Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Text
Begründung
Die beiden pflegebefohlenen Mädchen sind Schülerinnen. Die ältere wurde am *****, die jüngere am ***** geboren. Die im Januar 1975 geschlossene Ehe ihrer Eltern ist seit Juni 1987, dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles, aufgelöst. Die Kinder blieben in der alleinigen Obsorge der Mutter. Die Unterhaltszahlungsverpflichtungen des Vaters gegenüber den beiden Mädchen wurden mit pflegschaftsgerichtlichem Beschluß vom 15. Juli 1987 in der damals vom Vater zugestandenen Höhe von 1.500,-- S monatlich festgesetzt. Den Kindern werden auf die beschlußmäßig festgesetzten Unterhaltszahlungspflichten des Vaters seit dem Jahr 1985 Vorschüsse nach dem UVG gewährt.
Nachdem dem Vater im Scheidungsverfahren durch einstweilige Verfügung Unterhaltszahlungen an seine Frau und die beiden Kinder auferlegt worden waren, kündigte er sein Dienstverhältnis als Hilfsarbeiter auf, bezog ab Mitte März 1985 Arbeitslosengeld und seit 22. Oktober 1985 Notstandshilfe. Er geht keiner im Inland versicherungspflichtigen Beschäftigung nach, ist unsteten Aufenthaltes, hielt die Kontrollmeldungen beim Arbeitsamt nur sehr unregelmäßig ein und wird vom Arbeitsamt auf Grund seiner äußeren Erscheinung, der ihm drohenden Pfändungen und der während seiner fünfjährigen Arbeitslosigkeit eingetretenen Arbeitsentwöhnung als praktisch unvermittelbar eingeschätzt; dabei geht das Arbeitsamt von einem mangelnden Arbeitswillen des nunmehr 36 Jahre alten, zuletzt als Hilfsarbeiter beschäftigten Arbeitslosen mit unstetem Aufenthalt aus.
Der Vater ist zwar im Inland wohnhaft gemeldet, hält sich an der angegebenen Adresse aber praktisch nie auf, lebt vielmehr hauptsächlich in Ungarn und kommt nur zur Behebung der Notstandshilfe ins Inland.
Zur Kündigung des Dienstverhältnisses hatte das Gericht im Scheidungsverfahren festgestellt, daß der Unterhaltspflichtige diese für den Fall, zu Unterhaltszahlungen verpflichtet zu werden, drohend vorangekündigt und auch prompt vollzogen hatte.
Die pflegebefohlenen Kinder stellten im Februar 1990 den Antrag, mit Wirkung ab 1. Januar 1990 die monatliche Unterhaltsverpflichtung jeweils auf 2.730,-- S zu erhöhen.
Das Pflegschaftsgericht erkannte nach diesem Begehren.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Beide Vorinstanzen legten der durch die altersbedingte Bedürfnissteigerung der Minderjährigen gerechtfertigten Neubemessung nicht den tatsächlichen Bezug des Vaters an Notstandshilfe, sondern ein bei zielbewußtem Einsatz der Arbeitskraft als erzielbar angenommenes - allerdings nicht beziffertes - fiktives Einkommen zugrunde.
Der Vater erhebt gegen die bestätigende Rekursentscheidung einen außerordentlichen Revisionsrekurs, erachtet die Anspannung als unzulässig und im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung und stellt einen auf Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag, hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Das Rechtsmittel ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit Arbeitsunwilligkeit trotz bestehender Arbeitsfähigkeit und entsprechender Arbeitsmarktlage Voraussetzung für die Ausmittlung eines Unterhaltsanspruches auf der Grundlage dessen ist, was der Unterhaltspflichtige bei pflichtbewußtem Einsatz seiner Arbeitskraft - im Sinne der sogenannten Anspannung - erwerben könnte, hat das Gericht diese Voraussetzungen unabhängig von der Beurteilung derselben Voraussetzungen in einem anderen, insbesondere einem Verwaltungsverfahren, selbständig zu beurteilen. So könnte in der Bejahung der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitswilligkeit eines Arbeitslosen durch die nach dem AlVG zuständigen Behörden als Voraussetzung für eine Leistungsgewährung nach dem genannten Gesetz nicht mehr als ein Indiz für das Vorliegen der Anspannungsvoraussetzungen, aber keinesfalls eine das Gericht bei seiner Entscheidung bindende Beurteilung gelegen sein.
Die im außerordentlichen Revisionsrekurs zitierten zweitinstanzlichen Entscheidungen betreffen entweder andere Fälle (EFSlg 50.378 - Sozialhilfe) oder sind durch einen Rechtsprechungswandel überholt (EFSlg 35.222, 47.469 durch EFSlg 53.782, 59.515; EFSlg 47.486 des Oberlandesgerichtes Wien stimmte noch mit der früheren Auffassung des Landesgerichtes für ZRS Wien überein).
Der auf die ältere Rechtsprechung des Landesgerichtes für ZRS Wien gestützten Kommentarmeinung von H.Pichler (Rummel ABGB2 § 140 Rz 6) vermag sich in der dort zum Ausdruck gebrachten Allgemeinheit der erkennende Senat nicht anzuschließen.
Im vorliegenden Fall hat nicht zuletzt das Arbeitsamt selbst in seiner Mitteilung an den Unterhaltssachwalter vom 12. Februar 1990 die Folgerung auf einen mangelnden Arbeitswillen des Arbeitslosen gezogen.
Die Tatsacheninstanzen haben aus den seinerzeitigen Erklärungen des Unterhaltspflichtigen und seinem diesbezüglich konsequenten jahrelangen Verhalten in logisch unanfechtbarer Weise das Fehlen eines Arbeitswillens beim Vater angenommen.
Die rekursgerichtliche Wertung, daß geradezu ein klassischer Fall für die nach § 140 Abs 1 ABGB gebotene Anspannung des Vaters vorliege, ist eine zutreffende unmittelbare Gesetzesanwendung, die in keinem erkennbaren Widerspruch zur jüngeren zweitinstanzlichen Unterhaltsbemessungsrechtsprechung steht.
Ergänzungsbedürftig sind die vorinstanzlichen Entscheidungsbegründungen lediglich in der Richtung, daß der Hinweis auf die Voraussetzungen der Anspannung des Unterhaltspflichtigen nicht der Offenlegung der Größenordnung dessen enthebt, was nach Ansicht des erkennenden Gerichtes der Unterhaltspflichtige bei pflichtgemäßer Ausnützung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage verdienen könnte.
Nur dann ist die weitere Beurteilung möglich, ob der auferlegte Unterhaltsbeitrag dem angemessenen Teilhaben entspricht und nur dann wird auch in Zukunft die Frage nach einer wesentlichen Änderung der Unterhaltsbemessungsgrundlagen zu beantworten sein.
Die vorinstanzlichen Entscheidungen leiden aber nicht an einem zur Verfahrensergänzung nötigenden Feststellungsmangel, sondern nur an einem auf Grund der Aktenlage zu behebenden Begründungsmangel, weil offensichtlich ist, was die Vorinstanzen zur antragsgemäßen Unterhaltserhöhung bestimmt hat: Die Höhe des Arbeitslosengeldes erlaubt den zuverlässigen Rückschluß auf die Höhe des vom Vater erzielbaren Einkommens, weil den ihm erbrachten Leistungen nach dem AlVG im Jahr 1985 rückrechenbar ein Monatslohn von knapp 15.000 S zugrundegelegt worden war, dessen Steigerung in der Zwischenzeit um 10 % eingeschätzt werden darf, sodaß die Annahme eines erzielbaren Arbeitseinkommens des Vaters von 16.500,-- S gerechtfertigt ist. Eine Unterhaltsleistung im Ausmaß von knapp 17 % dieser Bemessungsgrundlage für jedes der beiden Mädchen wird einem angemessenen Teilhaben im Sinn des § 140 Abs 1 ABGB durchaus gerecht.
Dem Revisionsrekurs mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben.
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