Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.189,40 (darin S 2.364,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 29.022,60 (darin S 2.837,10 Umsatzsteuer und S 12.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin litt seit über 20 Jahren an immer wiederkehrenden Knotenbildungen in beiden Brüsten (makrozystische Mastopathie) und wurde deshalb bereits 12 oder 13mal operiert. Hiebei wurden die bestehenden Knoten entfernt und einer histologischen Untersuchung zugeführt. Das Untersuchungsergebnis war bisher negativ, das heißt, es wurde keine Bösartigkeit der Knoten festgestellt. Der letzte operative Eingriff vor dem nun streitgegenständlichen erfolgte am 11.3.1986 an der Universitätsklinik Innsbruck. Anläßlich des stationären Aufenthaltes gab Univ.-Prof.Dr. M*****der Klägerin den Rat, eine Mastektomie zu erwägen, um den fast jährlich notwendigen Brustoperationen und der Gefahr einer bösartigen Entartung zu entgehen. 1987 trat wieder ein Knoten in der rechten Brust der Klägerin auf. Sie wandte sich deshalb an Univ.-Prof.Dr.Michael B*****, den Leiter der Abteilung für plastische Chirurgie im Krankenhaus der beklagten Partei. Am 12.2.1987 fand eine Besprechung und Untersuchung der Klägerin durch Univ.-Prof.Dr. B*****statt. Dabei informierte ihn die Klägerin über die vorangegangenen Operationen und darüber, daß sie seit vielen Jahren an immer wiederkehrenden, bisher gutartigen Tumoren an beiden Brüsten leide. Bei dieser Besprechung stellte der Arzt zur Diskussion, ob wiederum einzelne Tumorknoten oder die gesamte Brustdrüse entfernt werden sollten, da durch das letztere Verfahren die Möglichkeit des Entstehens einer Krebsgeschwulst wesentlich verringert werden könne. Der Arzt war zu diesem Zeitpunkt der Überzeugung, daß in Anbetracht der Krankenvorgeschichte nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, eine Sanierung im Sinne einer subcutanen Mastektomie durchzuführen. Für ihn stand fest, daß der Klägerin die Heilbehandlung und nicht die kosmetische Behandlung vordergründig sei. In diesem Sinne hatte er die Klägerin beraten und aufgeklärt. Von einer Routineoperation hat er nicht gesprochen, wohl aber der Klägerin gegenüber erwähnt, daß er eine solche Operation schon bei vielen Patientinnen durchgeführt habe. Der Arzt erwähnte auch, daß eine solche Operation nicht unproblematisch sei und daß es bei einer in Aussicht genommenen Prothese zu einer Kapselfibrose kommen könnte, die Gefahr der Folgen einer Kapselfibrose infolge der anzuwendenden Operationstechnik aber keine wesentliche Rolle spiele. Er wies der Klägerin gegenüber auch darauf hin, daß bei einer relativ kleinen Brust, so wie bei ihr, es zu keinen oder wenigen Problemen hinsichtlich einer Dislocation der Prothesen kommen werde. Von medizinisch divergierenden Meinungen über die Radikalentfernung des Drüsengewebes erwähnte der Arzt der Klägerin gegenüber nichts. Er sprach mit der Klägerin nicht über allgemeine Komplikationen einer solchen Operation, etwa über Infektionen, Nachblutungen, hypertrophe Narbenbildung (im Vordergrund stand die Heilbehandlung wegen Karzinomgefahr) und Wundheilungsstörungen. Dies unterließ er vor allem deshalb, weil er annahm, daß die Klägerin als Stationsschwester im Landeskrankenhaus E*****über solche Angelegenheiten ohnedies Bescheid wisse. Die Klägerin kam im übrigen durch eine Empfehlung des Primararztes am Landeskrankenhaus E*****zu dem plastischen Chirurgen. Dieser hat die Klägerin zu einem operativen Eingriff ermutigt und ihr auch erklärt, daß sie vier Wochen nach der Operation voraussichtlich wieder arbeiten gehen und auch Sport ausüben könne.
Am 11.3.1987 erfolgte die Operation. Es wurde eine subcutane Mastektomie durchgeführt und dabei so viel Drüsengewebe wie möglich entfernt. Der Wiederaufbau der Brüste erfolgte durch subpectorale Implantation von Silikonprothesen. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. In der Folge kam es jedoch zu einer raschen Ausbildung einer starken Kapselfibrose mit Schrumpfung und Dislocation der Prothesen nach oben und damit bei der Klägerin zu einem schlechten ästhetischen Ergebnis sowie zum Auftreten von Schmerzen und Schwellungen der Arme. Es bestanden postoperative spontane wellenförmige Muskelkontraktionen, deren Ursache dem Operateur unbekannt und ihm bei seinen bisher durchgeführten Operationen auch noch nicht vorgekommen waren.
1988 begab sich die Klägerin, die sich beim operierenden Arzt nicht mehr gemeldet hatte, in die Behandlung der Paracelsusklinik in Wien. Innerhalb des stationären Aufenthaltes im März 1988 wurden in einer Operation zunächst beide Prothesen entfernt, die oberen Kapselanteile reseziert und neue tiefergelegene Implantathöhlen gebildet. Die reimplantierten Prothesen lagen mindestens 5 cm tiefer. Das ästhetische Ergebnis hatte sich dadurch nicht gebessert. Bei einer Untersuchung durch Prof.Dr. H*****mitte Dezember 1989 in Wien wurde neuerlich eine Kapselfibrose mit Prothesendislocation nach oben und eine entsprechende Deformierung festgestellt. Die Klägerin ließ sich daraufhin am 8.11.1990 von Prof.Dr. H*****neuerlich operieren. Dabei wurden beide Prothesen entfernt. Sie wurden durch neue texturierte Prothesen gleicher Größe ersetzt. Nach einem Schreiben des Prof.Dr. H*****vom Dezember 1990 kam es durch die vorgenommene Operation zu einer Verbesserung der Beschwerden, aber zu keiner wesentlichen kosmetischen Verbesserung.
Die Behandlung des Brustkrebses hat bezüglich der Überlebensrate in den letzten Jahrzehnten keine wesentlichen Fortschritte gemacht. Die derzeit einzige mehr versprechende Maßnahme zur Verbesserung ist die Prophylaxe, dh bei entsprechenden Risikopatienten durch möglichst weitgehende Entfernung des Brustdrüsengewebes das Risiko der Krebsentstehung zu verhindern. Die (einzige) Operationsmethode hiezu ist die subcutane Mastektomie. Sie dient einerseits der Diagnosesicherung und andererseits der Prophylaxe. Dazu muß alles makroskopisch erfaßbare Drüsengewebe entfernt werden, was trotz radikaler Operation nur bis zu 95 % bis 98 % gelingt. Die Volumenwiederherstellung geschieht durch Einpflanzung von Prothesen, die nach dem heutigen Stand unbedingt, wie es auch bei der Klägerin erfolgte, unter dem großen Brustmuskel erfolgen soll. Nur so kann ein gutes ästhetisches Resultat erzielt werden. Die Hauptkomplikation bezogen auf das ästhetische Ergebnis ist die Kapselschrumpfung. Die Kapselbildung ist als eine Abwehrreaktion des Körpers gegen das Implantat zu verstehen, die in jedem Fall eintritt. Ob und in welchem Ausmaß es zu einer Kapselschrumpfung kommt, ist präoperativ nicht zu beurteilen. Sie ist von Patient zu Patient verschieden. Diese Kapselschrumpfung führt zu einer variablen Verhärtung der Brust und bei stärkerer Ausbildung eventuell zu einer Prothesendislocation (14 %). Bei asymmetrischer Ausbildung ist auch eine asymmetrische Dislocation möglich. Auf diese Vorgänge hat der Operateur keinerlei Einfluß. Die Kapselschrumpfung tritt in einer deutlich sichtbaren und störenden Art in etwa 5 % bis 10 % der Fälle auf. Sie ist eine gravierende Komplikation, die sich aber in vielen Fällen durch eine Nachoperation verbessern läßt. Bei Patienten kann eine solche Kapselschrumpfung unter Umständen zu schweren ästhetischen und psychischen Problemen führen. Arm- und Rückenschmerzen finden sich bei solchen Operationen in etwa 2 % bis 5 % der Fälle. Die bei der Klägerin aufgetretene Übererregbarkeit der großen Brustmuskel nach der Implantation ist auch dem medizinischen Sachverständigen bisher nicht bekannt gewesen. Sie ist jedenfalls als eine Überreaktion zu bewerten, die nicht voraussehbar war (und wesentlich zur Dislocation der Prothesen geführt hatte). Die mit einer subcutanen Mastektomie zu erzielenden guten bis befriedigenden ästhetischen Ergebnisse liegen zwischen 75 % und 90 %. Wegen der auftretenden Komplikationen wird die subcutane Mastektomie in der medizinischen Wissenschaft widersprüchlich diskutiert und anstelle der anfänglich optimistischen Beurteilungen ist inzwischen eher eine Zurückhaltung bei der Indikationsstellung eingetreten. Die Indikationen, die zur Operation bei der Klägerin geführt haben, sind stichhaltig. Ein erhöhtes Krebsentstehungsrisiko um den Faktor 3 besteht bei über mehrere Jahre hindurch anhaltender makrozystischer Mastopathie. Auch die häufigen vorausgegangenen Biopsien bei der Klägerin führten zu einem starken Vernarbungsprozeß in der Brust, wodurch sowohl die klinische als auch die radiologische Diagnostik sehr erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird. Die dadurch entstandene Unsicherheit der Diagnose beim Arzt und die psychisch belastende Situation für die Patientin (Einschränkung bis Unmöglichkeit der Früherkennung bösartiger Veränderungen) sind als Indikation für eine Operation zu bewerten.
Eine Wiederherstellung der ursprünglichen Brustform ist bei der Klägerin in keinem Fall möglich. Wohl kann unter Umständen eine Verbesserung des Zustandes erfolgen; eine Verschönerung der Brustform wird im wesentlichen aber nicht mehr eintreten, nur kleinere Korrekturen sind möglich.
Ob es zu einer Ausbildung einer Kapselfibrose kommt, ist von Patient zu Patient verschieden. Deren Entstehung kann nie vorhergesehen werden. Sie tritt im Ausmaß von etwa 7 % bis 9 % der Fälle auf.
Frühkomplikationen bei der gegenständlichen Operation sind Hämatom, Infektion, Sensibilitätsstörungen und Hautnekrosen; dies in etwa 4 % bis 5 % der Fälle. Bei einer Operation wie der vorliegenden sind in 10 % der Fälle schlechte Ergebnisse erzielt worden. In 87 % der Fälle ist das psychische Selbstwertgefühl nicht beeinträchtigt, in 12 % der Fälle ist der psychische Zustand gering beeinträchtigt und in 1 % der Fälle die psychische Komponente ganz schlecht ausgefallen.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von S 372.800 an Schmerzengeld und Kosten einer Haushaltshilfe sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden aufgrund der Operation. Während zunächst vorwiegend ein Kunstfehler des operierenden Arztes bei der durchgeführten Operation behauptet wurde, ist nunmehr nur noch die weitere Behauptung der Verletzung von Aufklärungspflichten strittig. Der behandelnde Arzt habe die Klägerin über das besondere Operationsrisiko und die möglichen Komplikationen nicht ausreichend aufgeklärt. Hätte die Klägerin die möglichen Komplikationen und das vollkommen negative ästhetische Ergebnis gekannt - solche Risken seien ihr auch als Stationskrankenschwester nicht bekannt gewesen - hätte sie nicht in die Operation eingewilligt. Über Kapselfibrose und Prothesendislocation sei sie vom behandelnden Arzt nicht aufgeklärt worden.
Die beklagte Partei wandte ein, der Operateur habe die Klägerin ausreichend aufgeklärt. Wegen deren psychischer Belastung habe das Aufklärungsgespräch sehr behutsam geführt werden müssen. Die Klägerin sei nicht im Unklaren darüber gelassen worden, daß es sich um einen medizinisch indizierten operativen Eingriff handle, der auch unterschiedlich ausfallen könne. Auf das Problem einer Kapselfibrose und Prothesendislocation sei besonders hingewiesen worden.
Das Erstgericht wies sowohl das Leistungs- als auch das Feststellungsbegehren ab. Es führte rechtlich zur Aufklärungspflicht aus, daß eine Operation der Zustimmung des Patienten bedürfe, welche nur dann verbindlich gegeben werden könne, wenn eine entsprechende Aufklärung erfolgt sei. Ein allgemein anwendbares Rezept für das Ausmaß ärztlicher Aufklärung gebe es nicht. Im gegenständlichen Fall habe der Operateur die Heilbehandlung wegen der Karzinomgefahr gegen ein eventuell ästhetisch nicht optimales Ergebnis abzuwägen gehabt, wobei aus ärztlicher Sicht die Heilbehandlung vorrangig gewesen sei. Der Arzt sei seiner Aufklärungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Da demnach ein ihm anzulastendes Fehlverhalten nicht vorliege - die Operation sei nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt - sei das Klagebegehren abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es mit Teil- und Zwischenurteil feststellte, das Klagebegehren auf Zahlung von S 372.800 sA bestehe dem Grunde nach zu Recht und die Beklagte habe der Klägerin für alle künftigen Schäden und Nachteile aus der am 11.3.1987 vorgenommenen Operation zu haften.
Das Berufungsgericht kam rechtlich zu dem Ergebnis, daß dem behandelnden Arzt eine Verletzung der Aufklärungspflicht zur Last zu legen sei, für welche die beklagte Partei, die sich seiner als Erfüllungsgehilfen bedient habe, zu haften habe: Die Aufklärungspflicht sei um so umfassender, je weniger der Eingriff dringlich erscheine. Sei ein solcher zwar medizinisch empfohlen, aber nicht eilig, sei grundsätzlich eine umfassende Aufklärung notwendig. Die Klägerin sei vor der Operation zwar sehr wohl über mögliche Spätfolgen aufgeklärt worden, nicht aber die möglichen Frühkomplikationen, deren Häufigkeit bei 4 % bis 5 % liege. Nach der deutschen Rechtsprechung würde dieser Aufklärungsmangel allein schon die Einwilligung der Klägerin unwirksam machen, auch wenn sich diese Risken im konkreten Fall gerade nicht verwirklicht hätten. Dem zur Aufklärung verpflichteten Arzt seien, obwohl die Klägerin als Stationskrankenschwester arbeite, keine Hinweise vorgelegen, daß der Klägerin gerade die Komplikationshäufigkeiten bei derartigen Brustoperationen geläufig gewesen wären. Daß die vorgenommene Operation keineswegs äußerst dringlich gewesen sei, ergebe sich schon daraus, daß der Operateur selbst als Alternative eine neuerliche bloße Entfernung des aufgetretenen Knotens zur Diskussion gestellt habe. Es lägen auch keine Beweisergebnisse vor, wonach nach dem nunmehr 13. oder 14. Auftreten eines Knoten in der Brust die Mastektomie dringend geboten gewesen wäre und nicht erst beispielsweise nach dem 15. Mal. Die Aufklärung des Arztes müsse der Wahrheit entsprechen. Der Hinweis des Arztes, die Gefahr der Folgen einer Kapselfibrose spiele bei der Klägerin keine besondere Rolle, es werde voraussichtlich zu keinen oder wenigen Problemen hinsichtlich einer Dislocation der Prothese kommen, sei bei der festgestellten Häufigkeit von deutlich sichtbaren und störenden Kapselschrumpfungen von 7 % bis 9 % nicht mehr tolerierbar, dies auch im Hinblick auf die medizinische Vorbildung der Klägerin. Daß diese ein besonders ängstlicher Mensch gewesen wäre, der zur Vermeidung einer für ihn selbst ungünstigen Fehlentscheidung über die zu wählende Behandlungsmethode nur beschränkt aufgeklärt werden müsse, sei nicht behauptet worden. Gerade wegen der alternativen Möglichkeit, wiederum eine, allenfalls immer wieder zu wiederholende, Biopsie vornehmen zu lassen, wäre die Klägerin wegen der echten Wahlmöglichkeit in einer eingehenderen Information über die beiden zur Wahl stehenden Behandlungsmethoden zu informieren gewesen. Die Haftung der beklagten Partei für das Fehlverhalten ihres angestellten Arztes sei daher dem Grunde nach ebenso zu bejahen wie die Berechtigung des Feststellungsbegehrens für künftige Schäden.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil zwar ausdrückliche Äußerungen des Obersten Gerichtshofes zur Erforderlichkeit wahrheitsgemäßer Aufklärung nicht vorlägen, eine Verniedlichung des Operationsrisikos aber jedenfalls nicht darunter fallen könne und im übrigen zu den Grundsätzen ärztlicher Aufklärungspflicht zahlreiche veröffentlichte Entscheidungen des Höchstgerichtes erflossen seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsfrage, in welchem Umfang im konkreten Fall der Arzt den Patienten aufklären muß, weithin nach wie vor sehr umstritten ist und die Entscheidung auch von Einzelfällen in der jeweiligen Ausgestaltung zur Rechtssicherheit beitragen kann die Revision ist auch berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner in SZ 55/114 veröffentlichten Entscheidung ausführlich dargelegt, welche Problemkreise bei der Beurteilung, wie weit die ärztliche Aufklärung im Einzelfall zu gehen hat, zu berücksichtigen sind und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß nach der in Österreich überwiegend vertretenen Ansicht der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Wohles des Patienten abzugrenzen ist und erst in zweiter Linie auch unter Bedachtnahme auf sein Selbstbestimmungsrecht. Wenn daher eine Operation unbedingt geboten, wenn auch nicht gerade im Sinne des § 8 Abs 3 KAG dringend ist, hat der Arzt aufgrund der besonderen Persönlichkeitsstruktur seines Patienten abzuwägen, ob er diesen durch eine zu umfangreiche Aufklärung verunsichern und damit unter Umständen bewirken könnte, daß sich der Patient nicht zur Operation entschließt, was wiederum bedeutet, daß der Patient zwar den Risken der Operation und ihrer Folgen entgeht, dadurch aber die oft ungleich größeren Risken einer Unterlassung der Operation auf sich nehmen muß. Die Aufklärung hat daher um so weniger umfassend zu sein, je notwendiger der Eingriff für die Gesundheit des Patienten ist. Dem Arzt ist in diesem Zusammenhang ein gewisser ärztlicher Beurteilungsspielraum einzuräumen. Auch bei einem gebotenen Eingriff oder einem Patienten, der nicht auf Aufklärung selbst hinwirkt, muß die nötige Mindestaufklärung über Operationsrisken so gestaltet werden, daß sie auf den Patienten nicht beunruhigend wirkt. Es muß nach den Umständen des Einzelfalles eine Abwägung erfolgen, ob die nach allgemeiner Erfahrung nicht ganz seltenen Risken eines Eingriffes von einem solchen Gewicht sind, daß ein vernünftiger Patient sie ernsthaft in seine Überlegungen einbeziehen muß oder ob er lieber mit den bisherigen Beschwerden weiterleben möchte oder aber die guten Chancen einer Heilung - oder wie hier auch Prophylaxe vor lebensbedrohenden Risikofaktoren und Vermeidung weiterer wiederkehrender Eingriffe - mit den demgegenüber viel kleineren Gefahren erkauft. Der Oberste Gerichtshof hat auch ausgesprochen, daß im Zuge der immer größer werdenden Arbeitsteilung zwischen mehreren Ärzten die Aufklärung über die einzelnen Behandlungsrisken nicht von jedem einzelnen Arzt immer wieder wiederholt werden muß, sondern daß eine permanente oder stufenweise Aufklärung stattzufinden hat. Der Arzt, der den Eingriff vornimmt, muß sich allerdings vergewissern, ob und inwieweit die Aufklärung schon durch andere beigezogene Ärzte vorgenommen wurde. Schließlich bilden auch dem Arzt bekannte medizinische Schulung und Kenntnisse ein Kriterium, wie detailliert die Aufklärung sein muß.
Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Behandlung des Brustkrebses in den letzten Jahrzehnten keine wesentlichen Fortschritte gemacht hat und die einzige Maßnahme zur Verbesserung die Prophylaxe ist, die bei Risikopatienten wie der Klägerin, bei welcher eine Früherkennung bösartiger Veränderungen durch klinische und radiologische Untersuchungen erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich ist und eine Heilung der Mastopathie durch Jahrzehnte nicht erfolgen konnte, die möglichst weitgehende Entfernung des Brustdrüsengewebes umfassen muß. Der vorgenommene Eingriff war daher jedenfalls medizinisch indiziert. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, die Operation sei in keiner Weise dringlich gewesen, es hätte ohne weiteres bei neu auftretenden Knotenbildungen weiterhin ohne Gefahr nur deren Entfernung nach der bisherigen Methode erfolgen können, sind in dieser Form nach den getroffenen Feststellungen nicht zutreffend. Die Klägerin wendete sich erst, nachdem ihr Leiden bereits mehr als 25 Jahre bestanden hatte, immer wieder auftrat und sich das Risiko der Bösartigkeit mit zunehmendem Alter und Dauer der Krankheit immer mehr erhöht hatte, nicht wie viele Male vorher an einen Chirurgen, sondern über Empfehlung des Primararztes jenes Krankenhauses, in welchem sie als Stationsschwester arbeitet und nach dem Rat des international anerkannten Chirurgen Prof.Dr. M*****, der sie auf die Krebsgefahr hingewiesen und zu einer Operation schon ein Jahr früher geraten hatte, an den Vorstand der Abteilung für plastische und Wiederherstellungschirurgie Univ.-Prof.Dr. B*****. Aufgrund jeder Erfahrung des täglichen Lebens konnte dieser davon ausgehen, daß die Klägerin, eine Frau Ende 40, die seit nahezu 30 Jahren an makrozystischer Mastopathie leidet, eine Vielzahl von Eingriffen durch die verschiedensten Ärzte vornehmen lassen mußte, als Stationsschwester medizinische Kenntnisse und jedenfalls alle Möglichkeiten zur Information über ihr Leiden, die Behandlungsmöglichkeiten und deren Folgen hat, bei dem hier zu beurteilenden Aufklärungsgespräch nicht unvorbereitet und ohne Kenntnisse war. Unter diesen dem Arzt bekannten Umständen konnte eine besondere Aufklärung über Frühkomplikationen einer subcutanen Mastektomie (Hämatome, Infektionssensibilitätsstörungen, Hautnekrose), die im übrigen gar nicht aufgetreten sind, unterbleiben. Es muß aber auch nach den eingangs geschilderten Grundsätzen die tatsächlich vorgenommene Aufklärung über eine mögliche Kapselfibrose und allfällige Prothesendislocation (Themen, die nicht nur in wissenschaftlichen Fachzeitschriften sondern immer wieder in den Massenmedien erörtert werden), die im Regelfall zwar Auswirkungen auf das ästhetische Erscheinungsbild nicht aber auf wichtige gesundheitsbeeinträchtigende Körperfunktionen haben, als ausreichend angesehen werden. Denn es handelt sich hier um eine medizinische Indikation wegen dreifach erhöhter Krebsgefahr und nicht um eine kosmetische Korrektur, für die eine viel weitergehende Aufklärung gefordert werden müßte. Auch eine mögliche Verunsicherung der Patientin und psychische Belastung erforderte eine nicht zu drastische Aufklärung im kosmetischen Bereich. Es darf auch nicht übersehen werden, daß die erfolgte Prothesendislocation, die üblicherweise durch eine Nachoperation beseitigt werden kann, nicht nur auf eine schicksalhafte extreme und nicht vorhersehbare Kapselfibrose, sondern hier vor allem auf postoperative spontane wellenförmige Muskelkontraktionen zurückzuführen ist, deren Auftreten nach einer solchen Operation weder dem behandelndem Arzt noch dem gerichtlichen Sachverständigen bekannt waren und nach dessen Darlegungen auch in medizinischen Fachbüchern nicht beschrieben werden, so daß eine Aufklärung in dieser Hinsicht gar nicht möglich war.
Aus diesen Gründen liegt nach den hier gegebenen Umständen des Einzelfalles keine haftungsbegründende Verletzung der Aufklärungspflicht vor, so daß dem gestellten Schadenersatz- und Feststellungsbegehren die Grundlage fehlt. Das Ersturteil war daher wieder herzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)