OGH 6Ob609/94

OGH6Ob609/9424.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag.Heidemarie B*****, vertreten durch Dr.Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wider den Gegner der gefährdeten Partei Leopold J*****, vertreten durch Dr.Christa Heller ua Rechtsanwälte in Wien, wegen einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 17.Mai 1994, GZ 46 R 1507/93-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 27. Oktober 1993, GZ 8 C 1092/93h-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrem Gegner die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der am 13.1.1913 geborene Gerhard H*****, ist am 20.8.1993 verstorben. Die Antragstellerin ist seine einzige leibliche Tochter. Der Erblasser war Alleineigentümer der Liegenschaften EZ 218 KG U*****, EZ 333 KG B***** und EZ 190 KG K*****.

Am 20.1.1992 schloß der Erblasser mit dem Antragsgegner in Form eines Notariatsaktes einen Schenkungsvertrag über die Liegenschaft EZ 218 KG U*****, Haus S*****, das einen Verkehrswert von ca 18 Mill S hat, in welchem sich der Geschenkgeber für sich und seine am 17.1.1993 verstorbene Ehefrau auf Lebensdauer die Dienstbarkeit der Wohnung an den Wohnungen top Nr 4, 1a und 1b vorbehalten hatte. Das Eigentumsrecht des Antragsgegners ist verbüchert.

Am 23.1.1992 wurde ein fremdhändig geschriebenes, von drei Testamentszeugen unterfertigtes Testament verfaßt und einem Notar übergeben, in welchem der Erblasser den Antragsgegner zum Alleinerben seines gesamten Nachlasses einsetzte und gleichzeitig seine damals noch lebende Ehefrau, welche an der Alzheimer'schen Krankheit litt, auf den Pflichtteil setzte und hinsichtlich seiner Tochter, der Antragstellerin, verfügte, daß sämtliche Vorempfänge auf deren Pflichtteil anzurechnen seien.

Am 4.9.1992 schloß der Erblasser mit dem Antragsgegner einen Vertrag über die Annahme an Kindesstatt. Das Verfahren zur Bewilligung des Adoptionsvertrages war zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch anhängig.

Am 7.1.1993 schloß der Erblasser mit dem Antragsgegner drei Kaufverträge über drei Fahrzeuge: einen Mercedes 123 D, Kaufpreis S 20.000,--, einen Mercedes 210 D-KA (Wohnmobil), Kaufpreis S 250.000,-- und einen Mercedes 4603300 GD, Kaufpreis S 50.000,--. In allen drei Verträgen wurde der Erlag des Barkaufpreises durch den Antragsgegner bestätigt und festgehalten, daß die Fahrzeuge vom Verkäufer auch weiterhin kostenlos benützt werden könnten.

Mit Kaufvertrag vom 1.3.1993 verkaufte der Erblasser die Liegenschaften EZ 333 KG B***** und EZ 190 KG K*****, samt allem rechtlichen und physischen Zubehör an den Antragsgegner, wobei festgehalten wurde, daß der Kaufpreis von S 5,5 Mill in Form eines Sparbuches an den Verkäufer übergeben werde. Als Übergabszeitpunkt war der 1.3.1993 vereinbart. Der Kaufvertrag ist grundbücherlich noch nicht durchgeführt.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 10.3.1993 veräußerte der Erblasser an den Antragsgegner die im einzelnen aufgelisteten Fahrnisse, die sich im Haus *****, S*****, befinden, um einen Kaufpreis von S 500.000,--. Als Übergabezeitpunkt war der 31.1.1993 angeführt. Der Verkäufer hatte sich das lebenslängliche unentgeltliche Recht vorbehalten, diese Fahrnisse entsprechend seinen persönlichen Bedürfnissen zu gebrauchen.

In dem zu 7 A 190/93 des Bezirksgerichtes Döbling anhängigen Verlassenschaftsverfahren hat der Antragsgegner aufgrund des Testamentes eine unbedingte Erbserklärung abgegeben. Die Antragstellerin gab aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab. Zum Verlassenschaftskurator wurde Rechtsanwalt Dr.Fritz W***** bestellt. Der Antragstellerin wurde die Klägerrolle zur Führung des Erbrechtsstreites zugeteilt. Anläßlich der Todfallsaufnahme durch den Gerichtskommissär gab der Antragsgegner an, der Erblasser habe ihm ca 14 Tage vor seinem Ableben das mit dem Erlös aus dem Verkauf der Liegenschaften K***** und B***** errichtete Sparbuch über 5,5 Mill S als Geschenk übergeben. Der Antragsgegner hat in der Zwischenzeit eine freigewordene Wohnung in dem Miethaus ***** S*****, an einen Dritten vermietet.

Unter Zugrundelegung dieses vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes und mit dem weiteren Vorbringen, der Erblasser sei bei Vornahme der geschilderten Rechtsgeschäfte aufgrund seines Alters und Geisteszustandes nicht mehr geschäftsfähig gewesen und der Antragsgegner habe erklärt, sich für längere Zeit auf ein Schiff ins Ausland zu begeben, beantragte die Antragstellerin nachstehende einstweilige Verfügung:

"1. Zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei wider den Antragsgegner auf Herausgabe aller Sachen der Verlassenschaft nach dem am 20.8.1993 verstorbenen Gerhard H*****, den die gefährdete Partei aufgrund ihres gesetzlichen Erbrechtes nach dem Erblasser am gesamten Nachlaß hat, wird dem Gegner der gefährdeten Partei

a) die Veräußerung, Belastung und Verpfändung der Liegenschaften EZ 218 Grundbuch U***** sowie EZ 333 KG 23105 B***** und EZ 190 KG 23122 K***** verboten,

b) die Veräußerung, Belastung und Verpfändung der in dem einen integrierenden Bestandteil der einstweiligen Verfügung bildenden Anhang angeführten Fahrnisse verboten,

2. bezüglich der unter 1.b) angeführten Fahrnisse und unter 1.a) angeführten Liegenschaften wird die einstweilige Verwaltung angeordnet, wobei zum einstweiligen Verwalter der bereits im Verlassenschaftsverfahren zum Verlassenschaftskurator bestellte Rechtsanwalt Dr.Fritz W***** bestellt wird.

Dem Gegner der gefährdeten Partei wird aufgetragen, binnen drei Tagen die in der einstweiligen Verfügung angeführten Sachen an Dr.Fritz W*****, Rechtsanwalt, an einen von diesem bekanntgegebenen Ort zu übergeben.

3. Als Grundbuchsgericht haben a) das Bezirksgericht G***** das Veräußerungs- und Belastungsverbot ob der Liegenschaft EZ 333 KG B***** und EZ 190 KG K***** und b) das Bezirksgericht D***** ob EZ 218 KG U***** anzumerken.

4. Der gefährdeten Partei wird aufgetragen, binnen acht Wochen ab Zustellung der einstweiligen Verfügung gegen den Gegner die Erbrechtsklage einzubringen.

Die einstweilige Verfügung wird für den Fall der fristgerechten Einbringung der Klage bis zur rechtskräftigen Beendigung des Erbrechtsverfahrens erlassen. Sollte die Erbrechtsklage durch die gefährdete Partei nicht fristgerecht eingebracht werden, gilt diese einstweilige Verfügung für die Dauer der erteilten Frist zur Klagseinbringung, sohin acht Wochen ab Zustellung der einstweiligen Verfügung."

Das Erstgericht nahm als bescheinigt an, daß der Erblasser zum Zeitpunkt der angeführten Kauf- und Schenkungsverträge, des Adoptionsvertrages und der Errichtung des Testamentes nicht mehr fähig gewesen sei, die Tragweite seiner Entscheidungen zu erfassen und bejahte auch die Gefahr, der Antragsgegner werde die geschenkten bzw verkauften Gegenstände veräußern und sich für längere Zeit ins Ausland begeben. Es erließ die beantragte einstweilige Verfügung.

Rechtlich führte es aus, da der Erblasser zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rechtsgeschäfte nicht ausreichend geschäftsfähig gewesen sei, wären die geschlossenen Verträge nichtig. Damit sei die Antragstellerin als alleinige Erbin anzusehen und über den Nachlaß verfügungsberechtigt. Weil die Antragstellerin ihren Anspruch erst mit Erbrechtsklage durchsetzen müsse, sei die beantragte einstweilige Verfügung als Sicherungsmaßnahme in bezug auf das einzuleitende Erbrechtsverfahren zu erlassen. Der Anspruch der Antragstellerin auf Herausgabe der Verlassenschaftswerte sei ebenso bescheinigt wie die Gefahr einer allfälligen Veräußerung der dem Antragsgegner zugekommenen Werte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge und "wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zurück."

Bei den Objekten, die mit der einstweiligen Verfügung gesichert werden sollten, handle es sich um solche, über die - rechtsgültig oder nicht - noch zu Lebzeiten des Erblassers Verträge geschlossen worden seien. Bevor im außerstreitigen Verlassenschaftsverfahren abgeklärt werden könne, wem die Erbenrolle zukomme, müsse geklärt werden, welche Gegenstände überhaupt in die Verlassenschaft fielen. Für diese Feststellung sei die Erhebung einer Erbrechtsklage kein taugliches Mittel, weil damit nur festgestellt werde, wer erbe, nicht aber, was geerbt werde. Für die Erhebung einer Klage betreffend die Unwirksamkeit der bekämpften Vereinbarungen zwischen dem Erblasser und dem Antragsgegner sei derzeit jedenfalls nicht die Antragstellerin, sondern die Verlassenschaft als juristische Person, vertreten durch den Verlassenschaftskurator, zuständig. An der Verlassenschaft liege es, Gegenstände in sie "hineinzureklamieren". Dem präsumtiven Erben komme diese Rolle im gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht zu.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu dem behandelten Rechtsgebiet, soweit ersichtlich, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Grundsätzlich können Feststellungsansprüche durch einstweilige Verfügungen nicht gesichert werden. Es entspricht aber der Rechtsprechung und Lehre, daß kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im § 127 AußStrG dieser Grundsatz nicht für die vom Erbrechtskläger angesuchte gerichtliche Nachlaßsequestration, für die jetzt die Vorschriften über einstweilige Verfügungen anzuwenden sind, gilt. Nach der Regelung der §§ 73 bis 75 der 3.Teilnovelle sollte jede Exekution der Erbengläubiger auf Nachlaßbestandteile vor der Einantwortung an den Erben ausgeschlossen, die sofortige Vollstreckung nach der Einantwortung durch rechtzeitige Verständigung des Erbengläubigers und durch Zulassung einstweiliger Verfügungen in möglichst weitem Umfang aber praktisch gesichert werden (EvBl 1952/342, 524; Heller-Berger-Stix 2810). Solche einstweiligen Verfügungen ergreifen nicht das Erbrecht als solches, sondern das Erbgut und können daher auf Nachlaßaktiven erwirkt werden (JBl 1935, 212).

Die Antragstellerin leitet ihr Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus einem behaupteten Anspruch gegen den Antragsgegner auf Herausgabe aller Sachen der Verlassenschaft, den sie aufgrund ihres gesetzlichen Erbrechtes nach dem Erblasser am gesamten Nachlaß habe, ab. Alle begehrten Sicherungsmaßnahmen beziehen sich aber auf Grundstücke und Fahrnisse, die der Erblasser schon zu Lebzeiten entgeltlich oder unentgeltlich auf den Antragsgegner übertragen hat. Diese fallen daher - derzeit, solange die Ungültigkeit dieser Rechtsgeschäfte nicht feststeht - nicht in den Nachlaß. Nur dem Nachlaß, der durch den gerichtlich bestellten Verlassenschaftskurator vertreten ist, kommt, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, die Legitimation zu, zwischen dem Erblasser und dem Antragsgegner abgeschlossene Rechtsgeschäfte anzufechten und damit die Einbeziehung der durch allenfalls nichtige Verfügungen der Verlassenschaft entzogene bewegliche oder unbewegliche Sachen in die Verlassenschaft zu erwirken. Mit ihrer Erbrechtsklage kann die Antragstellerin nur die Feststellung erreichen, daß der Antragsgegner nicht (oder nicht zur Gänze) Erbe nach dem Verstorbenen ist, nicht aber, daß ihr ein Anspruch auf Herausgabe von schon vor dem Erbfall, gültig oder ungültig, veräußertem Eigentum des Erblassers zusteht. Einen solchen Anspruch könnte sie erst nach Einantwortung oder, nachdem ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde, mit Zustimmung des Verlassenschaftsgerichtes namens der Verlassenschaft geltend machen. Die Antragstellerin leitet ihr Begehren auch nicht etwa aus einem Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten im Sinne des § 885 ABGB ab. Dieser Anspruch wäre zwar ebenfalls durch Klage im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen; das Begehren könnte sich aber nur auf Zahlung des Ausfalles, nicht aber auf Herausgabe der geschenkten Sachen richten. Die Antragstellerin wäre, ebenso wie als Erbansprecherin, der die Vertretung der Verlassenschaft nicht übertragen ist, auch als Pflichtteilsberechtigte zur Anfechtung der Gültigkeit eines vom Erblasser abgeschlossenen Vertrages weder im eigenen Namen noch als Vertreterin der Verlassenschaft legitimiert (EvBl 1962/227; JBl 1955, 546).

Das Rekursgericht hat daher den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, da der behauptete Anspruch nicht der Antragstellerin, sondern allenfalls der durch den Verlassenschaftskurator vertretenen Verlassenschaft zukäme, zu Recht zurückgewiesen, richtig gemeint: abgewiesen. Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung beruht auf den §§ 402 und 78 EO sowie §§ 41 und 50 ZPO.

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