OGH 6Ob639/87 (6Ob640/87)

OGH6Ob639/87 (6Ob640/87)16.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei G*** UND H*** reg.Genossenschaft m.b.H., Klagenfurt, Bahnhofstraße 7, vertreten durch Dr. Peter Kisler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Fritz W***, Betonwerkunternehmer, Hof am Leithagebirge, Wasenbruckerstraße 1, und 2.) S***

Gesellschaft m.b.H., Klagenfurt, Karlweg 5, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen a) S 35.500,-- samt Nebenforderungen (20 Cg 446/86) und b) S 336.000,-- samt Nebenforderungen (20 Cg 447/86), infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. April 1987, GZ 4 R 59, 60/87-9, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Februar 1987, GZ 20 Cg 446/86-5, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

 

Spruch:

1.) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Die gegen die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteiles über das zu 20 Cg 446/86 gestellte Begehren auf Zahlung von S 35.500,-- samt Nebenforderungen erhobene Revision wird zurückgewiesen. Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 1/11 der mit S 12.469,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 1.133,55) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

und 2.) zu Recht erkannt:

Der gegen die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteiles über das zu 20 Cg 447/86 gestellte Begehren auf Zahlung von S 336.000,-- samt Nebenforderungen erhobenen Revision wird nicht stattgegeben. Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 10/11 der mit S 12.469,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 1.133,55) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eine inländische Kreditunternehmung, die Zweitbeklagte eine inländische Gesellschaft m.b.H. Diese hatte zwei Wechsel auf den Erstbeklagten gezogen und nach dessen Annahme an die Klägerin indossiert. Die Klägerin ließ jeweils Protest mangels Zahlung beurkunden. Der am 17. Juli 1986 ausgestellte Wechsel mit dem Fälligkeitsdatum 17. Oktober 1986 lautet auf eine Wechselsumme von S 336.000,--, der am 7. August 1986 ausgestellte Wechsel mit dem Fälligkeitstag vom 7. November 1986 auf die Wechselsumme von S 35.500,--. Die Zweitbeklagte übergab diese Wechsel der Klägerin jeweils "zum Eskont und Gutschrift des Gegenwertes" auf einem näher bezeichneten Konto der Zweitbeklagten bei der Klägerin. Die Klägerin erwirkte aufgrund der beiden Wechsel jeweils einen Wechselzahlungsauftrag. Die Zweitbeklagte erhob jeweils Einwendungen. In Ansehung des Erstbeklagten wurden die Wechselzahlungsaufträge mangels Erhebung von Einwendungen rechtswirksam.

Nach dem Prozeßvorbringen der Klägerin habe sie die beiden Wechsel jeweils als Prolongationswechsel für einen von ihr eskomptierten, aber nicht eingelösten Vorwechsel übernommen. Die Zweitbeklagte wendete jeweils ein, sie habe die beiden Wechsel der Klägerin nur zum Inkasso übergeben, es habe sich jeweils um Prolongationswechsel anstelle nicht eingelöster (von der Klägerin eskomptierter) Wechsel gehandelt, mit deren Wert die Klägerin ihr Konto bereits voll belastet gehabt habe. Die Klägerin habe aber den Eskomptwert der Prolongationswechsel dem Konto der Zweitbeklagten nicht gutgebracht. Die Klägerin habe die Prolongationswechsel nicht zum Eskompt angenommen, daher fehle es an einem tauglichen Rechtsgrund (im bankinternen Kausalverhältnis zwischen den Rechtsmittelgegnern) zum Erwerb der Rechte an den Wechselpapieren und den darin beurkundeten wechselmäßigen Ansprüchen. Das Prozeßgericht verband beide Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und gab dem Klagebegehren unter Aufrechterhaltung der beiden Wechselzahlungsaufträge statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache.

Es übernahm dabei die erstrichterlichen Feststellungen. Daraus ist hervorzuheben:

Die klagende Bank hatte im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung zur nunmehrigen Rechtsmittelwerberin wiederholt von dieser zum Eskompt vorgelegte Kundenwechsel hereingenommen und kontenmäßig so behandelt, daß dem Konto der Rechtsmittelwerberin jeweils der Wert der eskomptierten Wechsel gutgebracht, das Konto aber im Falle der Nichteinlösung wieder entsprechend belastet wurde. Dies geschah grundsätzlich auch mit Wechseln, die die Rechtsmittelwerberin auf den Erstbeklagten gezogen hatte und die von diesem angenommen worden waren. Solche Wechsel wurden mehrfach prolongiert. Als von der Beklagten ausgestellte und vom Erstbeklagten angenommene Vorwechsel wieder nicht eingelöst, sondern prolongiert werden sollten, kam es zur Ausstellung der Wechsel vom 17. Juli 1986 mit der Summe von S 336.000,-- und vom 7. August 1986 mit der Wechselsumme von S 35.500,--. Dabei entsprach die Summe der beiden Beträge zwar früheren, nicht zur Tilgung gebrachten Wechselverpflichtungen, aber in einer anderen Aufteilung. Der Vorgängerwechsel über die höhere Wechselsumme lautete jedenfalls auf einen noch höheren Betrag. Der Grund für die abweichende Aufteilung der offenen Beträge anläßlich der Ausstellung der Prolongationswechsel konnte im Rechtsstreit nicht aufgeklärt werden.

Die Rechtsmittelwerberin hat die beiden Wechsel vom 17. Juli und 7. August 1986 nach dem Wortlaut der verwendeten Einreichformulare der Klägerin zum Eskompt, jedenfalls nicht mit einem bloßen Inkassoauftrag übergeben. Die Klägerin hatte nach ihren Erfahrungen und Informationen bereits schwere Bedenken gegen die Bonität des Annehmers, gab bankintern die Wechsel nicht zum Eskompt frei, behielt sie deshalb bei sich zurück, ohne das Konto der Rechtsmittelwerberin zu entlasten, da mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden mußte, daß auch die Prolongationswechsel zum Fälligkeitstag nicht eingelöst werden würden. Diese Erwartung wurde dann auch bestätigt. Nach den kontenmäßigen Aufzeichnungen der Klägerin schuldet die Rechtsmittelwerberin durchwegs aufgrund von Wechseln, die vom Erstbeklagten angenommen worden waren, einen höheren Betrag als die Summe aus den beiden Wechseln vom 17. Juli und 7. August 1986 sowie der weiteren, bereits zur Grundlage von Wechselklagen gemachten Beträge.

Das Erstgericht folgerte aus diesem Sachverhalt, die Klägerin sei nach den Wechselerklärungen zur Geltendmachung der wechselmäßigen Ansprüche gegen die Rechtsmittelwerberin als Wechselausstellerin legitimiert. Diese habe die beiden Wechsel der Klägerin nicht bloß zum Inkasso, sondern zum Eskompt übergeben, die Klägerin habe sie zur Deckung fälliger Forderungen aus Vorwechseln innegehalten. Damit habe die Klägerin an den Wechseln Ansprüche im Sinne der Punkte 23 und 24 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen erworben.

Das Berufungsgericht folgerte in rechtlicher Beurteilung: Die Klägerin habe nach den Wechselerklärungen auf den beiden unbestritten formwirksamen Wechseln den Rechtsschein der Anspruchsberechtigung für sich. Die Rechtsmittelwerberin habe mit ihren Einwendungen diesen Rechtsschein nicht zu entkräften vermocht. Die Klägerin habe zwar die beiden strittigen Wechsel nicht im Wege des Eskomptgeschäftes "angekauft", aber ihre Forderungen aus eskomptierten Vorwechseln gestundet und zahlungshalber neue Wechsel als Prolongationswechsel entgegengenommen. Mangels gegenteiliger Abrede sei durch die Übergabe der Prolongationswechsel an die Klägerin keine Novation der Forderungen aus den eskomptierten Vorwechseln eingetreten. Die banktechnischen Buchungsvorgänge seien für die Beurteilung der in diesem Rechtsstreit strittigen wechselmäßigen Ansprüche unerheblich.

Die Zweitbeklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO mit einem auf Aufhebung der Wechselzahlungsaufträge zielenden Abänderungsantrag und hilfsweise gestellten Aufhebungsanträgen an. Dabei erachtet die Revisionswerberin die Rechtsmittel ausdrücklich auch in Ansehung der Forderung aus dem über den Betrag von S 35.500,-- ausgestellten Wechsel vom 7. August 1986 als zulässig.

Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision in Ansehung der zuletzt genannten Wechselforderung und strebt im übrigen die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

I.

In Ansehung der Forderung aus dem am 7. August 1986 über die Summe von S 35.500,-- ausgestellten Wechsel, die mit gesonderter Mandatsklage geltend gemacht worden war, ist die Revision gemäß § 502 Abs 3 ZPO unzulässig. Bei der Verbindung mehrerer Rechtsstreite zur gemeinsamen Entscheidung bleibt die Rechtsmittelzulässigkeit für jeden der verbundenen Rechtsstreite gesondert zu beurteilen, die Verbindung hat auf die Rechtsmittelzulässigkeit keinen Einfluß. Selbst bei einer Häufung der wechselmäßigen Ansprüche aus mehreren Wechseln in einer Klage hätte keine Zusammenrechnung stattzufinden gehabt. Die Revisionswerberin übersieht, daß nicht die bürgerlich-rechtlichen Forderungen der Klägerin aus der zwischen ihr als Kreditunternehmung und der Revisionswerberin als Bankkundin bestandenen Geschäftsbeziehung, sondern zwei voneinander als solche selbständige und unabhängige Wechselforderungen Streitgegenstand sind. Im erwähnten Umfang ihrer Unzulässigkeit war die Revision zurückzuweisen.

II.

Im übrigen ist die Revision nicht gerechtfertigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die gerügte Aktenwidrigkeit betrifft nicht die Entscheidungsgrundlage für die Forderung aus dem Wechsel vom 17. Juli 1986.

Die Rechtsrüge ist nicht stichhältig.

Die Revisionswerberin gesteht ausdrücklich zu, daß der Wechsel, aus dem die revisionsverfangene Forderung abgeleitet wird, auch im Verhältnis zwischen den Streitteilen einen "Prolongationswechsel" darstellen sollte. Die Revisionswerberin bestreitet nicht, daß die Klägerin wechselmäßige Ansprüche als Indossatarin eines vom Erstbeklagten angenommenen, aber nicht eingelösten Wechsels gegen die Revisionswerberin als Wechselausstellerin hatte. Auf diese wechselmäßigen Ansprüche aus den Vorwechseln hat die Klägerin weder verzichtet, noch hat sie diese Ansprüche sogleich verfolgt, sondern war vielmehr zu einer "Prolongation", das heißt zu einer Stundung gegen Indossierung eines neuen von der Revisionswerberin ausgestellten und vom selben Bezogenen angenommenen Wechsels bereit. Zu diesem Geschäftszweck wurden die entsprechend indossierten Wechsel von der Revisionswerberin der Klägerin übergeben und von der Klägerin auch entgegengenommen. Daran ändert nichts, daß dies mit einem Einreichformular der Klägerin geschah, das diesen Geschäftszweck nicht eindeutig zum Ausdruck brachte. Die Prolongation im festgestellten Sinn war entgegen den Revisionsausführungen für die Hingabe und Entgegennahme des entsprechend indossierten Wechsels ein tauglicher Rechtsgrund. Daß die ursprüngliche Forderung oder die Forderung aus dem Prolongationswechsel getilgt worden wäre, hat die Revisionswerberin nicht einmal behauptet. Ihr Versuch, die Rechtmäßigkeit des Wechselerwerbes durch die Klägerin in rechtliche Zweifel zu ziehen (Art. 16 WG), schlägt fehl, weil ihre These, die Prolongation sei kein hinreichender Rechtsgrund für den Erwerb des Wechsels, nicht zutrifft.

Daß die Klägerin vom Prolongationswechsel treuwidrig Gebrauch gemacht hätte, hat die Revisionswerberin nicht einmal eingewendet. Daß die Klägerin den Vorwechsel nicht zurückgestellt hat, reicht dazu keinesfalls hin.

Auf die Punkte 23 und 24 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen brauchte sich die Klägerin bei der Ableitung ihrer revisionsverfangenen Ansprüche nicht zu stützen.

Der Revision war aus diesen Erwägungen, soweit sie nicht als unzulässig zurückzuweisen war, ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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