OGH 6Ob619/92

OGH6Ob619/924.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold P*****, vertreten durch Dr. Heinz-Wilhelm Stenzel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Josef H*****,

2. Elisabeth H*****, 3. Edith W*****, 4. Ingrid W*****, 5. Gerhard R*****, 6. Manfred W*****, 7. Petra B*****, alle per Adresse VEREIN S*****, alle vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer und Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 106.742,40 sA, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25.6.1992, GZ 15 R 96/92-15, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24.1.1992, GZ 28 Cg 26/91-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand S 106.742,40 samt 14 % Zinsen seit 2.9.1989 mit dem Vorbringen, er habe dem Verein S*****am 16.8.1989 zwei Elektromotoren verkauft und geliefert. Auf den Kaufpreis sei nur eine Teilzahlung geleistet worden, der Klagsbetrag hafte noch aus. Nach § 20 der Satzung des Vereines hafteten die Beklagten als Basismitglieder zur ungeteilten Hand mit dem Verein. Der Kläger nehme Bankkredit mit 14 %iger Verzinsung in Anspruch, welche die Beklagten wegen des Zahlungsverzuges aus auffallender Sorglosigkeit zu ersetzen hätten.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wandten mangelnde Passivlegitimation ein. Der Kläger habe mit dem Verein kontrahiert. Die Vereinssatzung regle nur die Rechtsbeziehungen zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern. Die im § 20 der Satzung enthaltenen Haftungszusagen seien nur im Innenverhältnis, nicht aber gegenüber Dritten wirksam.

Folgender Sachverhalt ist unbestritten:

Der Verein S*****ist ein gem,einnütziger nicht auf Gewinn gerichteter Verein und beim Vereinsregister der Bezirkshauptmannschaft Horn registriert. Er hat nach § 4 der Satzung Basismitglieder, die ihre ganze Arbeitstätigkeit in den Dienst des Vereines stellen, ordentliche Mitglieder, Förderer und freiwillige Helfer. Organe des Vereines sind nach § 7 der Satzung die Hauptversammlung, der Vorstand, der Abteilungsvorstand, die Kassenprüfer und das Schiedsgericht. Dem Vorstand gehören nach § 12 der Schriftführer, für die Dauer seiner Bestellung jeder Abteilungsvorstand, der gewählte Vertreter der ordentlichen Mitglieder sowie vier Basismitglieder, die nicht Abteilungsvorstand sind, an. § 20 der Satzung lautet: "Alle eingetragenen Basismitglieder haften mit ihrem Privatvermögen bzw ihrem persönlichen Einkommen für die Tätigkeiten des Vereines solidarisch. Hauptsächlich für Fremdfinanzierung der Projekte gegenüber privaten oder öffentlichen Geldgebern. Die Haftung für alle anderen Mitglieder ist nur auf Beschlüsse der Jahreshauptversammlung eingeschränkt. Die Funktionäre oder gewerbliche Geschäftsführer haften im Rahmen ihrer Tätigkeit für ihre Handlungen persönlich. Im übrigen werden die Bestimmungen des ABGB angewandt."

Mit dem vom Erstbeklagten als Leiter des Vorstandes und der Siebentbeklagten als Schriftführerin des Vereines an die Vereinsbehörde gerichteten Schreiben vom 24.4.1989 gab der Verein die Zusammensetzung der in der Generalversammlung vom 3.3.1989 beschlossenen Funktionäre namentlich bekannt, nämlich den Leiter des Vorstandes, den stellvertretenden Leiter, die Abteilungsvorstände sowie "die haftenden Basismitglieder" - hier folgten die Namen der sieben Beklagten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die in § 20 der Vereinssatzung vereinbarte solidarische Haftung wirke nicht gegenüber Dritten und begründe keine Haftung der Beklagten im Außenverhältnis. Die Beklagten seien nicht passiv legitimiert.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtlich treffe zwar grundsätzlich die Mitglieder eines Vereines ohne eigenes deliktisches Handeln gegenüber Gläubigern des Vereines, dem eigene Rechtspersönlichkeit zukomme, keine Haftung. Im vorliegenden Fall sei jedoch zu prüfen, ob die Beklagten nicht eine vertragliche Haftung gegenüber Vereinsgläubigern übernommen hätten. Die in § 20 der Satzung enthaltene Erklärung könne nur als Schuldbeitritt in Form eines Schuldnervertrages verstanden werden, weil (zumindest) die eingetragenen Basismitglieder damit erklärten, für die aus den "Tätigkeiten" des Vereines entstandenen Schulden zu haften. Daß damit durch die Basismitglieder nicht bloß die Haftung für deliktisches Verhalten, sondern insbesondere für Geschäftsschulden übernommen werden sollte, ergebe sich unmißverständlich aus der gewählten Formulierung "hauptsächlich für Fremdfinanzierung der Projekte gegenüber privaten und öffentlichen Geldgebern". Diese Formulierung schließe die Annahme aus, daß in § 20 der Satzung nur die Haftung im Innenverhältnis betroffen sein sollte. Der Schuldbeitritt könne sowohl als Vertrag zwischen Altschuldner und Neuschuldner (Schuldnervertrag) als auch durch Vertrag zwischen Neuschuldner und Gläubiger (Gläubigervertrag) erfolgen, wobei die Zustimmung des Gläubigers im ersten Fall nur bei der befreienden Schuldübernahme, nicht aber beim Schuldbeitritt erforderlich sei, weil letzterer für den Gläubiger keine besonderen Gefahren mit sich bringe. Daß der Kläger als Gläubiger in den Vertrag zwischen den Beklagten und dem Verein nicht einbezogen worden sei, habe daher auf die Wirksamkeit des Schuldbeitrittes keinen Einfluß. Es sei somit zwischen dem Verein und den Basismitgliedern zu einem Gesamtschuldverhältnis gekommen. Gegen die Wirksamkeit des Schuldnervertrages, der zugleich als echter Vertrag zugunsten Dritter anzusehen sei, spreche auch nicht, daß der begünstigte Gläubiger im Zeitpunkt des Vertrages allenfalls noch unbekannt gewesen sei. Ein Schutz vor Übereilung sei hier deshalb nicht erforderlich, weil die den Schuldbeitritt erklärenden Basismitglieder zwar die begünstigten Dritten nicht kannten, ihnen aber doch klar sein mußte, daß der von der Verpflichtungserklärung umfaßte Personenkreis der Vereinsgläubiger bei der Vereinsbehörde Einsicht in die Satzung und sonstigen Unterlagen nehmen könnte.

In Analogie zu § 1346 Abs 2 ABGB sei das Berufungsgericht der Ansicht, daß bei einem Schuldbeitritt, der zum Zwecke der Gutstehung erfolge, das Formerfordernis der Schriftlichkeit erfüllt sein müsse. Diesem sei im vorliegenden Fall jedoch nur beim Erstbeklagten und bei der Siebentbeklagten, welche das Schreiben an die Vereinsbehörde mit der Bekanntgabe der haftenden Basismitglieder unterfertigt hätten, Genüge getan. Ob dies auch für die übrigen Beklagten gelte, lasse sich aus dem Akteninhalt nicht entnehmen und müsse noch ergänzend geklärt werden. Die Rechtssache sei aber auch hinsichtlich des Erstbeklagten und der Siebentbeklagten noch nicht spruchreif, weil das Erstgericht auf Grund seiner unrichtigen Rechtsansicht keine Feststellungen zur bestrittenen Klagsforderung, zum aushaftenden Kaufpreis und zu den begehrten Zinsen, zu welchen Beweise angeboten seien, getroffen habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs gegen seinen Beschluß an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil seine Rechtsansicht über die Formgebundenheit des Schuldbeitrittes zum Zwecke der Gutstehung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widerspreche.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Parteien ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Zu Unrecht machen die Rechtsmittelwerber geltend, § 20 der Vereinssatzung entfalte nur Rechtswirkungen im Innenverhältnis zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern.

Vereinsstatuten, denen zivilrechtlich durchaus auch Vertragscharakter zukommt (siehe dazu Gschnitzer2 Allgemeiner Teil 356 ua), sind wie Gesetze auszulegen. Die Auslegung des § 20 der hier zu beurteilenden Statuten führt nach seinem Wortlaut zwingend zu dem Ergebnis, daß die Basismitglieder zur ungeteilten Hand mit dem Verein dessen Gläubigern gegenüber für in Verfolgung des Vereinszweckes begründete Schulden haften. Diese Haftung der Basismitglieder besteht unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Gründungsmitglieder handelt oder sie erst später dem Verein beitraten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht einen Schuldbeitritt durch Schuldnervertrag, abgeschlossen zwischen dem Verein und seinen Basismitgliedern, angenommen. Ein solcher wird vom Obersten Gerichtshof in Abgrenzung zur Bürgschaft im Zweifelsfall (der hier gar nicht vorliegt, weil eine Bürgschaft durch Vertrag des Bürgen mit dem Gläubiger und nicht mit dem Hauptschuldner zustandekommt) dann angenommen, wenn ein persönliches und sachliches unmittelbares Interesse an der wirtschaftlichen Existenz des Urschuldners besteht (SZ 62/160 mwN). Es entspricht durchaus der Erfahrung des Wirtschaftslebens, daß ein gemeinnütziger, nicht auf Gewinn gerichteter Verein, der kein eigenes Vermögen hat und seine Tätigkeiten nur unter Zuhilfenahme öffentlicher und privater Spenden entfalten kann, Verträge mit Vorleistungspflicht des Vertragspartners nur dann abschließen kann, wenn die Zahlungspflicht der juristischen Person durch Mithaftung physischer Personen abgesichert ist. Eine solche wirtschaftliche Existenz- und Handlungsmöglichkeit aber hat im vorliegenden Fall der Verein durch die bei der Vereinsbehörde bekannt gemachte Solidarhaftung der Beklagten, denen nach der Satzung auch maßgeblicher Einfluß auf die Geschäftsführung zukommt, erlangt. Jeder Schuldbeitritt durch Schuldnervertrag ist auch ein echter Vertrag zugunsten Dritter, bei welchem der Dritte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bestimmt, sondern nur im Zeitpunkt des vorgesehenen Rechtserwerbes, der auch in der Zukunft liegen kann, bestimmbar sein muß (Rummel in Rummel ABGB2 Rz 6 zu § 881 mwN). Im übrigen genügt es, wenn die übernommene Schuld sachlich bestimmt begrenzt ist (SZ 35/55), hier durch den Vereinszweck. Da ein Widerruf (der etwa im Fall des Austritts eines Basismitgliedes aus dem Verein anzunehmen wäre) bis zum Vertragsabschluß mit dem Kläger nicht erfolgte, hat dieser mit dem Vertragsabschluß mit dem Verein unmittelbare Rechte aus dem zwischen dem Verein und den Beklagten abgeschlossenen Vertrag erlangt, so daß die Beklagten ihm im Rahmen des entstandenen Gesamtschuldverhältnisses für die vom Verein eingegangenen Schulden solidarisch haften.

Der erkennende Senat vermag der Ansicht des Berufungsgerichtes, auch ein Schuldbeitritt "zu Gutstehungszwecken" sei in Analogie zu § 1346 Abs 2 ABGB formbedürftig, nicht zu folgen, sondern schließt sich der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an. Die vom Berufungsgericht ins Treffen geführten Argumente wurden bereits in den Entscheidungen SZ 61/174 und SZ 62/160 ausführlich behandelt, so daß darauf verwiesen werden kann. Es besteht kein Zweifel, daß die Regelung des Schuldbeitrittes keine echte Lücke aufweist, und jedenfalls bei historischer Interpretation keine teleologische Lücke vorliegt, weil der Gesetzgeber der 3. Teilnovelle die Formvorschrift des § 1346 Abs 2 ABGB bewußt nur für die Bürgschaft eingeführt hat (vgl. hiezu die Anm von Apathy zu ÖBA 1990, 554 [557]). Aber auch der aktuelle Gesetzgeber, dessen Kenntnis der langjährigen und einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Formfreiheit der kumulativen Schuldübernahme vorausgesetzt werden muß, hat trotz einer ganzen Reihe von neu eingeführten Vorschriften zum Schutz der rechtlich Unerfahrenen (es sei hier nur auf das KSchG, inbesondere dessen § 31a verwiesen) offenbar keinen Anlaß zu einer Änderung der bestehenden Gesetzeslage gesehen. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, aus rechtspolitischen Gründen die Interessenbewertung des Gesetzgebers zu überschreiten. Schließlich könnte auch die analoge nur teilweise Anwendung der Formbindung auf jene Fälle des Schuldbeitrittes, die "zum Zwecke der Gutstehung" erfolgen, die von P.Bydlinski angenommene Beendigung der Abgrenzungsschwierigkeiten nicht herbeiführen, denn, wie er selbst ausführt, "haben auch Bürgen sehr häufig eigenwirtschaftliche Interessen". Nicht nur der beitretende, sondern auch der ursprüngliche Schuldner kann bei Eingehung der Verpflichtung unüberlegt und übereilt handeln. Ein allzu umfassender Schutz eigenberechtigter Personen müßte dann in letzter Konsequenz dazu führen, daß schuldrechtliche Verpflichtungen rechtsgültig nur mehr schriftlich möglich wären.

Im vorliegenden Fall bedarf es daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes keiner weiteren Klärung, ob nicht nur der Erstbeklagte und die Siebentbeklagte, sondern auch die übrigen Beklagten ihren Schuldbeitritt in schriftlicher Form dokumentiert haben. Es hat aber bei der Aufhebung zu verbleiben, weil Beweisergebnisse und Feststellungen zur geltend gemachten, dem Grunde und der Höhe nach bestrittenen Klagsforderung samt Nebengebühren bisher fehlen. Der Rekurs erweist sich daher im Ergebnis als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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