Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die von den Parteien, beide jugoslawische Staatsangehörige, am 22. Juli 1983 vor dem Standesamt Fojnica (Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina) geschlossene Ehe wurde vom Grundgericht in Kakanj (Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina) mit Urteil vom 29.März 1989 gemäß Art. 55 des Familiengesetzes der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina rechtskräftig geschieden. Heimatrecht der Parteien ist das Recht der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina.
Am 4.Juli 1989 beantragte die frühere Ehegattin die Aufteilung des (in Österreich befindlichen) ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse.
Der Antragsgegner begehrte, diesen Antrag zurückzuweisen. Das Erstgericht wies den Antrag des Antragsgegners, das Aufteilungsbegehren zurückzuweisen, ab. Es führte aus, die "formelle Zuständigkeit" des angerufenen Gerichtes ergebe sich aus § 76 Abs 2 und § 114 a Abs 4 JN; schon deshalb könne der Aufteilungsantrag nicht zurückgewiesen werden. In materieller Hinsicht sei § 20 IPR-Gesetz anzuwenden, der auf § 18 IPR-Gesetz verweise. Sehe das danach anzuwendende Recht das nacheheliche Aufteilungsverfahren nicht vor, sei gemäß § 18 Abs 1 Z 2 IPR-Gesetz subsidiär das Recht des Staates, in dem sich die früheren Ehegatten aufhielten, und damit österreichisches Recht heranzuziehen. Jede andere Auslegung führe zu nicht praktikablen Lösungen betreffend eine in Österreich befindliche Ehewohnung, die nach wie vor von beiden Parteien gemeinsam benützt werde.
Das Rekursgericht wies den Aufteilungsantrag zurück und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat die Auffassung, entscheidende Frage sei die nach der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens. Die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes seien gemäß § 76 Abs 2 und § 114 a Abs 4 JN zu bejahen. Für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach der Scheidung sehe § 229 Abs 1 AußStrG das Verfahren außer Streitsachen vor. Demnach sei ein Anspruch, der jenem auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse im Sinne der §§ 81 f EheG gleichzuhalten sei, dann im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen, wenn das anzuwendende ausländische Recht entsprechende materiell-rechtliche Regelungen aufweise. Das treffe im vorliegenden Fall aber nicht zu. Das hier maßgebliche Gesetz der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina regle in seinem
7. Teil die Vermögensbeziehungen zwischen Eheleuten. Nur in Art. 276 dieses Gesetzes, der die Rückgabe von Geschenken der Ehegatten zum Gegenstand habe, sei eine Regelung für den Fall der Scheidung vorgesehen. Alle übrigen Bestimmungen, insbesondere auch jene über die Auseinandersetzung des gemeinschaftlichen Vermögens der Ehegatten, stellten nicht ausdrücklich auf den Fall der Scheidung ab. Ein dem § 81 EheG entsprechender, aus der Scheidung resultierender Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sei somit im Heimatrecht der Parteien nicht vorgesehen. Insbesondere fehlten den §§ 86 f EheG vergleichbare Bestimmungen über rechtsgestaltende, selbst Dritten gegenüber wirksame Verfügungen im Außerstreitverfahren. Gemäß § 20 Abs 1 IPR-Gesetz seien die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung und gemäß § 19 IPR-Gesetz sei das Ehegüterrecht mangels Rechtswahl nach dem zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht zu beurteilen. Eine ausdrückliche Rechtswahl sei nicht behauptet worden. Das maßgebliche Ehewirkungsstatut seit der Eheschließung sei das jugoslawische Recht gewesen. § 18 Abs 1 Z 2 IPR-Gesetz sei nicht subsidiär anzuwenden. Aus dessen Anwendungsbereich schieden unter anderem die güterrechtlichen Ehewirkungen aus. § 18 IPR-Gesetz umfasse nur die nicht vermögensrechtlichen Teilwirkungen. Außerdem käme § 18 Abs 1 Z 2 IPR-Gesetz nur dann zur Anwendung, wenn Z 1 zufolge nicht nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, soferne es einer von ihnen beibehalten habe, vorgegangen werden könne. Gemeinsames Personalstatut sei das jugoslawische Recht. Der Antragstellerin bleibe es allerdings unbenommen, ihre Ansprüche im streitigen Rechtsweg zu verfolgen. Mangels Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens sei der hier gestellte Antrag zurückzuweisen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist im Ergebnis berechtigt.
Die Antragstellerin hat - ohne in ihrem Protokollarantrag auf gesetzliche Bestimmungen Bezug zu nehmen - die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens (Ehewohnung samt Einrichtung) und der ehelichen Ersparnisse (Sparbücher mit einem Einlagestand von ca. S 200.000) durch rechtsgestaltende gerichtliche Verfügung begehrt. Da die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Wien-Fünfhaus hatten, haben die Vorinstanzen die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes zutreffend bejaht (§ 114 a Abs 4 JN).
Das Rekursgericht hat die Zulässigkeit der von der Antragstellerin in Anspruch genommenen Verfahrensart - das Verfahren außer Streitsachen - verneint, weil das anzuwendende jugoslawische Sachrecht keine der nachehelichen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gleichzuhaltende Aufteilungsregelung vorsehe, übersah dabei jedoch, daß sich die Beantwortung der Frage, ob eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu behandeln und zu erledigen ist, ausschließlich nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der antragstellenden Partei richtet (§ 40 a JN; MietSlg 36.722 uva). Die Antragstellerin hat gerade die Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse beantragt, über die von den österreichischen Gerichten nach den mangels anderslautender Regelung im internationalen Zivilverfahrensrecht jedenfalls anzuwendenden Bestimmungen der §§ 229 ff AußStrG auch dann im Verfahren außer Streitsachen abzusprechen ist, wenn die Kollisionsnormen wegen einer Auslandsberührung - so wie hier - auf ausländisches Recht verweisen (vgl. ZfRV 1987, 68). Über den Aufteilungsantrag hat das Erstgericht somit im Verfahren außer Streitsachen zu verhandeln und abzusprechen, sodaß es den Antrag des Antragsgegners auf Zurückweisung dieses Begehrens zu Recht abgewiesen hat. Da die Parteien jugoslawische Staatsangehörige sind, deren Personalstatut das Recht der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina ist, ist das Begehren der Antragstellerin in sachlicher Hinsicht jedenfalls nach diesem Recht zu beurteilen, gleichviel ob man nun die nacheheliche Vermögensaufteilung § 19 oder § 20 IPR-Gesetz oder - differenzierend wie Schwimann (in Rummel, ABGB, § 19 IPRG Rz 1) - die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse § 19, des ehelichen Gebrauchsvermögens aber § 20 IPR-Gesetz unterstellt: Gemeinsames Personalstatut der Parteien war stets und damit auch sowohl im Zeitpunkt ihrer Eheschließung (§ 19 IPR-Gesetz) als auch im Zeitpunkt der Ehescheidung (§ 20 IPR-Gesetz) und ist auch derzeit noch das jugoslawische und daher das Recht der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina. Für die vom Erstgericht herangezogene subsidiäre Kollisionsnorm des § 18 Abs 1 Z 2 IPR-Gesetz bleibt, wie das Gericht zweiter Instanz bereits zutreffend hervorgehoben hat, deshalb kein Anwendungsbereich. Über den Aufteilungsantrag der früheren Ehegattin ist somit im Verfahren außer Streitsachen abzusprechen, die materielle Berechtigung des zugrunde gelegten Anspruches hingegen nach dem Recht der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina zu beurteilen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes enthält das schon von diesem geprüfte Gesetz dieser jugoslawischen Teilrepublik über die Familie vom 29.Mai 1979 (abgedruckt bei Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Jugoslawien) in seinem Siebenten Teil unter der Überschrift "Die Vermögensbeziehungen" in dessen Punkt 2 sehr eingehende Bestimmungen über die "Auseinandersetzung des gemeinschaftlichen Vermögens der Ehegatten". Unter dem vorangehenden Untertitel "Das Vermögen der Ehegatten" wird im Art. 264 angeordnet, daß das Vermögen, das ein Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung hat, sein Sondervermögen bleibt (Abs 1), wogegen das Vermögen, das die Ehegatten während der Ehegemeinschaft durch Arbeit erworben haben, sowie die Einkünfte aus diesem Vermögen ihr gemeinschaftliches Vermögen bilden (Abs 2). Gemäß Art. 267 Abs 1 dieses Gesetzes kann - mangels Einvernehmens über die Aufteilung (vgl. Art. 266) - jeder Ehegatte durch Klage verlangen, daß das Gericht seinen Anteil am gemeinsamen Vermögen oder an einzelnen Sachen aus diesem Vermögen bestimmt. Die Größe des Anteiles eines Ehegatten bestimmt das Gericht entsprechend dem Beitrag des Ehegatten zum Erwerb des gemeinschaftlichen Vermögens, wobei es nicht nur dem persönlichen Einkommen und Verdienst eines jeden Ehegatten, sondern auch dem Beistand, den ein Ehegatte dem anderen leistet, der Arbeit im Haushalt und in der Familie, der Sorge und die Erziehung und Aufziehung der Kinder sowie jeder anderen Art der Arbeit und Zusammenarbeit in der Verwaltung, Erhaltung und Mehrung des gemeinschaftlichen Vermögens Rechnung trägt (Abs 2). Im Abs 3 dieses Artikels wird bestimmt, daß der Umstand, daß der andere Ehegatte dieses Vermögen nach der Auflösung der Ehegemeinschaft vermehrt hat, auf die Höhe des Anteiles eines Ehegatten an dem Vermögen, das in einem überwiegenden Teil während der Ehegemeinschaft erworben ist, keinen Einfluß hat, wenn dieser Ehegatte durch sein Verhalten seinen Ehegatten gehindert hat, sich an dem weiteren Erwerb zu beteiligen. Das Gesetz enthält auch Bestimmungen über Ausgleichszahlungen (Art. 267 Abs 5), besondere Zuweisungsgründe (Art. 268), die Bedachtnahme darauf, welchem Ehegatten die Kinder in dessen Obhut anvertraut werden (Art. 269) und die Berücksichtigung der näher bezeichneten Schulden (Art. 270). Wenngleich diese inhaltlich durchaus der Aufteilungsordnung der §§ 81 ff EheG gleichzuhaltende Regelung der Vermögensauseinandersetzung nicht unmittelbar als Folge der Auflösung der Ehe getroffen ist, so wird nicht nur im Art. 267 Abs 3 dieses Gesetzes auf die Auflösung der Ehegemeinschaft besonders hingewiesen, sondern erscheint es naheliegend, daß diese der Rechtsgestaltung des Gerichtes - allerdings des Streitrichters - übertragene Vermögensauseinandersetzung auch und gerade für den Fall der Scheidung vorgesehen ist.
Eine abschließende Beurteilung dieser Frage bleibt aber, da das fremde Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden ist (§ 3 IPR-Gesetz), weiteren Ermittlungen im Sinne des § 4 Abs 1 IPR-Gesetz vorbehalten. Diese Ermittlungen (vgl. hiezu auch die Note des Bundesministeriums für Justiz vom 2.August 1989) wird das Erstgericht unter allfälliger Mitwirkung der Parteien im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.
Erst danach wird verläßlich beurteilt werden können, ob und inwieweit der geltend gemachte Aufteilungsanspruch berechtigt ist. Daß die Vermögensauseinandersetzung nach dem Heimatrecht der Parteien im streitigen Rechtsweg auszutragen ist, ändert im Hinblick auf die in Österreich maßgebliche Verfahrensordnung nichts an der Verhandlung und Erledigung des Antrages im Verfahren außer Streitsachen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG in Verbindung mit § 52 Abs 1 ZPO (vgl. SZ 54/114). Bei der Kostenentscheidung wird zu berücksichtigen sein, daß sich das Rechtsmittel gegen einen zweitinstanzlichen Beschluß richtet, mit welchem das Verfahren aus formellen Gründen beendet wurde. In solchen Fällen ist § 231 Abs 2 AußStrG nicht anzuwenden und daher dem Rechtsmittelgegner die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung verwehrt (vgl. SZ 53/178 uva).
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