OGH 6Ob582/93

OGH6Ob582/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Robert Eichmann, Dr.Helmut Valenta und Dr.Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei X*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hansjörg Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, wegen 250.000 S samt Nebenforderungen und Feststellung (Teilstreitswert 30.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den zum Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 7.Januar 1993, GZ 7 Cg 201/92-7, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 6.April 1993, AZ 3 R 52/93(ON 11), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird stattgegeben und der angefochtene Beschluß derart abgeändert, daß die Einreden des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit sowie der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückgewiesen werden.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 28.908 S bestimmten Kosten des Streites über die beiden Prozeßvoraussetzungen (darin enthalten an Umsatzsteuer 4.818 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine inländische Kommanditgesellschaft, die Beklagte eine deutsche Gesellschaft mbH. In der mit 10.Februar 1989 datierten Vertragsurkunde legten die Parteien unter anderem ihre Rahmenvereinbarung zu den von der Klägerin der Beklagten zu erteilenden Aufträgen zum Ausbau der von der Klägerin samt verschiedenen Bestandteilen beizustellenden Bootsrümpfe insbesondere durch den Einbau der Motoren und technischen Einrichtungen zu mustergemäßen Markenjachten fest. In dieser Urkunde sind einleitend die beiden Parteien jeweils mit ihrer Firma und ihrer Geschäftsanschrift bezeichnet. Vertragspunkt V enthält unter anderem folgende Regelung:

"Es gilt jeweils die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes des Auftraggebers...."

Die Klägerin fordert von der Beklagten Schadenersatz wegen behaupteter Vertragsverletzung und verbindet mit ihrem Leistungsbegehren ein die Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche Ansprüche aus deren Vertragsrücktritt betreffendes Feststellungsbegehren.

Diese auf den Vertrag vom 10.Februar 1989 gestützten Ansprüche machte die Klägerin mit einer im Juni 1992 bei dem inländischen Gericht eingebrachten Klage anhängig, in dessen Sprengel ihr in der Vertragsurkunde genannter Sitz gelegen ist. Dabei stützte sich die Klägerin auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes sowie - auf die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit sowie des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit hin - in der abgesonderten Verhandlung über diese Prozeßeinreden auch auf die urkundlich niedergelegte Gerichtsstandsvereinbarung.

Die Beklagte vertrat dazu die Auffassung, der Gerichtsstandsvereinbarung gebreche es mangels namentlicher Nennung des für die Gerichtszuständigkeit maßgebenden Ortes an der gesetzlich geforderten Bestimmtheit.

Das Prozeßgericht erster Instanz verneinte eine urkundlich nachgewiesene Vereinbarung des Erfüllungsortes ebenso wie eine wirksame Vereinbarung auf die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichtes und damit auch das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit, weil es mangels einer von der Beklagten im Inland auszuführenden Tätigkeit auch sonst an einer hinreichenden Nahebeziehung zum Inland fehle.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dazu sprach es aus, daß eine Anfechtungsvoraussetzung imSinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Das Rekursgericht erachtete zwar die Benennung des (nicht am Gerichtsort, aber im Sprengel des angerufenen Gerichtes gelegenen) Sitzes einer Prozeßpartei in der Urkunde mit der Klausel der Vereinbarung auf das für diese Partei zuständige Gericht für hinreichend, wertete aber das verschiedenen denkmöglichen Auslegungen zugängliche Wort "jeweils" als ein der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung abträgliches Ungewißheitselement. Damit hielt das Rekursgericht trotz des von ihm hervorgehobenen grundsätzlichen Vorranges der Prozeßvoraussetzung "inländische Gerichtsbarkeit" vor jener der örtlichen Zuständigkeit eine weitere Auseinandersetzung mit der inländischen Zuständigkeit für entbehrlich.

Die Klägerin ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit einem auf Verwerfung der erhobenen Prozeßeinreden zielenden Abänderungsantrag an.

Die Beklagte verneint das Vorliegen einer Rechtsmittelvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO und strebt im übrigen die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt:

Vorweg ist die inländische Gerichtsbarkeit im Sinne der inländischen Zuständigkeit als selbständige, allgemeine Prozeßvoraussetzung zu prüfen. Diese Prozeßvoraussetzung ist ausschließlich nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht zu beurteilen. Für allgemein-vermögensrechtliche Streitigkeiten fehlt es derzeit an positiv-gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen, unter denen solche Streitigkeiten mit sachlicher oder persönlicher Auslandsbeziehung von den inländischen Gerichten zu entscheiden sind. Die Voraussetzungen der vom Verfahrensgesetzgeber zwar vorausgesetzten, von ihm aber weitestgehend ungeregelt gelassenen inländischen Zuständigkeit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten sind daher mit den anerkannten Mitteln der Lückenfüllung zu gewinnen. Aus den positiv-rechtlichen innerstaatlichen Regelungen der internationalen Zuständigkeit auf Teilgebieten kann nicht viel mehr, aber auch nicht weniger abgeleitet werden, als daß für die Bejahung der inländischen Zuständigkeit eine berücksichtigungswürdige Inlandbeziehung des Verfahrensgegenstandes oder der Parteien erforderlich ist. Dieser Grundsatz muß auch für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit in vermögensrechtlichen Angelegenheiten uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Das gebietet nicht nur eine sinnvolle Beschränkung der staatlichen Aufgaben aus organisatorischen und Kostengründen, sondern auch die Rücksichtnahme auf die Akzeptanz der typischerweise Angehörige ausländischer Staaten treffenden innerstaatlichen Regelungen durch diese Staaten, nicht zuletzt um mögliche Retorsionen zu vermeiden, von denen vor allem wieder Inländer betroffen würden.

Die für die positive Umschreibung der inländischen Zuständigkeit zu fordernde Inlandsbeziehung kann entweder in einer Ortsgebundenheit der Parteien oder in einer Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes gelegen sein (vgl EvBl 1993/93).

Im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung auf das Gericht, in dessen Sprengel der Kläger kraft Sitzes oder Wohnortes seinen allgemeinen Gerichtsstand begründet hat, darf die darin gelegene Parteieneinigung auf die Streitschlichtung durch die Behörden eines bestimmten Staates nicht zu einer Beeinträchtigung der Interessen dieses Staates durch Belastung mit Angelegenheiten führen, an deren Regelung kein einleuchtendes Interesse erkennbar ist.

In der Parteienvereinbarung auf die Prozeßführung vor einem bestimmten inländischen Gericht liegt eine Unterwerfung unter die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte, die aber nur unter der Voraussetzung einer hinreichenden Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder Parteien anzuerkennen ist. Als solche Inlandsbeziehung genügt regelmäßig der im Inland gelegene - den allgemeinen Gerichtsstand begründende - Sitz oder Wohnort der klagenden Partei.

Eine derartige, zu einem sogenannten Aktivgerichtsstand führende örtliche Anknüpfung an den Sitz oder Wohnort des Klägers ist in verschiedenen internationalen Verträgen in Spezialfällen anerkannt.

Sie berücksichtigt das verfahrensrechtliche Interesse der im Inland ansässigen klagenden Partei, ohne die grundsätzlich vorrangig zu beachtenden verfahrensrechtlichen Interessen der beklagten Partei zu verletzen, weil diese vertraglich auf die ihr im Regelfall zuzubilligenden Vorteile aus einer Prozeßführung an dem für ihren Sitz oder Wohnort zuständigen Gericht verzichtet hat.

Ein solcher, unter Kaufleuten grundsätzlich anzuerkennender verfahrensrechtlicher Verzicht läßt die örtliche Anknüpfung an die entsprechenden für die andere Prozeßpartei bestimmenden örtlichen Umstände im Regelfall (wenn nicht vom Streitgegenstand her eine beherrschende Ortsbezogenheit vorliegt) nicht als unsachlich erscheinen, hängt es doch vielfach oft nur am Zuvorkommen ab, ob ein bestimmter Streitfall von der einen oder anderen Partei zum Anlaß einer Klagsführung genommen wird.

Bei der Beurteilung der Frage, wie weit und unter welchen Voraussetzungen eine Parteienvereinbarung auf die internationale Zuständigkeit beachtlich sein kann, dürfen auch Regelungen nicht außer acht bleiben, die in internationalen Verträgen enthalten sind, die die Republik zwar bereits unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat. Im gegebenen Zusammenhang ist dabei auf das sogenannte Luganer Abkommen vom 16.September 1988 und dessen Art 17 Abs 1 hinzuweisen.

Soweit aber positiv-rechtliche Regelungen fehlen, ist in allgemeinen vermögensrechtlichen Angelegenheiten die vertragliche Unterwerfung einer Prozeßpartei unter die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die andere Prozeßpartei (die klagende) ihren allgemeinen Gerichtsstand begründet hat, nicht als unbeachtliche Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit zu werten, sondern als sachlich gerechtfertigte Unterwerfung unter die internationale Zuständigkeit der Gerichte, in der wenigstens einer der Streitteile seinen Handlungsmittelpunkt hat.

Aus dieser Überlegung hängt das Vorliegen beider von der Beklagten bestrittenen Prozeßvoraussetzungen, sowohl die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte als auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes, von der Wirksamkeit der in die Vertragsurkunde aufgenommenen Gerichtsstandsklausel ab.

Eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des § 104 Abs 1 JN bedarf zu ihrer erforderlichen Bestimmtheit der namentlichen Anführung des Ortes, dessen Lage für die Gerichtszuständigkeit bestimmend sein soll. Dazu reicht es aber hin, daß sich im Falle einer Gerichtsstandsklausel diese örtliche Bestimmung aus der Gesamtheit der Urkunde zweifelsfrei ergibt. Die Einigung auf das für eine Vertragspartei zuständige Gericht ist daher wirksam, wenn sich die für die Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblichen örtlichen Umstände aus der Urkunde selbst - entweder durch die Bezeichnung der Vertragsparteien im Kopf oder im Zuge der Unterfertigung - mit der gebotenen Eindeutigkeit ergeben (vgl ZfRV 1992/23).

Die Formulierung im Punkt 5 des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrages, es gelte jeweils die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes des Auftraggebers, läßt entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes keine unterschiedlichen, zur Undeutlichkeit des Urkundeninhaltes führende Auslegungsmöglichkeiten zu:

"Jeweils" kann im gegebenen Zusammenhang lediglich im Sinne von "auf jeden Fall" oder "immer", nämlich nicht nur für Klagen der Auftragnehmerin gegen die Auftraggeberin, sondern auch umgekehrt für Klagen der Auftraggeberin gegen die Auftragnehmerin, verstanden werden, nicht aber als Verweisung auf die "jeweilige" örtliche Zuständigkeit des Gerichtes des Auftraggebers, weil ein solcher Sinn nach der grammatikalischen Auslegung durch die zu prüfende Klausel nicht gedeckt wäre.

Aus dieser Erwägung sind die Einwendungen des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zu verwerfen.

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses war die angefochtene Rekursentscheidung in diesem Sinn abzuändern.

Das Prozeßgericht erster Instanz wird sein Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des in abgesonderter Verhandlung geführten Streites über die Prozeßeinreden beruht auf den §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.

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