Spruch:
Der Revisionsrekurs wird z u r ü c k g e w i e s e n .
Text
Begründung
Auf Anzeige der Rechtsanwaltskammer leitete das Bezirksgericht Bludenz gegen den nunmehrigen Rechtsmittelwerber ein Verfahren wegen Verdachtes der Winkelschreiberei ein. Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang, daß in fünf angezeigten Fällen der Tatbestand nach § 1 b der Justizministerialverordnung vom 8. Juni 1857, RGBl. Nr.114 nicht verwirklicht sei (Punkt 1) und daß das Verfahren (weil in den restlichen Fällen das Verfolgungshindernis der Verjährung anzunehmen sei) eingestellt werde (Punkt 2). Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung in Ansehung der fünf vom Erstgericht als verfolgbar angesehenen Fälle im Sinne eines verurteilenden Erkenntnisses ab, verhängte über den Beschuldigten eine Geldstrafe von S 5.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 6 Tagen und bestätigte im übrigen die erstinstanzliche Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens.
Die Rekursentscheidung wurde dem Vertreter des Beschuldigten am 26. März 1985 zugestellt. Am 9. April 1985 brachte der Beschuldigte in einer an das Rekursgericht adressierten Sendung einen Revisionsrekurs zur Postaufgabe.
Diese Sendung langte am 10. April 1985 beim Rekursgericht ein, wurde dort als 'Irrläufer' bezeichnet und an das Erstgericht weitergeleitet; dort langte die Rechtsmittelschrift am 11. April 1985 ein.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Rechtsmittel war verspätet.
Im gerichtlichen Verfahren zur Untersuchung und Bestrafung wegen Winkelschreiberei nach der Justizministerialverordnung vom 8. Juni 1857, RGBl. Nr.114, steht dem Beschuldigten gemäß Art. IV Z 5 zweiter Satz EGZPO gegen eine verurteilende Entscheidung 'der Rekurs nach Maßgabe der §§ 514
bis 528 ZPO zu'. Die Rechtsmittelfrist beträgt - mangels Vorliegens einer der Fälle des § 521 a ZPO - nach § 521 Abs 1 ZPO 14 Tage. Die Rekursfrist lief daher nach der am 26. März 1985 erfolgten Zustellung der Rekursentscheidung mit Ablauf des 9. April 1985 ab. Die Anwendung des § 89
GOG kommt dem Rechtsmittelwerber nicht zustatten, weil die Rechtsmittelschrift gemäß § 520 Abs 1 ZPO beim Erstgericht zu überreichen gewesen wäre, aber nicht an dieses, sondern an das Rekursgericht adressiert worden war und beim Erstgericht erst am 16. Tag nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung einlangte. Das Erstgericht hat das nach der geschilderten Aktenlage verspätete Rechtsmittel im Wege des Rekursgerichtes zur Vorlage gebracht. Aus diesem Anlaß hat das Rekursgericht seine Rekursentscheidung mit dem Ergänzungsbeschluß vom 16. April 1985 durch die Aussprüche ergänzt, daß der von der Abänderung betroffene Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden habe, S 15.000,-- übersteige, und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Rekursgericht verfügte unmittelbar die Zustellung seines Ergänzungsbeschlusses an den Vertreter des Rechtsmittelwerbers; ob diese Zustellung inzwischen auch tatsächlich bewirkt wurde, ist nicht aktenkundig. Auf Grund der dargestellten Verfahrenslage ist zu untersuchen, ob durch den rekursgerichtlichen Ergänzungsbeschluß neuerlich die Frist zur Anfechtung der abändernden Rechtsmittelentscheidung in Gang gesetzt worden und der erst am 16. Tag nach der Zustellung der ursprünglichen Entscheidungsausfertigung beim Erstgericht eingelangte Revisionsrekurs nun als rechtzeitig anzusehen sei:
Soweit die Ergänzung der angefochtenen Rekursentscheidung durch Aussprüche nach § 526 Abs 3 in Verbindung mit § 500 Abs 2 Z 1 und § 500 Abs 3
ZPO dem Gesetz nicht entsprochen haben sollte, müßte die Ergänzung für die Beurteilung der Anfechtungsfrist unbeachtlich bleiben. Die Rechtsprechaung hat vor dem Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 die Anwendbarkeit des Rechtsmittelausschlusses nach § 528 Abs 1 Z 5
ZPO auf (nicht bestätigende) verurteilende Rekursentscheidungen mit der Begründung verneint, daß der Beschwerdegegenstand nicht mit der Höhe der verhängten Geldstrafe gleichzusetzen, sondern in der Bestrafung wegen Winkelschreiberei zu erblicken sei; Fasching teilte diese Betrachtungsweise (Kommentar II, 17). Das nicht geldwerte Interesse an der Nichtverurteilung wurde als nicht bewertbar behandelt und die von einer Wertgrenze abhängige Rechtsmittelbeschränkung infolgedessen als unanwendbar erkannt. Diese Auslegung hielt der Oberste Gerichtshof auch nach dem Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 aufrecht (6 Ob 564/84).
Trifft aber die Ansicht zu, daß sich das Interesse an der Freiheit von einer gerichtlichen Verurteilung wegen Winkelschreiberei einer verfahrensrechtlich beachtlichen Bewertung entziehe, muß das für jede Wertgrenze gelten, also nicht nur für die in der Rechtsmittelbeschränkung nach § 528 Abs 1 Z 5 ZPO, sondern auch für die in der positiven Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzung nach § 528 Abs 2 in Verbindung mit § 502 Abs 4 Z 2 ZPO. Nach der hier vertretenen Auslegung sind daher im gerichtlichen Verfahren wegen Winkelschreiberei Aussprüche im Sinne des § 526 Abs 3 in Verbindung mit § 500 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO in einer nicht bestätigenden Rekursentscheidung unbeachtlich.
Ist nach dem Rechtsmittelsystem der Zivilprozeßordnung die
Anfechtung einer rekursgerichtlichen Entscheidung nicht nach § 528
Abs 1
ausgeschlossen, ist gemäß § 528 Abs 2 der Rekurs an den Obersten
Gerichtshof nur zulässig, wenn eine der Voraussetzungen des § 502
Abs 4
ZPO vorliegt. Im Falle der Unbewertbarkeit des
Beschwerdegegenstandes kommt nur die Voraussetzung nach § 502 Abs 4
Z 1 ZPO in Betracht.
Das bedeutet aber, daß im gerichtlichen Verfahren wegen Untersuchung
und Bestrafung der Winkelschreiberei in j e d e r nicht
bestätigenden (§ 528
Abs 1 ZPO) Rechtsmittelentscheidung des Gerichtes zweiter Instanz
ein Ausspruch nach § 526 Abs 3 in Verbindung mit § 500 Abs 3 ZPO
enthalten sein sollte.
Ein derartiger Ausspruch begründet aber - im Unterschied zu echten Rechtsmittelzulassungen durch das Gericht zweiter Instanz - die Anfechtungszulässigkeit nicht, sondern stellt sie nur in einer weder die Parteien noch den Obersten Gerichtshof bindenden Weise fest. Daraus folgt, daß im anhängigen Verfahren der abändernde Teil der Rekursentscheidung objektiv (unabhängig vom Ausspruch des Rekursgerichtes) nur unter der Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO anfechtbar sein konnte. Der vom Rekursgericht erst aus Anlaß der Rekursvorlage beigefügte Ausspruch nach § 526 Abs 3 in Verbindung mit § 500 Abs 3 ZPO hat an der Anfechtbarkeit der Rekursentscheidung nichts geändert und deshalb auch keine neue Rechtsmittelfrist in Gang setzen können.
Der erst am 16. Tag nach der Zustellung der Rekursentscheidung beim Erstgericht eingelangte Revisionsrekurs wurde durch die nachfolgende Ergänzung der Rekursentscheidung nicht zu einem rechtzeitigen Rechtsmittel.
Er war als verspätet zurückzuweisen.
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