OGH 6Ob603/85

OGH6Ob603/8511.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Riedler, Dr.Schlosser und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa A, Pensionistin, Karl Loewe-Gasse 17-19/23/9, 1120 Wien, vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Renate A, Angestellte, Hackinger Straße 46/1/2, 1140 Wien, und 2. Verlassenschaft nach dem am 6. Februar 1983 verstorbenen Johann A, Werkzeugmacher, zuletzt Gaernäckerstraße 75, 2483 Ebreichsdorf, vertreten durch die erstbeklagte Partei als erbserklärte Erbin, beide vertreten durch Dr.Ernst Schilcher, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen S 430.601,79 samt Anhang infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Februar 1985, GZ 11 R 5/85-16, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27.September 1984, GZ 38 Cg 69/83-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit der den Zuspruch von S 64.608,70 samt 4 % Zinsen seit 7.Februar 1983 bestätigende Ausspruch des Berufungsgerichtes bekämpft wird, zurückgewiesen.

Im übrigen (Zuspruch von S 365.993,09 samt 4 % Zinsen seit 7. Februar 1983) wird der Revision Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden in diesem Umfang aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist die Mutter Johann AS (des Erblassers der zweitbeklagten Partei), die Erstbeklagte Witwe und Testamentserbin nach ihm.

Die Klägerin begehrte zuletzt von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von S 430.601,79 samt Anhang. Sie brachte vor, sie habe ihnen zum Ankauf eines Einfamilienhauses in Ebreichsdorf im November 1979 S 365.993,09 und im Frühjahr 1982 zum Ankauf zweier Fahrzeuge S 60.000,-- darlehensweise zur Verfügung gestellt. überdies habe sie kurz vor dem Tode Johann AS über sein Ersuchen die Hausbündelversicherung und die fälligen Gemeindeabgaben für das Haus im Betrage von S 4.246,-- und S 422,70 beglichen. (Die Summe der einzelnen Ansprüche beträgt allerdings S 430.661,79). Die Beklagten wendeten ein, die Klägerin habe ihnen die geltend gemachten Beträge geschenkt, und bestritten außerdem ihre Haftung zur ungeteilten Hand.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf nachstehende, für die Erledigung der Revision bedeutsame Feststellungen:

1979 benötigten Johann A und die Erstbeklagte, die damals noch nicht verheiratet waren, sondern in Lebensgemeinschaft standen, zum Erwerb eines Einfamilienhauses in Ebreichsdorf einen Eigenmittelbetrag von mehr als S 400.000,--. Auf ihre Bitten stellte ihnen die Klägerin den gewünschten Betrag aus ihrem Vermögen darlehensweise in Form eines Sparbuches und eines Schecks zur Verfügung. Bei deren übergabe erklärte sie den Beklagten, sie gebe ihnen das Geld, sie sollten es ihr zurückzahlen, wenn sie wieder könnten. Die beiden gaben ihr darauf zur Anwort, es werde lange dauern, bis sie es haben würden. Keine Rede war davon, daß ihnen die Klägerin den zur Verfügung gestellten Betrag schenken wollte. Die Beklagten haben am 13.November 1979 vom Sparbuch der Klägerin S 130.000,-- und am 14.November 1979 S 120.993,09 abgehoben. Den auf die Summe von S 115.000,-- ausgestellten Scheck lösten sie gleichfalls am 14.November 1979 ein.

In den letzten Monaten vor seinem Tode lebte die Erstbelagte mit Johann A nicht mehr zusammen. Das machte die Klägerin sehr betroffen und sie nahm sich vor, den Geldbetrag nicht zurückzuverlangen, wenn die beiden die eheliche Gemeinschaft wieder aufnehmen würden. Diese Absicht teilte sie jedoch 'keinem von beiden' mit. Zum Jahresende 1982 drängten Johann A und die Klägerin die Erstbeklagte, sie möge ihren Mann nicht verlassen. Sie beschied ihnen jedoch, sie verzichte auf alles und werde gehen. Bei dieser Gelegenheit schrieb sie die beiden Erklärungen Beilagen D und E nieder, worin sie im Falle der Scheidung auf ihre Liegenschaftshälfte verzichtete, sofern das Haus um S 1,5 Millionen verkauft werde, damit entweder alle Schulden oder doch wenigstens der Kredit der Klägerin abgedeckt werde.

Im Frühjahr 1982 schafften Johann A und die Erstbeklagte neue Kraftfahrzeuge an. Zu diesem Zwecke stellte ihnen die Klägerin ein weiteres Darlehen von S 60.000,-- zur Verfügung. Außerdem legte sie kurz vor dem Tode ihres Sohnes über sein Ersuchen die fällige Prämie der Hausbündelversicherung von S 4.246,-- und Gemeindeabgaben im Betrage von S 422,70 aus.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Beklagten seien zur Rückzahlung verpflichtet, weil feststehe, daß es sich bei dem von der Klägerin zur Verfügung gestellten Betrag um Darlehen gehandelt habe. Sie vereinbart, daß die Beklagten die Darlehen nach Möglichkeit zurückzuzahlen hätten, müßten sie die mangelnde Fälligkeit beweisen. Derartiges hätten die Beklagten nicht einmal behauptet. Die von der Klägerin angenommene Fälligkeit am Tage nach dem Tode ihres Sohnes sei jedenfalls nicht verfrüht. Die Solidarhaftung sei deshalb zu bejahen, weil die Haftung von Eheleuten zur ungeteilten Hand auch für Brautleute gelten müsse, wenn diese ein Darlehen zum Hauskauf aufnähmen, in dem sich die künftige Ehewohnung befinde.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, ein Darlehen könne sofort zurückgefordert werden, wenn keine bestimmte Fälligkeit vereinbart worden sei, sofern sich aus dem Zweck der Darlehensgewährung und der Parteiabsicht nichts anderes ergebe. Deshalb müßten die Beklagten die mangelnde Fälligkeit beweisen. Sie hätten hiezu jedoch nicht einmal Behauptungen aufgestellt. Solche könnten im Berufungsverfahren nicht mehr nachgeholt werden. Zu bejahen sei auch die vom Erstgericht angenommene Haftung zur ungeteilten Hand. Nach der Rechtsprechung sei eine solche Haftung anzuerkennen, wenn Eheleute gemeinsam eine Wohnung oder ein Haus kauften, in dem sie gemeinsam hätten wohnen wollen. Gleiches müsse auch gelten, wenn 'Brautleute' eine derartige Anschaffung tätigten. Auch wenn eine solche Lebensgemeinschaft formlos lösbar sei, geböten schon Treu und Glauben und die Gewohnheiten des redlichen Geschäftsverkehrs die ungeteilte Haftung auch ohne besondere Vereinbarung. Auch daß im Urteilsspruch die beschränkte Haftung der bedingt erbserklärten Erbin nicht zum Ausdruck gebracht worden sei, entspreche der Rechtslage, weil nicht diese, sondern die Verlassenschaft in Anspruch genommen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist, soweit der den Zuspruch von S 64.608,70 samt Anhang bestätigende Ausspruch der zweiten Instanz bekämpft wird, unzulässig, weil die Begehren auf Zurückzahlung des Darlehens von S 60.000,-- im Frühjahr 1982 sowie der im Auftrag Johann AS ausgelegten Beträge von S 4.246,-- und S 422,70 kurz vor dessen Tod sowohl untereinander wie auch mit dem auf das Darlehen von S 365.993,09 gestützten Zahlungsbegehren weder in tatsächlichem noch in rechtlichem Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 Z.1 JN stehen, die Zulässigkeit der Revision deshalb für die einzelnen Begehren gesondert zu beurteilen ist und der Streitwert der einzelnen Begehren (mit Ausnahme des letztgenannten) jeweils S 60.000,-- nicht übersteigt (§ 502 Abs 3 ZPO).

Im restlichen Umfang kann der Revision indessen Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Das Erstgericht hat - entgegen den beiderseitigen

Behauptungen - festgestellt, daß die Klägerin ihrem Sohn und der Erstbeklagten im November 1979 ein Sparbuch und einen Scheck mit dem Bemerken zur Verfügung gestellt hat, sie gebe ihnen das Geld, sie sollten ihr es 'zahlen', wenn sie es wieder könnten. Damit waren die beiden einverstanden. Es kann schon deshalb keine Rede davon sein, daß die Streitteile keine Vereinbarung über den Rückzahlungstermin getroffen hätten. Die Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten ist aber nicht nach § 904 erster Satz ABGB zu beurteilen; vielmehr haben die Beklagten die Darlehensrückzahlung nach der oben wiedergegebenen Vereinbarung nach 'Möglichkeit' zugesagt (dritter Satz der genannten Gesetzesstelle). Eine solche Vereinbarung läßt im Zweifel nicht vermuten, der Schuldner habe sich die Erfüllung seiner Verpflichtung nach Willkür vorbehalten (§ 904 zweiter Satz ABGB; EvBl 1981/122). Hat der Schuldner die Erfüllung nach Möglichkeit (oder Tunlichkeit) oder unter ähnlichen Beschränkungen (sogenannte Besserungsklausel) zugesichert, setzt der Richter die Erfüllungszeit unter Bedachtnahme auf die beiderseitigen Interessen nach Billigkeit fest. In solchen Fällen hat der Richter - statt die Klage gänzlich oder teilweise abzuweisen - den künftigen Leistungszeitpunkt nach der sich aus der Sachlage ergebenden Wahrscheinlichkeit festzusetzen und er kann dementsprechend auch Ratenzahlung anordnen. Einer solchen richterlichen Rechtsgestaltung stehen weder die Bestimmungen der §§ 406 und 409 ZPO noch die Verfahrenslage entgegen, daß die Klägerin bloß Leistung binnen 14 Tagen begehrt hat; dieses Leistungsbegehren enthält als Minus jedenfalls auch das Begehren auf Ratenzahlung (EvBl 1981/122; EvBl 1962/2; JBl 1959, 632; ZBl.1918/181 u.a.; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 904). Diese Rechtsgestaltung kann aber deshalb nicht sogleich vom Revisionsgericht vorgenommen werden, weil den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu der von den Vorinstanzen nicht erörterten Frage zu geben ist und außerdem auch Feststellungen über das derzeitige Einkommen und Vermögen der Beklagten fehlen; solche Feststellungen erfordert aber eine die 'Möglichkeit' auslotende Billigkeitsentscheidung. Deshalb waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Dem Erstgericht war die Verfahrensergänzung in diesem Sinne aufzutragen.

Die Revision erweist sich demnach, soweit sie zulässig ist, als berechtigt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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