Spruch:
"Die gerichtliche Aufkündigung vom 28.9.1992 ist rechtswirksam.
Die beklagte Partei ist schuldig, den (Sipbach abwärts gesehen) in der zweiten, bachferneren Reihe gelegenen fünften Teich sowie den in der ersten, bachnäheren Reihe gelegenen dritten Teich der auf dem Grundstück 115/1 ***** errichteten Fischteichanlage binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben und der klagenden Partei die mit S 8.697,60 (darin S 1.359,60 Umsatzsteuer und S 540 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.952,40 (darin S 1.075,40 Umsatzsteuer und S 500 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 5.064 (darin S 544 Umsatzsteuer und S 1.800 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit gerichtlicher Aufkündigung vom 28.9.1992 kündigte die Klägerin das aus dem Spruch ersichtliche Bestandverhältnis zum 31.3.1993 auf. Sie brachte dazu vor, sie habe im Sommer 1992 die Liegenschaft EZ 34 ***** von ihrer Mutter erworben. Ihr Eigentum sei seit September 1992 verbüchert. Auf dem Grundstück 115/1 sei entlang dem Sipbach in zwei Reihen eine Fischteichanlage, bestehend aus acht Fischteichen, errichtet. Der Beklagte sei Bestandnehmer von zwei Teichen. Als neue Eigentümerin der Liegenschaft sei die Klägerin nach § 1120 ABGB berechtigt, das Bestandverhältnis zu den gesetzlichen Kündigungsterminen unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist aufzukündigen.
Der Beklagte wandte ein, er habe mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen schriftlichen Pachtvertrag über die Teiche Nr.2, 5 und 6 abgeschlossen, nach welchem das Bestandverhältnis bis Ende 1994 mit der Gewähr, die Verträge auch verlängern zu können, dauere. Darüber hinaus sei der Pachtschilling bis 1994 zur Gänze im voraus entrichtet worden. Die Aufkündigung sei sittenwidrig, weil die Klägerin die Tochter seiner Vertragspartnerin sei und ihr zum Zeitpunkt des Erwerbes der Liegenschaft Bestand und Dauer des Pachtvertrages sowie die Vorauszahlung des Pachtschillings bekannt gewesen sei. Die Klägerin sei bei Abschluß der Pachtverträge anwesend gewesen und habe diese zum Teil selbst mit Schreibmaschine geschrieben.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren unter Zugrundelegung des folgenden wesentlichen Sachverhaltes ab:
Mit Übergabsvertrag vom 9.7.1992 übergab die Mutter der Klägerin dieser die Liegenschaft EZ 34 *****, zu welcher auch die Parzelle 115/1 mit acht Fischteichen gehört. Die Klägerin ist auf der Liegenschaft aufgewachsen; die Örtlichkeiten sind ihr genau bekannt. Die Mutter der Klägerin hatte mit dem Beklagten neben anderen vorausgehenden Pachtverträgen am 12.7.1981 einen schriftlichen Pachtvertrag auch über die beiden hier in Frage stehenden Fischteiche bis zum Ende des Jahres 1994 abgeschlossen. Entgegen dem im schriftlichen Vertrag festgehaltenen geringeren Pachtschilling war ein jährlicher Pachtzins pro Fischteich von S 3.000, welcher für die gesamte Pachtzeit im voraus zu entrichten war, vereinbart. Der Kläger hat für die Laufzeit von 13 Jahren S 39.000 in barem an die Mutter der Klägerin bezahlt.
Bei den Vertragsgesprächen war die Klägerin ebenso wie bei den übrigen Verpachtungen der Fischteiche anwesend. Sie wußte, daß die schriftlichen Verträge über die Höhe des Pachtschillings nicht den Tatsachen entsprachen. Es war ihr bekannt und bewußt, daß der Beklagte für die beiden Teiche mehr als schriftlich festgehalten für die gesamte Pachtdauer im voraus an ihre Mutter gezahlt hatte.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, durch den Eigentumserwerb der Klägerin habe sich nach § 1120 ABGB das bis Ende 1994 befristete Bestandverhältnis in ein unbefristetes, zu den gesetzlichen Kündigungsfristen und -terminen aufkündbares Pachtverhältnis gewandelt. Im vorliegenden Fall sei aber der vom Beklagten erhobene Einwand der Sittenwidrigkeit der Aufkündigung beachtlich. § 1120 ABGB enthalte die Verpflichtung des Veräußerers, dem Erwerber bestehende Bestandverträge zu überbinden, widrigenfalls jener sich schadenersatzpflichtig mache. Habe der Erwerber umfassende Kenntnis von befristeten Bestandverträgen und von dem Umstand der Vorauszahlung des Pachtschillings für die gesamte Pachtdauer an den Besitzvorgänger, sei eine Aufkündigung durch den Erwerber sittenwidrig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Es führte aus, nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 56/72) sei ein Veräußerer verpflichtet, Bestandverträge auf den Erwerber des Bestandobjektes zu überbinden. Eine Aufkündigung nach § 1120 ABGB könne sittenwidrig sein. Die Mutter der Klägerin hätte dieser den Pachtvertrag überbinden müssen. Hiezu sei sie schuldrechtlich zwar nur gegenüber dem Beklagten verpflichtet, die Unterlassung mache sie aber schadenersatzpflichtig. Daß die Klägerin an der Verletzung dieser Pflicht durch Abschluß des Übergabsvertrages ohne Überbindung des Bestandvertrages mitgewirkt habe, begründe nicht schon jedenfalls eine Schadenersatzpflicht der Klägerin. Eine Schadenersatzpflicht des Dritten wegen obligatorischer Verpflichtungen des Schuldners sei dann zu bejahen, wenn der Dritte in arglistiger Weise im Zusammenspiel mit dem Schuldner bewußt zum Nachteil des Geschädigten handle. Eine solche Arglist der Klägerin liege dann vor, wenn einer der wesentlichen Zwecke des Übergabevertrages die Schaffung der Möglichkeit gewesen wäre, den Pachtvertrag mit dem Kläger aufkündigen zu können. Eine solche Vorgangsweise wäre sittenwidrig. Die bisherigen Feststellungen reichten zu einer solchen Annahme nicht aus. Dies sei mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren zu erörtern. Diese seien zu Sach- und Beweisvorbringen aufzufordern, inwieweit eine Kollusion zwischen der Klägerin und ihrer Mutter mit dem wesentlichen Ziel vorgelegen sei, den Pachtvertrag mit dem Beklagten vor dem vertraglichen Endtermin zur Auflösung zu bringen. Dabei werde zu beachten sein, daß der am 9.7.1992 geschlossene Übergabsvertrag im September 1992 verbüchert worden sei und die Klägerin noch im selben Monat den Pachtvertrag aufgekündigt habe. Die Mutter der Klägerin sei 1944 geboren, also noch nicht einmal 50 Jahre alt. Nach diesen Daten wäre - ohne Vorliegen anderer Umstände - von einer arglistigen Kollusion der Klägerin mit ihrer Mutter zum Zwecke - auch - der vertragswidrigen Beendigung des Pachtverhältnisses mit dem Beklagten auszugehen. Dies scheine nach der Dichte der aufeinanderfolgenden Ereignisse begründet. Es wäre unbillig, dem Beklagten eine weitere Beweisführung für Vorgänge großteils subjektiver Natur auf seiten der Klägerin und ihrer Mutter aufzubürden, über welche er im allgemeinen keine oder doch nur dürftige Kenntnis haben könne. Im Sinne der somit die Klägerin treffenden Beweislast stehe es dieser aber frei, konkrete Tatsachen vorzubringen, um Beweise dafür anzubieten, daß im Ergebnis ein arglistiges Zusammenspiel nicht vorgelegen sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Schadenersatzpflicht im Falle einer durch einen Dritten veranlaßten Vertragsverletzung und zur Frage einer allfälligen Beweislastumkehr zu Lasten des Schädigers im Falle einer Kollusion fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
Nach § 1120 ABGB muß ein Bestandnehmer im Falle der Veräußerung und Übergabe des Bestandgegenstandes durch den Eigentümer, wenn sein Recht nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, nach gehöriger Aufkündigung dem neuen Besitzer weichen. Er ist aber berechtigt, vom Bestandgeber in Rücksicht auf den erlittenen Schaden und entgangene Nutzungen eine vollkommene Genugtuung zu fordern. Der Erwerber einer Liegenschaft tritt somit mit der Übergabe in das Bestandverhältnis ex lege ein. Dieses wird - außerhalb des Bereiches voller Anwendbarkeit des MRG - nur insoweit verändert, als es sich mangels Verbücherung oder besonderer Vereinbarung in ein solches von unbestimmter Dauer mit gesetzlichen Kündigungsfristen zu den gesetzlichen Terminen verwandelt. Dem Erwerber, der an alle sonstigen weder die Vertragsdauer noch Kündigungsfrist und -termin betreffenden Vertragsbestimmungen ohne Rücksicht auf seine Kenntnis gebunden bleibt, steht somit ebenso wie dem Bestandnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Unterläßt es der Übergeber, die Verpflichtungen aus dem Bestandvertrag auf den Erwerber zu überbinden, wird er - nicht auch der Übernehmer, selbst wenn diesem die Vertragsbedingungen bekannt sind - für alle Nachteile aus der vorzeitigen Auflösung gegenüber seinem Vertragspartner schadenersatzpflichtig. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings ausgesprochen (SZ 56/72 mwN), daß die Regelung des § 879 Abs 1 ABGB nicht nur für Verträge, sondern auch für einseitige Rechtsgeschäfte, wie eine Kündigung, gilt, eine Aufkündigung daher im Einzelfall bei offenbarer Rechtswidrigkeit gegen die guten Sitten verstoßen kann. Der Beklagte hat zur Sittenwidrigkeit, die substantiiert eingewendet werden muß, lediglich vorgebracht, der Klägerin als der Tochter seiner Vertragspartnerin seien zum Zeitpunkt des Erwerbes alle Vereinbarungen über das Pachtverhältnis einschließlich des Umstandes der Vorauszahlung des Pachtschilling bekannt gewesen. Dies reicht zur Annahme einer Sittenwidrigkeit, also eines Widerspruches gegenüber dem Rechtsgefühl der Gemeinschaft, keineswegs aus: Auch ein völlig fremder gewissenhafter Erwerber einer Liegenschaft wird sich um die einzelnen Klauseln und Bedingungen eines bestehenden Miet- oder Pachtverhältnisses vor Vertragsabschluß informieren, weil er ja ohne Rücksicht auf deren Kenntnis mit Ausnahme der darin bestimmten Dauer und Kündigungsmöglichkeiten in dieses eintritt. Dem Berufungsgericht ist zwar beizupflichten, daß ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken von Veräußerer und Erwerber mit dem Ziel, einen befristeten Bestandvertrag, für welchen der Bestandzins bis zum Vertragsende vorausgezahlt wurde, vorzeitig zur Auflösung zu bringen, im Einzelfall den guten Sitten widersprechen kann. Eine solche Arglist wurde aber vom Beklagten, den hiefür die Behauptungs- und Beweislast trifft, gar nicht eingewendet. Es kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden, daß nach den Verfahrensergebnissen ein solches "Kollusionsverhalten" - das Berufungsgericht hatte dabei offenbar einen prima facie-Beweis im Auge - offenbar wäre. Es kann doch nicht ohne näheres Vorbringen ernsthaft angenommen werden, lediglich wegen des Umstandes, daß die Mutter der Klägerin zur Zeit des Abschlusses des Übergabevertrages mit ihrer Tochter noch nicht 50 Jahre alt war und die Aufkündigung kurz nach der Verbücherung des Eigentumes der Klägerin erfolgte, der Übergabsvertrag auch nur "auch" zu dem Zwecke geschlossen wurde, um das mit dem Beklagten bestehende Pachtverhältnis an zwei von insgesamt acht Fischteichen, das ohnehin eindreiviertel Jahre nach dem Kündigungstermin abgelaufen wäre und auf welches eine restliche Vorauszahlung des Bestandzinses von weniger als 6.000 S entfiel, zur Auflösung zu bringen. Der Übergabsvertrag umfaßte eine Landwirtschaft von mehr als 9 ha; die Übernehmerin hatte pfandrechtlich sichergestellte Kreditforderungen von 2,8 Mio S, Pflichtteilsforderungen und sehr umfangreiche Ausgedingsleistungen zu übernehmen. Eine Aufkündigung des hier strittigen Pachtverhältnisses kurz nach der Übergabe war schon deshalb geboten, um der Annahme einer konkludenten Vertragsübernahme vorzubeugen.
Schließlich trägt jene Partei die Behauptungs- und Beweislast, die eine für sie günstige Rechtsnorm in Anspruch nehmen will. Eine Verschiebung der Beweislast im Sinne einer größeren Nähe zum Beweis (vgl Fasching Lehrbuch2 Rz 883) kann nur dann in Betracht kommen, wenn ein allgemein, also für jedermann in gleicher Weise bestehender Beweisnotstand gegeben ist und wenn objektiv typische, also auf allgemein gültigen Erfahrungssätzen beruhende Geschehensabläufe für den Anspruchswerber sprechen (SSV-NF 4/50), wenn es dem außerhalb des Geschehensablaufes stehenden Beweispflichtigen im Einzelfall mangels genauer Tatumstände unmöglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären (4 Ob 174,175/89 ua). So muß die Absicht, sich einer Leistung zu entziehen, nicht bewiesen werden, wohl aber die Tatsachen, "die die Annahme rechtfertigen", daß der Verpflichtete sich absichtlich der Leistung entzogen hat (JBl 1990, 800). Im vorliegenden Fall hat aber der Beklagte nicht einmal Behauptungen aufgestellt, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, viel weniger noch sind sie im Verfahren hervorgekommen. Einer Aufhebung zur allfälligen Nachholung des Versäumten bedurfte es nicht; die Rechtssache war vielmehr im Sinne einer Klagestattgebung spruchreif.
Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jener über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO.
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