Spruch:
Aus Anlaß des außerordentlichen Revisionsrekurses wird der Beschluß des Rekursgerichtes dahin abgeändert, daß der Rekurs des Magistrats der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie 6./7.Bezirk) gegen den Beschluß des Erstgerichtes zurückgewiesen wird.
Text
Begründung
Dem im Volksschulalter stehenden Kind wurde mit Beschluß vom 20. November 1987 für die Zeit vom 1.November 1987 bis 31. Oktober 1990 gemäß § 4 Z 3 UVG ein an seine nun obsorgeberechtigte Mutter zahlbarer Unterhaltsvorschuß gewährt. Der Vater befindet sich voraussichtlich bis Oktober 1992 in Strafhaft. Über Antrag der Mutter vom 19.Jänner 1988 wurde der Magistrat der Stadt Wien mit rechtskräftigem Beschluß vom 5. April 1988 erkennbar im Hinblick auf § 9 Abs 3 zweiter Satz UVG als Unterhaltssachwalter enthoben.
Am 25.September 1990 beantragte die Mutter die Weitergewährung des Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 3 UVG. Das Erstgericht gab dem Antrag mit Beschluß vom 22.Oktober 1990 für den Zeitraum vom 1. November 1990 bis 28.Februar 1991 statt; der Beschluß enthält nach Kopf, Spruch und Begründung unter "Wichtige Hinweise" unter anderem folgende Ausführungen:
"Vertreter des Kindes:
Dieser Beschluß wird dem Jugendwohlfahrtsträger die Mutter ... zugestellt. Dieser Jugendwohlfahrtsträger ist Sachwalter des Kindes zur Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche und allein berechtigt, das Kind in Angelegenheiten des Unterhaltes und der Unterhaltsbevorschussung zu vertreten. Sollten Sie finden, daß dieser Beschluß gegen die Interessen des Kindes verstößt, so wenden Sie sich bitte rasch an den genannten Jugendwohlfahrtsträger."
Nach den mehrseitigen "Wichtigen Hinweisen" folgt die Unterschrift der Rechtspflegerin und sodann die Rechtsmittelbelehrung.
Dem Rekurs des Magistrats der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie 6./7.Bezirk) mit dem Abänderungsantrag, auszusprechen, daß das Amt (für Jugend und Familie 6./7.Bezirk) nicht als Sachwalter des Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche einzuschreiten habe, weil es als solches mit Beschluß vom 5. April 1988 enthoben worden sei und auch derzeit zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes nichts beitragen könne, gab die zweite Instanz nicht Folge; den ordentlichen Revisionsrekurs ließ sie nicht zu. Nach der Rechtsauffassung der zweiten Instanz sei der Vollzug der Zustellung an einen Beteiligten kein einer Bekämpfung durch ein Rechtsmittel zugänglicher Vorgang. Die bekämpfte Entscheidung selbst enthalte in Übereinstimmung mit § 9 Abs 2 UVG keine Verfügung, wonach der Rekurswerber zum Einhebungskurator bestellt werde. Der "Wichtige Hinweis" sei nur eine an die Mutter als Zahlungsempfängerin gerichtete Belehrung, enthalte keine Entscheidung und greife daher in die Rechte des Rekurswerbers, der nach § 9 Abs 3 UVG einen Enthebungsantrag stellen könne, nicht ein. Schon deshalb sei der Rekurs mangels Beschwer zurückzuweisen. Dennoch wurde dem Rekurs nicht Folge gegeben, weil der Rekurswerber dem Erstgericht zum Vorwurf gemacht habe, daß der erstgerichtliche Beschluß nicht (sofort auch) die Enthebung (des Rekurswerbers als besonderer Sachwalter) ausgesprochen habe.
Aus Anlaß des nach § 15 Abs 3 UVG idF des Art III RRAG 1989 iVm § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 zulässigen außerordentlichen Revisionsrekurses des Magistrats der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie 6./7.Bezirk) ist die Entscheidung der zweiten Instanz im Sinne der Zurückweisung des an sie gerichteten Rechtsmittels abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 9 Abs 2 UVG idF des Art III Z 2 KindRÄG BGBl 1989/162 wird der (örtlich zuständige) Jugendwohlfahrtsträger - soweit er das Kind nicht ohnehin als Amtsvormund oder als besonderer Sachwalter (§§ 211, 213 ABGB) vertritt - mit der Zustellung des Beschlusses (vgl dazu auch Knoll, UVG in ÖA, § 9 UVG Rz 5), mit dem Vorschüsse gewährt werden, ex lege (SZ 59/98; EvBl 1982/53) Sachwalter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Das Rekursgericht hat zwar zutreffend erkannt, daß von einer mit Rechtsmittel anfechtbaren Verfügung iS des § 9 Abs 1 AußStrG nur dann gesprochen werden kann, wenn eine auf Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes vorliegt, somit eine rechtsändernde oder feststellende (deklarative Anordnung, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt (SZ 50/41 ua) und daß im vorliegenden Fall das Erstgericht in Ansehung der Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum besonderen Sachwalter keinen Entscheidungswillen zum Ausdruck gebracht, sondern mit dem "Wichtigen Hinweis" in den Gründen seiner Entscheidung bloß eine - nicht an den Rekurswerber gerichtete - Rechtsbelehrung ohne verfahrensgestaltende Wirkung gegeben hat, jedoch dennoch in der Sache selbst entschieden. Der "Wichtige Hinweis" ist kein Teil der anfechtbaren "Verfügung" des Erstgerichtes iS des § 9 Abs 1 AußStrG (vgl SZ 37/130; EvBl 1958/282 ua). Der Rekurs an die zweite Instanz war somit unzulässig.
Es bleibt dem Erstgericht unbenommen, bei bestehenden Zweifeln darüber, wer gesetzlich zur Vertretung des Kindes berufen ist, darüber (auch in feststellender Form) zu befinden. Eine solche Entscheidung muß aber, um anfechtbar zu sein, zumindest einen Entscheidungswillen des Gerichtes erkennen lassen; daran fehlt es im vorliegenden Fall.
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