OGH 6Ob534/94

OGH6Ob534/9413.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kaspar G*****, vertreten durch Dr.Anton Weber, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei T***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Roland Piccolruaz und Dr.Stefan Müller, Rechtsanwälte in Bludenz, wegen Leistung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25.November 1993, GZ 2 R 277/93-12, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 6.Juli 1993, GZ 3 Cg 122/93v-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.433,60 (darin S 905,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei betreibt die T*****bahn in Z*****. Im Bereich der Bergstation dieser Seilbahn befindet sich ein genehmigter Startplatz für Paragleiter. Dementsprechend werden mit der T*****bahn regelmäßig auch Paragleiter befördert.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihn nach den allgemeinen Beförderungsbedingungen zu befördern und brachte dazu vor, die beklagte Partei unterliege einem Kontrahierungszwang, der sich nicht nur aus ihren Beförderungsbedingungen, sondern auch aus dem Eisenbahngesetz ergebe. Überdies komme der beklagten Partei eine Monopolstellung zu. Die Verweigerung der Beförderung des Klägers sei ungerechtfertigt.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wandte ein, sie sei weder nach dem Gesetz noch aus privatrechtlichen Erwägungen zur Beförderung des Klägers verpflichtet. Dieser habe trotz mehrmaliger Verwarnung die ihm vorgegebene Landefläche in Z***** nicht eingehalten und sei mehrmals bis nach S***** geflogen. Unkontrolliertes Landen im Schigebiet erhöhe die Unfallgefahr für Pistenbenützer um Vielfaches. Die wiederholte Nichtbeachtung der Landebedingungen stelle auf jeden Fall einen Grund zum Ausschluß des Klägers von der Beförderung mit der Seilbahn dar.

Das Erstgericht gab der Klage unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen statt:

Die beklagte Partei betreibt in Z***** die T*****bahn im Rahmen der mit Bescheid des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 3.Dezember 1990 genehmigten Beförderungsbedingungen.

Deren Punkt 5 lautet: "Das Seilbahnunternehmen ist nach Maßgabe des Fahrplanes zur Beförderung verpflichtet, wenn a) den geltenden Rechtsvorschriften und Beförderungsbedingungen sowie den im Interesse von Sicherheit und Ordnung getroffenen Anordnungen des Seilbahnunternehmens entsprochen wird und b) die Beförderung nicht durch Umstände verhindert wird, die das Seilbahnunternehmen nicht abzuwenden und denen es auch nicht abzuhelfen vermag. Dazu gehören auch eine drohende Überfüllung der von der Seilbahn erschlossenen Schipisten, welche die Sicherheit ihrer Benützer in Frage stellt."

Der Kläger betreibt eine Fahrschule für Paragleiter und Hängegleiter. Mit Zustimmung der beklagten Partei und der betroffenen Grundeigentümer hatte er im Rahmen einer Genehmigung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt auch Schulungen für Paragleiter in Z***** durchgeführt, wobei er den Bereich der Bergstation der T*****bahn und einen ihm von der beklagten Partei und den Grundeigentümern zugewiesenen Landeplatz im Tal in Z***** in Anspruch nahm. Seit 1990 stellte der Kläger seine Schulungstätigkeit ein. Ebenso wie zahlreiche andere Paragleiterpiloten benützte er in der Folge die T*****bahn als Aufstieghilfe, um vom vorgesehenen Startplatz aus Paragleitflüge zu absolvieren. Am 17.Dezember 1992 startete der Kläger mit zwei anderen Paragleiterpiloten vom T*****kopf aus, landete aber nicht im Bereich des Landesplatzes in Z*****, sondern flog bis nach S*****, wo er außerhalb der Schiabfahrten landete. Diesen Flug nahm die beklagte Partei zum Anlaß, dem Kläger die weitere Beförderung mit ihrer Seilbahn zu verweigern, soweit er einen Paragleitschirm bei sich habe.

Um zum vorgesehenen Startplatz am T*****kopf zu gelangen, ist als Aufstiegshilfe nur die T*****bahn tauglich.

Daß der Kläger bei Paragleitflügen vom T*****kopf aus andere Personen gefährdete oder auf Schiabfahrten landete, kann nicht festgestellt werden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die beklagte Partei sei auf Grund der behördlich genehmigten Beförderungsbedingungen zur Beförderung verpflichtet, wenn den geltenden Rechtsvorschriften und Beförderungsbedingungen sowie den im Interesse von Sicherheit und Ordnung getroffenen Anordnungen des Seilbahnunternehmens entsprochen werde. Der Kläger habe keiner solchen Anordnung zuwider gehandelt; er sei vielmehr berechtigt gewesen, in Stuben zu landen. Die Sicherheit von Personen habe er nie gefährdet. Die Weigerung der beklagten Partei, den Kläger mit Paragleitschirm zu befördern, sei im Hinblick auf den bestehenden Kontrahierungszwang daher unberechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Die Beförderungsbedingungen der beklagten Partei seien allgemeinen Geschäftsbedingungen gleichzuhalten und verfolgten den Zweck, einem unbestimmten Personenkreis gegenüber darzulegen, unter welchen Bedingungen die beklagte Partei einen Beförderungsvertrag abschließe. In Punkt 5. der Beförderungsbedingungen kündige die beklagte Partei an, mit jedem zu kontrahieren, der den geltenden Rechtsvorschriften und Beförderungsbedingungen sowie den im Interesse von Sicherheit und Ordnung getroffenen Anordnungen des Seilbahnunternehmens entspreche. Diese Bestimmung wäre sinnlos, würde sie erst nach Abschluß eines Beförderungsvertrages wirksam. Es liege darin entweder ein Anbot oder die Aufforderung, ein Anbot zu stellen, wobei beides zulässig an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet sei. Liege keine konkrete Befürchtung vor, ein potentieller Vertragspartner werde den Rechtsvorschriften und Beförderungsbedingungen und den im Interesse der Sicherheit getroffenen Anordnungen nicht entsprechen, bestehe auf Seiten der beklagten Partei ein von ihr selbst initiierter Kontrahierungszwang, der dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen sei, sodaß auf die Frage, ob die beklagte Partei einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliege, nicht eingegangen werden müsse. Der Kläger habe keinen hinreichenden Anlaß gegeben, ihn von der Beförderung auszuschließen. Eine konkrete Gefährdung von Personen oder des Seilbahnbetriebes sei nicht erfolgt. Eine Einschränkung hinsichtlich der möglichen Landung sei nur insoweit zulässig, als dies für die Sicherheit anderer Personen erforderlich sei. Für eine solche Annahme habe der Kläger keinerlei Veranlassung gegeben. Er habe auch nicht gegen geltende Rechtsvorschriften verstoßen, weil die Landung mit einem Paragleitschirm keiner behördlichen Bewilligung bedürfe. Flüge mit Paragleitschirmen seien im Luftfahrtgesetz zwar noch nicht geregelt, wohl aber im § 56 a der Luftverkehrsregeln idF BGBl 228/1990. Diese Bestimmung befasse sich aber mit Flügen von Hänge- und Paragleitern nur insoweit, als dadurch die Sicherheit der Luftfahrt betroffen werde. Das Fliegen mit Paragleitschirmen sei - schon aus einem Größenschluß - Segelflügen gleichzusetzen, für welche keine behördliche Außenlandegenehmigung erforderlich sei. Der Kläger habe durch seine Landung in S***** daher auch nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil den zu lösenden Rechtsfragen - Kontrahierungszwang bei der Beförderung mit einer Seilbahn, Verhalten eines Paragleiterpiloten - erhebliche Bedeutung zukomme und hiezu keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 1 EisenbahnG sind Seilbahnen Eisenbahnen. Für öffentliche Eisenbahnen bestimmte die EVO 1955 und nunmehr das an deren Stelle getretene Eisenbahnbeförderungsgesetz 1988 in § 3 ausdrücklich den Kontrahierungszwang: Die Eisenbahn ist zur Beförderung verpflichtet, wenn den geltenden Rechtsvorschriften und Beförderungsbedingungen entsprochen wird. Die Bestimmungen des EBG sind jedoch auf Straßenbahnen und Seilbahnen nicht anzuwenden, sodaß ein schon durch das Gesetz normierter Kontrahierungszwang nicht angenommen werden kann. Die vom Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr durch Bescheid genehmigten Beförderungsbedingungen der beklagten Partei enthalten eine dem § 3 EBG wörtlich entnommene Bestimmung über den Kontrahierungszwang. Dies ändert aber nichts daran, daß es sich dabei um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die erst beim Vertragsabschluß kraft Unterwerfung wirksam werden, nicht aber um ein schon verbindliches Vertragsanbot an einen unbestimmten Personenkreis. Von einem solchen könnte nur gesprochen werden, wenn sich daraus nicht nur der Wille des Anbietenden entnehmen ließe, den Vertrag wirklich schließen zu wollen, sondern auch die Leistungen, die auf Grund des Vertrages zu erbringen sind oder gefordert werden in einer solchen Weise bezeichnet würden, daß sie aus dem Anbot feststellbar sind (SZ 45/102 ua). Wohl aber kann aus diesen Beförderungsbedingungen, welche, enthielten sie eine Bestimmung, die der Seilbahngesellschaft einen willkürlichen Ausschluß von der Beförderung einzelner Personen oder Personengruppen erlaubte, wohl keine Aussicht auf behördliche Genehmigung gehabt hätten, entnommen werden, daß die Seilbahngesellschaft im Sinne einer Selbstbindung einen gleichmäßigen Vertragsabschluß mit allen Interessenten öffentlich und generell bekannt gemacht hat. Es entspricht der neueren Rechtsprechung und Lehre (SZ 59/130; WBl 1992, 21; RdW 1992, 206; Bydlinski, Zu den Grundlagen des Kontrahierungszwanges AcP 180, 44), daß Kontrahierungszwang überall dort besteht, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität die Möglichkeit der Fremdbestimmung über andere gibt und bei Fehlen zumutbarer Ausweichmöglichkeiten und der Zugehörigkeit der betreffenden Leistung zum "Normalbedarf" sich der Kontrahierungszwang bei Diskriminierung eines einzelnen oder einer Personengruppe dann von selbst versteht, wenn die fragliche Leistung von dem Diskriminierenden sonst öffentlich angeboten wird.

Die Beklagte hat ihre Beförderungsleistung und die Bedingungen der Beförderung öffentlich angeboten. Es steht fest, daß sie andere Paragleiter zu dem nicht auf andere Weise als mit der Seilbahn erreichbaren Startplatz befördert hat. Ein willkürlicher, sachlich nicht gerechtfertiger Ausschluß des Klägers von der Beförderung würde somit eine unzulässige sittenwidrige Diskriminierung darstellen. Unter "Normalbedarf" sind nicht nur lebensnotwendige Leistungen von besonderer Wichtigkeit zu verstehen; dieser ist vielmehr an dem jeweils konkreten Interessentenkreis - im vorliegenden Fall am Bedarf aller in der Region Z***** den Wintersport, auch den Paragleitsport Ausübenden - zu messen.

Der Kläger hat auch bei dem Vorfall vom 17.Dezember 1992, den die beklagte Partei zum Anlaß für seinen Ausschluß nahm, nicht gegen die Beförderungsbedingungen verstoßen: Wenn in diesen eine Beförderungspflicht festgelegt ist, "wenn den geltenden Rechtsvorschriften und Beförderungsbedingungen entsprochen wird", so kann dies nicht so verstanden werden, daß die beklagte Partei berechtigt oder verpflichtet wäre, unabhängig vom Beförderungsvertrag darüber zu wachen, daß ihre Vertragspartner alle geltenden Rechtsvorschriften einhalten. Vielmehr hat die beklagte Partei hierüber nur bis zur Beendigung des Beförderungsvertrages und, soweit sie Schutz- und Aufsichtspflichten im Anschluß treffen (Sicherheit der beförderten Personen auf den Abfahrtspisten), in dem dadurch bedingten Umfang zu sorgen. Keineswegs aber steht es ihr zu, über die Erlaubtheit oder Unerlaubtheit einer nicht in ihrem Einflußbereich liegenden Landung mit dem Paragleitschirm zu befinden. Der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob Paragleiter den luftfahrtrechtlichen Bestimmungen für Segelflugzeuge oder Fallschirme zu unterstellen seien, kommt daher keine entscheidende Bedeutung zu. Überdies hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 2 Ob 12/94 = EvBl 1994/81 ausgesprochen, daß Hängeleiter Luftfahrzeuge im Sinne des § 11 Abs 1 LFG sind und auf sie grundsätzlich diesselben Bestimmungen wie für Segelflugzeuge gelten, sodaß eine behördliche Landeerlaubnis nicht erforderlich ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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