OGH 6Ob522/87

OGH6Ob522/875.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***- Warenhandelsgesellschaft m.b.H., Wien 23., Oberlaaer Straße 300-306, vertreten durch Dr. Harald und Dr. Andreas Foglar-Deinhardstein, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) K*** K*** Lederwarenhandel, K*** & Co., Wien 10., Hardtmuthgasse 54-56, 2.) Anton K***, Kaufmann, Wien 9., Müllnergasse 26-29, und 3.) Elfriede K***, Kaufmann, Wien 9., Müllnergasse 26-29, alle vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.791,80 S samt Nebenforderungen, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1985, GZ. 1 R 163/85-31, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 8. Februar 1985, GZ. 5 C 2763/82-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine Gesellschaft m.b.H., die ihren Warenhandel in Selbstbedienungsgeschäften betreibt. Als Pächterin eines solchen, als Supermarkt bezeichneten Verkaufslokales im 22. Wiener Gemeindebezirk schloß sie mit einer offenen Handelsgesellschaft als Bestandnehmerin den mit 30. Dezember 1974 datierten Bestandvertrag. Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte waren Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft. Im Jahre 1980 änderte der - bis dahin alleinvertretungsbefugte - Zweitbeklagte seine Stellung von der eines persönlich haftenden Gesellschafters in die eines Kommanditisten, die Gesellschaft wurde zur Kommanditgesellschaft, die Drittbeklagte blieb (nunmehr einzige) persönlich haftende Gesellschafterin. Gegenstand des Bestandvertrages war eine räumlich abgeteilte Verkaufsfläche, auf der die Bestandnehmerin (unter strikter Einhaltung der ihr vertraglich auferlegten Betriebspflicht) ihr spezielles Warenangebot feilzubieten hatte. Der zunächst auf die Dauer von zwei Jahren ab 1. Juli 1974 geschlossene Vertrag sollte sich mangels näher umschriebenen Widerspruches eines der beiden Vertragsteile auf unbestimmte Zeit verlängern. Über die Kündbarkeit eines auf unbestimmte Zeit verlängerten Vertrages sah der Vertrag vom 30. Dezember 1974 folgende Regelung vor:

"Tritt eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses auf unbestimmte Dauer ein, so ist jeder der Vertragsteile berechtigt, diesen Bestandvertrag unter Setzung einer Frist von sechs Monaten - ohne daß es der Geltendmachung eines Kündigungsgrundes bedürfte - jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahres aufzukündigen." Mitte Mai 1982 war die vom Bestandvertrag erfaßte Fläche durch die Bestandnehmerin geräumt. Die Klägerin stellte auf dem dadurch leer gewordenen Raum von ihr feilgebotene Möbel auf.

Die Klägerin begehrte von der erstbeklagten Kommanditgesellschaft als Bestandnehmerin und von den beiden weiteren Beklagten als persönlich haftenden Gesellschaftern den der Höhe nach im eingeklagten Betrag von 29.791,80 S außer Streit stehenden Bestandzins für die zweite Monatshälfte Mai 1982 sowie für die Monate Juni und Juli 1982.

Die Beklagten wendeten vor allem ein, die Erstbeklagte habe zum 15. Mai 1982 von einem ihr durch die Klägerin eingeräumten Gestaltungsrecht zur jederzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses Gebrauch gemacht. Zuvor habe die Klägerin den Geschäftsbetrieb der Bestandnehmerin in vertragswidriger und unlauterer Weise gestört. Die Klägerin habe die Bestandfläche sofort nach der Räumung durch die Erstbeklagte in Eigennutzung genommen. Der Zweitbeklagte machte überdies geltend, er sei nicht mehr persönlich haftender Gesellschafter. Die Drittbeklagte behauptete zur Klagsführung gegen die mit ihrer im Mietvertrag gebrauchten O*** Firma bezeichneten Bestandnehmerin, die Klage habe sich gegen eine nicht existente offene Handelsgesellschaft gerichtet und die Drittbeklagte sei "auch in dieser O***Firma nicht Gesellschafterin". Die Klägerin bestritt eine im Mai 1982 aufrechte, vertraglich eingeräumte Befugnis der Erstbeklagten zur jederzeitigen Beendigung des Bestandverhältnisses. Dem Einwand, die Bestandfläche sofort nach der Räumung durch die Erstbeklagte in Eigennutzung genommen zu haben, hielt die Klägerin entgegen, zur Schaustellung von Möbeln auf der geräumten Fläche aus verkaufspsychologischen Gründen genötigt gewesen zu sein (ohne dadurch einen faßbaren Vermögensvorteil gezogen zu haben).

Das Erstgericht erkannte in Ansehung aller drei Beklagten nach dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinne ab. Dazu sprach es aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vorliege.

Aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ist hervorzuheben:

Im Frühjahr 1977 trafen die Bestandvertragsparteien eine unter anderem auch die (40 m 2 große) Verkaufsfläche in der Stadlauer Filiale der Klägerin betreffende Vereinbarung im Sinne des von der Bestandnehmerin zum Zeichen ihres Einverständnisses unterfertigten Briefes der Klägerin vom 28. März 1977. Im Zusammenhang mit einer Neufestsetzung der Bestandzinse gab die Bestandnehmerin "die unwiderrufliche Erklärung ab, daß sie keinen dieser Mietplätze vor dem 30. März 1982 aufkündigen werde. Ab diesem Zeitpunkt gilt für die Kündigung die in den Verträgen vorgesehene Kündigungsfrist." In der Folge verhandelten die Bestandvertragsparteien über eine allfällige vorzeitige Entlassung der Erstbeklagten aus den Bestandverhältnissen. Bei diesen Gesprächen stand die Bereitschaft der Klägerin zur Erörterung, die Erstbeklagte jederzeit aus jedem einzelnen der Verträge vorzeitig, allerdings unter Einhaltung der Kündigungsfrist und der Zinszahlung bis zu deren Ablauf zu entlassen. Das Verhandlungsergebnis fand seinen Niederschlag im Schreiben der Klägerin vom 3. Januar 1979 an den anwaltlichen Rechtsbeistand der Beklagten. Dieses Schreiben schließt mit der Mitteilung, daß die Klägerin "jederzeit bereit" ist, die Erstbeklagte "aus allen von ihr gemieteten Standplätzen vorzeitig zu entlassen".

Nach der Jahreswende 1979/1980 erfolgte ein Umbau des von der Klägerin im 22. Wiener Gemeindebezirk betriebenen Verkaufslokales. Die Erstbeklagte war mit dem nach dem Umbau für sie vorgesehenen Platz unzufrieden. In diesem Zusammenhang erklärte der Geschäftsführer der Klägerin dem Zweitbeklagten, jetzt sei die Gelegenheit, jetzt könnte die Erstbeklagte jederzeit "aussteigen". Nach dem Gesprächszusammenhang war die Zeitbestimmung "jetzt" auf die Umbauzeit zu beziehen. Die Erstbeklagte setzte nach dem Abschluß des Umbaues das Bestandverhältnis fort.

Im Jahre 1981 und in den ersten vier Monaten des Jahres 1982 herrschten Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten über ihr Wettbewerbsverhältnis, zumal die Klägerin Waren derselben Art wie die Erstbeklagte vor deren Stand anbot und die Erstbeklagte in Ansehung bestimmter Waren ein Alleinvertriebsrecht für sich beanspruchte. In einem darüber geführten Gespräch schlug der Geschäftsführer der Klägerin dem Zweitbeklagten, dem die Drittbeklagte namens der Erstbeklagten Vollmacht zu sämtlichen Vertragsverhandlungen mit der Klägerin erteilt hatte, vor, die Erstbeklagte aus ihrer Betriebspflicht zu entlassen, wies aber gleichzeitig darauf hin, daß die Erstbeklagte mangels Stellung eines Nachmieters bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zinspflichtig bliebe.

Die Erstbeklagte teilte der Klägerin mit ihrem Schreiben vom 5. Mai 1982 mit, daß sie sich aus wirtschaftlichen Gründen (unter Hinweis auf das unveränderte Konkurrenzverhältnis) gezwungen sehe, von ihrer Mietfläche in dem im 22. Bezirk gelegenen Objekt auszuziehen. Außer dieser schriftlichen Erklärung gab die Erstbeklagte keine auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses abzielende Erklärung, insbesondere keine Kündigung ab. Die Klägerin nahm im Schreiben vom 10. Mai 1982 zwar zur Kenntnis, daß die Erstbeklagte aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sei, die Mietfläche weiter zu betreiben, und diese am 10. Mai 1982 räume; sie wies aber auf den vertraglichen Verzicht hin, zu einem vor dem 30. September 1982 gelegenen Termin zu kündigen, sowie darauf, daß eine Befreiung von der Zinszahlung nicht zugesichert worden sei.

Das Erstgericht hatte aus dem von ihm festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Beurteilung gefolgert, das zunächst befristete Bestandverhältnis sei in ein unbefristetes übergegangen, daran habe auch der zeitliche Kündigungsverzicht der Bestandnehmerin nichts geändert. Das Schreiben der Klägerin vom 3. Januar 1979 habe die Bestandnehmerin nach den vorangegangenen Gesprächen nicht anders verstehen dürfen, als daß die Klägerin zwar auf die Einhaltung des Kündigungsverzichtes, nicht aber auf die im ursprünglichen Bestandvertrag vereinbarten Kündigungstermine und Kündigungsfristen verzichte. Einen wichtigen Grund zur sofortigen Vertragsaufhebung ohne Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist hätten die Beklagten nicht schlüssig dargetan. Die Verwendung der von der Erstbeklagten geräumten Bestandfläche durch die Klägerin habe dieser keinen nachweisbaren Vorteil gebracht, sondern sei lediglich zur Vermeidung verkaufspsychologisch nachteiliger Wirkungen einer leer stehenden Verkaufsfläche erfolgt. Der Zweitbeklagte hafte für die Zinsforderungen aus den Monaten Mai bis Juli 1982 nicht als (ehemaliger) persönlich haftender Gesellschafter, sondern nur in seiner Eigenschaft als Kommanditist, habe aber den ihm oblegenen Beweis nicht angetreten, daß er seine Kommanditeinlage geleistet habe. Die Drittbeklagte hafte als persönlich haftende Gesellschafterin, weil sie in den Zeiträumen, für die die Klägerin den Zins fordere, Komplementärin der Bestandnehmerin gewesen sei. Infolge ihres Verzuges schulde die Erstbeklagte Zinsen im Ausmaß des Zinsfußes, den die Klägerin für die von ihr aufgenommenen Bankkredite zu bezahlen habe (9,5 %).

Das Berufungsgericht begnügte sich damit, zu der in der Berufung der Beklagten in mehrfacher Hinsicht ausgeführten Rüge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Tatsachenfeststellung darauf hinzuweisen, daß der wesentliche Inhalt des Schreibens vom 3. Januar 1979 ebenso wie die zeitlich nachfolgenden Erklärungen des Geschäftsführers über die Möglichkeiten einer Lösung des Vertragsverhältnisses und der wesentliche Inhalt des Schreibens der Erstbeklagten vom 5. Mai 1982 zutreffend festgestellt worden, die übrigen - mit rechtlichen Überlegungen und Beweiswürdigungsargumenten vermischten - Tatsachenfeststellungen aber für die Entscheidung des Rechtsstreites unerheblich seien. In rechtlicher Beurteilung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus: Streitentscheidend sei in erster Linie die Auslegung der im Schreiben der Klägerin vom 3. Januar 1979 festgehaltenen Erklärung. Das Berufungsgericht wertete diese Erklärung als (erst) im Schreiben "abgegeben". Unter Berücksichtigung des Umstandes, wie die Bestandnehmerin von ihrem Empfängerhorizont aus den objektiven Wortsinn der Erklärung hätte verstehen dürfen, sei diese gemäß § 914 ABGB dahin auszulegen, daß die Klägerin es der Erstbeklagten freigestellt habe, das Bestandverhältnis jederzeit zu beenden. Mit ihrem Schreiben vom 10. Mai 1982 habe die Klägerin im übrigen der von der Erstbeklagten erklärten Vertragsaufhebung zugestimmt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bestandzins für Zeiträume nach diesem Zeitpunkt einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung.

Die Klägerin erhebt gegen das abändernde Berufungsurteil eine außerordentliche Revision wegen Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch Nichtübernahme erheblicher Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung. Sie rügt in diesem Zusammenhang eine Aktenwidrigkeit und behauptet einen Verstoß gegen anerkannte Grundsätze der Vertragsauslegung. Die Revisionswerberin beantragt die Wiederherstellung des klagsstattgebenden Urteiles erster Instanz, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten erachten die außerordentliche Revision als unzulässig und streben deren Zurückweisung, hilfsweise die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die angefochtene Entscheidung war von der Auslegung einer Parteienerklärung abhängig, wobei das Berufungsgericht in der Rechtsprechung anerkannte Grundsätze zur Vertragsauslegung nach § 914 ABGB hintangesetzt hat. Dies hat die Rechtsmittelwerberin auch zum zentralen Inhalt ihrer Rechtsmittelausführungen gemacht. Die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO liegt daher vor, die Revision führt einen tauglichen Anfechtungsgrund im Sinne des § 503 Abs. 2 ZPO aus.

Das danach zulässige Rechtsmittel ist auch berechtigt. Als die Klägerin an die Erstbeklagte das mit 3. Januar 1979 datierte Schreiben richtete, mit dem sie zu verschiedenen Vorwürfen und Streitpunkten Stellung nahm und abschließend zum Ausdruck brachte, daß sie "jederzeit bereit" sei, die Erstbeklagte "aus allen von ihr gemieteten Standplätzen vorzeitig zu entlassen", bestanden außer dem in diesem Rechtsstreit zu beurteilenden Bestandverhältnis zwischen den Vertragsteilen drei weitere, für die im Sinne des Schreibens vom 28. März 1977 eine einheitliche Bestandzinsregelung getroffen worden war. In diesem Zusammenhang hatte die Erstbeklagte die unwiderrufliche Erklärung abgegeben, daß sie "keinen dieser Mietplätze vor dem 30. 3. 1982 aufkündigen" werde. Dem war ausdrücklich beigefügt, daß ab diesem Zeitpunkt für die Kündigung die in den Verträgen vorgesehene Kündigungsfrist gelte. Im Sinne des am 30. Dezember 1974 abgeschlossenen Bestandvertrages war eine beiderseitige Kündigungsmöglichkeit zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist vereinbart.

Die von der Klägerin in ihrem Schreiben vom 3. Januar 1979 gegenüber ihrer Vertragspartnerin erklärte Bereitschaft zur Vertragsauflösung diente nach dem Zusammenhang mit den vorangeführten Meinungsverschiedenheiten eindeutig dem Zweck, solche Differenzen, falls sie die Bestandnehmerin als untragbar erachten sollte, für die Zukunft durch Beendigung des zugrundeliegenden Bestandverhältnisses auszuschließen.

Die vom Berufungsgericht einseitig in den Vordergrund gerückte Wortauslegung hätte daran nicht vorbeigehen dürfen, daß sich die Zeitbestimmung "jederzeit" grammatikalisch auf die Bereitschaft der Klägerin und nicht auf die Entlassung aus dem Vertragsverhältnis bezieht, diese Entlassung aus dem Vertragsverhältnis vielmehr als "vorzeitig" umschrieben wurde. Der Begriff "vorzeitig" setzte eine bestehende zeitliche Bestimmung voraus.

Ohne darauf eingehen zu müssen, ob sich nicht aus dem konkreten Anlaß und dem Zweck der Erklärung eine zeitliche Beschränkung des mit dem Wort "jederzeit" umschriebenen Zeitraumes der Bereitschaft zur Vertragsbeendigung aufdrängte, genügt es zur Entscheidung des Rechtsstreites über das Zinszahlungsbegehren für die zweite Hälfte des Monates Mai und die Monate Juni und Juli 1982 die Bedeutung des Wortes "vorzeitig" zu bestimmen.

Dabei ist es im Sinne des § 914 ABGB unerläßlich, zunächst die zur Zeit der auszulegenden Erklärung unstrittig bestandene Vertragslage und danach Anlaß und Zweck der auszulegenden Erklärung zu berücksichtigen, um die mit der Erklärung zum Ausdruck gebrachte maßgebliche Absicht der Parteien zu ermitteln.

Das Berufungsgericht erachtete, darauf verzichten zu müssen. Es blieb bei seinem Auslegungsversuch im Ergebnis am "buchstäblichen Sinne des Ausdruckes" haften und verstieß damit offenkundig gegen § 914 ABGB. Die zur Begründung der eigenen Ansicht herangezogene Kommentarmeinung von Rummel in Rummel ABGB § 914 blieb gerade in den für die Entscheidung des Rechtsstreites entscheidenden Teilen (vgl. insbesondere Rummel a.a.O. Rdz 4 und 5 und den dort als Beispiel angeführten Fall der Entscheidung, EvBl. 1966/399) unberücksichtigt. Unter verständiger Würdigung des durch einen zur Zeit der Erklärung noch mehr als drei Jahre wirkenden Verzichtes der Bestandnehmerin auf ihr vertragliches Kündigungsrecht und des aus dem gesamten Inhalt des Schreibens hervorleuchtenden Zweck, das Dauerschuldverhältnis eher ohne Rücksicht auf die bestehende Bindung zu beenden, als es als Nährboden fortdauernder Streitigkeiten aufrechtzuerhalten, durfte die Bestandnehmerin die "jederzeitige Bereitschaft" zur "vorzeitigen Entlassung" der Bestandnehmerin aus dem Vertragsverhältnis nur als Verzicht auf die Einhaltung des befristeten Kündigungsverzichtes begreifen, zumal die wechselseitigen Interessenlagen am Schutz vor einer überraschenden Vertragsbeendigung, wie sie in der Vereinbarung der Kündigungstermine und der Kündigungsfrist zum Ausdruck gekommen waren, auch für die Klägerin als Bestandgeberin erkennbarerweise nicht wesentlich verändert waren.

Daß das Berufungsgericht aus dem Schreiben der Klägerin vom 10. Mai 1982, mit welchem sie die Räumung der Bestandfläche "zur Kenntnis nahm", gleichzeitig aber auf die einzuhaltende Kündigungsfrist von sechs Monaten und die zu beachtenden Kündigungstermine zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres hinwies und daraus eine Zinszahlungspflicht bis 31. März 1983 folgerte, als Einverständnis zur Vertragsbeendigung mit 10. oder 15. Mai 1982

wertete, könnte nur mit einer unzulässigen Teilung des Schreibes in eine (als Billigung zu wertende) Kenntnisnahme und eine (dann irrige) Rechtsfolgenbeurteilung zu erklären versucht werden. Das Schreiben war aber als Einheit aufzufassen, dem keine Zustimmung der Klägerin zur Aufhebung aller wechselseitigen Vertragspflichten mit Mitte Mai 1982 unterstellt werden darf.

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich die Klägerin weder einer einseitigen Vertragsaufhebung durch ihre Vertragspartnerin zu jedem beliebigen Zeitpunkt im vorhinein (durch das Schreiben vom 3. Januar 1979) unterworfen, noch (mit dem Schreiben vom 10. Mai 1982) einer Vertragsaufhebung mit Mitte Mai 1982 zugestimmt. Die unzutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes vermag also nicht zu rechtfertigen, die in der Berufung der Beklagten ausgeführte Bemängelung der erstrichterlichen Beweiswürdigung von Tatsachenfeststellungen als unerheblich dahingestellt sein zu lassen.

Sollte letztlich eine Zinszahlungspflicht der Erstbeklagten angenommen werden, würde auch die Bestreitung einer Haftung durch den Zweitbeklagten aktuell. Die Frage einer allfälligen fortdauernden Haftung des Zweitbeklagten in seiner Eigenschaft als ehemaliger persönlich haftender Gesellschafter kann dabei unerörtert bleiben, weil der Zweitbeklagte jedenfalls in den strittigen Zinsperioden Kommanditist war, der eingeklagte Mietzinsbetrag wesentlich niedriger ist als die Kommanditeinlage des Zweitbeklagten und dieser die Leistung dieser Einlage nicht einmal behauptet hat. Das Erstgericht hat zutreffend erkannt, daß nach der Formulierung des § 171 HGB den Kommanditisten die Behauptungs- und Beweislast für den Ausschluß seiner Haftung wegen Leistung der Einlage trifft (vgl. Schlegelberger-Schmidt, HGB 5 , Rz 61 zu § 171).

Dies gilt auch für den Fall, daß ein persönlich haftender Gesellschafter seine Stellung in die eines Kommanditisten umwandelt. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes blieb wegen der unzutreffenden rechtlichen Beurteilung unvollständig. In Stattgebung der außerordentlichen Revision war das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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