OGH 6Ob576/95

OGH6Ob576/9513.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden, widerbeklagten und gefährdeten Partei Klaudia S*****, vertreten durch Dr.Eduard Pranz ua Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte und widerklagende Partei sowie Gegner der gefährdeten Partei Ernst S*****, vertreten durch Dr.Stefan Gloß, Dr.Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Ehescheidung und einstweiliger Regelung der Benützung der ehelichen Wohnung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 15.März 1995, AZ 10 R 160/95 (ON 46), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 9.Jänner 1995, GZ 2 C 42/91 (2 C 43/91)-40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen den seit 1973 verheirateten Parteien ist seit 1991 über Klage und Widerklage ein Scheidungsverfahren anhängig. Der Ehe entstammen drei Kinder, zwei davon sind noch minderjährig. Ein Antrag der Frau, dem Mann zu verbieten, die eheliche Wohnung in St.Pölten zu betreten, wurde rechtskräftig abgewiesen (ON 6 und ON 17).

Am 4.11.1994 stellte die Frau den Antrag, ihr für die Dauer des anhängigen Scheidungsverfahrens sowie des anschließenden Aufteilungsverfahrens die eheliche Wohnung zur einstweiligen Benützung ausschließlich zuzuweisen und den Mann von der Benützung der Wohnung auszuschließen (ON 35). Der Mann habe zahlreiche Gegenstände aus dem gemeinsamen Vermögen aus der Wohnung entfernt. Ein Fernsehgerät und ein Spiegel seien wegen einer Steuerschuld des Antragsgegners vom Finanzamt gepfändet und verkauft worden. Der Antragsgegner beschimpfe und bedrohe die Frau vor den Kindern. Am 5.4.1994 habe er in der ehelichen Wohnung ebenfalls vor den Kindern dem in der Wohnung mit Zustimmung der Antragstellerin befindlichen Mag.Erich Zöchling Faustschläge versetzt. Die Kinder seien dadurch äußerst verängstigt und beunruhigt worden. Die Antragstellerin und die Kinder hätten einen dringenden Wohnbedarf an der ehelichen Wohnung. Der Beklagte selbst benötige diese nicht.

Der Mann sprach sich gegen diesen Antrag aus (ON 38). Er bestritt das ihm vorgeworfene Verhalten. Er sei auf die eheliche Wohnung angewiesen und habe nur zwischenzeitig bei seinen Eltern Aufnahme gefunden.

Das Erstgericht gab dem Antrag der Frau statt. Es ging nach dem Parteivorbringen davon aus, daß die Benützung der Wohnung durch den Mann immer wieder Anlaß für Streitigkeiten und gerichtliche Auseinandersetzungen gewesen sei und bejahte ein Regelungsbedürfnis. Die Kinder sollten in der bisherigen Umgebung verbleiben. Da die Frau die Wohnung bisher "durchgehend bewohnt", der Mann aber sich dort nur zeitweise aufgehalten habe, entspreche die Zuweisung der Wohnung an die Frau der Billigkeit.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Mannes statt und wies den Antrag der Frau auf Zuweisung der ehelichen Wohnung zur ausschließlichen Benützung ab. Eine Benützungsregelung im Sinne des § 382 Abs.1 Z 8 lit.c erster Fall EO solle die reibungslose Durchführung der Ehetrennung ermöglichen und diene primär dem Persönlichkeitsschutz. Sie sichere nicht den Aufteilungsanspruch selbst. Der Antragsteller müsse einen Sachverhalt behaupten und bescheinigen, wonach die Sache, bezüglich der eine Benützungsregelung getroffen werden soll, der Aufteilung unterliege, daß die Benützung der Sache streitig und daß die Benützung für den Antragsteller notwendig sei, ferner, daß die Benützung der Sache vom anderen Teil verhindert werde. Der Sicherungswerber habe darüber hinaus ein Vorbringen über die Billigkeitsgrundsätze im Sinne des § 83 EheG zu erstatten. Im vorliegenden Fall fehle es an ausreichenden Behauptungen, in welcher Weise der Antragsgegner die Antragstellerin und die Kinder an der Benützung der von ihnen bewohnten Ehewohnung beeinträchtige.

Es liege zwar eine Rechtsprechung vor, wonach eine einstweilige Verfügung schon bei Bescheinigung des Regelungsbedürfnisses erlassen werden könne. Dieser Grundsatz, vertreten in der Entscheidung SZ 57/89, sei aber bei einem Sachverhalt ausgesprochen worden, wo der Gegenstand des Sicherungsantrages ein Zweitwohnsitz gewesen sei, welchen seit längerer Zeit die antragstellende Frau und das Kind allein benutzt hätten. Die bloße Bescheinigung des Regelungsbedürfnisses reiche hier aber nicht aus, weil der Mann so wie die Frau und die Kinder ebenfalls ein dringendes Wohnbedürfnis an der Ehewohnung habe. Man geriete in einen Wertungswiderspruch zu § 382 Abs.1 Z 8 lit.b EO, der sogenannten "Ausweisungs-EV". Für die Ausweisung eines Ehegatten aus der Ehewohnung fordere die ständige Rechtsprechung, daß der auszuweisende Ehepartner dem anderen Teil das weitere Zusammenleben unerträglich mache. Es liege auf der Hand, daß die von der Antragstellerin behaupteten Vorfälle eine solche Unerträglichkeit nicht begründen könnten.

Mit ihrem Revisionsrekurs strebt die Frau die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses an.

Der Antragsgegner beantragt, dem Revisionsrekurs nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren oder einem Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG kann eine einstweilige Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens einschließlich der Ehewohnung erfolgen (§ 382 Abs.1 Z 8 lit.c EO). Die Regelung soll den Anspruch auf wechselseitige Wahrung persönlichkeitsbezogener Interessen der Ehegatten während der Zeit der erforderlichen Trennung ihrer zuvor gemeinsamen Lebensbereiche sichern. Die Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten zur alleinigen Benützung setzt ein dringendes Wohnbedürfnis eines Teils voraus, weiters den Umstand, daß der andere Teil das weitere Zusammenleben unter dem Gesichtspunkt einer Auflösung der gemeinsamen Lebensbereiche im partnerschaftlichen Sinn unerträglich macht. Unter "Unerträglichkeit" ist ein Zustand zu verstehen, der das Leben, die körperliche und seelische Gesundheit, die Freiheit, die Ehre oder in größerem Ausmaß das Vermögen ernstlich bedroht und deshalb umgehend geändert werden muß. Ob das Zusammenleben unerträglich ist, hängt vom Ausmaß, der Häufigkeit und der Intensität der Beeinträchtigung des Ehegatten, der gefährdet zu sein behauptet, ab (1 Ob 608/93 mwN).

Es kann dem Rekursgericht zugestimmt werden, daß zumindest dann, wenn beide Ehepartner ein dringendes Wohnbedürfnis an der Ehewohnung haben, ein bloßes Regelungsbedürfnis wegen (nicht besonders schwerwiegender) Streitigkeiten der Eheleute die sicherungsweise einstweilige Zuweisung der Ehewohnung an einen Teil zur alleinigen Benützung noch nicht rechtfertigt. Eine solche Zuweisung schließt den anderen Teil von der Ehewohnung aus und kann sogar mit einem Betretungsverbot verbunden werden (SZ 58/68), kommt also einem Auftrag zum Verlassen der Ehewohnung im Sinne des § 382 Abs.1 Z 8 lit.b EO gleich. Nach der zitierten Rechtsprechung wird daher auch im Fall der Benützungsregelung nach § 382 Abs.1 Z 8 lit.c EO die (weitere) Bescheinigung gefordert, daß der Antragsgegner das Zusammenleben unerträglich mache.

Das Gericht erster Instanz hat ausgehend von seiner Rechtsansicht, daß bloß ein Regelungsbedürfnis nachzuweisen sei und daß dieses schon nach den Parteibehauptungen zu bejahen sei, über die Antragsbehauptungen der Frau keine Feststellungen getroffen. Das Rekursgericht hat die Antragsbehauptungen dahin beurteilt, daß keine unerträglichen Zustände behauptet worden seien. Dieser Ansicht ist beizupflichten.

Die Frau hat die Entfernung gemeinsamer (also im Miteigentum stehender oder doch zumindest der Aufteilung unterliegender) Sachen durch den Mann, strafrechtlich relevante Tätlichkeiten des Mannes gegenüber einem Dritten und ganz allgemein Beschimpfungen und Bedrohungen der Frau durch den Mann vor den Kindern behauptet, weiters auch die Pfändung und Versteigerung von gemeinsamen Sachen wegen Schulden des Mannes. Aus diesem behaupteten Sachverhalt läßt sich die erforderliche Unerträglichkeit der weiteren gemeinsamen Benützung der Ehewohnung nicht ableiten. Die Behauptungen über das Verbringen von Sachen aus der Ehewohnung lassen eine Gefahr für das Vermögen in größerem Ausmaß nicht erkennen. Die Behauptung über Beschimpfungen und Bedrohungen ist zu allgemein, es wird dazu keinerlei konkreter Sachverhalt behauptet, wann, wie oft, auf welche Weise und unter welchen näheren Umständen der Mann die Frau beschimpft oder bedroht haben sollte. Hinsichtlich der behaupteten Bedrohung bleibt völlig offen, ob damit ein strafrechtlicher Sachverhalt gemeint ist oder aber eine bloße Unmutsäußerung im Zusammenhang mit einer Streitigkeit oder irgendeine andere hier nicht relevante Drohung mit an sich erlaubten Maßnahmen (beispielsweise mit einer Prozeßführung u.ä.).

Auch aus Streitigkeiten des Mannes mit einem Dritten, der sich mit Zustimmung der Frau in der Ehewohnung aufhält, kann - wieder ohne nähere Sachverhaltsbehauptungen - eine Unerträglichkeit des weiteren gemeinsamen Wohnens der Eheleute nicht abgeleitet werden. Gleiches gilt für die behauptete Pfändung und Versteigerung von gemeinsamen Gegenständen wegen Schulden des Mannes.

Das Verfahren über den Sicherungsantrag nach § 382 EO richtet sich nach den Bestimmungen der EO (MGA EO13 § 382/304). Der Antragsteller hat alle für die Schlüssigkeit seines Sicherungsantrags maßgeblichen Umstände zu behaupten und zu bescheinigen. Unklarheiten in einem Exekutionsantrag gehen immer zu Lasten des betreibenden Gläubigers. Inhaltliche Mängel eines Exekutionsantrages sind der Verbesserung nicht zugänglich.

Dem Rekursgericht ist bei der Beurteilung, daß die Antragsbehauptungen zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs.1 Z 8 lit.c EO (wie sie nach der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung gefordert werden), nicht ausreichend seien, kein Rechtsirrtum unterlaufen. Da in dieser Frage keine über den Anlaßfall hinausreichende Bedeutung erkennbar ist, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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