Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird stattgegeben und das angefochtene Urteil in seinem abändernden Ausspruch derart abgeändert, daß das Urteil erster Instanz wiederhergestellt wird. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 5.309,45 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 800 S und an Umsatzsteuer 409,95 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenüber der Forderung auf den restlichen Teil einer unbestrittenen Vermittlungsprovision der Klägerin machte der Beklagte geltend, die Klägerin müsse sich den ihr nach einer Aufteilungsvereinbarung der Streitteile verbliebenen Betrag von 30.000 S als vereinbarte Vorauszahlung auf eine künftige Provision anrechnen lassen. Der Betrag von 30.000 S war ein Teil des 70.000,-- S-Betrages, den die Klägerin von den ersten von ihr vermittelten Kaufinteressenten als "Anzahlung" entgegengenommen und nach dem Scheitern des Kaufes einbehalten hatte. Die Klägerin vertrat den Standpunkt, der Beklagte habe ihr den nach der Aufteilungsvereinbarung belassenen Betrag von 30.000 S zur Abgeltung ihrer Aufwendungen und Bemühungen im Zusammenhang mit dem gescheiterten Geschäftsfall zugestanden.
Der Beklagte wendete im erstinstanzlichen Verfahren nie die Unwirksamkeit einer Aufteilungsvereinbarung des von der Klägerin behaupteten Inhaltes ein und machte eine solche Unwirksamkeit auch nicht in der Berufung geltend.
Das Erstgericht stellte eine Einigung der Streitteile über die Aufteilung des nach dem gescheiterten Geschäftsfall von der Klägerin einbehaltenen Betrages von 70.000 S in dem Sinne fest, daß der Beklagte 40.000 S als Ersatz für seinen entgangenen Gewinn, die Klägerin aber 30.000 S für die ihr bis dahin erwachsenen Auslagen und die bereits erbrachten Bemühungen erhalten sollten. Das Berufungsgericht übernahm diese Feststellung.
Das Berufungsgericht erblickte in der Überlassung des Betrages von 30.000 S durch den Beklagten an die Klägerin einen Verstoß gegen § 8 Abs 3 der Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 16. Juni 1978, BGBl. Nr. 323 über Ausübungsregeln für Immobilienmakler (i.d.F. kurz: ImmMV). Daraus folgerte es eine - von amtswegen wahrzunehmende - Nichtigkeit der Absprache über die Abgeltung der Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem gescheiterten Geschäftsfall (und in weiterer Folge Kondizierbarkeit, Aufrechenbarkeit und Schuldtilgung durch Aufrechnung). Während das Erstgericht dem Begehren auf Zahlung der restlichen Provision im Betrage von 34.217 S samt Anhang (mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens, dessen Abweisung unangefochten geblieben ist) stattgegeben hatte, änderte das Berufungsgericht das Urteil in Ansehung eines Teilbetrages von 31.091 S samt Nebenforderungen im klagsabweisenden Sinne ab und bestätigte lediglich den Zuspruch eines Betrages von 3.126 S samt Nebenforderungen. Zur Teilabweisung sprach es aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Die Klägerin ficht den abändernden Teil der Berufungsentscheidung mit außerordentlicher Revision an. Sie stellt einen auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles gerichteten Abänderungsantrag.
Sie rügt vor allem eine in sich widersprüchliche Beurteilung des gescheiterten Geschäftsfalles (nämlich im Verhältnis zwischen dem Beklagten und den ersten Kaufinteressenten als einen mit Angeld bekräftigten Vertragsabschluß, zugleich aber im Verhältnis der Streitteile als ein für die Voraussetzungen des Provisionsanspruches unbeachtliches Ereignis); die Klägerin macht aber auch eine unzutreffende Auslegung des § 8 Abs 3 ImmMV geltend. Die Erledigung des Rechtsstreites ist wesentlich von der Auslegung dieser Bestimmung abhängig. Hiezu fehlt bisher eine höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Revision ist daher entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht aus dem Grunde des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO unzulässig.
Der Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Bei der rechtlichen Beurteilung des zugrunde zu legenden Sachverhaltes drängen sich folgende über die konkreten Umstände des Einzelfalles hinausreichende allgemeine Fragestellungen auf:
- Hat § 8 Abs 3 ImmMV Kundenschutzcharakter?
- Begründet ein Zuwiderhandeln gegen § 8 Abs 3 ImmMV eine absolute, von amtswegen wahrzunehmende Nichtigkeit, eine nur vom geschützten Kunden einwendbare Nichtigkeit oder eine von ihm geltend zu machende Anfechtbarkeit?
- Sind die aus einem Zuwiderhandeln gegen § 8 Abs 3 ImmMV ableitbaren Ansprüche des Kunden gegen den Immobilienmakler - wenn nicht eine absolute Nichtigkeit angenommen werden sollte - zwar nicht im voraus, aber zu irgend einem Zeitpunkt im nachhinein einem Verzicht, Vergleich, konstitutivem Anerkenntnis zugänglich?
- Erfaßt das Verbot des § 8 Abs 3 ImmMV auch die Abgeltung vertragswidrig zugefügter konkreter Vermögensschäden? Nach der besonderen Fallgestaltung stellt sich überdies die Frage:
- Erfaßt das Verbot nach § 8 Abs 3 ImmMV nur die Vereinbarung, Einforderung und Annahme eines Geldbetrages zur endgültigen Rechtsgüterzuweisung oder auch schon die Vereinbarung, Einforderung und Annahme eines Geldbetrages oder sonstiger Vermögenswerte als Sicherung?
Je nach der Lösung dieser Fragen könnten Feststellungsmängel zum "Scheitern" des Vertrages mit den ersten Interessenten sowie zu deren späterem Einverständnis zur "Zurückbehaltung" der zuhanden der Klägerin geleisteten Zahlung vorliegen.
Den Regelungen der ImmMV kommt nach ständiger Rechtsprechung, soweit sich dies aus dem Inhalt der einzelnen Anordnungen ergibt, grundsätzlich auch Kundenschutzcharakter zu. Nach § 8 Abs 3 ImmMV dürfen Provisionen oder sonstige Vergütungen, soweit sie nicht vereinbart werden dürfen, auch nicht gefordert oder genommen werden. Der Inhalt dieser Regelung wahrt eindeutig Interessen des potentiellen Schuldners der Provision oder sonstigen Vergütung. Der Bestimmung kann im Sinne der zitierten Rechtsprechung der Kundenschutzzweck nicht abgesprochen werden.
In dieser Eigenschaft, als Regel zur Hintanhaltung einer als unangemessen gewerteten Benachteiligung der Kunden des Maklers, kann nur dem durch die Norm vor Benachteiligungen zu Schützenden die Berufung auf eine Zuwiderhandlung zugestanden werden. Die Annahme einer von amtswegen aufzugreifenden absoluten Nichtigkeit der als unstatthaft erkannten Vereinbarung und einer auch Dritten gegenüber wirkenden Unbeachtlichkeit des der Leistung zugrundegelegten Rechtsgrundes ist aus denselben Erwägungen abzulehnen, wie sie im Falle des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB allgemein anerkannt sind (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts 6 , I, 118) und daher auch im Falle des § 879 Abs 3 ABGB (Krejci im Handbuch z. KSchG, 175) und in den Fällen des § 6 KSchG (Welser im Handbuch z. KSchG, 369, derselbe in JBl. 1979, 451 und in JBl. 1980, 85) als anwendbar angesehen werden.
Es mag dahingestellt bleiben, ob der Beklagte mit seiner auf reine Tatfragen gestützten Bekämpfung der Aufteilungsabsprache auch ein Zuwiderhandeln gegen § 8 Abs 3 ImmMV geltend machte (insbesondere da er selbst - wenn auch nicht in Österreich - das Gewerbe des Immobilienmaklers auszuüben scheint, wie dies den vorgelegten Korrespondenzstücken entnehmbar ist).
Ein nach Beendigung der Maklertätigkeit im Widerspruch zu § 8 Abs 3 ImmMV gesetztes Verhalten mag zwar ebenso standeswidrig sein wie ein gleichartiges früher gesetztes Verhalten, es ist aber nach dem Wegfall des typischen Kundenschutzzweckes zivilrechtlich nicht mehr erheblich. (Es wäre beispielsweise mit dem Kundenschutzzweck der Regelung nicht mehr vereinbar, daß der auf eine entgegen § 8 Abs 3 ImmMV abgeschlossene Vereinbarung gestützte Anspruch im später ausgetragenen Rechtsstreit nicht verglichen werden könnte.)
Wenn die Parteien des Immobilienmaklervertrages, wie in dem zu beurteilenden Fall, nach den Erfahrungen einer ersten Zeitspanne der Vermittlungsbemühungen mit einem nicht zur Ausführung gelangten Geschäftsfall zwar unter geänderten Abreden das Maklerverhältnis aufrecht erhalten, aber über widerstreitende Ansprüche aus dem gescheiterten Geschäftsfall vermögensrechtliche Vereinbarungen treffen, erscheinen diese nicht mehr vom Schutzzweck des § 8 Abs 3 ImmMV erfaßt.
Das Berufungsgericht hat diese spezifische Grenze des Schutzzweckes übersehen. Die festgestellte Aufteilungsvereinbarung ist nicht nach § 8 Abs 3 ImmMV anfechtbar.
Es erübrigen sich daher im anhängigen Rechtsstreit Feststellungen darüber, in welchem Stadium und aus welchem Grunde es zwischen dem Beklagten und den ersten von der Klägerin vermittelten Interessenten nicht zur Ausführung des Kaufes gekommen ist, sowie darüber, unter welchen Abreden diese Interessenten damit einverstanden waren, daß die Klägerin einen im Hinblick auf den vermittelten Geschäftsfall entgegengenommenen Betrag einbehalte. In gleicher Weise ist auch eine rechtliche Wertung des von den ersten Interessenten zuhanden der Klägerin hingegebenen und in der Folge von dieser einbehaltenen Geldbetrages zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites unerheblich.
In Stattgebung der außerordentlichen Revision war vielmehr mangels Verletzung eines dem § 8 Abs 3 ImmMV innewohnenden Schutzzweckes das Urteil erster Instanz wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)