OGH 6Ob535/89

OGH6Ob535/8916.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Philomena S***, Pensionistin, Innsbruck, Fürstenweg 7, vertreten durch Dr. Walter Nowak, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Max D***, Rechtsanwalt, Innsbruck, Glasmalereistraße 6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der "H.S. Handel- und Gastronomie Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Innsbruck, wegen Räumung von Geschäftsräumlichkeiten (Streitwert 214.757,20 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1988, GZ 1 a R 548/88-68, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20. Juni 1988, GZ 17 C 1/88-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 8.649 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 1.441,50 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde als Erbin ihres Ehemannes Eigentümerin von Liegenschaftsanteilen, mit denen das Wohnungseigentum an Geschäftsräumlichkeiten verbunden ist. Diese Räumlichkeiten waren bereits zu Lebzeiten des Erblassers Standort eines gastgewerblichen Betriebes. Diesen Betrieb führt seit ihrem Entstehen eine von der Klägerin und ihren drei Kindern im April 1975 gegründete Gesellschaft m.b.H. Seit 1980 ist ein Sohn der Klägerin Alleingesellschafter. Er war auch Geschäftsführer. Im März 1983 wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt.

Mit der im Juli 1983 angebrachten Klage begehrte die Klägerin vom Masseverwalter die Räumung der Geschäftsräumlichkeiten wegen titelloser Benützung. Dazu behauptete die Klägerin eine entgeltfreie Überlassung der Räumlichkeiten zunächst an ihren Sohn und später an die Gesellschaft und eine von ihr einseitig ausgesprochene Beendigung dieser leihweisen Raumüberlassung.

Der Beklagte wendete gegenüber diesem Räumungsbegehren ein auf einem aufrechten Mietverhältnis beruhendes Benützungsrecht ein. Nach mehr als zweijähriger Verfahrensdauer, während der ein Gutachten eines Buchsachverständigen über die Buchhaltung und die wechselseitige Verrechnung zwischen der Klägerin und der Gesellschaft erstattet worden war, brachte die Klägerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.September 1985 im Sinne eines tags zuvor überreichten Schriftsatzes zur weiteren Stützung ihres Räumungsbegehrens wörtlich vor:

"Insoferne sich die Beklagte auf das Bestehen eines Bestandverhältnisses beruft, wird daher geltend gemacht, daß sie seit Jahren den Bestandzins nicht bezahlt und die Verrechnung mit einem nicht bestehenden Schuldbetrag nicht als Zahlung gewertet werden kann. Die Klägerin stützt also vorsorglich ihr Räumungsbegehren auch auf § 1118 ABGB wegen Nichtzahlung des Bestandzinses."

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 20.August 1987 erteilte das Prozeßgericht der Klägerin den Auftrag, bis 31. Oktober 1987 eine Aufstellung hinsichtlich des Mietzinsrückstandes vorzulegen. Dem entsprach die Klägerin nicht. Nach dem Protokoll über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 25.Mai 1988, in der dann das Prozeßgericht sein Verfahren als geschlossen erklärte, wurde der Sachverhalt neuerlich eingehend erörtert, weitere Behauptungen, insbesondere zu § 1118 ABGB wurden aber nicht vorgebracht.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Räumungsbegehren ab. Es nahm aufgrund seiner Feststellungen als Benützungstitel der Gesellschaft entgegen den Klagsbehauptungen nicht Leihe, sondern Miete an und erachtete die von der Klägerin für diesen Fall geltend gemachte Vertragsaufhebung im Sinne des § 1118 ABGB mangels gehöriger Einmahnung eines eindeutig bestimmten Zinsrückstandes als nicht bewirkt.

Die Klägerin rügte in ihrer Berufung gegen das klagsabweisende Urteil erster Instanz außer einer angeblichen Nichtigkeit ausschließlich Verfahrensmängel, ohne die Tatsachenfeststellungen zu bekämpfen, aus denen das Prozeßgericht auf die Begründung eines Mietverhältnisses geschlossen hatte, und ohne zu den rechtlichen Wertungen, insbesondere in Ansehung der hilfsweise geltend gemachten Vertragsaufhebung, Stellung zu nehmen.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung, soweit die Klägerin Nichtigkeit geltend gemacht hatte, und gab dem Rechtsmittel im übrigen nicht statt. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Das Berufungsgericht sprach den gerügten Verfahrensmängeln schon aus der rechtlichen Erwägung jede Erheblichkeit für die Sachentscheidung ab, daß die Rechtsmittelwerberin einerseits die Feststellungen über die jahrelange Zinsverrechnung und die Schlußfolgerung auf die Begründung eines Mietverhältnisses unbekämpft gelassen, andererseits aber nichts gegen die zutreffende Beurteilung zur hilfsweise geltend gemachten Vertragsaufhebung vorgebracht habe. Die Rechtsmittelwerberin habe sich zur Vertragsaufhebung nur auf ihre Prozeßerklärungen berufen, in diesen aber jede konkrete Bezifferung des behaupteten Mietzinsrückstandes unterlassen, so daß sie die beklagte Partei nicht in den nach § 1118 ABGB umschriebenen qualifizierten Verzug habe setzen können. Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO mit einem Aufhebungsantrag an.

Der Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin bemängelt zunächst, daß das Berufungsgericht ihre in der Berufung ausgeführte Rüge des erstinstanzlichen Verfahrens als unberechtigt befunden habe. Die Rechtsmittelwerberin wiederholt dabei aber nur die in der Berufung ausgeführte Mängelrüge, ohne darzulegen, daß dem Berufungsgericht bei der Beurteilung dieser Bemängelungen seinerseits ein Verfahrensmangel unterlaufen wäre. Die ohne eigenen Verfahrensfehler in nachvollziehbarer Ableitung erfolgte Verneinung der rein verfahrensrechtlichen Beurteilung eines angeblichen erstinstanzlichen Stoffsammlungsfehlers durch das Berufungsgericht bleibt aus dem Größenschluß einer weiteren Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, daß sogar im Falle eines mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstoßes die Verneinung des gerügten Mangels durch das Berufungsgericht unanfechtbar wäre, weil eine auf Nichtigkeit gestützte Berufung, wenn der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht als gegeben erachtet wird, beschlußmäßig zu verwerfen wäre und gegen eine solche Entscheidung des Berufungsgerichtes der Rekurs ausgeschlossen ist.

Zu der weiteren Rüge, das Berufungsgericht hätte das von ihm bei der Erledigung der Berufung zugrundegelegte Fehlen einer Konkretisierung des Mietzinsrückstandes nicht zur Grundlage einer Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung nehmen dürfen, ohne zuvor auf eine Behebung des dem Prozeßgericht erster Instanz anzulastenden Verfahrensverstoßes zu drängen, der von der Rechtsmittelwerberin in einer Unterlassung einer diesbezüglichen Belehrung und Anleitung erblickt werde, ist vorweg klarzustellen:

Die zur Vertragsaufhebung nach dem zweiten Fall des § 1118 ABGB geforderte Mahnung ist Teil eines materiellrechtlichen Tatbestandes. Die Mahnung wie auch die Vertragsaufhebungserklärung sind keine Prozeßhandlungen, auch wenn nach Lage des konkreten Falles in einer Prozeßerklärung eine Mahnung oder nach vorangegangener gehöriger Mahnung auch eine Vertragsaufhebungserklärung gelegen sein könnte. Die richterliche Anleitungspflicht könnte sich immer nur auf die verfahrensrechtliche Seite einer Parteienerklärung, dürfte sich aber niemals auf einen der Verfahrenshandlung möglicherweise gleichzeitig innewohnenden materiellrechtlichen Gehalt beziehen. Gegen die zutreffende Beurteilung der Vorinstanzen zum Inhalt der Mahnung nach dem zweiten Fall des § 1118 ABGB führt die Rechtsmittelwerberin - wie schon in ihrer Berufung - im Sinne einer Rechtsrüge nichts aus.

Die Verfahrensrüge (zu Punkt II der Revision) könnte daher der Sache nach nur als Vorwurf verstanden werden, das Berufungsgericht hätte die Parteien nicht mit einer unerwarteten Rechtsansicht überraschen dürfen. Davon kann aber nach der Aktenlage keine Rede sein. Bereits das Prozeßgericht erster Instanz hat in seinen Entscheidungsgründen unmißverständlich die Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, daß eine Mahnung den für eine Vertragsaufhebung nach dem zweiten Fall des § 1118 ABGB erforderlichen qualifizierten Verzug nur dann auszulösen vermöchte, wenn der eingemahnte Rückstand klar und eindeutig angegeben wäre, und daß es an einer derartigen Einmahnung im vorliegenden Fall gebreche. Das Berufungsgericht hat diese schon das erstinstanzliche Urteil tragende Begründung, gegen die die Rechtsmittelwerberin in ihrer Berufung nichts ausgeführt hatte, nur wiederholt.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO ist zum Teil nur mit einer unbeachtlichen Wiederholung der Berufungsausführungen über das angebliche Vorliegen von Verfahrensmängeln erster Instanz, zum anderen Teil aber mit dem nicht stichhältigen Vorwurf einer Verletzung des fair-trial-Grundsatzes ausgeführt.

Der Revision mußte ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO; dabei war als Kostenbemessungsgrundlage - ohne Rücksicht auf den nur für die Revisionszulässigkeit beachtlichen Wertausspruch im Berufungsurteil - der festgestellte Streitwert zugrundezulegen.

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