Spruch:
Der Revision wird s t a t t g e g e b e n . Das
angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden a u f g e h o b e n . Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.
Text
Begründung
Die Klägerin ist eine Handelsgesellschaft, die ihren Sitz in Italien hat.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft m.b.H. mit inländischem Sitz. Die Klägerin forderte das mit ihrer Rechnung vom 19.April 1982 bekanntgegebene Entgelt für einen von der Beklagten in Auftrag gegebenen Seetransport von einem italienischen nach einem iranischen Ort mittels eines Schiffes einer Schiffseigentümerin mit dem Sitz in der UdSSR.
Die Beklagte bestritt die Anspruchsberechtigung der Klägerin, weil der Rechnungsbetrag nach dem Inhalt der Rechnung auf das Konto der Schiffseigentümerin bei einer Münchener Bank zu bezahlen gewesen wäre; im übrigen behauptete die Beklagte die überweisung eines Verrechnungsschecks über den Rechnungsbetrag an die bezeichnete Bank in München.
Das in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8. September 1983 vorgebrachte ergänzende Einwendungsvorbringen wurde vom Erstgericht wegen offenbarer Verschleppungsabsicht im Sinne des § 179 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Das Erstgericht gab dem auf Zahlung des Schillinggegenwertes von US-Dollar 24.393,52 samt 12 % Zinsen seit 27.April 1982 gerichteten Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Zinsenpunkte ab und faßte den Urteilsspruch im übrigen unter Aufnahme des Satzes, daß die Gegenforderungen der beklagten Partei nicht zu Recht bestünden, dreigliedrig.
Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der in der Berufung gerügten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, billigte die erstrichterliche Beweiswürdigung und legte seiner Beurteilung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde. Daraus ist hervorzuheben:
Die Beklagte beauftragte die Klägerin, Waren per Schiff von einem italienischen nach einem iranischen Ort zu befördern; dabei sollte eine iranische Bank oder ein durch deren Order Bezeichneter Empfänger sein. In dem - in englischer Sprache abgefaßten - Konnossement wurde als 'notify adress' (nach dem erstgerichtlichen Urteil: Notadresse, nach dem Berufungsurteil:
Meldeadresse) ein iranisches Transportunternehmen bezeichnet. Nach dem Inhalt des Konnossements war die Fracht im voraus zu zahlen ('freight F prepaid').
Der Warentransport zur See wurde von einem sowjetrussischen Seefrachtführer durchgeführt. Die Klägerin stellte der Beklagten hiefür einen der Vereinbarung entsprechenden Betrag in Rechnung. In diese Rechnung nahm sie die Bestimmung auf, daß die Fracht auf ein Konto der Schiffseigentümerin bei einer Bank in München in D-Mark überwiesen werden sollte. Die Beklagte schrieb hierauf der Klägerin, sie habe am selben Tage einen Verrechnungsscheck (über den Schillinggegenwert des in der Rechnung in US-Dollar ausgewiesenen Betrages) zur Gutschrift auf das Konto der Schiffseigentümerin an die bezeichnete Bank in München gesendet. Diesem Schreiben schloß die Beklagte die Ablichtung eines Schecks über die Rechnungssumme sowie die Ablichtung eines Schreibens an die Bank in München an. Das Original des Schecks langte nicht bei der Bank in München ein. Auch auf andere Weise erfolgte keine Zahlung des Rechnungsbetrages. Die im Konnossement bezeichnete Ware wurde am 6.Juli 1982 an die 'notify adress' ausgeliefert. Der sowjetrussische Seefrachtführer, auf dessen Schiff der Seetransport durchgeführt worden war, bevollmächtigte die Klägerin zur Bestätigung, daß das Frachtgut an die Order der iranischen Bank ausgeliefert werde, sobald die Fracht dem Konto der sowjetrussischen Schiffseigentümerin bei der Bank in München gutgebracht sei.
In rechtlicher Beurteilung folgerte das Erstgericht, die Beklagte habe ihre Vorauszahlungsverpflichtung in Ansehung der ihr von der Klägerin in Rechnung gestellten Frachtkosten anerkannt (Zahlung habe sie nicht bewiesen).
Dem Frachtführer stehe wegen der im voraus zu zahlenden Frachtkosten ein Zurückbehaltungsrecht am Frachtgut zu, die Einwendungen der Beklagten seien schon aus diesem Grunde nicht stichhältig. Damit fielen auch alle - in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung - aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen in sich zusammen.
Das Berufungsgericht prüfte zunächst die kollisionsrechtliche Lage. Es nahm gemäß § 36 IPR-Gesetz eine Verweisung auf das italienische Recht an und führte aus: Dieses Recht erkläre gemäß Art. 25 cod.civ. das Recht des Vertragsabschlußortes als maßgebend. Der Ort des Vertragsabschlusses sei nach Art.1326 cod.civ. zu ermitteln. Dazu reiche der festgestellte Sachverhalt nicht hin. Die Ermittlung des Vertragsabschlußortes als Anknüpfungspunktes sei jedoch deshalb entbehrlich, weil dieser nur in Italien oder Österreich gelegen sein könne; demnach unterliege die Beurteilung des Vertragsverhältnisses der Streitteile entweder italienischem oder österreichischem Sachrecht. Nach beiden Alternativen sei der Klagsanspruch berechtigt.
In seinen Entgegnungen auf die Rüge unrichtiger Tatsachenfeststellungen unterstellte das Berufungsgericht, die Klägerin sei gegenüber der Beklagten als Spediteur aufgetreten, habe im Auftrag der Beklagten im eigenen Namen den Seefrachtvertrag als Befrachter geschlossen und dem Verfrächter gegenüber die Haftung für die Fracht übernommen; sie habe als Inhaber des ihr vom Verfrächter ausgestellten Konnossements diesen angewiesen, das Frachtgut nur gegen Bezahlung der Fracht auszuliefern oder durch die in der Meldeadresse angegebene Unternehmung ausfolgen zu lassen. In seinen Rechtsausführungen unterstellte das Berufungsgericht weiters, daß die Klägerin in ihre Rechnung einen 'vereinbarten Betrag' eingesetzt habe.
Auf dieser Grundlage stellte das Berufungsgericht zur Anspruchsberechtigung der Klägerin nach österreichischem oder italienischem Recht folgende Erwägungen an:
Die Weisung des Gläubigers, an einen Dritten zu zahlen, sei Anweisung.
Nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt liege eine Anweisung auf Schuld vor, weil die Klägerin als Gläubigerin im Deckungsverhältnis die Beklagte als Schuldnerin angewiesen habe, an den sowjetrussischen Seefrachtführer als Anweisungsempfänger zu leisten. Mangels (behaupteter, geschweige denn erwiesener) Annahme der Anweisung durch die Beklagte gegenüber dem Seefrachtführer habe nur eine Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin bestanden (diese habe die Anweisung gemäß § 1403 Abs 1 ABGB widerrufen können). Gleiches gelte gemäß Art.1270 cod.civ. nach italienischem Recht. Eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Seefrachtführer und der Beklagten bestehe nicht. Als Schuldner der Seefracht gegenüber dem Verfrächter käme nur die Klägerin als Befrachterin in Betracht. Gegenüber dem Ladungsempfänger stünde dem Verfrächter infolge der 'freight-prepaid-Klausel' im Konnossement kein Pfandrecht am Frachtgut zu. Der Klägerin komme als Spediteur, der die Ausführung der Beförderung zu einem bestimmten Satz der Beförderungskosten übernommen habe, gegenüber der Beklagten die Stellung eines Frachtführers zu (§ 413 Abs 1 HGB; Art.1741 cod civ). Der Klägerin stehe für ihre Forderung aus der Beförderung im Sinne der §§ 623 und 614 HGB ein gesetzliches Pfandrecht oder im Sinne des Art.2761 cod civ ein Vorzugsrecht am beförderten Gut zu. Sie sei keineswegs verpflichtet, das Konnossement (mit der freight-prepaid-Klausel) vor Zahlung der Fracht gegründet durch die Beklagte herauszugeben. Darauf gegründete Gegenforderungen der Beklagten bestünden keinesfalls zu Recht.
Zur Frage, in welcher Währung die Beklagte der Klägerin das Entgelt schulde, habe die Beklagte in erster Instanz nicht eingewendet, daß die Fracht in deutscher Mark und nicht in US-Dollar geschuldet werde.
Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil unter Geltendmachung der Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit einem auf Aboder Zurückweisung der Klage gerichteten Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne ihres Hilfsantrages berechtigt. Die Revisionswerberin bemängelt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die in der Berufung gerügten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht als solche erkannt. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht ohne Verletzung der die überprüfungstätigkeit des Rechtsmittelgerichtes regelnden Verfahrensvorschriften als nicht gegeben angesehen wurden, vermögen - entgegen der von F a s c h i n g weiterhin vertretenen Ansicht (Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, Rdz 1909) nach ständiger Rechtsprechung des Revisionsgerichtes - nicht den Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO zur Darstellung zu bringen, da nach dem Rechtsmittelsystem der Zivilprozeßordnung (vgl § 519) die Verwerfung einer auf Nichtigkeit gegründeten Berufung keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt und umsoweniger die berufungsgerichtliche Beurteilung, daß die Rüge eines schlichten, nicht mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstoßes nicht vorliege, einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterworfen werden kann.
Ungeachtet der nach der Aktenlage vollauf gedeckten Beurteilung des Berufungsgerichtes, im Verhalten der Beklagten werde deren Prozeßverschleppungsabsicht offenbar, liegen Feststellungsmängel vor, die durch die vom Berufungsgericht vorgenommenen tatsächlichen Unterstellungen und rechtlichen Erwägungen nicht behoben erscheinen. Die Klägerin hat ihr Begehren auf das Vorbringen gestützt, die Beklagte schulde ihr 'für Schiffsfrachtleistungen', die sie über Auftrag der Beklagten erbracht habe, 'laut unbeanstandeter Rechnung Nr. 262/82 vom 19.April 1982, die sofort fällig war, den Betrag von US-Dollar 24.393,52'. Die Beklagte stellte nach dem Prozeßvorbringen keinerlei konkrete Einzelheiten über Inhalt, Form, Zeit und Ort des von ihr über den Seetransport geschlossenen Vertrages und insbesondere über die Vertragsstellung der Klägerin außer Streit, bestritt aber ausdrücklich deren Forderungsberechtigung. Die Urteilsfeststellung über die von der Klägerin der Beklagten gelegte 'den Vereinbarungen mit der beklagten Partei entsprechende Rechnung' reicht für eine verläßliche, vom Erstgericht nicht erörterte und vom Berufungsgericht wegen angenommener deckungsgleicher Sachlösungen nach inländischem und italienischem Sachrecht bewußt offen gelassene kollisionsrechtliche Beurteilung nicht aus.
Die kollisionsrechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichtes sind insofern unvollständig, als je nach dem konkreten Inhalt des von der Beklagten abgeschlossenen Vertrages im Falle der Anwendbarkeit italienischen Rechtes auch die speziellen Kollisionsnormen der disposizioni preliminari des codice della navigazione (vor allem die mangels abweichenden Parteiwillens normierte Maßgeblichkeit des Rechtes der Flagge nach Art 10 disp.prel.) beachtlich sein könnten (vgl hiezu Makarov in RabelZ 1949/50, S 50 ff und Textwiedergabe in RabelZ 1949/50, S 132 ff; Rechtsprechungübersicht von Erik Jayme in RabelZ 1967, 482; Buchbesprechung von Jayme in RabelsZ 1971, 350 f; auch Kurzhinweis in Schaps-Abraham Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland 4 , Seehandelsrecht erster Teil Vor § 556 Rdz 44).
Aber auch die Frage der Forderungsberechtigung, des Zahlungsortes sowie der für die Schuld maßgeblichen Währung können ohne Erörterung und Feststellung, wer wem wann wo wie welche Erklärungen zum Seetransport abgegeben hat, nicht verläßlich beurteilt werden. Die in der Klage behauptete unbeanstandete Annahme der Rechnung durch die Beklagte ist für sich allein nicht streitentscheidend. Die aufgezeigten Feststellungsmängel gebieten eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz. In Stattgebung der Revision war die Rechtssache daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Prozeßgericht erster Instanz zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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