Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin führt, teilweise gemeinsam mit ihrem Ehemann, seit 1974 im Kleinen Walsertal ein Taxiunternehmen, das seinen Sitz 5 km vor der deutschen Staatsgrenze entfernt hat. Der Beklagte war vom Anfang an ihr Steuerberater und vertrat sie in sämtlichen Steuerangelegenheiten nicht nur gegenüber dem Finanzamt Bregenz, sondern auch gegenüber dem Finanzamt Kempten, Zweigstelle Immenstadt. Um einen im deutschen Umsatzsteuergesetz bestehenden Befreiungstatbestand geltend machen zu können, wären hierfür differenzierte Aufzeichnungen nach in- und ausländischen Streckenanteilen im Rahmen des grenzüberschreitenden Personenbeförderungsverkehres erforderlich gewesen. Hierüber wurden die Klägerin und ihr Ehemann vom Beklagten nicht informiert. Tatsächlich wären nahezu sämtliche vom Kleinen Walsertal nach Deutschland zum Bahnhof Oberstdorf (Wegstrecke von der deutschen Grenze bis zum Bahnhof 5 km) und von dort zurück grenzüberschreitend durchgeführte Taxifahrten unter den Befreiungstatbestand des § 5 dUSTDV gefallen, weil danach bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen Streckenanteile im Inland, die in einer Fahrtrichtung nicht länger als 10 km sind, als ausländische Beförderungsstrecke anzusehen und damit nach § 3a Abs 2 dUSTG nicht der deutschen Umsatzsteuer zu unterziehen gewesen wären. Nur vereinzelt unternahm die Klägerin Auslandsfahrten über weitere Strecken nach Stuttgart, Leverkusen oder München. Die Anzahl der Kilometerleistung und das hierfür verrechnete Honorar kann nicht mehr ermittelt werden. Die Klägerin hat von dem Umsatzsteuerbefreiungstatbestand und der dadurch zu Unrecht zuviel bezahlten deutschen Umsatzsteuer erst durch ein Rundschreiben der Handelskammer Ende 1991 Kenntnis erlangt. Sie wandte sich daraufhin an den Beklagten; eine Rückerstattung durch das Finanzamt Kempten war jedoch nicht mehr möglich. Die Klägerin nimmt seit 1979 Bankkredite mit Zinssätzen, die zwischen 6,5 % pa und 9,5 % schwankten, in Anspruch.
Mit der am 20.8.1993 eingelangten Klage begehrt die Klägerin nach Klagsausdehnung zuletzt DM 43.388,59 samt Anhang mit dem Vorbringen, durch den Fehler des Beklagten habe sie in den Jahren 1979 bis 1990 zuviel an Umsatzsteuer bezahlt. Da sie in all diesen Jahren mit weit höheren Krediten gearbeitet habe, sei ihr ein Schaden nicht nur in Höhe der in diesem Zeitraum zu viel bezahlten Umsatzsteuer entstanden, sondern zusätzlich auch ein Zinsenschaden. Bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten hätte sie die der jeweils zuviel gezahlten Umsatzsteuer entsprechenden Kapitalbeträge weniger zu verzinsen gehabt. Der hieraus resultierende Gesamtschaden an Kapital und Zinsen mache den Klagsbetrag aus.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren mit der Behauptung, die Klägerin habe ihm keine Mitteilung davon gemacht, auf welchen Teilstrecken im Ausland ihre Auslandserlöse erwirtschaftet wurden, noch habe sie Fahrtenbücher vorgelegt, sodaß ein allfälliger Steuerbefreiungstatbestand für ihn nicht erkennbar gewesen sei. Die Klägerin habe keinen Schaden erlitten, weil das Finanzamt Kempten ohnedies den nur deutschen Taxiunternehmen zugutekommenden halben Steuersatz auch der Klägerin verrechnet habe. Diese wäre selbst verpflichtet gewesen, sich über die einschlägigen Steuerbestimmungen zu erkundigen. Zinseszinsen stünden nicht zu; das Zinsenbegehren sei überdies verjährt.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von DM 21.979,62 samt Anhang und wies ein Mehrbegehren von DM 21.408,97 samt Anhang ab.
Rechtlich sei dem Beklagten ein Verschulden an den zuviel gezahlten Umsatzsteuerbeträgen gemäß § 1299 ABGB anzulasten, weil er als Steuerberater, der auch die Umsatzsteuererklärungen für die Auslandsfahrten für das deutsche Finanzamt verfaßt habe, verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin über allfällige Steuerbefreiungstatbestände nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz und die hiefür erforderlichen Aufzeichnungen aufzuklären, dies insbesondere aufgrund der geographischen Lage des Standortes des Taxiunternehmens im Kleinen Walsertal und dem zunächst gelegenen Bahnhof in Oberstdorf. Der zu ersetzende Schaden setze sich aus der zuviel gezahlten Umsatzsteuer und jenen Zinsen zusammen, die die Klägerin deshalb zu zahlen hatte, da sie mangels Verfügbarkeit des entsprechendes Kapitales ihre Bankschulden nicht geringer habe halten können, Zinseszinsen seien aber nicht zu ersetzen. Den in den einzelnen Jahren zuviel gezahltenen einzelnen Umsatzsteuerbeträgen seien daher jeweils die für das betreffende Jahr darauf entfallenden (unterschiedlich hohen) Bankzinsen hinzuzurechnen. Die so ermittelte Gesamtschadenssumme (Umsatzsteuerbetrag pro Jahr plus darauf entfallende Zinsen für ein Jahr) betrage DM 24.421,81. Da jedoch nicht alle Auslandsfahrten der Umsatzsteuerbefreiung unterlegen wären und deren Umfang zwar nicht mehr exakt ermittelt werden könne, aber verhältnismäßig gering gewesen sei, könne man gemäß § 273 ZPO davon ausgehen, daß rund 10 % der Auslandsfahrten nicht unter den Befreiungstatbestand gefallen wären. Es ergebe sich somit nach Abzug von DM 2.442,18 für solche Fahrten ein Gesamtschaden der Klägerin von DM 21.979,62 samt weiteren Zinsen seit 15.6.1993. Das Mehrbegehren sei abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien keine Folge.
Der Beklagte habe eine Rechtsrüge nicht erhoben, sodaß jedenfalls dem Grunde nach bei der rechtlichen Beurteilung davon auszugehen sei, daß bei ordnungsgemäßer Antragstellung und Verrechnung der grenzüberschreitenden Taxifahrten diese unter den Befreiungstatbestand gefallen wären und der Beklagte dem Grunde nach für aus seiner Unterlassung entstandene Schäden der Klägerin hafte. Auch gegen die Anwendung des § 273 ZPO und die Annahme, daß rund 10 % der grenzüberschreitenden Fahrten nicht unter den Befreiungstatbestand gefallen seien, bestünden keine Bedenken.
Der Berufung der Klägerin komme ebenfalls keine Berechtigung zu. Wenn auch die Berechnung des Erstgerichtes kleine Additionsfehler ausweise und mit den vorgelegten Umsatzsteuererklärungen nicht in allen Punkten übereinstimme, sei mangels Bekämpfung und Rüge von den erstgerichtlichen Beträgen auszugehen. Die Berechnung der Klägerin enthalte Zinseszinsen. Für einen Anspruch auf Zinseszinsen im Zusammenhang mit einem Schadenersatzanspruch sei eine gesetzliche Grundlage nicht gegeben. Solche dürften nach § 3 des Gesetzes RGBl 1868/62 nur gefordert werden, wenn sie ausdrücklich bedungen seien oder wenn fällige Zinsen eingeklagt würden, von diesem Betrag allerdings erst ab Klagsbehändigung und, mangels besonderer Vereinbarung, überdies bloß in der gesetzlichen Höhe. Dazu komme noch, daß kapitalisierte Zinsen, wie sie in der Berechnung der Klägerin enthalten seien, der dreijährigen Verjährung nach § 1480 ABGB unterlägen und die Klägerin keinen die Verjährung allenfalls unterbrechenden Tatbestand im Sinne des § 1497 ABGB vorgetragen habe. Es sei daher davon auszugehen, daß die Klägerin in der Lage gewesen wäre, mit den von ihr zuviel gezahlten Umsatzsteuerbeträgen ihre Kredite entsprechend zu vermindern bzw damit die mit diesen Krediten verbundenen Zinsenbelastungen entsprechend zu senken. Auch wenn im Rahmen der Aufstellung des Erstgerichtes bei einzelnen Beträgen Fehler unterlaufen seien, so seien die Zwischenpositionen unbekämpft geblieben, so daß der ermittelte Schaden von DM 24.421,81 auch vom Berufungsgericht zugrunde zu legen sei, das über diesen Betrag hinausgehende Zinseszinsenbegehren sei damit zutreffend abgewiesen worden. Auch der Zinsenzuspruch aus dem klagestattgebenden Betrag erst ab 15.6.1993 sei nicht zu bemängeln, weil ein Schadenbetrag von DM 26.630,19 erstmals mit Schreiben des Klagevertreters vom 26.5.1993 "binnen 14 Tagen" fällig gestellt worden sei. Eine frühere Fälligstellung sei weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Schwerpunkt beider Rechtsmittel im Tatsachen- und nicht im Rechtsbereich gelegen sei. Die Frage der Zinseszinsen sei im Sinne der herrschenden klaren und einheitlichen Judikatur gelöst.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist zur Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit zulässig und auch berechtigt.
Strittig ist, ausgehend von den in den Jahren 1979 bis 1991 zu viel gezahlten Umsatzsteuerbeträgen und den in diesen Jahren der Klägerin für die Inanspruchnahme ihres Bankkredites jeweils angelasteten (unterschiedlich hohen) Zinsen, nur mehr die Berechnung der Schadenshöhe.
Vorauszuschicken ist, daß entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes eine Verjährung begehrter Zinsen oder Zinseszinsen nicht in Betracht kommt, denn die Klägerin macht nicht Zinsen oder Zinseszinsen aus einem Kapitalbetrag geltend, sondern einen ihr entstandenen Schaden aus erhöhter Kreditbelastung, der ihr erst durch ein Rundschreiben der Handelskammer Ende 1991 bekannt wurde, mag der Schaden, in fortschreitender Höhe, in seinen Anfängen auch bis 1979 zurückreichen. Ein Verjährungseinwand anläßlich der Klagsausdehnung wurde von der beklagten Partei nicht erhoben.
Nach § 3 RGBl 1868/62 (davor § 1000 ABGB) dürfen Zinsen von Zinsen gefordert werden, a) wenn solche ausdrücklich bedungen wurden und b) wenn fällige Zinsen eingeklagt werden, von diesen vom Tag der Klagsbehändigung an. Wurde die Höhe der Zinseszinsen nichts bedungen, so gelten die gesetzlichen Zinsen. Diese Bestimmung gilt auch für Schadenersatzforderungen.
Während die Vorinstanzen den in den einzelnen Jahren zuviel gezahlten Umsatzsteuerbeträgen nur jeweils die auf das entsprechende Jahr entfallenden Bankzinsen in der in dem jeweiligen Jahr der Klägerin verrechneten Höhe hinzurechnen und dann die einzelnen Jahressummen zu einer Gesamtsumme addieren, meint die Klägerin, die Schadensberechnung sei so vorzunehmen, daß die einzelnen Jahressummen (Umsatzsteuerbetrag plus darauf entfallende Zinsen) dem im nächsten Jahr zuviel gezahlten Umsatzsteuerbetrag jeweil hinzuzurechnen und von der so ermittelten Summe die Kreditzinsen für das betreffende Jahr zu ermitteln seien. Beide Berechnungsarten sind nicht zutreffend:
Da die in den einzelnen Jahren entstandenen Schadensbeträge nicht bezahlt wurden, der Kredit der Klägerin also in der Folge um diese Beträge nicht vermindert werden konnte, wirkt sich die dadurch entstehende Zinsenmehrbelastung nicht nur für das jeweilige Jahr aus, sondern besteht bis zur tatsächlichen Zahlung weiter. Die von der Klägerin gewählte Berechnungsmethode, die jährlichen Beträge zuzüglich der darauf entfallenden jährlichen Zinsen zu kapitalisieren, dem im nächsten Jahr aufgelaufenen Umsatzsteuerbetrag zur Gänze zuzuschlagen und jeweils von der so gewonnenen Gesamtsumme neuerlich Jahreszinsen zu berechnen, kommt aber in der Tat einem Begehren von unzulässigen Zinseszinsen gleich, für deren Berechtigung die Klägerin keinerlei Vorbringen und Beweisanbote erstattet hat. Richtig wird der tatsächliche Schaden der Klägerin an aufgelaufenen Zinsen daher so zu ermitteln sein, daß für jeden zuviel bezahlten Umsatzsteuerbetrag eines Jahres - also jeweils ab dem Zeitpunkt, ab welchem eine Kreditverminderung um diesen Betrag möglich gewesen wäre - die in den einzelnen Jahren unterschiedlich hohen Kreditzinsen bis zur Fälligstellung ermittelt und erst diese einzelnen Gesamtzinsen eines jeden Umsatzsteuerbetrages zu den insgesamt zuviel gezahlten Umsatzsteuerbeträgen hinzugerechnet werden. Von der so ermittelten Gesamtsumme werden 10 % für nicht der Umsatzsteuerbefreiung unterliegende Auslandsfahrten abzuziehen sein. Der Zuspruch von Zinseszinsen schon ab dem Zeitpunkt der Fälligstellung und in einer die gesetzlichen Zinsen übersteigenden Höhe ist unbekämpft geblieben.
Da sich nach Lösung der Rechtsfrage zur abschließenden Entscheidung über den strittigen Anspruch die Notwendigkeit eingehender Berechnungen ergibt, war das Urteil des Berufungsgerichtes gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Bei dieser Gelegenheit werden auch die bisher unterlaufenen offenkundigen Rechen- und Übertragungsfehler, soweit diese gemäß § 419 ZPO berichtigt werden können, zu beseitigen sein.
Der Ausspruch über den Kostenvorhalt beruht auf § 52 ZPO.
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