Spruch:
Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der in einem Zivilprozeß schuldhaft ein unrichtiges Gutachten abgibt, haftet den Prozeßparteien für die Folgen dieses Versehens
Ob einer Prozeßpartei durch ein solches schuldhaftes Fehlverhalten des Sachverständigen ein Schaden entstanden ist, ist danach zu beurteilen, ob die Entscheidung im Vorprozeß für sie günstiger ausgefallen wäre, wenn der Sachverständige dort ein in allen von ihm begutachteten Fragen richtiges Gutachten abgegeben hätte
OGH 30. Juni 1977, 6 Ob 634/77 (LG Linz 14 R 87/76; BG Bad Ischl C 1450/75)
Text
Der Kläger fuhr am 22. August 1972 gegen 6.30 Uhr mit seinem PKW Peugeot 404 Diesel auf dem Weg von seiner Wohnung nach E zur Tankstelle der Marianne S in G. Dort wurde von der Tankwartin Waltraud S in den Tank seines Fahrzeuges anstelle von Dieselöl Superbenzin eingefüllt, wodurch an seinem PKW ein Motorschaden entstand.
Der Kläger begehrte zu 4 Cg 530/72 des Kreisgerichtes Wels die Verurteilung der Marianne und der Waltraud S zur ungeteilten Hand zum Ersatz des ihm entstandenen Schadens von 24 247.40 S samt Anhang mit der Begründung, daß Waltraud S den Schaden durch das Betanken seines Fahrzeuges mit Superbenzin schuldhaft herbeigeführt habe; Marianne S hafte für das Verschulden ihrer Tochter Waltraud gemäß § 1313a ABGB.
Die Beklagten wendeten ein, daß der Kläger seinen Schaden allein verschuldet habe. Er habe seinen PKW neben der kombinierten Superbenzin- und Dieselzapfsäule abgestellt und verlangt, schnell zu tanken. Er habe nicht Dieseltreibstoff verlangt. Der PKW des Klägers sei von der Seite, an der der Tankeinfüllstutzen angebracht sei, nicht als Dieselfahrzeug zu erkennen; überdies kämen Kraftfahrzeuge der Marke Peugeot 404 in der Dieselausführung nur sehr selten vor. Der Kläger sei beim Tankvorgang anwesend gewesen, und es hätte ihm schon durch einen Blick auf die Preisuhr auffallen müssen, daß sein Fahrzeug mit Superbenzin betankt wurde.
In diesem Rechtsstreit wurde Ing. S zum Sachverständigen bestellt. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12. Feber 1974 führte er in seinem Gutachten u. a. folgendes aus:
"Ein Fernthermometer, welches Temperaturgrade anzeigt, ist im PKW des Klägers nicht vorhanden. Es ist lediglich eine Warnlampe vorhanden, welche dann aufleuchtet, wenn die Temperatur über das normale Maß hinausgeht. Wenn die in den Instandsetzungsrechnungen angeführten Arbeiten notwendig wurden, dann muß, sofern sie funktioniert hat, die Warnlampe aufgeleuchtet haben. Wenn man sofort nach dem Aufleuchten der Warnlampe den Motor abstellt, dann können nicht im vollen Umfang die Arbeiten notwendig werden, welche M durchführte. Wenn man rechtzeitig den Motor abstellt, können die Arbeiten M unter Umständen unterbleiben.
Kurz nach dem Tanken wird man am Motorlauf überhaupt nichts Abartiges wahrnehmen. Auf den ersten Fahrkilometern, wo sich Benzin und Diesel zu vermischen beginnt, wird sich akustisch nicht viel verändern. Wenn einmal ein deutlicher akustischer Unterschied wahrzunehmen ist, dann ist die Beschädigung im Motor meist schon so weit fortgeschritten, daß umfangreiche Reparaturarbeiten notwendig werden. Ein Leistungsabfall ist nach mehreren Fahrkilometern festzustellen."
Mit Urteil vom 6. April 1974, 4 Cg 530/72-16, erkannte das Kreisgericht Wels Waltraud und Marianne S zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag 6317.27 S samt Anhang zu bezahlen; das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 17 930.17 S samt Anhang gerichtete Mehrbegehren wies es ab. Es verurteilte den Kläger zur Zahlung von Prozeßkosten in der Höhe von 3655.34 S an Waltraud und Marianne S.
Das Kreisgericht Wels stellte in diesem Urteil im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Bei der Tankstelle der Marianne S sind zwei kombinierte Zapfsäulen vorhanden, und zwar eine für Superbenzin und Dieselöl und eine für Super- und Normalbenzin. Der Kläger hielt neben der Zapfsäule mit den Aufschriften "Super" und "Diesel" und tankte für 40 S Treibstoff. Zu diesem Zeitpunkt war der Tank des PKW schon fast leer. Der Kläger hatte zwar schon vorher manchmal bei dieser Tankstelle getankt; ein bekannter Kunde war er aber nicht, da er meist bei seiner Firmentankstelle tankte, bei anderen Tankstellen nur, wenn der Tank schon fast leer war. Fahrzeuge der Marke Peugeot 404 Diesel kommen sehr selten vor; die übliche Ausführung des Peugeot 404 wird mit Superbenzin gefahren.
Bedient wurde der Kläger von Waltraud S. Er verlangte nicht ausdrücklich, daß er Diesel tanken wollte, zumindest nicht auf eine Art, daß Waltraud S es bemerken konnte. Er selbst war überzeugt, bei einer bloßen Diesel-Zapfsäule zu tanken und bemerkte nicht, daß bei dieser Tanksäule auch Superbenzin getankt werden konnte.
Waltraud S ging beim Tankvorgang mit dem Tankschlauch um das Heck des 1 Fahrzeuges herum. Der Kläger war ausgestiegen, achtete aber nicht auf den Tankvorgang, bei dem Superbenzin anstelle des erforderlichen Dieselöls eingefüllt wurde. Der Kläger beachtete auch das auf der Zapfsäule angebrachte Zählwerk nicht. Vor dem Bezahlen sagte er, es hätte auch weniger Treibstoff genügt, weil er ohnehin wieder bei seiner Dienststelle tanken könne.
Der Tankverschluß des PKW befindet sich neben der linken hinteren Heckleuchte an der Seitenwand. Wenige Zentimeter rechts neben der linken hinteren Heckleuchte befindet sich deutlich lesbar die Aufschrift "Diesel". Daß zum Zeitpunkt des Tankvorganges unter dem Einfüllstutzen auch ein Druckband mit der Aufschrift "Diesel" aufgeklebt war, ist nicht erweislich.
Nach dem Tanken setzte der Kläger seine Fahrt fort. Durch den Betrieb des Dieselmotors mit Superbenzin trat eine Überhitzung auf, die der Kläger durch das Aufleuchten der dazu auf dem Armaturenbrett vorhandenen Warnlampe bemerken hätte müssen. Der Kläger wurde aber erst aufmerksam, daß etwas nicht in Ordnung sei, als der PKW zirka 3 km nach der Tankstelle plötzlich stehen blieb.
Der Kläger rief seinen Bruder, einen Kfz-Mechaniker, an, um ihn um Rat zu fragen. Dieser trug ihm auf, die Kraftstoffleitung zu entlüften. Als das keinen Erfolg zeitigte, ließ sich der Kläger abschleppen und nach mehrmaligen Versuchen begann der Motor, wenn auch stotternd, wieder zu laufen. Der Kläger fuhr dann wieder zurück nach G. Am Abend stellte der Bruder des Klägers nach weiterem mehrmaligem Abschleppen, bei dem der Motor stotternd in Gang gebracht wurde, fest, daß Benzin getankt worden war.
Infolge der Fehlbetankung des Kraftfahrzeuges traten Schäden an der Einspritzpumpe auf, die von der Fa. H repariert wurden, und Schäden am Motor, die von der Fa. M behoben wurden.
Wenn der Kläger den Motor sofort beim Aufleuchten der Warnleuchte abgestellt hätte, hätten die Arbeiten bei der Fa. M unter Umständen unterbleiben können, jedenfalls aber nicht im vollen Umfang durchgeführt werden müssen. Akustisch war am Lauf des Motors ein Fehler erst zu einem Zeitpunkt zu bemerken, als bereits solche Schäden eingetreten waren, daß schon umfangreiche Motorreparaturen notwendig waren.
Die Höhe des eingetretenen Schadens wurde wie folgt festgestellt:
Reparaturkosten abzüglich Werterhöhung .................. 11 741,--
S Mietwagenkosten abzüglich Eigenersparnis ................ 5
203.60 S Wechselspesen ...........................................
2 017.80 S ----------- Zusammen (richtig)
...................................... 18 962.40 S
Rechtlich beurteilte das Kreisgericht Wels diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Tankwartin Waltraud S ein Verschulden an der Fehlbetankung des Fahrzeuges des Klägers treffe, weil sie sich nicht ausdrücklich erkundigt habe, welchen Treibstoff der Kläger wünschte und weil ihr bei entsprechender Aufmerksamkeit die am Heck des PKW des Klägers in der Nähe des Tankverschlusses angebrachte Aufschrift "Diesel" auffallen hätte müssen. Marianne S hafte nach § 1313a ABGB für des Verschulden ihrer Tochter Waltraud.
Das überwiegende Verschulden am Eintritt des Motorschadens treffe aber den Kläger. Er hätte deutlich zum Ausdruck bringen müssen, daß er Dieselkraftstoff zu tanken wünsche, und er hätte sich davon überzeugen müssen, daß seine Bestellung verstanden wurde und richtig ausgeführt wird. Ein Blick auf das Zählwerk der Tankuhr hätte genügt, um das falsche Tanken zu erkennen und den Schaden zu verhindern. Dazu komme aber noch, daß der Kläger die erhöhte Motortemperatur bei entsprechender Aufmerksamkeit an der Warnlampe erkennen und sofort anhalten hätte müssen, anstatt den Wagen bis zum Stillstand des Motors auszufahren und dann noch dazu immer wieder Startversuche zu unternehmen.
Unter diesen Umständen sei der Schaden im Verhältnis von 1:2 zum Nachteil des Klägers zu teilen.
Damit kam das Kreisgericht Wels zum Zuspruch eines Betrages von 6317.27 S samt Anhang (rechnerisch richtig wäre ein Betrag von 6320.80 S gewesen) an den Kläger und zur Abweisung seines Mehrbegehrens.
Mit Urteil vom 7. Juni 1974, 5 R 84/74-21, gab das Oberlandesgericht Linz der Berufung des Klägers in der Hauptsache keine Folge. Lediglich die Kostenentscheidung des Kreisgerichtes Wels änderte es dahin ab, daß die vom Kläger zu ersetzenden Prozeßkosten erster Instanz mit 2436.89 S (anstatt mit 3655.34 S) bestimmt wurden. Den Ersatz der mit 1300.48 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens erlegte es dem Kläger auf.
Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:
Da das Ersturteil von den Beklagten nicht angefochten worden sei, stehe ein Verschulden der Waltraud S, welches von Marianne S nach § 1313a ABGB zu vertreten sei, im Ausmaß von einem Drittel fest. Dieses Verschulden bestehe darin, daß Waltraud S auf die an sich deutlich lesbare Aufschrift "Diesel" auf der Heckseite des PKW nicht geachtet und es unterlassen habe, sich durch entsprechende Rückfrage beim Kläger zu erkundigen, ob er Diesel oder Benzin getankt haben wolle.
Aber auch dem Kläger seien zwei entscheidende Fehler unterlaufen. Auch ihm hätte bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht entgehen dürfen, daß an dieser Tanksäule neben Diesel auch Superbenzin getankt werden konnte. Deshalb, und weil der PKW Peugeot 404 in Dieselausführung nur selten vorkomme, und weil der Kläger überdies bei der Tankstelle nicht als Kundschaft bekannt gewesen sei, wäre er verpflichtet gewesen, seine Bestellung auf Dieselkraftstoff so auszusprechen, daß Mißverständnisse oder Überhören durch die Tankwartin ausgeschlossen gewesen seien. Allenfalls hätte auch ein Blick auf das Zählwerk genügt, um ein Fehlverhalten der Tankwartin sofort zu korrigieren. Dazu komme aber noch ein weiteres entscheidendes Fehlverhalten des Klägers, das darin bestanden habe, daß er die vorhandene Warneinrichtung völlig außer acht gelassen habe, obwohl ihm bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit eine Überhitzung des Motors noch vor dem ersten Anhalten nach einer Fahrt von zirka 3 km durch Aufleuchten der Warnlampe hätte auffallen müssen. Gerade durch dieses Fehlverhalten des Klägers sei es erst zu dem eingetretenen hohen Schaden gekommen, was die Annahme eines wesentlich größeren Verschuldensanteiles des Klägers rechtfertige.
In der vom Erstgericht vorgenommenen Verschuldensteilung liege daher kein Rechtsirrtum.
Im nunmehr vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger die Verurteilung des Ing. S zur Zahlung eines Betrages von 8727.69 S samt Anhang mit der Behauptung, daß der Beklagte in seiner Eigenschaft als Gerichtssachverständiger im Vorprozeß ein unrichtiges Gutachten erstattet habe. Entgegen der vom Beklagten damals geäußerten Ansicht trete nämlich durch die Verbrennung von Benzin anstelle von Dieselkraftstoff eine lokale Überhitzung des Brennraumes auf, durch die Schäden am Motor hervorgerufen würden, noch ehe die Warnleuchte in Funktion trete. Dem Kläger sei jedoch auf Grund des unrichtigen Gutachtens des Beklagten im Vorprozeß als entscheidendes Fehlverhalten unter anderem angelastet worden, daß er die vorhandene Warneinrichtung im PKW völlig außer acht gelassen habe. Bei Erstattung eines richtigen Gutachtens wäre es im Vorverfahren nicht zu einer Schadensaufteilung im Verhältnis von 2:1 zum Nachteil des Klägers, sondern zumindest zu einer gleichteiligen Schadensteilung gekommen. Bei einer derartigen Schadensteilung hätte der Kläger im Vorprozeß die Hälfte des aufgetretenen Schadens (11 307.69 S) zugesprochen erhalten und damit einen Mehrzuspruch von 4990.69 S erreicht. Überdies wäre es zu einer gegenseitigen Kostenaufhebung gekommen, weshalb der Kläger an die seinerzeitigen Beklagten nicht Prozeßkosten in der Höhe von 3737 S vergüten hätte müssen.
Der Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung, daß es sich bei dem gegen ihn geltend gemachten Anspruch um einen solchen nach dem Amtshaftungsgesetz handle. Im übrigen beantragte er Klagsabweisung und wendete ein, daß er im Vorprozeß ein fachlich einwandfrei fundiertes Gutachten erstattet habe. So habe er u. a. ausgeführt, daß dann, wenn die in den Instandsetzungsrechnungen angeführten Arbeiten notwendig geworden seien, die Warnlampe aufgeleuchtet haben müßte, sofern sie funktionstüchtig gewesen sei. Wenn sofort nach dem Aufleuchten der Warnlampe der Motor abgestellt worden wäre, wären die von der Firma M durchgeführten Arbeiten nicht im vollen Umfang notwendig geworden. Zur Annahme eines Mitverschuldens des Klägers im Ausmaß von zwei Dritteln sei das Kreisgericht Wels in erster Linie nicht auf Grund der Ausführungen des Beklagten, sondern deshalb gekommen, weil der Kläger selbst dem Tankvorgang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Neben der unterlassenen Prüfung des Tankvorganges treffe den Kläger auch deshalb ein Verschulden an dem eingetretenen Schaden, weil er nach 3 km Fahrt und Versagen seines Motors wiederholt Startversuche unternommen habe und später sogar noch eine Strecke mit dem PKW gefahren sei. Dadurch seien die Schäden jedenfalls wesentlich vergrößert worden.
Das Klagebegehren sei aber auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Die Höhe des Schadens am PKW des Klägers sei im Vorprozeß unbekämpft mit 18 951.80 S festgestellt worden. Davon seien jedenfalls die bei der Firma H durchgeführten Reparaturarbeiten (3687.30 S) abzuziehen, allenfalls wären auch die während der Reparaturdauer bei der Firma H aufgelaufenen Mietwagenkosten auszuscheiden. An Prozeßkosten des Vorverfahrens könnten dem Beklagten höchstens die vom Kläger zu ersetzenden Prozeßkosten erster Instanz (2436.89 S) angelastet werden, zumal er das erfolglose Rechtsmittel des Klägers nicht verursacht habe.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Dieser Beschluß blieb unangefochten.
Im übrigen wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.
Es stellte - abgesehen von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - folgendes fest:
Das im Vorprozeß erstattete Gutachten des Beklagten ist in zweifacher Hinsicht verfehlt. Erstens deshalb, weil zum Zeitpunkt des Aufleuchtens der Kontrollampe, die auf ein Überhitzen der Kühlflüssigkeit anspricht, der Schaden bereits eingetreten ist, zumal bei einer derartigen Fehlbetankung eine lokale Überhitzung bestimmter Stellen des Brennraumes auftritt, gegenüber welcher die Erwärmung des Kühlwassers verzögert erfolgt, so daß der Beachtung der Warnlampe keine entscheidende Bedeutung zukommt. Zweitens war das Gutachten des Beklagten aber auch deshalb verfehlt, weil - entgegen der vom Beklagten im Vorprozeß vertretenen Ansicht - die Betankung eines Dieselfahrzeuges mit Benzin doch einen abnormal lauten Gang und einen sofortigen starken Leistungsabfall hervorruft, was der Kläger bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit wahrnehmen hätte können. Bei einem sofortigen Abstellen des Motors wären wesentlich geringere Schäden aufgetreten.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß dem beweispflichtigen Kläger der Nachweis nicht gelungen sei, daß ihm durch das unrichtige Gutachten des Beklagten überhaupt ein Schaden entstanden sei. Wohl hätten die im Vorprozeß tätigen Gerichte auf Grund des Fehlgutachtens des Beklagten auch dem Umstand Bedeutung beigemessen, daß der Kläger die in seinem PKW vorhandene Warnleuchte außer acht gelassen habe. Doch sei auf Grund eines weiteren Fehlers in dem vom Beklagten erstatteten Gutachten unberücksichtigt geblieben, daß der Kläger auf Grund des sofortigen Leistungsabfalles und des abnormal lauten Ganges des Motors die Betankung seines Dieselfahrzeuges mit Benzin hätte erkennen können, was bei unverzüglichem Abstellen des Motors gleichfalls eine Schädigung im schließlich erfolgten Ausmaß verhindert hätte. Selbst wenn der Nichtbeachtung einer vorhandenen Warneinrichtung mehr Bedeutung beizumessen sei als dem Umstand, daß einem PKW-Fahrer die durch eine Fehlbetankung hervorgerufenen außerordentlichen Betriebseigenschaften seines Fahrzeuges nicht auffallen, so seien doch die Nuancen zu gering, als daß auf dieser Grundlage der Beweis als erbracht angesehen werden könne, daß der Vorprozeß für den Kläger günstiger geendet hätte. Bei der von den Gerichten im Vorprozeß getroffenen Verschuldensaufteilung hätten noch sehr viele andere Komponenten mitgewirkt, denen zum Teil sogar zu wenig Beachtung geschenkt worden sei. Es sei auch nicht auszuschließen, daß das Oberlandesgericht Linz bei einer allfälligen Berufung der seinerzeitigen Beklagten eine für den Kläger noch ungünstigere Verschuldensteilung vorgenommen hätte, da das Verschulden eines ungelernten und aushilfsweise freiwillig tätigen Tankwartes gegen die zahlreichen und teils gravierenden Nachlässigkeiten des Klägers sehr deutlich zurücktrete.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, dem Kläger den Betrag von 5595.25 S samt 9% Zinsen aus 3158.63 S seit 7. Mai 1973 und weiteren 4% Zinsen aus 2436.89 S seit 1. Feber 1975 zu bezahlen; das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von 3132.44 S samt Anhang wies es ab.
Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, daß, sofern aus einem Urteil, das auf einem unrichtigen Sachverständigengutachten beruhe, Schadenersatzansprüche gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen abgeleitet würden, der Kläger die Unrichtigkeit des Gutachtens und den Einfluß auf die für ihn ungünstig ausgefallene Entscheidung nachzuweisen habe. Für den Nachweis der nachteiligen Auswirkung auf die Entscheidung genüge es, daß als wahrscheinlich angenommen werden könne, daß die geschädigte Prozeßpartei bei Unterbleiben des Gutachtenfehlers mit ihrem Prozeßstandpunkt voll oder zumindest in günstigerer Weise durchgedrungen wäre, als ihr dies tatsächlich gelungen sei. Der Gerichtssachverständige habe für alle Schäden, die sich aus einem unrichtigen Gutachten bei den Prozeßparteien ergeben, einzustehen. Die Rechtskraft des im Vorprozeß gefällten Urteiles stehe dem Schadenersatzanspruch einer Prozeßpartei gegen den Sachverständigen nicht entgegen. Der Sachverständige habe im Sinne des § 1299 ABGB das Fehlen besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertreten.
Dem Beklagten seien im Vorprozeß zwei voneinander unabhängige Gutachtenfehler unterlaufen, nämlich in der Stellungnahme bezüglich des Aufleuchtens der Warnlampe einerseits und der Wahrnehmbarkeit der Folgen des Fehlbetankens andererseits. Der zweite Fehler könne weder aus dem Gesichtspunkt der Kausalität noch aus dem des rechtmäßigen Alternativverhaltens berücksichtigt werden. Es müsse darauf Bedacht genommen werden, daß der zweite Gutachtenfehler im Verlauf des Vorprozesses keine Aufklärung gefunden habe und somit auch den Kläger bei der rechtlichen Beurteilung seines Verhaltens nicht belastet habe. Die Tatsache des Vorliegens eines weiteren Gutachtenfehlers sei erst im Zuge dieses Verfahrens zutage getreten, so daß sie auf die Entscheidung des Vorprozesses keinen Einfluß zu Lasten des Klägers nehmen könne.
Damit erübrige sich ein Eingehen auf die Beweis- und Mängelrüge des Klägers.
Zu prüfen sei lediglich, ob der erste Gutachtenfehler des Beklagten zu einer Benachteiligung des Klägers im Vorprozeß geführt habe. Der Tankwartin Waltraud S sei im Vorprozeß angelastet worden, daß sie die deutlich lesbare Aufschrift "Diesel" auf der Heckseite des PKW nicht beachtet und es unterlassen habe, sich durch entsprechende Rückfrage beim Kläger zu erkundigen, ob er Diesel oder Benzin getankt haben wolle; dies wäre um so notwendiger gewesen, als bei der kombinierten Zapfsäule, vor der der Kläger sein Fahrzeug anhielt, sowohl Superbenzin als auch Diesel abgegeben werden konnte. Dem Kläger sei angelastet worden, daß ihm bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht entgehen hätte dürfen, daß an der Zapfsäule sowohl Diesel als auch Superbenzin getankt werden konnte. Auch weil die Dieselausführung beim PKW Peugeot 404 nur selten vorkomme und der Kläger überdies bei der Tankstelle keinesfalls als Kundschaft bekannt gewesen sei, wäre er verpflichtet gewesen, seine Bestellung auf Dieselkraftstoff so auszusprechen, daß Mißverständnisse oder ein Überhören durch die Tankwartin auszuschließen gewesen wären. Allenfalls hätte auch ein Blick auf das Zählwerk genügt, um ein Fehlverhalten der Tankwartin sofort zu korrigieren. Der weitere Schuldvorwurf gegenüber dem Kläger, einer durch die Warnlampe angezeigten Überhitzung des Motors keine Beachtung geschenkt zu haben, müsse nunmehr außer Betracht bleiben. Ein Fehlverhalten des Klägers könne allenfalls noch darin erblickt werden, daß er nach Stillstand des Motors mehrmals Startversuche unternommen und das Fahrzeug nochmals in Betrieb genommen habe.
Wiege man diese Verhaltensweisen gegeneinander ab, dann könne mit Verläßlichkeit eine Entscheidung der im Vorprozeß tätigen Gerichte ausgeschlossen werden, die für den Kläger ein ungünstigeres Ergebnis als eine gleichteilige Schadensteilung gebracht hätte.
Unter Annahme einer gleichteiligen Verschuldensteilung wäre dem Kläger im Vorprozeß ein Betrag von 9475.90 S zugesprochen worden; die Differenz zu dem tatsächlich zugesprochenen Betrag von 6317.27 S betrage 3158.63 S. Im übrigen könnten den Beklagten lediglich die dem Kläger auferlegten Prozeßkosten erster Instanz (2436.89 S) belasten, die dem Kläger bei einer gleichteiligen Verschuldensteilung wegen der dann eintretenden gegenseitigen Kostenaufhebung nicht zum Ersatz auferlegt worden wären. Die Kosten des Berufungsverfahrens habe der Beklagte nicht verursacht.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte in Abänderung der Berufungsentscheidung das Ersturteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach Lehre und Rechtsprechung haftet ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der in einem Zivilprozeß schuldhaft ein unrichtiges Gutachten abgibt, den Prozeßparteien gegenüber für die Folgen dieses Versehens. Es handelt sich hier nicht um den Rat eines Sachverständigen an eine Partei (§ 1300 ABGB), sondern darum, daß der Sachverständige durch sein Gutachten eine bestimmte richterliche Überzeugung hervorruft, die dann im Urteil ihren Niederschlag findet. Die Haftung eines solchen Sachverständigen gegenüber einer Prozeßpartei ist nach den §§ 1295, 1299 ABGB zu beurteilen. Der Ersatzanspruch einer Prozeßpartei gegen den Sachverständigen wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß auf Grund seines unrichtigen Gutachtens ein rechtskräftiges Urteil erging (Koziol, Haftpflichtrecht II, 153; Bydlinski in JBl. 1965, 321; SZ 11/225; JBl. 1965, 319; 2 Ob 226/65).
Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob das vom Beklagten im Vorprozeß abgegebene Gutachten objektiv unrichtig war und ob den Beklagten im Sinne des § 1299 ABGB an der Abgabe dieses unrichtigen Gutachtens ein Verschulden trifft, ob dieses unrichtige Gutachten ausschlaggebend für die Entscheidung im Vorprozeß war und ob und in welchem Ausmaß dem Kläger durch dieses unrichtige Gutachten ein Schaden zugefügt wurde.
Ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen besteht zunächst kein Zweifel daran, daß das vom Beklagten im Vorprozeß erstattete Gutachten in zwei Punkten (Vermeidbarkeit schwerer Schäden am Motor bei Beachtung der Warnlampe; Auftreten von Funktionsstörungen beim Betrieb des Kraftfahrzeuges infolge der Fehlbetankung) objektiv unrichtig war. Im Sinne des § 1299 ABGB hat der Beklagte den Mangel der erforderlichen nicht gewöhnlichen Kenntnisse, der zur Erstattung dieses unrichtigen Gutachtens führte, zu vertreten.
Es bedarf auch keiner weiteren Erörterung, daß dieses unrichtige Gutachten von Bedeutung für die Entscheidung im Vorprozeß war; wurde doch dem Kläger als Mitverschulden u. a. auch zur Last gelegt, daß er die vorhandene Warneinrichtung völlig außer acht gelassen habe, obwohl ihm bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit eine Überhitzung des Motors noch vor dem ersten Anhalten nach einer Fahrt von zirka 3 km durch Aufleuchten der Warnlampe hätte auffallen müssen.
Zu prüfen bleibt, ob und in welchem Ausmaß dem Kläger durch dieses unrichtige Gutachten des Beklagten ein Schaden zugefügt wurde, ob also ein richtiges Gutachten des Beklagten zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung im Vorprozeß geführt hätte.
Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsmeinung ist es bei Prüfung dieser Frage nicht zulässig, nur den einen dem Beklagten bei Erstattung seines Gutachtens unterlaufenen Fehler zu berücksichtigen, den anderen aber nicht. Die zu lösende Frage geht nicht dahin, welchen Einfluß auf die Entscheidung des Vorprozesses ein nur zum Teil richtiges Gutachten des Beklagten gehabt hätte, sondern dahin, wie die Entscheidung im Vorprozeß ausgefallen wäre, wenn das Gutachten des Beklagten über die darin behandelten Fragen im vollen Umfang richtig gewesen wäre.
Gegenstand der Begutachtung des Beklagten im Vorprozeß war u. a. die Frage, ob dem Kläger beim Wegfahren von der Tankstelle nach der Fehlbetankung seines Fahrzeuges Umstände auffallen mußten, aus denen er auf einen drohenden Schaden schließen mußte und die ihn bei gehöriger Sorgfalt veranlassen hätten müssen, den Betrieb seines Fahrzeuges einzustellen, um die Entstehung von größeren Schaden zu vermeiden. Der Beklagte hat diese Frage unrichtig dahin gelöst, daß der Kläger die schadenskausale Überhitzung des Motors seines Fahrzeuges vor dem Eintritt größerer Schäden am Aufleuchten der Warnlampe feststellen hätte können, daß der Kläger aber Abartigkeiten am Motorlauf und einen Leistungsabfall erst zu einem Zeitpunkt feststellen konnte, als der Eintritt größerer Schäden nicht mehr zu vermeiden war. Richtig wäre diese Frage dahin zu beantworten gewesen, daß zwar beim Aufleuchten der Kontrollampe der Motorschaden bereits eingetreten war, daß aber die Betankung eines Dieselfahrzeuges mit Benzin einen abnorm lauten Gang des Motors und einen sofortigen starken Leistungsabfall hervorruft.
Die Richtigkeit der letzteren Feststellung des Erstgerichtes hat der Kläger in der in seiner Berufung ausgeführten Tatsachenrüge in Wahrheit nicht bekämpft; er hat dort nur geltend gemacht, daß diese Umstände einem Durchschnittskraftfahrer bei von ihm zu verfangender gehöriger Sorgfalt nicht auffallen müssen. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Tatsachen-, sondern um eine Rechtsfrage.
Hätte nun der Beklagte im Vorprozeß ein richtiges Gutachten erstattet, so hätte dies zu der Feststellung geführt, daß der Kläger zwar nicht durch gehöriges Beachten der Warnlampe den Eintritt größerer Motorschäden vermeiden konnte, daß aber der Motor seines Fahrzeuges nach der durchgeführten Fehlbetankung abnormal laut lief und einen sofortigen starken Leistungsabfall aufwies. Derartige Unzukömmlichkeiten müssen aber bei einem Kraftfahrer mit auch nur durchschnittlicher Sorgfalt den Verdacht erwecken, daß dem Motor seines Kraftfahrzeuges ein ernstlicher Schaden droht; bei gehöriger Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten wird er beim Auftreten derartiger Unzukömmlichkeiten nicht bis zur völligen Betriebsunfähigkeit seines Fahrzeuges weiterfahren, sondern den Motor sofort abstellen und sich von der Ursache dieser Unzukömmlichkeiten überzeugen.
Die im Vorprozeß entscheidenden Gerichte haben die beim Tankvorgang selbst dem Kläger und der Tankwartin unterlaufenen Nachlässigkeiten ihrem Gewicht nach als etwa gleichwertig beurteilt; zur Annahme des überwiegenden Verschuldens des Klägers am eingetretenen Schaden und zur Schadensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Klägers kamen sie im wesentlichen damit, daß sie ihm zusätzlich vorwarfen, daß er die in seinem Fahrzeug vorhandene Warnlampe völlig unbeachtet gelassen habe. Dieser zusätzliche Vorwurf basierte auf dem unrichtigen Gutachten des Beklagten. Hätte dieser ein im Sinne obiger Ausführungen richtiges Gutachten erstattet, dann wäre dem Kläger zwar nicht die Nichtbeachtung der Warnlampe zusätzlich vorzuwerfen gewesen, wohl aber der Umstand, daß er nach Beendigung des Tankvorganges trotz abnorm lauten Motorlaufes und sofortigen starken Leistungsabfalles seines Kraftfahrzeuges nicht sofort den Motor abstellte und die Überprüfung der Ursache dieser aufgetretenen Unzukömmlichkeiten veranlaßte, sondern mit dem PKW weiterfuhr, bis er zum Stillstand kam. Auch damit hat aber der Kläger die ihm obliegende Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, wie oben dargestellt, verletzt.
Daß aber auch unter Berücksichtigung dieses Fehlverhaltens des
Klägers, das sich bei Erstattung eines sachlich richtigen Gutachtens
des Beklagten im Vorprozeß ergeben hätte, die dort entscheidenden
Gerichte zu einer dem Kläger günstigeren Schadensteilung als einer
solchen im Verhältnis von 2: 1 zu Lasten des Klägers gekommen wären,
kann nicht gesagt werden. Im Rahmen dieses Rechtsstreites sind nicht
die Urteile der Gerichte im Vorprozeß dahin zu überprüfen, wie sie
rechtlich richtig zu lauten gehabt hätten; hier ist nur zu
beurteilen, welchen Einfluß ein sachlich richtiges Gutachten des
Beklagten auf diese Entscheidungen gehabt hätte. Dieser Einfluß
hätte sich aber, wie dargestellt, nur darauf beschränkt, daß dem
Kläger - zusätzlich zu seinem sonstigen ihm als Mitverschulden angelasteten Fehlverhalten - zwar nicht die Nichtbeachtung der Warnlampe, wohl aber das unbekümmerte Weiterfahren mit seinem PKW trotz abnorm lauten Motorlaufes und sofortigen starken Leistungsabfalles als zusätzlicher Sorgfaltsverstoß angelastet worden wäre. Daß dies aber zu einer dem Kläger günstigeren Schadensteilung im Vorprozeß geführt hätte, steht weder fest noch ist dies auch nur wahrscheinlich.
Daraus ergibt sich, daß dem Kläger in Wahrheit durch das im Vorprozeß erstattete unrichtige Gutachten des Beklagten kein Schaden zugefügt wurde; bei richtiger rechtlicher Beurteilung war daher sein im vorliegenden Rechtsstreit gestelltes Schadenersatzbegehren gegen den Beklagten abzuweisen.
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