Stichtag gelegenen Endzeitpunktes der Festpreisfrist zu sein hat.

Die Folgerungen, die die einzelnen Bewerber aus dieser Art der vorgesehenen Entgeltbestimmung für die Kalkulation des Stichtagpreises zu ziehen haben, mit anderen Worten, wie sie das von ihnen zu übernehmende Risiko von Preisverschiebungen während des Festpreiszeitraumes betragsmäßig zu berücksichtigen haben, liegt ausschließlich in der autonomen wirtschaftlichen Kalkulation der Bietkonkurrenten.

Der Revision gegen den abändernden Teil des Berufungsurteiles war daher nicht stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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