Spruch:
Beiden Revisionen wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Beklagte war seit 20. Juni 1975 Geschäftsführerin der Dr.techn.Ernst L*** & Co. Gesellschaft mbH (im folgenden kurz L*** GesmbH genannt) mit dem Sitz in Steyrermühl.
Unternehmensgegenstand war im wesentlichen die fabriksmäßige Erzeugung von Maschinen. Die klagende Partei lieferte an die L*** GesmbH am 4.Oktober 1985 und am 16. Dezember 1985 technische Geräte, für die am 15. Oktober 1985 über S 189.600 und am 17. Dezember 1985 über S 613.320 (jeweils inklusive Umsatzsteuer) Fakturen gelegt wurden. Weiters verrechnete die Klägerin am 7. Mai 1986 Verzugszinsen von S 6.000. Auf diese Rechnungen bezahlte die L*** GesmbH insgesamt S 243.260.
Am 25. Juli 1986 wurde über das Vermögen der L*** GesmbH zu S 40/86 des Kreisgerichtes Wels der Konkurs eröffnet. Die klagende Partei meldete eine Forderung von S 634.326,72 an, die die Masseverwalterin, die I*** mbH, bis auf 27 Groschen anerkannte. Die gelieferten Waren waren jedenfalls bis zum 24. Jänner 1986 im Unternehmen der späteren Gemeinschuldnerin vorhanden, jedoch nicht mehr im Zeitpunkt der Konkurseröffnung. Die Klägerin begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von S 571,660 an offenem Kapital, S
133.795 an kapitalisierten Zinsen sowie S 26.679,45 an Vertretungskosten im Insolvenzverfahren der L*** GesmbH und brachte vor, das Unternehmen sei bereits 1984 objektiv überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte die Beklagte spätestens Anfang 1985 erkennen müssen, daß die L*** GesmbH konkursreif sei. Sie habe jedoch in grob fahrlässiger Weise den Konkurs verspätet angemeldet, sei in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit neue Schulden eingegangen, habe alte Schulden bezahlt und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragt und dadurch die Befriedigung der Gläubiger vereitelt bzw. geschmälert. Schließlich habe sie durch Abschluß gewagter Geschäfte, die sich als Verlustträger erwiesen hätten, grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens herbeigeführt. Hätte die Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtzeitig beantragt, hätte die Klägerin die gegenständliche Lieferung nicht durchgeführt. Außerdem wäre die Beklagte bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals, der spätestens am 30. April 1985 erkennbar gewesen sei, verpflichtet gewesen, die Generalversammlung einzuberufen. Hätte sie das getan, wären entsprechende Sanierungsmaßnahmen getroffen oder das Insolvenzverfahren früher eingeleitet worden. Hätte die Beklagte spätestens im Dezember 1985 den Insolvenzantrag gestellt, wären die von der Klägerin unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren noch vorhanden gewesen, die Klägerin hätte die Waren aussondern können und damit keinen Schaden erlitten. Bei rechtzeitiger Konkursantragstellung zu Beginn des Jahres 1985 hätte die fiktive Konkursquote nahezu 100 % betragen. Es sei anzunehmen, daß der Klägerin weitere Schäden entstünden, sodaß sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aus ihrem Verhalten habe und daher auch ein Feststellungsbegehren berechtigt sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, eine insolvenzrechtliche Überschuldung der L*** GesmbH sei niemals vorgelegen. Die Beklagte sei im Jahre 1985 keinesfalls in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis einer Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gewesen. Exekutionen hätten erst nach dem Ende des Wirtschaftsjahres 1985/1986 in vermehrtem Umfang eingesetzt. Die Verluste der Gesellschaft in den Wirtschaftsjahren 1984/1985 und 1985/1986 seien auf außerordentliche Ereignisse, so auf das Ausscheiden eines leitenden Mitarbeiters sowie auf Zahlungsausfälle in Höhe von 5,1 Millionen Schilling zurückzuführen. Der mit der Erstellung der Jahresabschlüsse betraute Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der Beklagten habe noch 1986 "dringlich" von einem Konkursantrag abgeraten.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 400.621,52 sA und wies das Mehrbegehren sowie das Feststellungsbegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Als Wirtschaftsjahr der L*** GesmbH war der Zeitraum vom 1. Mai bis zum 30. April des Folgejahres festgelegt worden. Am 26. April 1985 wurde der Verkehrswert der Liegenschaften der L*** GesmbH mit S 19,100.000 und am 11. August 1986 das bewegliche Anlagevermögen mit S 6,843.700 geschätzt. Unter Berücksichtigung dieser Bewertungen ergab sich erstmals zum Bilanzstichtag 30. April 1986 eine Überschuldung von S 1,362.592. Das Unternehmen wurde nach Konkurseröffnung am 15. November 1986 um 26 Millionen Schilling verkauft. Unter Zugrundelegung der darin erzielten Erlöse lag bereits zum 30.April 1985 eine Überschuldung von S 3,518.868 vor. Der Steuerberater der Beklagten, Dkfm.Dr.Josef M***, erstellte zum 31.Oktober 1985 eine Zwischenbilanz und bestätigte mit Schreiben vom 6. Dezember 1985 der Bank für Oberösterreich und Salzburg, Filiale Gmunden, daß dann, wenn in dem in der Bilanz mit S 16,836.477,19 ausgewiesenen Anlagevermögen stille Reserven von mindestens S 4,358.235,52 enthalten seien, das handelsrechtliche Eigenkapital der Gesellschaft nicht überschuldet sei. Im Hinblick auf dieses Schreiben und das Schätzungsgutachten von Ing.Karl H*** (Schätzwert der Liegenschaft 89,1 Millionen Schilling) war für die Beklagte im Dezember 1985 eine Überschuldung noch nicht erkennbar. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die Beklagte vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Konkursantragstellung am 24. Juli 1986 die Überschuldung der L*** GesmbH erkannte oder hätte erkennen können.
Im Laufe der Wirtschaftsjahre vom 1. Mai 1983 bis 30. April 1986 trat eine deutliche Verschlechterung der finanziellen Lage des Unternehmens ein. Zum Bilanzstichtag 30. April 1986 konnten nur mehr 94 % der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch liquide Mittel gedeckt werden. Der cash-flow war zum 30. April 1985 erstmals mit S 19,680.681 negativ. Die L*** GesmbH wurde im Laufe des "Wirtschaftsjahres 1985" zahlungsunfähig. Spätestens zum 30. April 1985 lag die objektive Zahlungsunfähigkeit vor.
Gegen die L*** GesmbH wurde erstmals am 3. Oktober 1985 ein Exekutionsantrag eingebracht. Im letzten Quartal 1985 betrugen die in Exekution gezogenen Forderungen insgesamt S 28.376,48. Zu welchem Zeitpunkt der Jahresabschluß 1984/1985 erstellt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Hätte die Beklagte nach Vorliegen des Jahresabschlusses über das Geschäftsjahr 1984/1985 eine statische Liquiditätsanalyse und eine cash-flow-Analyse des Unternehmens durchgeführt, hätte sie längstens zwei Monate nach Vorliegen des Jahresabschlusses Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens gehabt.
Der Verlust der Hälfte des Stammkapitals trat zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr 1984/1985 ein und war für die Beklagte frühestens bei Vorliegen des Jahresabschlusses für dieses Wirtschaftsjahr erkennbar.
Ursächlich für die Überschuldung und den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit waren im wesentlichen der enorme Umsatzrückgang im Wirtschaftsjahr 1984/1985 und die auch im folgenden Wirtschaftsjahr erlittenen Unternehmensverluste. Der Umsatzrückgang im Geschäftsjahr 1984/1985 war darauf zurückzuführen, daß im Dezember 1983 Helmut R*** aus dem Unternehmen ausschied und bei einem Konkurrenzunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland eintrat. Helmut R*** war zuvor im Betrieb der Gemeinschuldnerin im Verkauf tätig gewesen, hatte seine Verkaufsaktivitäten sehr auf die Bundesrepublik Deutschland konzentriert und die Betreuung der übrigen Exportmärkte vernachlässigt. Nach seinem Ausscheiden mußten die Kontakte zu Kunden neu hergestellt werden. Weiters war für den Verlust im Wirtschaftsjahr 1984/1985 ursächlich, daß umfangreiche Nacharbeiten an zwei von der L*** GesmbH neu entwickelten Großanlagen geleistet werden mußten, wodurch Kosten von etwa 50 % der Auftragssumme entstanden. Bei Abschluß der Verträge hatte die Beklagte, die lediglich eine kaufmännische Ausbildung hat, auf Grund der Stellungnahmen der im Unternehmen beschäftigten Techniker keinen Zweifel "an der Ausführbarkeit der Maschinen". Helmut R*** hatte jedoch den Kunden Eigenschaften zugesagt, die in der Folge nicht verwirklicht werden konnten.
Der Verlust im Wirtschaftsjahr 1985/1986 wurde durch hohe Kosten "für die Ankurbelung des zusammengebrochenen Umsatzes" verursacht. Außerdem wurden zwei Aufträge von der T*** Aktiengesellschaft angenommen, die sich nachträglich als Verlustträger herausstellten, weil erhoffte Folgeaufträge nicht erteilt wurden, sodaß die Entwicklungskosten die erlösten Preise bei weitem überstiegen. Schließlich kam es im Februar und März 1986 zu Forderungsausfällen in Millionenhöhe durch Insolvenzen von zwei ausländischen Abnehmerfirmen. Nicht festgestellt werden konnte, daß die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der L*** GesmbH durch Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes insbesondere dadurch, daß sie übermäßigen Aufwand trieb, leichtsinnig oder unverhältnismäßig Kredit benutzte oder gewährte, einen Bestandteil des Vermögens des Unternehmens verschleuderte oder ein gewagtes Geschäft abschloß, das nicht zum ordnungsgemäßen Betrieb des Geschäftes der L*** GesmbH gehörte oder mit deren Vermögensverhältnissen in auffallendem Widerspruch stand, herbeigeführt hat.
Nach zwei vorangegangenen Fernschreiben bestellte die L*** GesmbH mit Fernschreiben vom 21. August 1985 bei der Klägerin technische Geräte gemäß deren fernschriftlichem Angebot zu deren Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen, die unter anderem lauten:
"9. Zahlungsbedingungen:
... Wenn der Besteller die vereinbarten Zahlungsbedingungen nicht einhält, berechnen wir, ohne daß es einer besonderen Inverzugsetzung bedarf, bei der Zahlung Verzugszinsen von 1 % pro Monat. ...
10. Eigentumsvorbehalt:
Wir behalten uns das Eigentum an unserer Gesamt- oder Teillieferung bis zu ihrer vollständigen Bezahlung vor".
Die Klägerin bezog die an die L*** GesmbH gelieferten Waren zum Teil bei der R*** E*** AG, Schweiz, zum Teil bei der R*** E*** GesmbH, Krefeld. Von der R*** E*** AG wurden der klagenden Partei dafür am 3. Oktober 1985 netto S 128.295 in Rechnung gestellt, von der R*** E*** GmbH am 13. Dezember 1985 DM 57.118, dies entspricht S 389.550. Die Versendung der Waren erfolgte jeweils über die Spedition P***-W*** Gesellschaft mbH auf Kosten der Klägerin. Für den Transport aus der Schweiz bezahlte die Klägerin an das Speditionsunternehmen einschließlich Zoll und Einfuhrumsatzsteuer S 26.974,20, für die aus der Bundesrepublik Deutschland bezogenen Waren S 95.154,40. Weiters entrichtete die Klägerin im Zusammenhang mit der Lieferung an die P*** Aktiengesellschaft, Wien, S 3.907,92.
Hätte die Beklagte vor dem 24. Jänner 1986 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der L*** GesmbH gestellt, wären die von der Klägerin gelieferten Waren noch im Vermögen des Unternehmens vorhanden gewesen, die Klägerin hätte die nach wie vor in ihrem Eigentum gestandenen Waren durch Geltendmachung des Aussonderungsrechtes zurückerhalten.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagte hätte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt spätestens zum 1. Dezember 1985 erkennen können, daß die L*** GesmbH zahlungsunfähig sei. Tatsächlich habe sie den Antrag auf Konkurseröffnung erst am 24. Juli 1986 gestellt. Sie habe damit gegen Schutzgesetze verstoßen und hafte ihren Gläubigern für den dadurch entstandenen Schaden. Die Tatsache, daß die Beklagte nicht schon im Dezember 1985 die Konkurseröffnung beantragt habe, habe dazu geführt, daß der Eigentumsvorbehalt der Klägerin an den gelieferten Waren infolge Weiterveräußerung untergegangen sei. Bei rechtzeitiger Konkursanmeldung hätte die Klägerin von ihrem Aussonderungsrecht Gebrauch machen und vom Vertrag zurücktreten können, jedoch die Teilzahlung der Gemeinschuldnerin von S 243.260 zurückbezahlen müssen. Dieser Betrag sei von den von der Klägerin aufgewendeten Beschaffungskosten von insgesamt S 643.881,52 abzuziehen, sodaß das Klagebegehren mit S 400.621,52 berechtigt sei. Verzugszinsen und Kosten der Vertretung im Insolvenzverfahren seien von der Beklagten mangels Ursächlichkeit und Rechtswidrigkeitszusammenhanges nicht zu ersetzen. Auch im Falle einer zeitgerechten Konkursantragstellung wären diese Unkosten aufgelaufen. Die Schäden der Klägerin auf Grund der verspäteten Konkursantragstellung durch die Beklagte stünden bereits abschließend fest, sodaß dem Feststellungsbegehren die Berechtigung fehle. Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. In der rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, § 69 Abs. 2 und Abs. 3 KO in der Fassung des Insolvenzänderungsgesetzes 1982 sowie § 159 Abs. 1 Z 2 StGB seien Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB zugunsten aller durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger. Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung habe Überwachungspflichten, die er mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu erfüllen habe. Dazu gehöre auch die rechtzeitige Aufstellung des Jahresabschlusses. Vernachlässige er die Pflicht, darauf zu dringen, falle dem Geschäftsführer zumindest eine fahrlässige Pflichtverletzung zur Last. Da das Wirtschaftsjahr der L*** GesmbH am 30. April 1985 geendet habe, sei die Beklagte nach § 22 Abs. 2 GmbHG verpflichtet gewesen, den Jahresabschluß bis spätestens 30. September 1985 zu erstellen, sodaß sie nach den Feststellungen längstens zwei Monate nach diesem Zeitpunkt in die Lage versetzt gewesen wäre, die wirtschaftliche Situation zu überblicken und die Zahlungsunfähigkeit zu erkennen. Bei der festgestellten wirtschaftlichen Krise der L*** GesmbH und der zum 30. April 1985 vorgelegenen objektiven Zahlungsunfähigkeit wäre die Beklagte spätestens nach Vorliegen der Bilanz über das Geschäftsjahr 1984/1985 verpflichtet gewesen, über den Jahresabschluß hinaus eine Fortbestandsprognose anzustellen und entsprechende Planungsrechnungen wie die Berechnung der cash-flow-Raten zu erstellen. Durch das Schreiben des Steuerberaters, der unter der Annahme stiller Reserven von rund S 4,35 Millionen im Anlagevermögen der Gesellschaft keine Überschuldung des handelsrechtlichen Eigenkapitales angenommen habe, sei die Beklagte nicht entschuldigt, weil damit nichts über die Zahlungsunfähigkeit, die den Schuldner ebenfalls zum Antrag auf Eröffnung des Konkurses verpflichte, ausgesagt worden sei. Der ihr oblegene Beweis, daß sie spätestens Anfang Dezember 1985 die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht hätte erkennen können, sei ihr nicht gelungen. Sie hätte daher spätestens zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der L*** GesmbH feststellen müssen. Stehe fest, daß eine außergerichtliche Sanierung unmöglich sei oder sei der Schuldner von vornherein nicht gewillt, eine Sanierung zu unternehmen, sei das Insolvenzverfahren sofort zu beantragen. Daß die Beklagte auch nur versucht hätte, Schritte zur Sanierung des Unternehmens einzuleiten, sei weder behauptet worden noch im Verfahren hervorgekommen. Es sei daher nicht entscheidend, ob die 60-tägige Frist des § 69 Abs. 2 KO bereits mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder erst dann zu laufen beginne, wenn der Schuldner positive Kenntnis davon erlange. Der Frage, ob die Klägerin als Alt- oder Neugläubigerin zu betrachten sei, komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil ein über den Quotenschaden hinausgehender, sich nur bei einzelnen Gläubigern realisierender Individualschaden als Folge der Konkursverschleppung dann in Betracht komme, wenn ein betroffener Gläubiger wegen nicht rechtzeitiger Antragstellung Aus- oder Absonderungsrechte verliere, auf die er andernfalls im Konkurs der Gesellschaft hätte greifen können. Dazu gehöre insbesondere der Verlust des Eigentumsvorbehaltes infolge Konkursverschleppung. Für den dadurch entstandenen Schaden habe die Beklagte zu haften. Da Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Beklagten nicht vorliege, weil nach den Feststellungen keine ungewöhnliche, auffallende Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht vorliege, welche den Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar erscheinen lasse - eine Überschuldung sei erst mit Abschluß des Geschäftsjahres 1985/1986 vorgelegen, Exekutionen seien erstmals im Oktober 1985 und nur über geringe Beträge geführt worden, größere Aufträge seien vorhanden gewesen, die Folgeaufträge hätten erwarten lassen - sei nur der positive Schaden, nicht auch der entgangene Gewinn zu ersetzen. Diesen positiven Schaden habe das Erstgericht zutreffend mit jenem Betrag ermittelt, den die Klägerin an ihre Lieferanten zu bezahlen gehabt habe, zuzüglich der festgestellten Kosten und Abgaben. Die der L*** GesmbH in Rechnung gestellte Gewinnspanne sei auszuscheiden. Von dem so ermittelten Gesamtschaden seien die geleisteten Teilzahlungen abzuziehen, welche, da es sich um einen einheitlichen Auftrag gehandelt habe und die Zahlungen erst zu einem Zeitpunkt erfolgt seien, als die Klägerin ihr Aussonderungsrecht an den bereits gelieferten Geräten hätte geltend machen können, nicht zunächst zur Gänze auf die ältere Rechnung angerechnet werden könnten. Vertretungskosten im Insolvenzverfahren seien nicht zu ersetzen. Solche Kosten könnten nur durch die nach TP 1 RAT zu entlohnende Forderungsanmeldung entstanden seien. Weil Schriftsätze zur Geltendmachung eines Aussonderungsrechtes nach TP 3A RAT zu honorieren seien, wären bei rechtzeitiger Konkursantragstellung sogar höhere Kosten aufgelaufen. Die von der Klägerin geltend gemachten, zum Teil bereits kapitalisierten Zinsen seien vertraglich vereinbarte Verzugszinsen, für welche die Beklagte im Rahmen des Schadenersatzes nicht zu haften habe. Einen Schaden in Form von zusätzlich aufgelaufenen Bankzinsen habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Da der Masseverwalter im Konkurs die gesamte von der Klägerin geltend gemachte Forderung anerkannt habe, sei ein weiterer Schade der Klägerin in Form weiterer Vertretungskosten im Konkurs auszuschließen und damit ein Feststellungsinteresse für künftige Schäden zu verneinen.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Streitteile wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Während die Klägerin eine vollinhaltliche Klagestattgebung anstrebt, beantragt die Beklagte eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer vollständigen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind berechtigt.
Die Klägerin meint, der Beklagten falle grobe Fahrlässigkeit an der verspäteten Konkursantragstellung zur Last, die Zahlungsunfähigkeit wäre bei gehöriger Sorgfalt subjektiv schon zum Ende des Geschäftsjahres 1984/1985, also vor Abschluß des Vertrages mit der L*** GesmbH erkennbar gewesen.
Die Beklagte führt aus, es sei ihr keinerlei Verschulden und keine Verletzung eines Schutzgesetzes anzulasten.
Durch § 25 GmbHG wird der objektive Sorgfaltsmaßstab für den Geschäftsführer bestimmt. Der Geschäftsführer hat jene Sorgfalt aufzuwenden, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhändiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen einzuhalten hat (GesRZ 1986, 97). Er wird dabei weder durch Übertragung seiner Aufgaben an einen Dritten noch durch allenfalls fehlende eigene Kenntnisse und Fähigkeiten entschuldigt. Zu den Pflichten, deren Verletzung die Haftung für eingetretene Schäden begründet, gehört auch die rechtzeitige Antragstellung auf Konkurseröffnung, wenn das Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Ob die Verletzung dieser Verpflichtung unverschuldet war, auf leichter oder grober Fahrlässigkeit beruht, muß nach den gesamten Umständen im Einzelfall beurteilt werden. Fest steht, daß die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der L*** GesmbH in den letzten beiden Jahren vor Konkurseröffnung auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist, insbesondere auf den enormen Umsatzrückgang, die in der Folge aufgelaufenen hohen Kosten zur Ankurbelung des zusammengebrochenen Umsatzes, das Ausbleiben erhoffter Folgeaufträge und schließlich auf Forderungsausfälle in Millionenhöhe durch Insolvenzen von zwei ausländischen Abnehmerfirmen. Bei der Größe des Unternehmens war eine arbeitsteilige Unternehmensführung, die Übertragung großer Bereiche an leitende Mitarbeiter für die Geschäftsführerin erforderlich. Daß der Beklagten bei der Auswahl dieser Mitarbeiter grobe Fehler unterlaufen wären, ist nicht hervorgekommen. Der Umsatzeinbruch im Geschäftsjahr 1984/1985 war auf den Wechsel des für den Verkauf und Export zuständigen Mitarbeiters zu einem Konkurrenzunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen. Die Beklagte hat danach mit großen Anstrengungen versucht, den Umsatz wieder zu steigern, was insofern gelungen ist, als nach dem Umsatzrückgang von 32 % im Geschäftsjahr 1984/1985 eine Erhöhung der Betriebsleistung um 40 % im folgenden Geschäftsjahr erzielt werden konnte. Das Verfahren hat ergeben, daß nach der Art des Unternehmens nach Auftragserteilung lange Produktionszeiten erforderlich waren, die wieder angekurbelten Aufträge konnten sich finanziell daher erst mit größerer Verzögerung auswirken.
Das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung verpflichtet im § 22 die Geschäftsführer, in den ersten fünf Monaten jedes Geschäftsjahres für das abgelaufene Geschäftsjahr den Jahresabschluß aufzustellen. Die Generalversammlung kann gemäß Abs. 3 leg cit im Einzelfall diese Frist auf Antrag der Geschäftsführer aus wichtigem Grund um längstens zwei Monate verlängern. Im Hinblick auf die wieder verbesserte Auftragslage und die erhofften Folgeaufträge kann es der Beklagten noch nicht als Verschulden angerechnet werden, daß sie nicht schon mit Ablauf des Geschäftsjahres 1984/1985 den Jahresabschluß fertiggestellt hatte, sondern die gesetzliche Frist ausschöpfte (vielfach ist dies schon durch die Auftragsüberlastung der Wirtschaftsprüfer bedingt).
Spätestens aber zum gesetzlich normierten Termin hätte der Jahresabschluß vorliegen müssen. Dessen Ergebnisse, insbesondere der darin ausgewiesene Jahresverlust von rund 14,3 Millionen S, mit dem Verlustvortrag waren es mehr als 15 Millionen S, waren Alarmzeichen einer Unternehmenskrise, die zu sofortigen weiteren Maßnahmen verpflichtet hätten. Dazu genügte es nicht, zum 31. Oktober 1985 nur eine Zwischenbilanz aufzustellen und sich mit der Aussage des Steuerberaters zufriedenzugeben, daß dann keine Überschuldung vorliege, wenn im Anlagevermögen stille Reserven von mindestens rund 4,3 Millionen S enthalten seien. Damit war über die Möglichkeit, kurzfristige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, nichts ausgesagt. Für die Zahlungsunfähigkeit ist Überschuldung nicht Voraussetzung. Das Vorhandensein von Vermögen ist nur dann von Bedeutung, wenn der Schuldner daraus in Kürze ausreichende Mittel zur Überwindung einer nur vorübergehenden Illiquidität gewinnen kann (EvBl. 1978/42). In einer solchen erkennbaren Krisensituation ist ein Geschäftsführer verpflichtet, sich nicht nur mit einer rein rechnerischen Überschuldungsprüfung zu begnügen, sondern alle betriebswirtschaftlichen Hilfsmittel zur Beurteilung der Unternehmenssituation auszuschöpfen. Es muß eine Fortbestehensprognose erstellt werden, in deren Rahmen mit Hilfe sorgfältiger Analysen von Verlustursachen, eines Finanzierungsplanes sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu prüfen ist und Sanierungsmaßnahmen überlegt werden müssen, damit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die weitere Lebensfähigkeit der Gesellschaft beurteilt werden kann (vgl. WBl. 1987, 74; SZ 60/179). Berücksichtigt man, daß für eine solche Prüfung nach den Feststellungen ein zeitlicher Aufwand von ca. zwei Monaten erforderlich war, dann hätte der Beklagten unter Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, wie es die Vorinstanzen angenommen haben, spätestens Anfang Dezember 1985 auch subjektiv bekannt sein müssen. Die tatsächliche Unkenntnis beruht daher auf Fahrlässigkeit. Die bereits dargestellten Umstände, insbesondere die verbesserte Auftragslage und die erhofften Folgeaufträge sowie die Tatsache, daß eine Überschuldung des Unternehmens noch nicht gegeben war - dies geht, anders als im vorliegenden Fall, in aller Regel einer Zahlungsunfähigkeit zeitlich voraus - und Exekutionen in größerem Ausmaß erst im ersten Quartal 1986 einsetzten, ist das Verschulden der Beklagten an der Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens und der dadurch bedingten verspäteten Konkursantragstellung noch nicht als grob fahrlässig zu beurteilen. Sie hat daher der Klägerin den positiven Schaden zu ersetzen, der dieser aus der verspäteten Konkursantragstellung erwachsen ist. Die §§ 69 KO und 159 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB sind Schutzgesetze zugunsten aller Gesellschaftsgläubiger, die durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigt werden. Schutzzweck ist die gleichmäßige und möglichst vollständige Befriedigung aller Gläubiger. Das bedeutet aber nicht, wie die Beklagte daraus abzuleiten versucht, daß nicht einzelnen Gruppen von Konkursgläubigern unterschiedliche Ersatzansprüche zustehen können. Die Befriedigung der Gläubiger soll nach konkursrechtlichen Grundsätzen erfolgen. Nach diesen sind aber Gläubiger, denen Aussonderungs- oder Absonderungsansprüche zustehen, auch im Konkurs anders zu behandeln als Gläubiger mit nicht so besicherten Geldforderungen. Wenn daher ein Gläubiger ein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht verliert, das er bei rechtzeitiger Konkursantragstellung im Konkurs der Gesellschaft hätte geltend machen können, so stellt dieser über den Quotenschaden hinausgehende Schaden einen durch den Schutzzweck der genannten Normen umfaßten adäquaten Individualschaden dar. Der Gläubiger erhält nicht mehr als er bei rechtzeitiger Konkurseröffnung erhalten hätte (vgl. auch Hachenburg-Ulmer, GmbHG7, Rz 52 bis 54 zu § 64). Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Ansicht, der Geschäftsführer habe für den Verlust eines Aussonderungsrechtes überhaupt nicht zu haften, zitierten Entscheidungen EvBl. 1986/129 und WBl. 1987, 186 behandeln die Frage der Haftung des Geschäftsführers für Schäden, die aus der Nichterfüllung sekundärer Leistungsverpflichtungen entstanden sind, und können nicht auf den unmittelbaren Verlust eines Aussonderungsrechtes übertragen werden. Die Klägerin ist daher nicht auf den Quotenschaden beschränkt, sie kann den Ersatz jenes Schadens fordern, der ihr durch den Verlust des Aussonderungsrechtes auf Grund des vereinbarten Eigentumsvorbehaltes an den gelieferten Geräten entstanden ist.
Dieser Schaden ist aber weder mit dem Fakturenwert der gelieferten Geräte noch mit den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin gleichzusetzen, sondern mit dem Verkehrswert, den die auszusondernden Waren im Zeitpunkt der rechtzeitigen Konkurseröffnung, also im Dezember 1985 hatten. Dieser Verkehrswert ist von der Art der gelieferten Waren abhängig. So ist es durchaus denkbar, daß etwa wegen einer seit der Herstellung eingetretenen technischen Fortentwicklung oder weil es sich um Sonderanfertigungen für einen bestimmten Besteller gehandelt hat, die ausgesonderten Geräte unverkäuflich oder doch nur zu einem wesentlich geringeren als dem mit dem Besteller vereinbarten Preis oder den Anschaffungskosten verwertbar gewesen wären. Zur Ermittlung dieses Verkehrswertes, gegebenenfalls durch einen Sachverständigen, wird das Verfahren zu ergänzen sein. Von dem so ermittelten Schaden ist sodann die Teilzahlung der L*** GesmbH von S 243.260 abzuziehen. Diese wäre der Klägerin bei rechtzeitiger Konkursantragstellung gar nicht mehr zugekommen.
Die Klägerin hätte nach Konkurseröffnung die gelieferten Waren auch nicht eigenmächtig zurücknehmen dürfen, sondern hätte ihren Aussonderungsanspruch auf Grund des vereinbarten Eigentumsvorbehaltes im Konkurs geltend machen müssen, sodaß, geht man davon aus, daß hiezu die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich war, Anwaltskosten auch bei rechtzeitiger Konkurseröffnung aufgelaufen wären. Zur Höhe dieser Kosten kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Dieses hat auch zutreffend ausgeführt, daß die Klägerin Verzugszinsen auf Grund ihres mit der L*** GesmbH abgeschlossenen Vertrages begehrt hat, die Beklagte aber aus dem Titel des Schadenersatzes haftet.
Dieser Schaden besteht, wie ausgeführt, im Verlust des Aussonderungsrechtes. Einen Schaden, etwa durch erforderliche Kreditaufnahme hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Da die Beklagte kein grobes Verschulden trifft, hat sie nur für die gesetzlichen Zinsen ab Einforderung, welche mit der Klage geschehen ist, einzustehen. Zutreffend führt die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung aus, daß Schadenersatzforderungen mangels eines Leistungsaustausches nicht der Umsatzsteuer unterliegen und auch die dem Schadenersatzempfänger zustehenden Verzögerungszinsen daher nicht umsatzsteuerpflichtig sind (RdW 1989, 131).
Die in der Revision der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die 60-Tage-Frist des § 69 Abs. 2 KO erst ab der positiven Kenntnis vom Überschuldungstatbestand oder von der Zahlungsunfähigkeit zu berechnen ist, kann hier auf sich beruhen, weil diese Frist jedenfalls nur dann einzuräumen ist, wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen erfolgen, was hier nicht geschehen ist. Im übrigen führt auch Honsell (Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftsgläubigern bei GmbH-Insolvenz, GesRZ 1984, 138), auf dessen Ausführungen sich die Beklagte stützt, aus, daß selbst, wenn der Lauf der 60-Tage-Frist erst mit positiver Kenntnis und nicht schon mit fahrlässiger Unkenntnis beginnt, die Einräumung der Frist keineswegs einen Schadenersatzanspruch wegen fahrlässiger Verkennung der Konkurslage ausschließt.
Da das Verfahren zur Feststellung des Verkehrswertes der von der Klägerin gelieferten Waren im Dezember 1985 noch ergänzungsbedürftig ist, war in Stattgebung beider Revisionen wie im Spruch zu entscheiden.
Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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