OGH 6Ob603/91

OGH6Ob603/9124.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel,

Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Zita H*****, vertreten durch Dr. Harald Fahrner und Dr. Ilse Fahrner, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider den Antragsgegner Friedrich H*****, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl und Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Rekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 20. Juni 1991, GZ R 539/91-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 10. April 1991, GZ 1 F 4/90-25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Die 1967 geschlossene, beiderseits erste, kinderlos gebliebene Ehe der Parteien wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 23. März 1990 gemäß § 55 Abs 1 EheG geschieden. Die Zerrüttung der Ehe verschuldete allein der nunmehrige 47jährige Antragsgegner: er verließ im Jänner 1987 die Ehewohnung (Reihenhaus).

Dem Antragsgegner wurde am 17. Dezember 1979 durch eine Siedlungsgesellschaft ein Liegenschaftsanteil mit einem Reihenhaus und einer Garage zugewiesen. Die 1981 durchgeführte Vermessung ergab eine Fläche von 652 m2. Baubeginn war 1981 oder 1982; der Bezug des Hauses durch die Parteien erfolgte im Oktober 1983. Beim Bau der Wohnanlage war eine für die Verbauung ungeeignete Hangfläche übriggeblieben, das die Gemeinde ... zurückkaufen sollte. Um diese, an sein Grundstück anschließende

2.235 m2 große Teilfläche bewarb sich der Antragsgegner. Mit Schreiben vom 27. September 1984 verzichtete die Gemeinde auf ihr Vorkaufsrecht bezüglich der Hangfläche. Der Antagsgegner erwarb mit "Punktation vom 15. Juni 1987 zu den am gleichen Tag abgeschlossenen Kaufvertrag" von der Siedlungsgesellschaft aus deren Wohnanlage S***** das Grundstück Nr. ***** mit dem darauf errichteten Einfamilien(reihen)haus Nr. ***** und einschließlich der genannten Hangfläche, das Grundstück Nr. ***** mit der darauf errichteten Pkw-Garage und 2/52stel Anteile der "allgemeinen Flächen" der Wohnanlage. Mit Kaufvertrag vom 15. November 1990 erfolgte unter Bezugnahme auf die Punktation mit den dort angeführten Flächen die Beurkundung der Eigentumsübertragung in grundbuchsfähiger Form. Auf den Kaufpreis von 2,275.287 S leistete der Antragsgegner eine Zahlung von 396.376 S, der Rest wurde durch Darlehen finanziert. Gegenüber der Siedlungsgesellschaft schien immer nur der Antragsgegner als Kaufwerber auf. Die Liegenschaft hatte zum Zeitpunkt der Ehescheidung ohne Hangfläche einen Verkehrswert von 2,800.000 S, der Wert des Zubehörs beträgt 150.000 S. Am 31. Dezember 1990 hafteten auf der Liegenschaft (pfandrechtlich sichergestellte) Darlehensbeträge von insgesamt 1,744.090,91 S aus. Die Antragstellerin arbeitete bereits vor der Eheschließung und bis heute als Fabriksarbeiterin und verdient im Jahresdurchschnitt etwa 12.700 S monatlich netto. Der Antragsgegner ist seit 1. Dezember 1989 bei einer Versicherungsgesellschaft angestellt und kommt im Jahresschnitt auf monatlich netto 15.000 S bis 16.000 S. Der Kläger lebte ab etwa 1988 in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit einer anderen Frau - welcher Verbindung ein am 9. März 1989 geborenes Kind entstammt -, ehelichte diese Frau am 16. Juni 1990 und wohnt seit Frühjahr 1990 mit seiner zweiten, gleichfalls berufstätigen Frau, seinem Kind und seiner Schwiegermutter, die tagsüber das Kind betreut, im Obergeschoß des genannten Reihenhauses, während die 43jährige Antragstellerin die vormalige Ehewohnung der Streitteile im Untergeschoß des Hauses bewohnt.

Die Antragstellerin begehrte die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens. Die Liegenschaft - einschließlich der Hangfläche - wolle ihr gegen Leistung einer angemessenen Ausgleichszahlung zugewiesen werden, weil sie als bei der Scheidung schuldloser Teil ein Wahlrecht in Ansehung der Aufteilung habe.

Der Antragsgegner begehrt die Zuweisung der Liegenschaft an ihn, weil von Anfang an vereinbart worden sei, daß er das Reihenhaus allein finanziere und auch Alleineigentümer werde, er dementsprechend die bisherigen Eigentmittel aus eigenen Ersparnissen finanziert, auch seine Arbeitskraft in das Haus "hineingesteckt" habe und das Haus dringend für die Wohnbedürfnisse seiner Familie benötige, während die Antragstellerin alleinstehend sei. Die Antragstellerin könne aufgrund ihres geringen Einkommens das Haus nicht finanzieren und auch der von ihr angebotene Abfindungsbetrag von 550.000 S übersteige bei weitem ihre finanziellen Möglichkeiten. Der Antragsgegner könne unter Mithilfe seiner (zweiten) Frau den Abfindungsbetrag aufbringen. Die Hangfläche habe der Antragsgegner erst nach dem Zeitpunkt der Heimtrennung erworben.

Das Erstgericht wies dem Antragsgegner wegen dessen Wohnbedürfnisses für sich und seine Familie (derzeit noch außerbücherlich) die Liegenschaft - wobei die Hangfläche als am 15. Juni 1987, somit nach Heimtrennung vom Antragsgegner erworben vom Aufteilungsverfahren nicht berührt im Eigentum des Antragsgegners stehe -, den Verkaufswert eines Pkws von 60.000 S und einen Bausparvertrag mit einem Guthaben per Ende 1986 von 35.920 S zu, der Antragstellerin hingegen ein Sparbuch mit einem Einlagestand von etwa 180.000 S. Es verhielt den Antragsgegner auf der Basis eines - von beiden Parteien nicht bekämpften und von der zweiten Instanz gebilligten - Aufteilungsschlüssels von 1 : 1 zu einer Ausgleichszahlung von 557.960 S (halber Verkehrswert der Liegenschaft abzüglich der Schulden 600.000 S, Hälftewert des Pkws 30.000 S, Bausparvertrag 17.960 S abzüglich des halbend Sparguthabens von 90.000 S) und behielt über Antrag beider Parteien die Entscheidung über die Aufteilung der Wohnungseinrichtung und der Hausratsgegenstände vor.

Die zweite Instanz hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 50.000 S. Der Rekurs nach § 14 Abs 4 AußStrG wurde zugelassen. Nach der Rechtsauffassung der zweiten Instanz sei die Liegenschaft der Antragstellerin zuzuweisen. Das Verschulden am Scheitern der Ehe dürfe schon deshalb nicht außer Betracht bleiben, weil es letztlich der schuldige Teil sei, der durch sein ehe- und damit rechtswidriges Verhalten die praktisch immer mit persönlichen und wirtschaftlichen Nachteilen verbundene Trennung der Lebensverhältnisse und die Notwendigkeit der Vermögensaufteilung veranlasse; maßgeblich erschienen die tatsächlichen, dieses Verschulden begründenden Umstände. Durch eine Zuweisung der Liegenschaft an den Antragsgegner würde der Teil, der durch seinen Auszug aus der Ehewohnung die Ehe allein zerrüttet habe und noch während aufrechter Ehe eine andere Lebensgemeinschaft eingegangen sei, belohnt. Es sei nicht zu erkennen, daß die Unterkunft für den Antragsgegner und seine nunmehrige Familie existenznotwendig sei; der Antragsgegner und seine jetzige Frau seien beide in finanziell guten Positionen tätig, die es ihnen jederzeit erlaube, sich anderweitig geeigneten Wohnraum zu beschaffen. Dafür, daß die Antragstellerin schon während aufrechter Ehe der Anschaffung der Ehewohnung ablehnend oder zumindest uninteressiert gegenüber gestanden wäre, gebe es bis jetzt keine Hinweise. Den Geldleistungen des Antragsgegners für das Reihenhaus stünden die zur Deckung anderweitiger ehelicher Bedürfnisse verwendeten Arbeitseinkünfte der Antragstellerin gegenüber. Eine finanziell offenbar aussichtslose Situation der Antragstellerin sei nicht gegeben und der Nachweis konkreter Finanzierungsmöglichkeiten sei nicht zu fordern. Im fortgesetzten Verfahren sei die Bewertung der Liegenschaft für den Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses erster Instanz vorzunehmen. Weiters sei zu prüfen, ob nach dem Willen der Ehegatten und der tatsächlich erfolgten Nutzung die Hangfläche einen integrierenden Bestandteil der Gesamtliegenschaft gebildet habe und in diesem Sinne ebenfalls Teil der "Ehewohnung" gewesen sei. Dies wäre etwa dann zu bejahen, wenn diese Hangfläche als Hausgartn oder als eine an das Reihenhaus unmittelbar anschließende Freizeit- und Erholungsfläche gedacht gewesen und dazu verwendet worden sei. Es sei zu prüfen, seit wann den Parteien die Hangfläche zur Verfügung gestanden sei, ob und inwieweit die Hangfläche in die übrige Liegenschaft integriert und für welchen Zweck sie gedacht und während aufrechter Lebensgemeinschaft verwendet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Antragsgegners ist - freilich nur inhaltlich - zum Teil berechtigt.

a) Zur Frage der Zuteilung der Liegenschaft: Die Aufteilung des im Zeitpunkt der Heimtrennung (Jänner 1987) vorhandenen ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, bewertet nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (EFSlg 51.728; JBl 1986, 116; SZ 55/192 ua) - die von der zweiten Instanz geforderte Verfahrensergänzung über den Wert der Liegenschaft ist demnach ebenso berechtigt wie über allfällige weitere Kreditrückzahlungen beider Teile nach der Heimtrennung -, nach Billigkeit iS des § 83 EheG erfordert Anpassung der Rechtsfolgen an die besondere Lage des Einzelfalles, damit eine durch die Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse notwendige Differenzierung vorgenommen und eine dem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden entsprechende Entscheidung gefällt werden kann (EFSlg 60.374, 57.350 ua). Es entspricht weiters der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe nicht gänzlich außer Betracht bleiben kann (EFSlg 60.383, 57.367, 51.755 ua; Bernat in Schwimann, § 83 EheG Rz 6), obwohl das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe bei den bei der Aufteilung zu berücksichtigenden Gründen nicht genannt ist. Wenn nicht andere schwerer wiegende Gründe, etwa ein existentielles Bedürfnis des an der Eheauflösung schuldigen Teiles, das sonst nicht befriedigt werden könnte, berücksichtigungswürdiger erscheint oder wenn nicht die Umstände des Einzelfalles eine andere Regelung billig erscheinen lassen, soll daher der Aufteilungswunsch des an der Auflösung der Ehe schuldlosen Teiles in gewissem Umfang Anerkennung finden (EFSlg 60.389 f, 57.372, 54.586, 51.756 ua; Bernat aaO). Bedarf an der Ehewohnung (Liegenschaft mit Reihenhaus) haben beide Streitteile.

Im vorliegenden Fall sprechen solche gegenüber der Schuldlosigkeit der Antragstellerin an der Zerrüttung der Ehe schwerer ins Gewicht fallende Gründe (EFSlg 57.373, 54.587 f, 51.757 ua) gegen die Zuweisung der Liegenschaft an die Antragstellerin. Es kommt nämlich die Zuweisung der Ehewohnung an den Partner nicht in Frage, der zu deren Übernahme zum gemeinen Wert nicht in der Lage ist (EFSlg 60.401). Bei den festgestellten und von der Antragstellerin in ihrem Rekurs an die zweite Instanz nicht in Frage gestellten Einkommensverhältnissen der Antragstellerin von monaltich netto rund 12.700 S (schon unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) ist es offenkundig unmöglich, daß sie die erforderlichen Darlehensrückzahlungen der sehr erheblich belasteten Liegenschaft bedient und dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung in zumutbarer Frist leistet. Vermögenslosigkeit und geringes Einkommen eines Ehegatten dürfen nicht dazu führen, daß der andere Gatte sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufgeben muß (EFSlg 57.353, 51.769, 46.409 ua). Der vom Rekursgericht unterstellte, auf der Liegenschaft lastende Schuldenstand von 1,075.000 S entspricht nicht der Aktenlage. Die Liegenschaft ist bei der hier vorliegenden, offenkundigen wirtschaftlichen Unmöglichkeit der Antragstellerin zur Übernahme somit in Übereinstimmung mit dem Erstrichter dem Antragsgegner zuzuweisen. Daß der Antragsgegner eine Ausgleichszahlung nicht aufbringen könnte, behauptet die Antragstellerin nicht. Diese ist angesichts der Bereitwilligkeit der nunmehrigen Gattin des Antragsgegners, ihn finanziell zu unterstützen, auch ernstlich nicht in Betracht zu ziehen.

Entgegen der Auffassung der zweiten Instanz ist bei der Billigkeitsentscheidung auch die Verpflichtung des Antragsgegners zur Wohnversorgung seines nicht der Ehe mit der Antragstellerin entstammenden Kindes angemessen Bedacht zu nehmen (EFSlg 54.594). Der Antragsgegner ist insoweit mehr auf die Ehewohnung angewiesen als die Antragstellerin.

b) Zur Frage der Einbeziehung der Hangfläche des Gartens in das Aufteilungsverfahren: Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann auch im Außerstreitverfahren Ergänzungsaufträgen des Rekursgerichtes nicht entgegentreten, soferne diese auf richtiger rechtlicher Beurteilung beruhen. Da die zweite Instanz eine Erörterung sowie die Klärung der Frage der Zugehörigkeit der Hangfläche zur "Ehewohnung" für erforderlich hielt, kann die Sache rechtlich in diesem Umfang noch nicht abschließend gewürdigt werden. Es hat daher bei der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung zu verbleiben.

Dem Rekurs ist demnach nicht Folge zu geben. Über die Kosten des Rekursverfahrens kann erst im Rahmen der Endentscheidung nach billigem Ermessen sachgerecht entschieden werden (§ 234 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte