Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Erblasserin ist am 12. Mai 1987 etwas mehr als drei Monate nach dem Eintritt ihres Witwenstandes im 76. Lebensjahr gestorben. Sie wurde einerseits von ihrer zum Todestag 42 Jahre alten Adoptivtochter und andererseits von ihrem damals 33 Jahre alten Ziehsohn und dessen um drei Jahre älteren Ehefrau überlebt. Die Erblasserin war gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann zu je einem Hälfteanteil Eigentümer von vier geschlossenen Höfen und mehreren walzenden Gütern.
In der Abhandlung nach ihrem vorverstorbenen Ehemann hatte die Erblasserin aufgrund einer letztwilligen Verfügung vom 16. März 1948 eine unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß abgegeben, ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis erstattet und mit ihrer Adoptivtochter über die Abfindung deren Pflichtteilsansprüche am 13. April 1987 vor dem Gerichtskommissär ein Übereinkommen getroffen, um deren höfebehördliche und grundverkehrsbehördliche Genehmigung die beiden Vertragsschließenden ansuchten. Es ist nicht aktenkundig, daß diese Genehmigungen bereits erteilt worden wären und die Abhandlung der Verlassenschaft nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin beendet wäre.
Die Erblasserin hatte nach dem Ableben ihres Ehemannes, aber noch vor der Protokollierung ihres Übereinkommens mit der Adoptivtochter am 4. März 1987 eine letztwillige Verfügung in der Form einer nicht eigenhändig geschriebenen, augenscheinlich von ihr selbst und drei Zeugen unterfertigten außergerichtlichen schriftlichen letztwilligen Erklärung getroffen.
15 Tage nach der Protokollierung ihrer mit der Adoptivtochter vor dem Gerichtskommissär getroffenen Vereinbarung hatte die Erblasserin eine mit 28. April 1987 datierte letztwillige Verfügung errichtet, die augenscheinlich von ihr selbst geschrieben und unterschrieben und überdies von drei Zeugen gefertigt worden war. Die am 4. März 1987 datierte letztwillige Verfügung, bei der als Testamentszeuge unter anderem der öffentliche Notar fungierte, der nun als Erbenvertreter der Adoptivtochter einschreitet, ist in drei Punkte gegliedert. Der erste Punkt enthält eine förmliche Außerkraftsetzung aller bisherigen letztwilligen Anordnungen. Nach dem zweiten Punkt vermachte die Erblasserin zwei geschlossene Höfe und einen dritten geschlossenen Hof ohne ein später im Übereinkommen mit ihrer Adoptivtochter genanntes Grundstück ihrem als Stiefsohn bezeichneten Ziehsohn und dessen Ehefrau. Sie verpflichtete diese Vermächtnisnehmer, die vermachten Liegenschaften dem Sohn der Bedachten zu übergeben, sobald dieses - am 7. Oktober 1980 geborene - Kind das 25. Lebensjahr vollendet haben werde, und belastete dieses Kind mit einer Geldzahlung an seine - am 21. Juli 1975 geborene - Schwester. Überdies verpflichtete die Erblasserin ihren Ziehsohn mit einer als Barentfertigung bezeichneten Zahlung von 100.000 S an eine von der Erblasserin als Stieftochter bezeichnete Person. Der dritte Punkt der letztwilligen Verfügung vom 4. März 1987 enthält folgende Erbseinsetzung: "Im übrigen setze ich meine Adoptivtochter.....zu meiner Erbin ein; sie
ist aber verpflichtet, meinem Stiefenkelsohn........einen Bauplatz
......zu übereignen......."
Nach dem Inhalt des Pflichtteilsregelungsübereinkommens vom 13. April 1987 sollte die Adoptivtochter jeweils die in die Verlassenschaft nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin gefallenen Hälfteanteil am gesamten aktenkundigen Liegenschaftsbesitz, soweit er nicht von der Vermächtnisanordnung im 9 Tage zuvor errichteten Testament erfaßt war, übereignet erhalten. Gleichzeitig schloß die Erblasserin mit ihrer Adoptivtochter auch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag, wobei die Gegenleistung der Erblasserin für den Verzicht ihrer Adoptivtochter in der Übereignung der der Erblasserin schon vor ihrem Witwenfall zugeschriebenen Hälfteanteil an jenen Grundstücken gelegen sein sollte, deren Hälfteanteile des verstorbenen Adoptivvaters sie als Pflichtteilsabfertigung erhalten sollte.
Die 15 Tage nach der Protokollierung des zwischen der Erblasserin und ihrer Adoptivtochter geschlossenen Vertrages errichtete letztwillige Verfügung vom 28. April 1987 hat folgenden Wortlaut:
"Ich .......erkläre vor 3 Zeugen, daß ich meinen derzeitigen
Besitz, nach meinem Ableben, meinen Ziehsohn.... und dessen
Ehefrau.....vermache."
Außer dem Liegenschaftsbesitz ist kein nennenswertes Verlassenschaftsvermögen aktenkundig.
Die Adoptivtochter gab aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 4. März 1987 zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab. Der Ziehsohn und dessen Ehefrau erklärten sich aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 je zur Hälfte des Nachlasses unter der Rechtswohltat des Inventars zu Erben. Nach Abgabe dieser Erbserklärungen gaben sowohl der anwaltliche Vertreter des Ziehsohnes der Erblasserin und dessen Ehefrau als auch der Erbenvertreter der Adoptivtochter zum Wesen und Inhalt der letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 Erklärungen zu Protokoll. Hierauf faßte das Abhandlungsgericht ohne weitere Vernehmung der Parteien den in vier Punkte gegliederten Beschluß vom 28. Dezember 1987, ON 30: Es nahm die Erbserklärung der Adoptivtochter (Punkt 1) und ebenso die des Ziehsohnes und dessen Ehefrau (Punkt 2) zu Gericht an, wies der Adoptivtochter die Klägerrolle - im Sinne des § 125 AußStrG - zu (Punkt 3) und bestimmte die Frist zur Einbringung der Erbrechtsklage mit drei Monaten (Punkt 4).
Dabei folgerte das Erstgericht in rechtlicher Beurteilung, mit ihrer letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 habe die Erblasserin über ihren gesamten Besitz verfügt, ihre Anordnung könne damit als Testament angesehen werden. Der Ziehsohn und dessen Ehefrau stützten sich bei ihren mit jener der Adoptivtochter im Widerspruch stehenden Erbserklärungen auf das jüngere Testament und damit auf den stärkeren Titel. Deshalb sei der Adoptivtochter die Klägerrolle zuzuweisen.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es billigte nicht nur die Annahme der vom Ziehsohn und dessen Ehefrau aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 abgegebenen Erbserklärungen, sondern auch die Zuweisung der Klägerrolle an die Adoptivtochter und die Bestimmung der Klagsfrist mit drei Monaten. Dazu führte das Rekursgericht aus, die Erblasserin habe nach dem Wortlaut ihrer Anordnung in dem mit 28. April 1987 datierten eigenhändigen Aufsatz über ihren gesamten "derzeitigen Besitz" eine letztwillige Regelung zugunsten der von ihr Bedachten getroffen und damit ungeachtet des von ihr gebrauchten Ausdruckes "vermachen" und ungeachtet des Fehlens einer formellen Erbseinsetzung der Sache nach ein Testament errichtet. Der Mangel einer formellen Erbeneinsetzung und das Fehlen eines formellen Widerrufes ihres acht Wochen zuvor errichteten Testamentes begründeten keine so gewichtigen Bedenken gegen die Testamentseigenschaft der letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987, als daß diese Verfügung gegenüber dem älteren Testament als schwächerer Titel anzusehen wäre. In verfahrensrechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die erbansprechenden Parteien hätten Gelegenheit gehabt, vor dem Gerichtskommissär jeweils zu der der eigenen Erbserklärung im Widerspruch stehenden Erbserklärung und den dabei in Anspruch genommenen Berufungsgründen Stellung zu nehmen und hätten davon auch durch ihre Vertreter Gebrauch gemacht. Damit sei der Zweck einer nach § 125 AußStrG vorgesehenen Vernehmung der Parteien erfüllt. Die Frist zur Anbringung der Erbrechtsklage beginne auch ohne diesbezüglichen Ausspruch erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des Fristfestsetzungsbeschlusses, im übrigen wäre sie als richterliche Frist erstreckbar.
Die Adoptivtochter ficht die bestätigende Rekursentscheidung wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit mit einem auf Zurückweisung der vom Ziehsohn und dessen Ehefrau abgegebenen Erbserklärungen zielenden Abänderungsantrag, einem auf Zuweisung der Klägerrolle an diese zielenden hilfsweisen Abänderungsantrag und einem Eventualaufhebungsantrag an.
Die Rechtsmittelwerberin erachtet die Deutung der letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 als eines Testamentes mit Erbseinsetzung wegen Verstoßes gegen die Auslegungs- und Sprachregeln als offenbar gesetzwidrig. Überdies rügt sie, daß vor der Entscheidung über die Zuweisung der Klägerrolle von der nach § 125 AußStrG zwingend vorgeschriebenen Vernehmung der Parteien nicht hätte abgesehen werden dürfen.
Rechtliche Beurteilung
Der im Revisionsrekurs genannte Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit ist nicht schlüssig ausgeführt. Die Rechtsmittelausführungen lassen sich auch keinem anderen im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgrund unterordnen. Mangels Ausführung eines nach der genannten Gesetzesstelle beachtlichen Anfechtungsgrundes ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Die Annahme der vom Ziehsohn und dessen Ehefrau aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 abgegebenen Erbserklärungen entspricht den in den §§ 122 und 125 AußStrG ausgesprochenen Regelungen. Aus dem Inhalt der erwähnten letztwilligen Verfügung allein, aber auch aus der zeitlichen Abfolge der Errichtung des Testamentes vom 4. März 1987, der Protokollierung des Übereinkommens vom 13. April 1987 und der Errichtung der letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 und den sich daraus ergebenden inhaltlichen Bezügen kann vom abhandlungsgerichtlichen Standpunkt ungeachtet des bei der Formulierung der letztwilligen Anordnung vom 28. April 1987 gebrauchten Wortlautes nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Anordnungsabsicht der Erblasserin bei der Abfassung ihrer Verfügung vom 28. April 1987 auf eine umfassende Rechtsnachfolgeregelung in ihr gesamtes - nach den vertraglichen Regelungen mit ihrer Adoptivtochter zur unbeschränkten letztwilligen Verfügung verbliebenes - Vermögen für den Fall ihres Todes gerichtet gewesen wäre. Auch bei einschränkender Auslegung des § 122 AußStrG nach dem Zweck dieser Regelung kann die Annahme der vom Ziehsohn und seiner Ehefrau abgegebenen Erbserklärungen nicht offenbar gesetzwidrig sein.
Ist aber nach der vom Abhandlungsgericht bei der Entscheidung über die Annahme von Erbserklärungen gebotenen eingeschränkten Prüfung eine wirksame Berufung der Erbansprecher zur erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge nicht von vornherein auszuschließen, muß auch bei der Zuweisung der Klägerrolle gemäß § 125 AußStrG von dieser Grundlage ausgegangen werden. Sollte die vom Ziehsohn und dessen Ehefrau bei der Abgabe ihrer Erbserklärungen unterstellte Erbseinsetzungsabsicht der Erblasserin im Rechtsstreit nicht widerlegt werden, erschiene die Erbseinsetzung der Rechtsmittelwerberin im Testament vom 4. März 1987 nach der Regel des § 713 ABGB aufgehoben. Die Zuweisung der Klägerrolle nach § 125 AußStrG hat die Lösung der Streitfragen, die den zentralen Gegenstand des Erbrechtsstreites zu bilden haben, nicht vorwegzunehmen. Sie ist nach ihrer beschränkten Aufgabe andererseits in diesem Sinne auch in keiner Weise präjudiziell.
Die Vorinstanzen haben die im Rechtsstreit zu klärende Frage der von der Erblasserin bei Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung vom 28. April 1987 verfolgten Regelungsabsicht bei der Zuweisung der Klägerrolle bewußt außer Ansatz gelassen und aufgrund der gesetzlichen Regelung nach § 713 ABGB den zeitlich späteren Titel gegenüber dem zeitlich vorangegangenen im Sinne des § 126 Abs 2 AußStrG als stärker beurteilt. Auch in diesem Punkt lassen die Rechtsmittelausführungen eine schlüssige Ableitung des Vorwurfes einer offenbaren Gesetzwidrigkeit, nämlich eines augenfälligen Verstoßes gegen eine positive Gesetzesanordnung oder gegen
feststehende Rechtsanwendungs- und Auslegungsgrundsätze, vermissen.
Die Bemängelung, das Erstgericht habe vor seiner Entscheidung
über die Zuweisung der Klägerrolle von einer formellen Vernehmung beider Teile abgesehen, betrifft einen vermeintlichen Verfahrensverstoß. Solche Verstöße stellen aber im Rahmen der nach § 16 Abs 1 AußStrG bezeichneten Rechtsmittelgründe nur soweit einen tauglichen Anfechtungsgrund dar, als der behauptete Verstoß Nichtigkeit begründete. Die Parteien hatten vor der erstrichterlichen Entscheidung über die Zuweisung der Klägerrolle Gelegenheit, ihren Standpunkt zu den ihnen für die Entscheidung nach § 125 AußStrG erheblich scheinenden Umstände vorzubringen und haben diese Gelegenheit auch genützt. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher keine Rede sein. Eine derartige Nichtigkeit wird auch nicht gerügt.
Auch die Verfahrensrüge führt daher keinen nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrund aus.
Der Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen zurückzuweisen.
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