OGH 6Ob639/95

OGH6Ob639/957.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Jasmine H*****, geboren ***** 1979, und Petra Z*****, geboren ***** 1991, beide in der Obsorge der Mutter Jela M*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Jugendwohlfahrtsträgers (Magistrat der Stadt *****Abteilung Jugendwohlfahrt) gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 13. September 1995, AZ 21 R 360/95(ON 44), womit dem Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Eferding vom 18.Juli 1995, GZ P 34/92-38, nicht stattgegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die vom Erstgericht angeordnete und vom Rekursgericht bestätigte Überprüfung der Pflegesituation in der Wohnung der Mutter für die Dauer von vorerst sechs Monate durch das zuständige Jugendwohlfahrtsamt in wöchentlichen Abständen ersatzlos behoben wird.

Text

Begründung

Die mj.Jasmine enstammt der Ehe des Josef und der Jela H*****. Die Mutter heißt seit ihrer nach der am 4.5.1992 erfolgten Ehescheidung erfolgten Wiederverehelichung M*****. Die am *****1991 geborene mj.Petra ist kein Kind des Josef H*****. Im Scheidungsvergleich wurde vereinbart, daß der Mutter hinsichtlich beider Kinder das alleinige Obsorgerecht zukommt. Diese Vereinbarung wurde pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Die Kinder wurden am 25.9.1992 im Rahmen einer freiwilligen Erziehungshilfe bei Pflegeeltern untergebracht, von dort aber wegen des Verdachtes sexueller Belästigungen des Pflegevaters gegenüber anderen Familienmitgliedern wieder entfernt.

Am 11.4.1995 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger (gemäß § 215 Abs 1 erster Satzund § 176 ABGB), ihm die Pflege und Erziehung über die Kinder zu übertragen. Die obsorgeberechtigte Mutter habe einer Änderung der Vereinbarung im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe nicht zugestimmt (zu ON 15 und 16).

Am 17.5.1995 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger wegen Gefahr in Verzug die Unterbringung der mj.Jasmine in einem Jugendhaus ***** und die Unterbringung der mj.Petra auf einem Krisenpflegeplatz der Pflege- und Adoptiveltern in Linz zu genehmigen und ihm einstweilen die Pflege und Erziehung für beide Kinder zu übertragen (zu ON 22 und 23).

Die Mutter sprach sich am 4.5.1995 gegen die Übertragung der Obsorge auf den Jugendwohlfahrtsträger aus und erklärte, die beiden Kinder selbst in einer von ihr angemieteten Wohnung in Wels versorgen zu wollen (ON 20).

Nachdem die mj.Jasmine am 18.5.1995 in die stationäre Pflege der Kinderneuropsychiatrie des Landeskinderkrankenhauses Linz aufgenommen wurde, beantragte der Jugendwohlfahrtsträger am 22.5.1995 beim Erstgericht die Genehmigung dieser Maßnahme. Die Mutter sei nicht in der Lage, die Kinder selber zu versorgen (ON 25).

Am 23.6.1995 beantragte die Bezirkshauptmannschaft E*****, das Amt der oberösterreichischen Landesregierung mit der Pflege und Erziehung der mj.Jasmine zu betrauen. Beim Kind läge bereits eine Verwahrlosung vor (zu ON 29). Das Amt der OÖ Landesregierung sprach sich gegen eine solche Übertragung aus (zu ON 35).

Das Erstgericht wies sämtliche Anträge des Jugendwohlfahrtsträgers (vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft E*****) ab, ordnete aber für die Dauer von vorerst sechs Monaten die Überprüfung der Pflegesituation in der Wohnung der Mutter durch das zuständige Jugendwohlfahrtsamt in wöchentlichen Abständen an. Das Erstgericht ging dabei erkennbar (die Feststellungen wurden lediglich in Konjunktivform aufgrund von Berichten, Anzeigen ua getroffen) davon aus, daß die zuvor bestandenen schlechten Familienverhältnisse im Haushalt der Mutter sowie die Alkoholprobleme des Vaters sich nunmehr gebessert hätten. Die geschiedenen Eheleute lebten wieder zusammen, seit März 1995 in einer dreiräumigen Wohnung in Wels (das Erstgericht übertrug wegen des Wohnortwechsels die Pflegschaftssache mit Beschluß vom 2.10.1995 an das Bezirksgericht Wels: ON 45). Die Mutter beziehe derzeit ein Karenzgeld von monatlich S 8.300, ihr geschiedener Ehegatte beziehe täglich S 232 an Arbeitslosengeld und sei bestrebt, eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter aufzunehmen. Er sei derzeit "alkoholabstinent". Die Kinder wollten zusammen bleiben. Das Erstgericht vertrat die Auffassung, daß der Familie noch einmal eine Chance gegeben werden sollte zusammenzuleben. Die Beschränkung der Obsorge sei nur letztes Mittel. Die instabilen Verhältnisse hätten sich gebessert. Die geschiedenen Eheleute lebten wieder in Lebensgemeinschaft und hätten vor, die Ehe (neuerlich) miteinander einzugehen. Die finanzielle Situation sei als geordnet zu bezeichnen. Eine Entfernung der mj.Jasmine, die bereits im 17.Lebensjahr stehe, aus dem Haushalt der Eltern gegen den Willen der Minderjährigen sei genauso wenig zu befürworten wie eine Trennung der Geschwister. Die Familie H***** sei erst seit 1991 "verhaltensauffällig" geworden. Es müsse ihr noch einmal die Chance eingeräumt werden, zu einem intakten Familienleben zu gelangen. Es sei allerdings eine Kontrolle der Situation auf die Dauer von sechs Monaten durch wöchentliche Hausbesuche des Jugendamts erforderlich. Für eine sittliche Verwahrlosung der mj.Jasmine hätten sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers (vertreten durch den nunmehr gemäß § 215a ABGB zuständigen Magistrat der Stadt Wels) nicht statt. Es beurteilte den Sachverhalt dahin, daß die zur Sicherung des Wohls des Kindes erforderlichen Verfügungen in § 176 Abs 1 Satz 2 ABGB nur beispielsweise aufgezählt seien. Es kämen nicht nur der Entzug aller oder einzelner Obsorgerechte und Pflichten, sondern auch sonstige zweckentsprechende Maßnahmen in Frage. Gemäß § 31 Abs 1 JWG obliege die Durchführung von Hilfen zur Erziehung dem Jugendwohlfahrtsträger. Wenn die Obsorge übertragen werde, sei es dem Gericht nach der Rechtslage seit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes verwehrt, über die Übertragung der Obsorge hinaus zusätzliche Anordnungen zu treffen. Andererseits müsse aber, wenn - wie hier - eine Entziehung der Obsorge als nicht erforderlich erachtet werde, nach § 176 ABGB die Möglichkeit bestehen, sonstige Verfügungen zu treffen, die notwendig seien, um eine Gefährdung des Kindeswohls hintanzuhalten. Das Gericht könne sich im Wege der Anordnung bestimmter Maßnahmen des Jugendwohlfahrtsträgers bedienen. Die Lebensverhältnisse im Umfeld der Mutter seien keineswegs so stabil und geordnet, daß es nicht erforderlich wäre, die Pflegesituation der Kinder zu überprüfen. Die Mutter sei in der Vergangenheit bei der Betreuung der Kinder massiv überfordert gewesen. Auch wenn keine Veranlassung zur Anordnung einer vollen Erziehung durch den Jugendwohlfahrtsträger bestehe, sei damit noch nicht gesagt, daß es an einer Kompetenz zur Anordnung einer wöchentlichen Überwachung der Pflegesituation fehle.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Rechtsfrage, ob - wenn eine Übertragung der Obsorge im Sinne des § 176 ABGB nicht erforderlich erscheine - dem Jugendwohlfahrtsträger eine konkret erforderliche Maßnahme aufgetragen werden könne, komme eine erhebliche rechtliche Bedeutung zu.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers mit dem Antrag auf Aufhebung der angeordneten Überprüfung der Pflegesituation im Haushalt der Mutter (die Abweisung sämtlicher Anträge des Jugendwohlfahrtsträgers blieb unangefochten).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Rekurswerber vertritt die Auffassung, daß das Gericht zwar gegen den Willen der Erziehungsberechtigten Maßnahmen der Unterstützung der Entziehung anordnen könne, der Jugendwohlfahrtsträger sei jedoch in der Art und Weise der Durchführung einer Maßnahme frei. Wenn eine Entziehung der Obsorge nicht erforderlich sei, so könne das Gericht nach § 176 ABGB wohl Verfügungen treffen und Maßnahmen ergreifen, die notwendig seien, um eine Gefährdung des Kindeswohls hintanzuhalten. Dies betreffe jedoch nur die Kindeseltern oder die Minderjährigen, nicht aber den Jugendwohlfahrtsträger. Über die Übertragung der Obsorge hinaus könnten keine zusätzlichen Anordnungen erlassen werden. Die Auslegung durch das Rekursgericht würde wieder den Rechtszustand der Zeit vor 1989 herstellen. Der Jugendwohlfahrtsträger könne nicht verpflichtet werden, Hausbesuche durchzuführen. Die Mutter habe sich in der Vergangenheit als massiv überfordert erwiesen. Dem Betreuungsauftrag der öffentlichen Jugendwohlfahrt entsprechend habe der Jugendwohlfahrtsträger versucht, die Familie über mehrere Jahre hinweg durch Hausbesuche, heilpädagogische Unterstützung, sozialarbeiterische und psychologische Beratungen zu unterstützen, damit die Familie ihre Aufgaben selbst wahrnehmen könne. Dies sei nicht gelungen. Die Anordnung von Hausbesuchen stelle ein bereits erfolglos angewendetes "Instrumentarium" dar. Zu diesem Rekursvorbringen ist folgendes auszuführen:

Die Behauptungen über die in der Vergangenheit über mehrere Jahre hindurch durchgeführten, die Erziehung der Mutter unterstützenden, aber erfolglos gebliebenen Maßnahmen des Jugendwohlfahrtsträgers sind nach den erstinstanzlichen Feststellungen nicht überprüfbar. Dem Sachverhalt kommt aber nur dann relevante Bedeutung zu, wenn die bekämpfte Anordnung als zulässige Maßnahme des Pflegschaftsgerichtes nach § 176 ABGB oder aber als Anordnung der Unterstützung der Erziehung (gerichtliche Erziehungshilfe gegen den Willen des Erziehungsberechtigten (im Sinne der § 27 und 30 JWG qualifiziert werden könnte.

Die Anordnung der wöchentlichen Überprüfung der Verhältnisse bei der obsorgeverpflichteten Mutter hätte nach der vor dem Kindschaftsrechtsänderungsgesetz (KindRÄG, BGBl 1989/162) und vor dem JWG idgF (BGBl 1989/161) bestehenden Rechtslage die Anordnung der Erziehungsaufsicht im Sinne des § 28 Abs 1 JWG alt (BGBl 1954/99) bedeutet. Mit dem KindRÄG und dem JWG idgF wurde das Jugendwohlfahrtsrecht neu geordnet und das Institut der Erziehungsaufsicht als gerichtliche Erziehungsmaßnahme nicht mehr normiert. Nach den Gesetzesmaterialien sollten Erziehungsmaßnahmen (also die Erziehungshilfe, Erziehungsaufsicht und Fürsorgeerziehung nach §§ 26, 28 und 29 JWG alt) wegen ihrer starren und schwer voneinander abgrenzbaren Voraussetzungen "im Sinne einer größeren Geschmeidigkeit" neu gestaltet werden (RV 171 BlgNR 17.GP 11). Nach der Praxis seien die Unterscheidungen der Erziehungsmaßnahmen ohnehin bloß formeller Art (RV aaO 13), die Einrichtung der Erziehungsaufsicht scheine immer mehr außer Anwendung gekommen zu sein (RV 677 BlgNR 16.GP 9). Bei der Neuordnung des Rechtes der Erziehungsfürsorge dürften in Übereinstimmung mit den §§ 137a, 176 ABGB und § 2 Abs 3 des Gesetzesentwurfes (JWG) Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrt, besonders Hilfen zur Erziehung nur insoweit gewährt werden, als die Erziehungsberechtigten das Wohl des Minderjährigen nicht gewährleisten. Diese Umschreibung umfasse sowohl die - bloß objektive - Nichterfüllung als auch - die ein Schuldelement enthaltende - Vernachlässigung der Pflichten durch die Erziehungsgberechtigten (RV 171 aaO 15). An die Stelle eines gleichsam nach pönalen Gesichtspunkten gestalteten und eher kasuistisch geregelten Maßnahmenbündels trete eine vor allem auf die Bedürfnisse des Minderjährigen ausgerichtete Gesamtregelung (Ent-Frischengruber JWR Anm 3 zu § 26 JWG).

Das Gesetz (das JWG und die Landesausführungsgesetze) kennt nur mehr zwei Arten der Erziehungshilfen, nämlich die Unterstützung der Erziehung (§ 27 JWG) und die volle Erziehung (§ 28 JWG). Als Einteilungskriterien gelten dabei einerseits der Umstand, ob das Kind in seiner Umgebung belassen werden kann oder nicht, andererseits die Zustimmung oder Nichtzustimmung des Erziehungsberechtigten zur Erziehungshilfe (§§ 29 f JWG). Die Erziehungsaufsicht ist nicht mehr eine vom Gesetzgeber normierte Form der Erziehungshilfe. Sie setzte nach der alten Rechtslage eine bereits eingetretene Verwahrlosung des Kindes voraus, war ein starker Eingriff in das Elternrecht des Erziehungsberechtigten und drückte stets auch eine Nichtbilligung oder gar einen Tadel aus (Gesetzesmaterialien zum JWG alt, teilweise abgedruckt in MGA AußStrG2 Anm 3 zu § 28 JWG).

Aus den zitierten Gesetzesmaterialien zur neuen Rechtslage geht hervor, daß der Gesetzgeber nunmehr die Bedürfnisse des Minderjährigen und den Charakter der Erziehungshilfe als unterstützende und nicht strafende Maßnahme in den Vordergrund rückt (vgl den Hinweis in den Materialien auf § 137a ABGB) und ganz bewußt das Institut der Erziehungsaufsicht aufgegeben hat. Dabei spielte offenbar der Gedanke mit, daß es aus psychologischer Sicht negativ sein könnte, auf den Erziehungsberechtigten massiven Druck auszuüben und Angst zu erzeugen. Stattdessen wurde im Gesetz bei der Erziehungsunterstützung in beschreibender Weise die Unterstützung durch Beratung aufgenommen, die natürlich auch im Haushalt des Erziehungsberechtigten vorgenommen werden kann. Eine solche Beratung wird von diesem wohl weniger als Eingriff in die Elternrechte empfunden werden als eine angeordnete Aufsicht (Kontrolle) der Verhältnisse im Haushalt, obwohl mit einer Beratung durch den Jugendwohlfahrtsträger an Ort und Stelle ohnehin auch eine Kontrolle der Pflegesituation zwangsläufig verbunden ist. Diese allein anzuordnen widerspricht aber offenkundig der Absicht des Gesetzgebers.

Nach Ansicht des erkennenden Senates kann die Zulässigkeit der Anordnung der Erziehungsaufsicht in Form einer präventiv angeordneten regelmäßigen Überwachung der Pflegesituation auch nicht aus der Bestimmung des § 176 Abs 1 ABGB abgeleitet werden. Dagegen spricht zunächst schon der Gesetzeswortlaut. Das Gericht hat zur Sicherung des Wohls des Kindes Verfügungen zu treffen, wenn dieses Wohl durch das Verhalten der Eltern gefährdet ist. Die Verfügungen des Gerichtes bestehen in der Entziehung oder Einschränkung der Obsorge (Überschrift der zitierten Gesetzesstelle). Die Vorinstanzen haben die Gefährdung der Kinder im Haushalt der obsorgeverpflichteten Mutter verneint und unangefochten die Anträge des Jugendwohlfahrtsträgers auf (teilweise) Entziehung der Obsorge der Mutter und Übertragung der Obsorge auf den Jugendwohlfahrtsträger abgewiesen. Wohl kann unter der Einschränkung der Obsorge eine Fülle möglicher Verfügungen des Gerichtes verstanden werden (beispielsweise bei der Gefahr der Verbringung des Kindes ins Ausland die Abnahme des Reisepasses: EFSlg 45.901; Verfügungen über den Schulbesuch des Kindes; Verfügungen im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung des Kindes: EFSlg 35.985), die Aufzählung in § 176 Abs 1 ABGB ist nur beispielsweise (Pichler in Rummel ABGB I2 Rz 4 zu §§ 176 - 176b). Die Einschränkung der Obsorge durch die Anordnung einer Erziehungsaufsicht kommt aber aus den zur Neuordnung des Jugendwohlfahrtsrechtes angestellten Erwägungen nicht in Frage. Es wäre ein Wertungswiderspruch, die Erziehungsaufsicht bei der Anordnung gerichtlicher Erziehungshilfe als unzulässig anzusehen, sie aber im Rahmen einer Maßnahme nach § 176 ABGB für zulässig zu erachten. Wenn - wie hier - bei der Durchführung einer nach § 176 ABGB nötigen Verfügung die Mitwirkung des Jugendwohlfahrtsträgers erforderlich ist, sind die im Jugendwohlfahrtsrecht normierten Einrichtungen und Grundsätze maßgeblich.

Der Jugendwohlfahrtsträger hat gemäß § 215 Abs 1 erster Satz ABGB die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge zu beantragen, bei Gefahr in Verzug kann er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung als Sachwalter vorläufig selbst treffen und muß die gerichtliche Entscheidung darüber binnen acht Tagen beantragen (§ 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB). Aus dieser Verpflichtung des Jugendwohlfahrtsträgers ist abzuleiten, daß er (erst) bei Gefahr für das Kindeswohl tätig werden muß. Eine solche akute Gefahr besteht im vorliegenden Fall derzeit nicht. Die Zulässigkeit einer vom Pflegschaftsgericht vor dem Bestehen einer Gefährdung des Kindeswohls angeordneten Kontrolle der Obsorgeverhältnisse zur Feststellung einer allenfalls in Zukunft eintretenden Gefährdung kann daher auch aus dieser Gesetzesstelle nicht abgeleitet werden. Sowohl Maßnahmen des Gerichtes nach § 176 ABGB als auch solche des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB setzen eine offenkundige Gefährdung des Kindeswohles und die Notwendigkeit der Änderung des bestehenden Zustandes voraus (vgl SZ 59/160). Bei einer rein präventiv angeordneten Aufsicht über den Obsorgeberechtigten fehlen die Voraussetzungen. Im Einzelfall wird auch nach der jetzt gültigen Rechtslage ein Auftrag des Pflegschaftsgerichtes an den Jugendwohlfahrtsträger zur Klärung der konkreten Erziehungsverhältnisse für zulässig und notwendig erachtet werden können (was schon aus der selbständigen Handlungspflicht des Jugendwohlfahrtsträgers im Sinne des § 215 ABGB hervorgeht), nicht aber ein "Dauer"-Überwachungsauftrag, der einer Erziehungsaufsicht gleichkäme. Dies widerspräche den Elternrechten des Obsorgeberechtigten (§§ 137a, 176b ABGB).

Die Vorinstanzen haben die vom Erstgericht amtswegig verfügte Kontrolle der obsorgeberechtigten Mutter durch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer Verfügung nach § 176 ABGB beurteilt. Es besteht daher kein Anlaß, die angefochtene Verfügung dahin umzudeuten, daß damit die gerichtliche Erziehungshilfe in Form einer gegen den Willen der erziehungsberechtigten Mutter angeordneten Unterstützung der Erziehung nach § 27 JWG, und zwar als Anordnung der Beratung der Erziehungsberechtigten (zwangsläufig verbunden mit der Überprüfung der tatsächlichen Verhältnisse im Haushalt) angeordnet worden wäre. Nach dem im Jugendwohlfahrtsrecht herrschenden Subsidiaritätsprinzip hätte wohl zuvor der Versuch unternommen werden müssen, das Einverständnis der Mutter zur Erziehungshilfe zu erwirken (§ 29 JWG). Ergänzend sei dazu noch bemerkt, daß das Erstgericht zwar für die Anordnung der Unterstützung der Erziehung zuständig gewesen wäre, die nähere Durchführung dieser Unterstützung aber schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen (Trennung von Justiz und Verwaltung) dem Jugendwohlfahrtsträger vorzubehalten ist, eine detaillierte Durchführungsanordnung (hier durch Vorschreibung wöchentlicher Überprüfungstermine) also auf jeden Fall zu unterbleiben hätte.

Dem Revisionsrekurs war aus den dargelegten Erwägungen stattzugeben und die angeordnete Überprüfung der Pflegesituation bei der obsorgeberechtigten Mutter durchden Jugendwohlfahrtsträger ersatzlos zu beheben.

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