OGH 6Ob658/87

OGH6Ob658/8715.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*** Ungarisches genossenschaftliches Außenhandelsunternehmen, Oktober 6.U.12, H-1051 Budapest, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Dipl.Ing. Georg Peter L***, 2) Dr. Hans L***, beide Inhaber des Geflügelhofes Mitterndorf, 1030 Wien, Viehmarktgasse 5, beide vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen

US-Dollar 11.174,50 sA (= öS 141.636,78), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 18. Mai 1987, GZ 1 R 69/87-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 17. Dezember 1986, GZ 15 Cg 75/86-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.033,44 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 1.093,94 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 2. Juli 1979 schlossen die Streitteile einen Rahmenvertrag mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 1984 betreffend die Aufzucht und Haltung von im Eigentum der beiden Beklagten verbleibenden Küken durch die Klägerin sowie die Rücklieferung von Bruteiern oder Eintagsküken, ferner von Konsumeiern und ausgelegten Hühnern. Punkt 17. dieses Rahmenvertrages enthält in seinem drittvorletzten Absatz folgende Schiedsklausel:

"Im Falle einer eventuellen Streitigkeit akzeptieren die beiden Partner das Urteil des Schiedsgerichtes der zuständigen Handelskammer im Lande der beklagten Partei. Das Schiedsgericht wendet das ungarische Materialrecht an."

Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage von den beiden Beklagten letztlich die Bezahlung des noch offenen Kaufpreisrestes von US-Dollar 11.174,50 sA mit der Behauptung, die Beklagten hätten bei ihr insgesamt 2.284 Kartons Bruteier gekauft, welche von der Klägerin an den irakischen Abnehmer der Beklagten geliefert worden seien.

Die Beklagten erhoben unter anderem die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit, weil die vorliegende Streitigkeit unter die Schiedsklausel des Rahmenvertrages vom 2. Juli 1979 falle. Bei dessen Erfüllung sei es nämlich zu Leistungsstörungen auf seiten der Klägerin gekommen und die Parteien hätten am 24. August 1981 eine ergänzende Vereinbarung getroffen. Darin habe die Klägerin eine Nichtauslieferung von 30 Millionen Stück Bruteiern anerkannt, was einen Schadenersatzanspruch der Beklagten von US-Dollar 810.000,-- ergeben habe. Hiefür habe die Klägerin Eier ausliefern sollen, wobei zur Abdeckung der den Beklagten erwachsenen Nachteile ein Preißnachlaß von 2,7 Cents pro Ei hätte gewährt werden sollen. Für den Fall, daß sich die Vertragsteile über die Preise der zu liefernden Bruteier nicht einigen sollten, sei vereinbart worden, daß von beiden Teilen eine Verwertung dieser Eier gesucht werde. Für den Fall, daß eine Verwertung, also eine Veräußerung an Dritte, zustandekomme, hätte den Beklagten eine Provision von 2,7 Cents pro Ei eingeräumt werden sollen, welche gleichfalls zur Abdeckung ihrer Forderungen zu dienen habe. Derartige Forderungen der Beklagten aus dieser Vereinbarung vom 24. August 1981 seien somit ebenso Teil des Rahmenvertrages vom 2. Juli 1979 und unterlägen daher auch dessen Schiedsklausel wie Ansprüche der Beklagten aus Verwertungsgeschäften mit Dritten. Das klagsgegenständliche Irak-Geschäft sei ein derartiges Verwertungsgeschäft und die Klägerin habe auch mit Telex vom 16. November 1983 ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß die von diesem Geschäft umfaßten Lieferungen dem Vorschlag der Beklagten entsprechend als Erfüllung des Rahmenvertrages vom 2. Juli 1979, nämlich als Erfüllung der den Beklagten im Jahre 1984 auszuliefernden Mengen, betrachtet werde. Es seien daher auch die wechselseitigen Forderungen aus diesem Irak-Geschäft Teil des Rahmenvertrages vom 2. Juli 1979 und damit von dessen Schiedsklausel umfaßt.

Darauf replizierte die Klägerin, das klagsgegenständliche Geschäft entstamme nicht aus dem Rahmenvertrag vom 2. Juli 1979. Es werde auch durch ihren Wunsch, die Liefermengen auf jene des Rahmenvertrages anzurechnen, noch nicht dem Rahmenvertrag unterstellt. Dies hätte zudem nur schriftlich erfolgen können. Das Erstgericht wies die von den Beklagten erhobene Einrede der Unzuständigkeit zurück. Es stellte fest, daß die Liefermenge des klagsgegenständlichen Geschäftes auf Grund des per Telex vom 16. November 1983 erfolgten, von den Beklagten angenommenen, Anbotes der Klägerin auf die in den Vereinbarungen vom 2. Juli 1979 und 24. August 1981 festgelegte Lieferquote angerechnet werden sollte. Eine darüber hinausgehende ausdrückliche Übereinkunft, das Geschäft als solches der bestehenden Rahmenvereinbarung zu unterstellen, sei nicht getroffen worden. In dem zu GZ VB 106 anhängigen Schiedsverfahren bei der Ungarischen Handelskammer sei die klagsgegenständliche Forderung von der Klägerin nicht "im rechtstechnischen Sinn" geltend gemacht, sondern nur im Laufe des Verfahrens erörtert worden, ohne daß dadurch ihre Streitanhängigkeit begründet oder sie auch nur als Gegenforderung eingewendet worden wäre.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, daß durch die Vereinbarung der Anrechnung der gegenständlichen Liefermenge auf die in der Rahmenvereinbarung festgelegte Lieferquote der Wirkungsbereich der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung nicht ausgedehnt worden sei, weil im Telex der Klägerin vom 16. November 1983 auf die Schiedsklausel in keiner Weise Bezug genommen worden sei. Darüber hinaus liege mangels eines korrespondierenden Telex der Beklagten auch die für die Ausdehnung einer Schiedsvereinbarung zwingend erforderliche Schriftlichkeit nicht vor.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Beschluß dem von den Beklagten erhobenen Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß das Verfahren vor dem Erstgericht, soweit es sich auf die Erörterung der Prozeßeinrede der Beklagten bezieht, für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Das Rekursgericht traf auf der Grundlage der Urkunde Beilage 2 die ergänzende Feststellung, laut Vereinbarung vom 24. August 1981 "bezüglich der Ergänzung bzw. Abänderung des Bruteierlohnarbeitskontraktes vom 1. Juli 1979" sei festgelegt worden, daß im Rahmen der Verpflichtung der Klägerin aus diesem Vertrag gemeinsame Verwertungsschritte gesetzt werden, die unter die Rahmenvereinbarung fallen.

Daraus folgerte das Rekursgericht in rechtlicher Hinsicht, daß die Verbindlichkeit der im Rahmenvertrag vereinbarten Schiedsklausel für das hier strittige Geschäft gegeben sei, weil es ein Verwertungsgeschäft im Sinne der Vereinbarung vom 24. August 1981 dargestellt habe. Entscheidend sei der Text der Schiedsgerichtsvereinbarung mit Berücksichtigung vernünftiger und den Zweck der Vereinbarung favorisierender Auslegung. Da im vorliegenden Fall die die Schiedsklausel enthaltende Rahmenvereinbarung Beilage 1 durch das Zusatzübereinkommen Beilage 2 einvernehmlich erweitert worden sei, und das Irak-Geschäft nach dem eindeutigen Parteiwillen gemäß dem Telex vom 16. November 1983 dieser Zusatzvereinbarung unterfalle, könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die Schiedsklausel für das strittige Geschäft Gültigkeit habe. Einer neuerlichen Bekräftigung der Schiedsklausel in Beilage 2 habe es nicht bedurft, weil diese eine Zusatzvereinbarung mit einer Erweiterung bzw. neuerlichen Festlegung der in der Rahmenvereinbarung festgestellten Geschäfte, darstelle. Bei vernünftiger Auslegung des Vertrages sei daher davon auszugehen, daß die Parteien die materiell während ihres ergänzten bzw. abgeänderten Vertragsverhältnisses entstehenden Streitigkeiten von einem Schiedsgericht hätten entscheiden lassen wollen. Andernfalls hätten sie nach der Übung des redlichen Verkehrs reden müssen. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, daß dem Rekurs der Beklagten gegen den erstgerichtlichen Beschluß nicht Folge gegeben werde möge (gemeint offenbar: daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde).

Die Beklagten stellen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Zu der von der Rechtsmittelwerberin behaupteten Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens ist darauf zu verweisen, daß entgegen ihrer Meinung von ihr die Richtigkeit der Urkunde Beilage 2 nicht ausdrücklich bestritten wurde (ON 5, AS 24). Richtig ist aber, daß die in Fotokopie vorgelegte Urkunde Beilage 2 in Wahrheit aus zwei Teilen besteht, nämlich aus einem "Pro Memoria" und einer "Vereinbarung zwischen der Firma H*** und der Firma L*** bezüglich der Ergänzung bzw. Abänderung des Bruteierlohnarbeitskontraktes vom 1. Juli 1979". Während letztere am Ende in Maschinschrift die Namen der Parteien aufweist, ist dies beim "Pro Memoria" nicht der Fall. Jedenfalls weisen beide Urkunden keinerlei Unterschriften auf. Ob es sich dabei um die Fotokopien von Durchschlägen der im Original von den Parteien unterfertigten Urkunden handelt, wurd nicht erörtert. Die Klägerin hat auch die Übereinstimmung mit den Originalen zugegeben (ON 5, AS 24). Es könnte somit fraglich sein, ob sich diese Erklärung auf die im Original allenfalls unterfertigten Urkunden bezogen hat. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, weil selbst bei Erfüllung des Formgebotes des § 577 Abs 3 ZPO der Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht beizupflichten ist:

Für den Wirkungsbereich einer Schiedsvereinbarung ist in erster Linie der Inhalt der Vereinbarung maßgebend, die gemäß § 577 Abs 1 und 2 ZPO die notwendigen Angaben über den Rechtsstreit bzw. das bestimmte Rechtsverhältnis, über das die Schiedsrichter zu entscheiden haben, enthalten muß. Daher ist eine ausdehnende Auslegung der Wirksamkeit auf ergänzende Abkommen zum ursprünglichen Vertrag unzulässig (Fasching, Komm, IV, 728; derselbe, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht 26; RSp. 1936/329; 7 Ob 631/82). Entscheidend für die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes ist also der Text der Schiedsvereinbarung mit Berücksichtigung vernünftiger und den Zweck der Vereinbarung favorisierender Auslegung (Fasching, aaO, 881; 7 Ob 631/82; SZ 58/60). Das Erfordernis der Schriftlichkeit schließt aber jedenfalls eine im Widerspruch zum Wortlaut der schriftlichen Vereinbarung stehende Auslegung aus (7 Ob 631/82; 2 Ob 529/87). Demnach bildet der äußerste Wortlaut der Schiedsgerichtsvereinbarung auf jeden Fall die Grenze für ihre Auslegung (7 Ob 631/82). Im vorliegenden Fall sieht die Schiedsklausel des Rahmenvertrages vom 2. Juli 1979 die Entscheidung eines Schiedsgerichtes nur für den Fall einer eventuellen Streitigkeit vor. Daß sie auch auf Streitigkeiten aus künftig erst abzuschließenden vertraglichen Ergänzungen und Abänderungen dieses Rahmenvertrages Anwendung finden soll, ist selbst dem äußersten Wortlaut der Schiedsklausel nicht zu entnehmen. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Parteien eine solche vertragliche Ergänzung oder Abänderung des Rahmenvertrages vornehmen konnten. Die sich daraus ergebenden materiellen Konsequenzen sind jedoch nicht ausreichend, um - entgegen dem Wortlaut der schriftlichen Schiedsklausel des Rahmenvertrages - auch die Entscheidung über sich aus der ergänzenden oder abändernden Vereinbarung entstehende Streitigkeiten dem vereinbarten Schiedsgericht zuzuweisen, wenn solches nicht unter Einhaltung der Formvorschrift des § 577 Abs 3 ZPO in der ergänzenden oder abändernden Vereinbarung ausgesprochen worden ist. Aus demselben Grunde kann auch das Telex der Klägerin Beilage 3 keine Ausdehnung der Schiedsklausel des Rahmenvertrages vom 2. Juli 1979 auf das klagsgegenständliche Geschäft bewirken, weil es auf die allfällige Anwendbarkeit der Schiedsklausel dieses Vertrages in keiner Weise Bezug nimmt. In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der Beschluß erster Instanz wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO. Die Bemessungsgrundlage für die Rekursbeantwortung der Klägerin ON 14 beträgt nach dem US-Dollarumrechnungskurs am Tage der Entscheidung des Rekursgerichtes S 139.502,45.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte