OGH 6Ob598/88

OGH6Ob598/8816.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** W*** Gesellschaft mbH, Linz, Franzosenhausweg 46, vertreten durch Dr. Walter Haslinger, Dr. Norbert Nagele jun., Dr. Klaus Haslinger, und Dr. Christoph Szep, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei W*** A*** V***-Aktiengesellschaft, mit dem Sitz in Wien 13., Hietzingerkai 101-103 und einer Zweigniederlassung in Linz, Untere Donaulände 36, vertreten durch Dr. Manfred Traxlmayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen 457.500,41 S samt Nebenforderungen und Feststellung (Teilstreitwert 40.000 S), infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. Januar 1988, GZ 13 R 45/87-18, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. Juli 1987, GZ 7 Cg 282/86-12 unter Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Keinem der beiden Rekurse wird stattgegeben.

Die Kosten der Rekursverfahren sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine inländische Handelsgesellschaft. Sie betreibt die fabriksmäßige Warenherstellung. Im Jahre 1983 erwog sie, aus Ungarn einzuführende Materialien zu Erzeugnissen zu verarbeiten und diese an eine Schwestergesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland verkaufsweise auszuführen. Nach ihrer internen Kalkulation erwartete die Klägerin von diesem Vorgang nur im Falle einer zollrechtlichen Behandlung der Materialeinfuhr und der Produktausfuhr nach den Regelungen über den aktiven Veredlungsverkehr (auf Vormerkrechnung) einen gewinnbringenden Ertrag.

Die Klägerin hatte sich jahrelang der Dienste eines bestimmten inländischen Spediteurs bedient. Geschäftsbriefe und Fakturen des Spediteurs enthielten jeweils einen Hinweis darauf, daß er auf Grund der allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) arbeite. Am 18. Oktober 1983 führte der Geschäftsführer der Klägerin mit dem Leiter der Importabteilung dieses Spediteurs eine von diesem Speditionsangestellten als "Akquisitionsgespräch" bezeichnete Besprechung. Bei dieser Gelegenheit eröffnete der Geschäftsführer der Klägerin dem Angestellten des Spediteurs die Absicht der Klägerin, im zollbegünstigten Veredlungsverkehr Materialien aus Ungarn einzuführen, daraus Waren herzustellen und diese an die Schwestergesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland auszuführen. In diesem Zusammenhang erkundigte sich der Geschäftsführer der Klägerin beim Speditionsangestellten über die Voraussetzungen und Erfordernisse des zollbegünstigten Veredlungsverkehrs. Er erwähnte dabei aber nicht, daß der ganze Vorgang für die Klägerin nur in Betracht käme, wenn ihr keinerlei Zollbelastung erwüchse. Der Speditionsangestellte nannte dem Geschäftsführer der Klägerin als formellen Weg zur Erlangung der zollamtlichen Ausübungsberechtigung für den aktiven Veredlungsverkehr auf Vormerkungsrechnung für das erwähnte ungarische Material die Befürwortung durch die Handelskammer und das Ansuchen an das zuständige Zollamt um Bewilligung des Vormerkverkehrs. Der Speditionsangestellte nannte auch als Voraussetzung für die zollbegünstigte Ausfuhr einen unter 50 % liegenden Wertanteil der Vormerkware an der Ausfuhrware. Die Ausstellung einer Warenverkehrsbescheinigung nach dem Formular EUR. 1 als Voraussetzung für die zollbegünstigte Ausfuhr erwähnte der Speditionsangestellte ebensowenig wie die Vorschreibung sogenannter Drawbackzölle. Weder erwähnte Gesprächspartner des Geschäftsführers der Klägerin noch ein anderer Speditionsangestellter erklärten, daß bei dem von der Klägerin verfolgten Vorgang mit keinerlei Zollbelastung zu rechnen wäre. Die Klägerin verfaßte nach den Angaben eines Speditionsangestellten ein mit 11. November 1983 datiertes Ansuchen um Bewilligung des Eingangsvormerkverkehrs für das aus Ungarn einzuführende Material. Dazu erlangte die Klägerin die Befürwortung durch die Handelskammer. Mit einem Begleitschreiben vom 30. November 1983 übersandte die Klägerin das Ansuchen an das Zollamt samt Befürwortung der Handelskammer an den Spediteur zur "besprochenen" Erledigung. Mit Bescheid vom 23. Dezember 1983 erteilte das Zollamt antragsgemäß der Klägerin die Ausübungsberechtigung für den aktiven Veredlungsverkehr auf Vormerkrechnung zur Herstellung der im Antrag genannten Erzeugnisse. Nach dem Spruch dieses zollamtlichen Bescheides bildeten die "in der Anlage enthaltenen Bedingungen und Überwachungsmaßnahmen" einen Bestandteil des Bescheides.

Die erwähnte Anlage zum zollamtlichen Bescheid enthält unter anderem Bestimmungen über die Wiederausfuhr (Punkt 3) und über die Abmeldung (Punkt 5).

Punkt 3.2. lautet:

"In der Ausfuhrerklärung sind die in den §§ 79 Abs 2 und 124 Abs 2 ZG vorgeschriebenen Angaben zu machen und ist zusätzlich anzuführen: Die genaue Warenbezeichnung.

Außerdem sind die in der Ausfuhrware enthaltenen Vormerkwaren (ermittelt auf Grund des Abrechnungschlüssels gemäß Pkt. 3.4) - gegebenenfalls unter Verwendung eines Ergänzungsblattes - anzugeben.

Die fortlaufende Nummer der Vormerkrechnung - Ausgang (s. Pkt. 4.2. dieser "Bedingungen") ist in der Ausfuhrerklärung (im Feld "Position") zu vermerken.

Im Falle der Ausstellung eines Ursprungsnachweises im Sinne des EG-Abkommens bzw. des EFTA-Übereinkommens ist dies unter Ansetzung der Seriennummer und zutreffendenfalls des Vermerkes "Art. 25.1. bestätigt" in der Ausfuhrerklärung (Spalte 22, unten) zu erklären. In diesem Fall ist auf der Rückseite des Antragsformulares der Warenverkehrsbescheinigung vom Exporteur folgende Erklärung anzubringen: "Eine Zollrückvergütung wird nicht beansprucht bzw. spätestens im Zeitpunkt der Abmeldung rückgängig gemacht." Weiters ist auf der Rückseite des Antragsformulares die lfd. Nummer der Vormerkrechnung-Ausgang anzuführen. Anläßlich der Ausfuhr ist von allfälligen inländischen Zutaten der AF-Beitrag zu berechnen und zu entrichten."

In den Punkten 5.1 und 5.2 heißt es:

"Die Abmeldung der aus dem Veredlungsverkehr in den freien Verkehr des Zollgebietes abgesetzten Waren hat monatlich zu erfolgen. Eine Abmeldung ist auch für jene Waren abzugeben, die in das Gebiet eines Mitgliedstaates der EG oder EFTA unter Ausstellung eines Usprungsnachweises - zutreffendenfalls unter Anführung des Vermerkes "Art. 25.1. gegeben" - ausgeführt werden und für die die gewährte Zollrückvergütung (durch Entrichtung des entspr. Zollbetrages) rückgängig zu machen ist.

Die Abmeldung ist gemäß § 97 Abs 1 ZG bis spätestens zum 14 des auf den Absatz bzw. die Wiederausfuhr folgenden Monates beim Zollamt Linz abzugeben.

Für die Abmeldung sind die amtlich genehmigten Muster (zweifach) zu verwenden. Als Nachweis für die Abgabe der Abmeldung und für Zwecke des Vorsteuerabzuges gemäß § 12 Abs 1 Z 2 UStG 1972 kann eine dritte Ausfertigung der Abmeldung zur Bestätigung durch das Zollamt vorgelegt werden. Sofern keine Abmeldung erforderlich ist, ist eine Leermeldung abzugeben.

5.2. In der Abmeldung sind gemäß § 97 Abs 3 ZG die gem. Pkt. 5.1. zu entrichtenden Eingangsabgaben zuzüglich der Stundungszinsen hins. der Eingangsabgaben, für die in den freien Verkehr des Zollgebietes abgesetzten Waren zu berechnen."

Punkt 5.6. hat folgenden Wortlaut:

"Anläßlich der Abmeldung ist gleichzeitig eine schriftliche Erklärung darüber abzugeben, ob für die aus dem Veredlungsverkehr in das Gebiet eines Mitgliedstaates der EG oder der EFTA ausgeführten Waren ein Ursprungsnachweis - zutreffendenfalls unter Anführung des Vermerkes "Artikel 25.1. gegeben" - ausgestellt wurde oder nicht. Ist für eine Ware ein Ursprungsnachweis ausgestellt worden, so gilt diese Ware hinsichtlich des den Gegenstand einer Zollrückvergütung bildenden Zollbetrages gemäß § 3 lit. b der Verordnung BGBl. Nr. 651/75 als im Inland verblieben. Hinsichtlich der Abmeldung dieser Waren s. Punkte 5.1. und 5.2."

Auf Grund dieses zollamtlichen Bescheides nahm der Geschäftsführer der Klägerin an, aus den vorgesehenen Ein- und Ausfuhren würde die Klägerin mit keinerlei Zöllen belastet. Die Klägerin vereinbarte (im Sinne einer darauf beruhenden Preiskalkulation) mit ihrer Schwestergesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland die Warenlieferung "frei Haus, verzollt und versteuert".

Hätte die Klägerin mit Zollbelastungen gerechnet, wäre das Geschäft mit der Schwestergesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland mangels preislicher Konkurrenzfähigkeit nicht zustandegekommen.

Die Klägerin leitete die Materialeinfuhr aus Ungarn in die Wege und erteilte dem Spediteur mit dem zusammenhängenden Speditionsauftrag auch den Auftrag zur Besorgung der mit dem Warenverkehr verbundenen Einfuhr- und Ausfuhrzollabfertigungen. Die Klägerin pflegte mangels Fachwissens ihrer Angestellten die Zollabfertigung jeweils dem beauftragten Spediteur zu überlassen. Die Klägerin hatte für die zollrechtlich als Vormerkware aus Ungarn eingeführten Materialien ein eigenes Zollvormerklager anzulegen und ein Vormerkbuch mit Eintragungen von Ein- und Ausgängen der Vormerkware zu führen. Das Zollvormerklager führte eine Angestellte der Klägerin, das Vormerkbuch ein Angestellter des Spediteurs. Die für die Zollbehandlung erforderlichen Papiere, insbesondere Warenverkehrsbescheinigungen nach dem Formular EUR. 1 und die Ausfuhrerklärungen übergab ein Angestellter der Klägerin dem Fahrer des Spediteurs jeweils blanko unterfertigt gleichzeitig mit pro-forma-Fakturen, in denen die Wertanteile der in der auszuführenden Fertigware enthaltenen eingeführten Materialien ausgewiesen waren. Diese Wertanteile der Drittlandware überschritten jeweils 50 % des Wertes der Ausfuhrwaren. Deshalb hätte die Warenverkehrsbescheinigung nach dem Formular EUR. 1 nicht verwendet werden dürfen. Mit der Warenverkehrsbescheinigung nach diesem Formular erkläre nämlich die Klägerin als Exporteur, daß die ausgeführten "Waren die Voraussetzungen erfüllen, um diese Bescheinigung zu erlangen". Das Zutreffen dieser Erklärung, deren Unrichtigkeit nach den sich aus den pro-forma-Fakturen ergebenden Wertanteilen der Einfuhrwaren an der Ausfuhrware auch für die Fachkräfte des Spediteurs erkennbar gewesen wäre, ließen diese ungeprüft. Demgemäß machten sie die Klägerin auch nicht auf die Unzulässigkeit eines Vorganges im Sinne der Warenverkehrsbescheinigung nach dem Formular EUR. 1 aufmerksam. Der Warenempfängerin in der Bundesrepublik Deutschland wurden von den deutschen Behörden wegen unberechtigter Inanspruchnahme der Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 Zollnachbelastungen vorgeschrieben. Am 21. Oktober 1985 teilte die deutsche Schwestergesellschaft der Klägerin dieser mit, daß sie ihr den vorgeschriebenen Betrag von DM 23.734,40 zur Zahlung anlaste. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1985 forderte die Klägerin den Schilling-Gegenwert dieser Zollbelastung vom Spediteur. Mit ihren Schreiben vom 13. Dezember 1985, 18. Februar 1986 und 10. Dezember 1986 belastete die deutsche Warenempfängerin die Klägerin in derselben Weise mit gleichartigen nachträglichen Zollvorschreibungen.

Die Zollnachbelastung betrug bisher insgesamt den Gegenwert von 457.500,41 S.

Im Falle rechtmäßiger Inanspruchnahme der Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 wären im Umfang der dem Klagebegehren zugrundegelegten Ausfuhren sogenannte Drawbackzölle in der Höhe von 340.957,85 S aufgelaufen.

Die Klägerin muß auf Grund gleichartiger, nicht ordnungsgemäß deklarierter Ausfuhren mit weiteren Rückbelastungen durch ihre deutsche Schwestergesellschaft rechnen.

Der Spediteur hatte alle Schäden, die der Klägerin bei der Ausführung des Speditionsauftrages hätten zugefügt werden können, namens der Klägerin nach den Bedingungen des Speditionsversicherungsscheines (SVS) versichert. Der beklagte Versicherer ist die geschäftsführende Anstalt im Sinne des § 19 SVS. Sie hat ihre (volle) Haftung für den Fall des Bestehens einer Einstandspflicht aus der Versicherung anerkannt.

Mit der am 21. August 1986 angebrachten Klage begehrte die Klägerin zunächst als Ersatz für die ihr von der deutschen Warenempfängerin angelasteten Zollbelastungen den Betrag von 167.118,66 S samt Zinsen und dehnte dieses Begehren in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 2. März 1987 um insgesamt 290.381,75 S auf Zahlung eines Gesamtbetrages von 457.500,41 S und Zinsen aus.

Zur Stützung ihres Ersatzbegehrens behauptete die Klägerin zum Haftungsgrund, der Spediteur habe als Sachverständiger die von ihr erbetenen Auskünfte über die Zollfreiheit unvollständig und damit unrichtig erteilt, die Zollbehandlung im Auftrag der Klägerin vorgenommen und auf diese Weise bewirkt, daß die Klägerin Zollbegünstigungen zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Den ersatzfähigen Schaden setzte die Klägerin ohne weitere Behauptungen und Ausführungen mit den - auf Grund der tatsächlichen Rechtslage - vorgeschriebenen und vertragsmäßig von ihr zu tragenden Zollabgaben gleich. In ihrem mit dem Leistungsbegehren verbundenen Feststellungsbegehren formulierte die Klägerin die in Anspruch genommene Haftung der Beklagten als eine solche wegen unsachgemäßer Beratung in Ansehung der Speditionsaufträge und wegen deren mangelhafter Durchführung.

In ihrer Berufungsmitteilung qualifizierte die Klägerin den haftungsbegründenden Sachverhalt mit der Wendung, der Spediteur habe es übernommen, "zollrechtliche Freibriefe auszustellen", und hafte deshalb im Sinne des § 1300 Satz 1 ABGB.

Das Prozeßgericht erster Instanz stellte ausdrücklich fest, die Klägerin sei unter Berücksichtigung der richtigerweise in ihre Preiskalkulation einzubeziehenden Zollbelastung mit ihren Erzeugnissen preislich in der Bundesrepublik Deutschland nicht konkurrenzfähig gewesen und das Geschäft mit der deutschen Schwestergesellschaft wäre deshalb nicht zustandegekommen. Die Beklagte bestritt in tatsächlicher Hinsicht die Behauptungen der Klägerin über den von ihr dem Spediteur erteilten Auftrag sowie über den Inhalt der der Klägerin erteilten Auskünfte und wendete zum Grund des erhobenen Ersatzanspruches ein, den Spediteur treffe kein "speditionelles Verschulden", die Klägerin habe selbst um die Befürwortung durch die Handelskammer angesucht und letztlich sei der zollamtliche Bescheid über die Ausübungsbewilligung mit der Angabe sämtlicher Voraussetzungen und Auflagen für die begünstigte Zollbehandlung der Klägerin zugekommen, so daß die Klägerin (spätestens dadurch) vollständige zollrechtliche Sachinformation erhalten habe. Ausdrücklich wendete die Beklagte Verjährung der Ersatzansprüche im Sinne des § 64 AÖSp und das Erlöschen der Ansprüche gemäß § 10 Z 6 SVS ein.

Der Höhe nach stellte die Beklagte das ausgedehnte Klagebegehren samt Zinsen außer Streit.

Das Prozeßgericht erster Instanz hatte als erwiesen angenommen, daß der Geschäftsführer der Klägerin dem Angestellten des Spediteurs die Kalkulationsproblematik erklärt und jener ihm ohne Hinweis auf die zollrechtlichen Voraussetzungen eines wertmäßigen Anteiles der Drittlandware am auszuführenden Enderzeugnis von weniger als 50 % und ohne Erklärung über die sogenannten Drawbackzölle versichert habe, im Falle einer zollamtlichen Ausübungsbewilligung müsse die Klägerin mit keinerlei Zollbelastungen rechnen.

In rechtlicher Beurteilung des von ihm zugrundegelegten Sachverhaltes hatte das Prozeßgericht erster Instanz gefolgert: Die Klägerin habe sich in ihrer Geschäftsbeziehung zum Spediteur zumindest stillschweigend den AÖSp unterworfen. Der Spediteur habe mit den Speditionsaufträgen der Klägerin auch die Zollbehandlung der versendeten Waren zu besorgen gehabt. Dabei habe der Spediteur durch die Unterlassung einer gehörigen Aufklärung über alle Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Warenverkehrsbescheinigung nach EUR. 1 vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin verletzt. Der Spediteur hätte für den aus der Schlechterfüllung des Speditionsauftrages der Klägerin entstandenen Schaden einzustehen und die volle Steuernachbelastung zu ersetzen gehabt, zumal der Spediteur die Klägerin über die Drawbackzölle nicht aufgeklärt und damit vorvertragliche Schutz- und Auskunftspflichten verletzt habe. Die Ersatzforderung sei entgegen dem Einwendungsvorbringen nicht verjährt, weil § 64 AÖSp nur die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne des § 414 HGB herabsetze, der geltend gemachte Ersatzanspruch aber nicht unter § 414 HGB falle. Die Ersatzforderung sei auch nicht gemäß § 10 Z 6 SVS erloschen, weil sich diese Regelung auf das Verhältnis zwischen dem Versicherten und dem Versicherer beziehe, nicht aber auf das Verhältnis zwischen den Streitteilen (dieser Argumentation liegt offenkundig die mit § 1 SVS unvereinbare Beurteilung zugrunde, beim Versicherungsverhältnis nach dem Speditionsversicherungsschein sei der Spediteur als Versicherungsnehmer auch der Versicherte). Die Beklagte rügte in ihrer Berufung unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung die mit ihrem Parteienvorbringen im Widerspruch stehenden erstgerichtlichen Feststellungen über die Offenlegung des Zweckes der von der Klägerin dem Spediteur gestellten zollrechtlichen Fragen und über den Inhalt der erteilten Auskünfte sowie über Inhalt und Zustellung des zollamtlichen Bescheides über die Ausübungsbewilligung.

Das Berufungsgericht beschloß eine Beweiswiederholung, nahm unter Berufung auf § 281 a ZPO eine Verlesung sämtlicher Protokolle und Urkunden vor und faßte daraufhin einen Aufhebungsbeschluß, dem es einen Rechtskraftvorbehalt beisetzte. Dabei ging das Berufungsgericht von dem eingangs dargestellten Sachverhalt aus. In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes folgerte das Berufungsgericht:

Der Spediteur habe der Klägerin, mit der er in laufender Geschäftsverbindung gestanden sei, bei der Erteilung der erbetenen zollrechtlichen Auskünfte die Anwendung der sich aus den Regelungen des § 408 Abs 1 und § 347 HGB sowie § 1299 ABGB ergebenden Sorgfalt geschuldet. Die Angestellten des Spediteurs hätten der Klägerin daher nur die materiellen und formellen Voraussetzungen der zollbegünstigten Behandlung im aktiven Veredlungsverkehr erläutern, sondern sie auch über die Zollrückvergütung, den sogenannten Drawbackzoll, aufklären müssen. Darin liege ein schuldhafter Mangel der Auskunftserteilung, für die der Spediteur nach dem ersten Satz des § 1300 ABGB der Klägerin einzustehen gehabt habe. Der ersatzfähige Schaden der Klägerin könne aber nicht einfach mit der Zollbelastung gleichgesetzt werden, mit der die Klägerin nach der ihr vom Spediteur erteilten unvollständigen Auskunft nicht gerechnet habe, sondern nur im Unterschied der Vermögenslage bestehen, die sich für die Klägerin insgesamt aus dem tatsächlich ausgeführten Geschäftsfall gegenüber jener Vermögenslage ergeben habe, die bei völligem Unterbleiben des Geschäftes gegeben gewesen wäre, weil die festgestellte Folge einer vollständigen Auskunft das Unterbleiben des Geschäftes gewesen wäre. Der vom Prozeßgericht erster Instanz als Haftungsgrund hervorgehobene Fehler in der Verwendung der Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 sei nicht als kausal anzusehen, weil tatsächlich nur jener Zoll vorgeschrieben worden sei, der bei richtiger Zollbehandlung zu entrichten gewesen wäre. Der nach dieser Auffassung maßgebende Umfang eines ersatzfähigen Schadens sei mangels Ermittlung der miteinander zu vergleichenden Berechnungsgrößen nicht ermittelbar. Die nach richtiger Ansicht maßgebenden Schadensbestimmungsgrößen müßten mit den Parteien erörtert und im Rahmen der in dieser Hinsicht zu ergänzenden Parteienbehauptungen und Beweisanbote festgestellt werden. Erst dann werde beurteilt werden können, ob die Klägerin überhaupt einen ersatzfähigen Vermögensnachteil erlitten habe und zutreffendenfalls in welcher Höhe. Der Verjährungseinwand sei nicht stichhältig. Zwischen der Klägerin und dem Spediteur müßten die AÖSp als stillschweigend vereinbart gelten. Die Verkürzung der Verjährungsfrist nach § 64 AÖSp betreffe aber nach dem klaren Wortlaut dieser Regelung nur die im § 414 HGB behandelten Ansprüche "des Spediteurs" (richtig: gegen den Spediteur) wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Gutes. Sonstige Ersatzansprüche des Versenders gegen den Spediteur wegen Vertragspflichtverletzungen unterlägen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. Zu dem auf § 10 Z 6 SVS gegründeten Einwand habe die Beklagte in erster Instanz kein substantielles Vorbringen erstattet. Die Beklagte habe diesen Einwand in ihrer Berufung nicht aufrechterhalten, auf ihn sei von Amts wegen nicht mehr einzugehen.

Das Berufungsgericht trug dem Prozeßgericht erster Instanz auf, in einem ergänzenden Verfahren gemäß § 182 ZPO mit den Parteien zu erörtern, ob die Klägerin durch unvollständig gebliebene Auskunft des Speditionsangestellten überhaupt einen Schaden erlitten und worin dieser bestanden habe. Nach Maßgabe des entsprechenden Vorbringens seien die angebotenen Beweise aufzunehmen und Sachverhaltsfeststellungen zum Schadenseintritt und zur Schadenshöhe zu treffen. Die Beklagte habe mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen, für die Klägerin wären die Bedingungen für die Ausübung des zollbegünstigten Veredlungsverkehres aus dem zollamtlichen Bescheid ersichtlich gewesen, der Sache nach einen Mitschuldeinwand erhoben. Auch dieser Einwand werde zu beachten sein. Beide Parteien fechten den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß mit der Begründung an, die Rechtssache sei in dem jeweils von ihnen eingenommenen Prozeßstandpunkt spruchreif. Die Beklagte macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, rügt aber der Sache nach ausschließlich den verfahrensrechtlichen Umstand, daß es der Rechtsmittelinstanz verwehrt sei, das Verfahren nur dazu ergänzen zu lassen, um einer anwaltlich vertretenen Prozeßpartei Gelegenheit zu geben, versäumte Sachvorbringen nachzutragen. Die schadenersatzrechtlichen Beurteilungen, die das Berufungsgericht in seiner Entscheidung darlegte, erachtet die Beklagte dagegen als zutreffend, sie folgert daraus nur die Unschlüssigkeit der Klage und damit die Spruchreife im Sinne der Klagsabweisung.

Die Klägerin strebt mit ihrem Rekurs die Abänderung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses im Sinne einer Bestätigung der erstinstanzlichen Sachentscheidung an, hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag. Als Verfahrensmangel rügt sie die Anwendung des § 281 a ZPO. In der Rechtsrüge vertritt die Klägerin die Ansicht, die Zollbelastung sei als solche ein (selbständiger) ersatzfähiger Nachteil, weil die Klägerin bei vollständiger Aufklärung das Geschäft nicht abgeschlossen und dann den Aufwand an Zollabgaben nicht zu tragen gehabt hätte. Die sonstigen Auswirkungen aus der Vornahme des bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch die Speditionsangestellten unterbliebenen Geschäftes könnten lediglich im Rahmen des sogenannten Vorteilsausgleiches berücksichtigt werden, dies hätte allerdings einen entsprechenden Einwand der Beklagten vorausgesetzt. Die berufungsgerichtliche Annahme eines Mitverschuldens sei verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

Keiner der beiden Rekurse ist berechtigt.

Weder die von der Klägerin noch die von der Beklagten geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt vor. Das Berufungsgericht sah sich auf Grund der Beweisrüge der Beklagten zu einer Beweiswiederholung bestimmt, machte von der Regelung des § 281 a ZPO Gebrauch und würdigte die in dieser Form von ihm bloß mittelbar aufgenommenen Beweise abweichend vom Prozeßgericht erster Instanz, das diese Beweise unmittelbar aufgenommen hatte. Die Parteien hatten sich gegen die im § 281 a ZPO vorgesehene Vorgangsweise nicht ausgesprochen. Das Einverständnis der Parteien zur vereinfachten Beweisaufnahme im Sinne des § 281 a ZPO enthob zwar das Gericht nicht der kritischen Prüfung, ob zur Lösung der strittigen Beweisfragen eine unmittelbare Beweisaufnahme erforderlich wäre. Erachtete das Berufungsgericht aber den persönlichen Eindruck von den vernommenen Personen, deren Aussagen zu würdigen waren, als entbehrlich, dann liegt auch darin ein Akt der Beweiswürdigung, der keiner weiteren Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterworfen ist.

Das Berufungsgericht hat zur Ermittlung des von ihm als ersatzfähig angesehenen Vermögensnachteiles die von der Klägerin angestellte (im Verfahren erster und zweiter Instanz nicht offengelegte und erst im Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß von der Klägerin aufgedeckte) Schadenserrechnung als unrichtig abgelehnt, eine andere Bestimmung des ersatzfähigen Schadens als richtig angenommen und auf dieser Grundlage die Feststellung von Tatumständen für erforderlich angesehen, die im erstinstanzlichen Verfahren aus der vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht heraus unerörtert geblieben waren. Die Klägerin hatte zur Ermittlung des ihrem Ersatzbegehren zugrundegelegten Schadensumfanges in erster Instanz nur ein äußerst dürftiges Vorbringen erstattet, aber, wenn auch ohne weitere Ausführungen, zu erkennen gegeben, daß sie die Belastung mit Zöllen, die bei der von ihr getätigten grenzüberschreitenden Warenversendungen (unabhängig von der ihr durch den Spediteur zuteilgewordenen Auskünfte) kraft Gesetzes eingetreten ist, mit dem ihr zu ersetzenden Vermögensnachteil gleichsetzte. Im Rekurs bezeichnet sie die Zollbelastung als (nutzlosen) Aufwand. Die Einfuhr von Rohmaterial, dessen Verarbeitung und die Ausfuhr der Fertigerzeugnisse lagen im freien unternehmerischen Entschluß der Klägerin begründet. Hatte sich die Klägerin zur Erzeugung von Waren aus einzuführenden Materialien zwecks Lieferung der daraus zu fertigenden Erzeugnisse in das EG-Ausland entschieden, waren die damit verbundenen Abgabenverpflichtungen unvermeidlich. Vermeidbar war dieser "Aufwand" nur bei völliger Abstandnahme von der geplanten Ein- und Ausfuhr, also nur bei einer gegenteiligen unternehmerischen Entscheidung der Klägerin. Die Klägerin machte nun geltend, in ihrer freien unternehmerischen Entscheidung durch die für die Preiskalkulation bedeutsame, aber unvollständig gebliebene Auskunft des Spediteurs bestimmt worden zu sein. Das Berufungsgericht hat bei diesem schadensrechtlichen Kausalitätsverhältnis zutreffend erkannt, daß ein ersatzfähiger Nachteil nur im Unterschied der gesamten Vermögenslage bei ordnungsgemäßer Abwicklung des Geschäftsfalles einerseits und der bei völligem Unterbleiben des Geschäftsfalles andererseits gelegen sein könnte. Damit blieb das Berufungsgericht in seiner Beurteilung innerhalb der von der Klägerin inhaltlich nicht näher bestimmten und eingegrenzten Schadensableitung, forderte aber eine Aufklärung der zur ziffernmäßigen Bestimmung erforderlichen Tatumstände. Der Streitgegenstand wurde dadurch nicht verändert. Das Wesen des Schadenersatzanspruches blieb gleich. Deshalb war der berufungsgerichtliche Verfahrensergänzungsauftrag nicht aus verfahrensrechtlicher Sicht unzulässig, sondern zur Ermittlung der nach dem Klagsvorbringen zur Schadensermittlung nach richtiger rechtlicher Beurteilung erforderlichen Berechnungsgrößen geboten.

Auch die von der Klägerin ausgeführte Rechtsrüge ist nicht stichhältig.

Die Klägerin hat bei ihrer Entscheidung zur Vornahme eines mit Ein- und Ausfuhr verbundenen Geschäftsfalles auf die von ihr erbetene zollrechtliche Auskunft des von ihr als Versenderin regelmäßig betrauten Spediteurs, dem sie in der Folge auch wieder die konkreten Speditionsaufträge erteilte, vertraut und ihrer Preiskalkulation völlige Zollbefreiung der Ein- und Ausfuhren zugrunde gelegt. Die Zollbelastung war ebenso wie etwa der Kaufpreis für die eingeführten Materialien, die Transportkosten und die Herstellungskosten der ausgeführten Erzeugnisse ein Teil des mit dem Geschäftsfall verbundenen Gesamtaufwandes, die Zollbelastung ist deshalb keiner selbständigen schadenersatzrechtlichen Beurteilung zugänglich, sondern nur eine Bestimmungsgröße in der vom Berufungsgericht richtig dargestellten Gesamtberechnung. Andererseits ist der erzielbare und tatsächlich erzielte Erlös aus dem Warenverkauf kein den aufgelaufenen Abgaben allein in adäquater Weise gegenüberstellbarer Vorteil, sondern ebenfalls nur eine Größe in der gebotenen Gesamtberechnung des sich aus der durch die Auskunft des Spediteurs beeinflußten unternehmerischen Entscheidung ergebenden tatsächlichen Geschäftserfolges, der mit dem Geschäftserfolg, bei einem Unterbleiben des gesamten Geschäftsvorganges rechnerisch gegenüberzustellen ist. Schadenskausal ist dabei eine vom Spediteur erteilte (unvollständige) Auskunft nur insoweit, als die Klägerin nicht auf Grund tatsächlich erhaltener vollständiger Aufklärung oder trotz Zumutbarkeit unterbliebener Kenntnisnahme von den tatsächlichen zollrechtlichen Verpflichtungen ihre freie Unternehmensentscheidung wieder hätte rückgängig machen können. Das ist in erster Linie nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung oder des Mitverschuldens, sondern der Schadenskausalität zu sehen. Die Rechtssache ist nicht spruchreif. Es bedarf der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung. Die vom Berufungsgericht dem Prozeßgericht erster Instanz überbundenen Rechtsansichten treffen mit der oben erwähnten Abwandlung zu, daß die Folgen aus einer tatsächlich erhaltenen oder trotz Zumutbarkeit nicht zur Kenntnis genommenen vollständigen Information über die zollrechtliche Lage primär unter dem Gesichtspunkt der Schadenskausalität zu beurteilen sein werden, über die Annahme eines Mitverschuldens und gegebenenfalls seines Ausmaßes aber noch keine bindende Rechtsansicht ausgesprochen ist.

Keinem der beiden Rekurse war stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte