Spruch:
Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.
Die Entscheidung über die Rekurskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Begründung
Am 14. Juli 1974 stürzte eine im Sturm gebrochene Pappel auf das im Eigentum der Klägerin stehende Gebäude in R***** und beschädigte es. Dieser Baum stand jenseits des zwischen den Anwesen der Streitteile verlaufenden öffentlichen Weges vor dem als „K*****" bezeichneten Anwesen der Beklagten in R*****.
Die Kläger begehrten Ersatz für die Instandsetzung ihres Gebäudes. Sie machten die Beklagte als Eigentümerin des Baumes mit der Begründung haftbar, dass die alte Pappel seit langer Zeit morsch gewesen sei und eine erkennbare Gefahr dargestellt habe; die Beklagte habe sich im Jahre 1962 aber entgegen einer zunächst erteilten Zusage einer wegen des schlechten Zustandes des Baumes geforderten Fällung widersetzt und bis zum Schadenstag zur Beseitigung der Gefahr unternommen. Der abgebrochene Baum sei einer der drei allgemein als „Kaiserpappeln" benannten Bäume gewesen, die auf einem zwischen dem öffentlichen Weg und dem sogenannten K***** gelegenen schmalen Grünstreifen standen, der seit mehr als 40 Jahren von den Besitzvorgängern der Beklagten und von dieser selbst wie von Eigentümern genützt und verteidigt worden sei. Auf Veranlassung der Besitzvorgänger der Beklagten sei auch eine Hauptwurzel des Baumes abgehackt worden. Die Kläger qualifizierten den ihr Begehren stützenden Haftungsgrund in der Klage nicht, beriefen sich aber im Zug des Rechtsstreites ausdrücklich auch auf die Rechtsgründe nach § 1319 ABGB und § 364b ABGB.
Die Beklagte bestritt ihre Haftung dem Grund nach mit der Begründung, dass die Pappel auf öffentlichem Grund gestanden sei; sie habe daher in Ansehung dieses Baumes keinerlei Obsorgepflicht getroffen. An dem an die Fahrbahn anschließenden Teil der Wegparzelle haben ihre Besitzvorgänger nur Anliegerechte ausgeübt; die Beklagte bestritt damit ihre fehlende passive Legitimation. Davon abgesehen wendete sie ein, dass die Pappel ausschließlich infolge eines außerordentlichen, nicht vorhersehbaren Naturereignisses, nämlich eines orkanartigen Sturmes, wie er seit Jahrzehnten in der betreffenden Gegend nicht beobachtet worden sei, gebrochen sei. Der alljährliche austreibende Baum sei weder dürr noch erkennbar morsch gewesen. Er sei auch nicht entwurzelt worden, sondern der Stamm sei gebrochen. Das Erstgericht verneinte jede Haftung der Beklagten und wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht bejahte die Ersatzpflicht der Beklagten und fasste einen Aufhebungsbeschluss, dem es einen Rechtskraftvorbehalt beisetzte.
Zur strittigen Haftungsgrundlage traf das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der auf das Gebäude der Kläger gestürzte Baum war eine Pyramidenpappel. Pyramidenpappeln sind Tiefwurzler. Der Baum war mindestens 80 Jahre alt und etwa 30 m hoch. Damit war sein Höhenwachstum abgeschlossen. Der Baum war wie zwei weitere, vor dem Anwesen der Beklagten stehende Pappeln belaubt. Sein maximaler Stammdurchmesser betrug 1,5 m. Der Stamm wies eine Neigung von 70 Grad bis 75 Grad Richtung Südost - und damit zu dem jenseits des Weges stehenden Gebäudes der Kläger - auf. Er folgte damit der Wachstumstendenz zum stärkeren Lichteinfall.
Der Stamm der Pappel brach in einer Höhe zwischen 1 m und 3 m über dem Erdboden. Nach diesem Ereignis war an der Bruchstelle erkennbar, dass der Stamm mit Ausnahme eines etwa 20 cm starken Außenbereiches durch Pilzbefall zerstört war. In Fachkreisen ist bekannt, dass Pyramidenpappeln mit zunehmendem Alter besonders pilzgefährdet sind und dass es deshalb auch häufig zu Windbrüchen kommt. Die natürliche Astreinigung älterer Pappeln, deren Holz auch am Stamm zunehmend spröder wird, betrifft nur kleiner Äste mit Durchmessern von wenigen Zentimetern. Der Pilzbefall der abgebrochenen Pappel konnte durch Wunden am Stamm, an den Wurzeln oder an Astabbruchstellen erfolgt sein. Beim Pilzbefall durchzieht das Pilzmyzel in der Form von dichten weißen Streifen im Lauf weniger Jahre das Holz und bewirkt eine Zersetzung der Holzsubstanz. Äußerlich bilden sich dabei nur ganz selten und auch meist nur im höheren Teil des Stammes graue bis schwarze Fruchtkörper. Erst eine fortgeschrittene Weißfäulebildung ist äußerlich an eventuell vorhandenen Astabschnitten am Stamm erkennbar. Für einen Laien ist der Pilzbefall kaum feststellbar. Selbst für einen Fachmann ist ein Pilzbefall optisch nicht gerade einfach zu erkennen. Zur sicheren Diagnose müsste Stamm und Wurzel angebohrt werden.
Die Pappel brach am 14. Juli 1974 während eines Sturmes, der in der Ortschaft R***** etwa 20 Bäume entwurzelte oder brach und der in seiner Heftigkeit mit keinem in den vorangegangenen 45 Jahren aufgetretenen Sturm bis zurück zu dem des Jahrs 1929 vergleichbar war.
Die abgebrochene Pappel stand in einer Entfernung von 70 cm zum nordöstlichen Rand der 1974 noch geschotterten (nun asphaltierten) Fahrbahn vor dem Grund der Beklagten - nach Mappen- und Planunterlagen - ebenso wie zwei weitere auf einer zum öffentlichen Weg (Grundstück 2170/4 der KatGem. Oberhaag) gehörenden Grasfläche. Die im Bereich der Pappel im Nordwesten an den Weg angrenzenden, zum Haus R***** gehörenden Grundstücke standen schon vor der Jahrhundertwende im Eigentum der Eltern der Beklagten. Diese übernahm die Liegenschaft. Im Jahr 1964 wurde die der Beklagten gehörende Liegenschaft an Ulrich und Frieda W***** verpachtet. Sowohl die Eltern der Beklagten als auch diese selbst und die Pächter mähten den muldenförmig vertieften Wiesenstreifen zwischen Fahrbahn und dem nun der Beklagten gehörenden Grund. Die Eltern der Beklagten und diese selbst lasen auch die von den Pappeln auf den erwähnten Grundstreifen herabgefallene Äste auf. Zumindest bis zum Jahr 1938 lagerte die Gemeinde zwischen der mittleren und der später abgebrochenen Pappel Schotter zur Ausbesserung des Weges. Weil Äste der mittleren Pappel auf das Dache des nun den Klägern gehörenden Anwesens scheuerten, entfernte zu Beginn der Fünfzigerjahre der damalige Ehemann der Beklagten bis zu einer Höhe von ungefähr 5 m die Äste der drei, in Anlehnung an den Hausnamen Kaiserpappeln genannten Bäume. Das dabei angefallene Schnittholz sammelten die Eltern der Beklagten ein. Schon vor dem zweiten Weltkrieg hatte ein Knecht namens Paul diese Bäume geschnitten. Der erwähnte Schwiegersohn der Eigentümer des K***** hackte auch zu Beginn der Fünfzigerjahre einen nach Norden verlaufenden Wurzel der später abgebrochenen Pappel ab. Er erwog, die Bäume überhaupt zu fällen, damit sie nicht etwa bei Sturm auf das Anwesen der Kläger fielen. Der Vater der Beklagten stimmte jedoch mit dem Hinweis, dass die Pappeln schon sehr lange stünden, ihrer Schlägerung nicht zu. Damals war nicht erkennbar, dass diese Bäume schlecht gewesen wären. Im Jahr 1962 suchten die Kläger wegen der Entfernung der 12 Jahre später abgebrochenen Pappel anwaltlichen Beistand. Die Mutter der Zweitklägerin besorgte, dass dieser Baum bereits teilweise entwurzelt sei. Die Beklagte teilte zwar diese Ansicht nicht, erklärte jedoch ihr Einverständnis zur Entfernung der Pappel, soweit ihr daraus kein Schaden erwüchse. Sie beanspruchte das Holz der Pappel nicht. Die Zweitklägerin und deren Mutter ersuchten am 31. Oktober 1962 auch die Gemeinde um Unterstützung, damit die Beklagte zur Wiederholung ihrer Zusage vorgeladen würde, dass die drei Pappeln auf Kosten der Eigentümer des Hauses R***** geschlägert werden dürften. Auf Vorladung erklärte die Beklagte auf dem Gemeindeamt nochmals ihr Einverständnis dazu, dass die Mutter der Zweitklägerin die Pappeln selbst oder durch Beauftragte auf ihr Risiko schlägere. Dem fügte die Beklagte jedoch bei, auf das Eigentum am Holz der Bäume nicht zu verzichten. Noch ehe es zu einer Schlägerung der Pappeln gekommen war, besannen sich die Eltern der Beklagten, nachdem diese eine Auskunft bei der Zweigstelle der Landwirtschaftskammer eingeholt hatte, eines anderen und untersagten wegen einer befürchteten Gefährdung ihrer eigenen Liegenschaft die Baumfällung. Das Erstgericht folgerte aus diesem Sachverhalt, dass bei der Beklagten und ihren Eltern als Rechtsvorgängern zwar objektive Kriterien einer Besitzausübung an der später abgebrochenen Pappel vorgelegen seien, dass sie sich bestenfalls als Besitzer gefühlt haben, weil sie über die Grenze zwischen ihrem Liegenschaftsbesitz und der öffentlichen Wegparzelle nicht Bescheid gewusst hätten, dass es ihnen aber am Besitzwillen gefehlt habe; überdies sei eine 40-jährige Ersitzungszeit im Hinblick auf die bis 1938 geübte Schotterablagerung im Jahr 1974 noch nicht erfüllt gewesen. Die Beklagte sei daher am Schadenstag nicht Eigentümer des schadensstiftenden Baumes gewesen. Schon deshalb fehle es an jeder Grundlage für eine Haftung der Beklagten.
Das Berufungsgericht erachtete dagegen die Eigentumsersitzung des an die Fahrbahn anschließenden Grünstreifens mit der Pappel als nicht entscheidend. Die Beklagte sei nämlich im Sinn des § 1319 ABGB Besitzer der abgebrochenen Pappel gewesen, weil die Rechtsvorgänger der Beklagten und diese selbst schon seit vielen Jahren ungehindert verschiedene Handlungen in Bezug auf diesen Baum gesetzt haben und setzen haben lassen, die Pappel und den darunterliegenden Grund „sozusagen" in Gebrauch gehabt und darüber auch verfügt haben, insbesondere dadurch, dass die Beklagte 1962 über die Fällung des Baumes Entscheidungen getroffen und widerrufen habe. § 1319 ABGB sei analog auch auf Bäume von mangelnder Beschaffenheit anzuwenden. Der festgestellte Pilzbefall habe eine mangelhafte Beschaffenheit der Pappel dargestellt, die für den Bruch im Sturm mitursächlich gewesen sei. Der Beklagten als Besitzerin eines mangelhaft beschaffenen Baumes sei daher der Entlastungsbeweis im Sinn des § 1319 ABGB oblegen. Dieser sei ihr nicht gelungen. Der - mangelhafte - Zustand des Baumes sei zwar von außen kaum zu erkennen gewesen, der Beklagten sei aber das „außergewöhnliche" Alter der Pappel bekannt gewesen, sie sei schon in den Fünfzigerjahren auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht worden, dass der Baum auf das Nachbargebäude fallen könnte, und die Kläger haben sie vor allem im Jahr 1962 auf den schlechten Zustand des Baumes hingewiesen. Wenn auch vom Baumbesitzer in der Regel nicht eine Überprüfung der Windbruchfestigkeit durch einen Sachverständigen unter Anbohren des Baumes zu verlangen sei, hätte die Beklagte den Zustand des Baumes, auf dessen Gefährlichkeit sie mehrmals hingewiesen worden sei, besonders sorgfältig beobachten und entsprechende Erkundungen über die Gesundheit des Baumes einholen müssen, wenn sie mangels Fachkenntnis zu einem sicheren Urteil nicht in der Lage gewesen sei. Unter den gegebenen Umständen hätte die Beklagte das seit langer Zeit andauernde Herabfallen von Ästen und den Umstand, dass eine Wurzel abgeschnitten und damit eine besondere Infektionsstelle für Pilzbefall geschaffen worden sei, als Hinweis auf die Gefährlichkeit des infolge seiner großen Höhe besonders windanfälligen Baumes nehmen müssen. Die Beklagte hafte daher den Klägern für den durch den Sturz der Pappel entstandenen Schaden. Die Beklagte erhebt gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss Rekurs wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt, wenn es auch spruchmäßig bei der Rückverweisung der Rechtssache an das Gericht erster Instanz zu verbleiben hat.
Die Rekurswerberin rügt, dass das Berufungsgericht das Ersatzbegehren unter dem Gesichtspunkt des § 1319 ABGB geprüft habe, obwohl die Klage nicht auf diesen Klagsgrund gestützt worden sei und die Rekurswerberin keine Gelegenheit gehabt habe, sich zu diesem neuen Grund ausführlich zu äußern. Die Kläger haben die Ableitung ihres Ersatzbegehrens aus dem von ihnen behaupteten Sachverhalt in der Klage rechtlich nicht qualifiziert, in der am 7. Oktober 1977 an Ort und Stelle abgehaltenen Tagsatzung aber ausdrücklich vorgebracht, den Ersatzanspruch auch auf die Bestimmung des § 1319 ABGB und auf § 364b ABGB zu stützen (AS 93). Es kann daher keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht etwa die Rekurswerberin durch eine neue im Verfahren bisher nicht erörterte Rechtsansicht überrascht und damit um die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten gebracht hätte, unter dem Gesichtspunkt eines für die Sachentscheidung wesentlichen neuen Rechtsgrundes erhebliches Vorbringen - etwa im Sinn eines Entlastungsbeweises - zu erstatten. Wenn die Rekurswerberin die Berufung der Kläger auf den Rechtsgrund des § 1319 ABGB nach den behaupteten Tatumstände als unschlüssig oder nach dem zu erweisenden Sachverhalt als unbegründet erachtete und es deshalb oder aus sonstigen Erwägungen unterließ, zur Anspruchsableitung aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsgrund in erster Instanz Tatsachen vorzubringen, lag das ausschließlich in ihrem prozesstatktischen Belieben, die verfahrensrechtliche Gelegenheit dazu war ausreichend - insbesondere anlässlich der Neudurchführung des Verfahrens - gegeben.
Die weitere Rüge einer Mangelhaftigkeit, dass das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Feststellungen über das Grünen der Pappel nicht übernommen habe, beruht auf einer aktenwidrigen Behauptung. Das Berufungsgericht hat die von der Rekurswerberin vermisste Feststellung wortwörtlich als erstgerichtliche Feststellung zitiert (S. 5 der angefochtenen Entscheidung) und zusammenfassend erkannt, dass die Feststellungen im erstgerichtlichen Urteil im Wesentlichen unbedenklich seien (S. 19 der angefochtenen Entscheidung). Die erwähnte Bemängelung geht daher schon nach der Aktenlage ins Leere. Bei den Ausführungen zur Mangelhaftigkeit der für die Besitz- und Eigentumsverhältnisse maßgebenden Feststellungen setzt sich die Rekurswerberin über die unmissverständliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zu dem nach § 1319 ABGB vorauszusetzenden Begriff des Besitzers hinweg. Trifft die Ansicht des Berufungsgerichtes zu, fehlte den als mangelhaft gerügten Entscheidungsgrundlagen zur Beurteilung eines Besitzes im Sinn des § 309 ABGB die Erheblichkeit. Die Richtigkeit der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht ist aber im Rahmen der Rechtsrüge zu erörtern.
Gleiches gilt von dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe das (Mit-)Verschulden der Kläger ungeprüft gelassen. Abgesehen davon, dass die Rekurswerberin im erstinstanzlichen Verfahren keine Tatsachen vorgebracht hat, aus denen ein Mitverschulden der Kläger abzuleiten gewesen wäre, kamen auch im Verfahren keine derartigen Umstände zutage. Die Wertung des festgestellten Verhaltens der Kläger aber ist rechtliche Beurteilung.
Dazu ist zu erwägen:
Ein Baumbesitzer haftet für Schäden, die durch einen auf mangelhaftem Zustand des Baumes beruhenden Sturz oder Bruch des Gewächses verursacht werden, in analoger Anwendung des § 1319 ABGB. Diese Ansicht des Berufungsgerichtes entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung (vgl Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 317 und die dort angeführte Literatur und Judikatur; in neuerer Zeit auch: 8 Ob 569/76, 1 Ob 746/77 u. a.). Die Hochgradige Zerstörung des Stammholzes durch Pilzbefall war ein den Stammbruch begünstigender krankhafter Zustand der Pappel und damit eine adäquate Schadensursache. Diese mangelhafte Beschaffenheit stellte eine Gefährdung dar, die durch den außerordentlichen intensiven Sturm nur aktualisiert wurde. Es ist daher zu prüfen, ob die Rekurswerberin Besitzerin im Sinn der zitierten Gesetzesstelle war, zutreffendenfalls, ob ihr der Beweis gelungen ist, keine ihr nach den festgestellten Umständen zumutbaren Vorsorgemaßnahmen schuldhaft unterlassen zu haben.
Das Berufungsgericht hat dazu zutreffend erkannt, dass für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach § 1319 ABGB derjenige als „Besitzer" einzustehen hat, dem die Verfügungsgewalt zur Gefahrensbeherrschung zustand. Ob und inwieweit dies zur Zeit des Schadensfalles im Jahr 1974 auf die Rekurswerberin zutraf, kann allerdings infolge vorliegender Feststellungsmängel derzeit nicht verlässlich beurteilt werden: Das mit der von den Klägern angestrebten Schlägerung zusammenhängender Verhalten der Rekurswerberin im Jahr 1962 hat zwar das Berufungsgericht zutreffend in dem Sinn gewertet, dass die Rekurswerberin als Besitzerin des sogenannten K***** die Verfügungsgewalt über die Pappeln in Anspruch nahm. Nach der weiteren Feststellung aber, dass 1964 die der Beklagten gehörende Liegenschaft an Ulrich und Frieda W***** verpachtet wurde - und der Zeugenaussage des Ulrich W***** vom 3. Mai 1977, AS 61 ff - bedarf es der genauen Klärung, ob ein Pachtverhältnis zur Zeit des Schadensfalles noch aufrecht war und in welcher Weise die Bewirtschaftung des an die Fahrbahn anschließenden Rasenstreifens vor dem K***** und der dort stehenden Pappeln zur Zeit des Schadensfalles danach durch die Pächter erfolgten hätte und auch tatsächlich besorgt wurde.
Die Klärung dieses Umstandes wäre freilich entbehrlich, müsste unter der Annahme einer die Besitzereigenschaft vermittelnden Verfügungsmacht der Rekurswerberin zur Zeit des Schadensfalles nach dem festgestellten Sachverhalt der Entlastungsbeweis als erbracht angesehen werden. Das kann allerdings derzeit ebenfalls noch nicht abschließend beurteilt werden, weil der Rekurswerberin zwar das ungefähre Alter der Pappel bekannt war, aber Grundlagen dafür fehlen, dieses - wie es das Berufungsgericht tat - als „außergewöhnlich" zu erkennen; weil die Nachbarn zwar wiederholt die Besorgnis äußerten, der Baum könnte auf ihr Gebäude fallen, für diese Befürchtung aber keine objektive erhärtete Begründung gaben (weder der schiefe Wuchs noch das Abschlagen der Wurzel hatte unmittelbaren Einfluss auf die Standfestigkeit, dass der Baum 1962 „schlecht" gewesen sei, ist nicht erwiesen) und weil schließlich nicht feststeht, dass der zu beobachtende Astabfall das Ausmaß der natürlichen Astreinigung überschritt. Der Standort der 30 m hohen, schräg gewachsenen Pappel in unmittelbarer Nähe des Nachbargeländes hätte die Rekurswerberin allerdings zu Überlegungen veranlassen müssen, unter welchen Voraussetzungen - auch ohne für Laien erkennbare Anzeichen einer Erkrankung oder einer sonst vom normalen Wachstum abweichenden Entwicklung - Zweifel an der Festigkeit und Elastizität des Stammes zu weiterreichenden Überprüfungen des Baumes als einer bloß optischen Beobachtung des Laubes Anlass geben mussten. Die Rekurswerberin hat jedenfalls nicht vorgebracht und es wurde auch nicht erwiesen, welches Wissen und welche Beobachtungen außer der über die normale Belaubung sie zur Unterlassung jedweder Kontrolle des Baumes veranlasste oder welche periodische Überprüfung sie allenfalls vorgenommen oder veranlasst hat. Ein Entlastungsbeweis wäre nach diesen Umständen nicht als erbracht anzusehen.
Es liegen daher derzeit in erster Linie zur Haftung dem Grund nach die aufgezeigten Feststellungsmängel über Dauer und Bedingungen der Liegenschaftsverpachtung vor. Zur Beseitigung dieses Mangels bedarf es offenkundig einer Ergänzung dieses Verfahrens erster Instanz. Danach hat es formell bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles und der Rückverweisung der Rechtssache an das Prozessgericht erster Instanz zu verbleiben, das allerdings nicht von einer im Sinn des Standpunktes der klagenden Parteien gegebenen Haftung auszugehen, sondern zunächst sein Verfahren dazu zu ergänzen haben wird. Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf § 52 ZPO.
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