OGH 6Ob521/87

OGH6Ob521/8712.2.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Pflegschaftssache der S*** G***-O***

K*** ZUM H*** S*** in Wien, infolge Revisionsrekurses des Dipl.Ing. Bosko J***, Wien 3., Veithgasse 3, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Teil des Beschlusses des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 25. August 1986, GZ. 43 R 434/86-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. Juni 1986, GZ. 8 P 221/85-33, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird insoweit zurückgewiesen, als er sich gegen die Bestätigung der Entscheidung zu Punkt 2 des erstinstanzlichen Beschlusses vom 5. Juni 1986, ON 33, richtet. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs stattgegeben, der angefochtene Beschluß in seinem letzten Satz des Spruches aufgehoben. Ebenso wird der erstinstanzliche Beschluß in seinen Punkten 3 und 4 aufgehoben und der Antrag des Kurators vom 2. Juni 1986, ON 30, auf Entscheidung im Sinne der Punkte 3 und 4 des Beschlußantrages zurückgewiesen.

Text

Begründung

Für die S*** G***-O*** K*** ZUM

H*** S*** hat das Erstgericht auf ministeriellen Antrag nach § 12 Abs 2 OrthG einen Kurator bestellt. Dieser berichtete, daß der nunmehrige Rechtsmittelwerber ein im Eigentum der Kirchengemeinde stehendes Haus verwalte und als Verwalter ein durch Losungswort gesichertes Überbringersparbuch zu einem auf den Namen der Kirchengemeinde eröffneten Sparkonto einer inländischen Kreditunternehmung in Händen habe. Zwei Mieter seien mit der Verwaltungstätigkeit des nunmehrigen Rechtsmittelwerbers unzufrieden. Gleichzeitig stellte der Kurator den Antrag, dem nunmehrigen Rechtsmittelwerber unter Setzung einer vierzehntägigen Leistungsfrist die Ausfolgung näher bezeichneter Hausverwaltungsunterlagen sowie des erwähnten Sparbuches an den Kurator aufzutragen und die kontoführende Kreditunternehmung zu ersuchen und zu ermächtigen, Auszahlungen aus dem Sparguthaben und die Ausfolgung von Originalbelegen ausschließlich zu Handen des Kurators vorzunehmen.

Das Erstgericht entschied nach dem Antrag des Kurators. Das Rekursgericht gab dem vom nunmehrigen Rechtsmittelwerber (gegen die Punkte 3 und 4 des erstinstanzlichen Beschlusses ON 33) erhobenen Rekurs nicht statt. (Über einen namens der Kirchengemeinde selbst gegen die Punkte 2, 3 und 4 des erstinstanzlichen Beschlusses ON 33 erhobenen Rekurs hat das Rekursgericht bisher noch nicht entschieden.)

Rechtliche Beurteilung

Der zur Ausfolgung der Verwaltungsunterlagen und des Sparbuches beschlußmäßig Verpflichtete ficht die bestätigende Rekursentscheidung unter Geltendmachung der Anfechtungsgründe der offenbaren Gesetzwidrigkeit und der Nichtigkeit mit einem auf ersatzlose Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen zielenden Abänderungsantrag an. Eine formelle Anfechtungserklärung enthält der Revisionsrekurs nicht. Der Rechtsmittelantrag ist wörtlich darauf gerichtet, "die offenbar gesetzwidrigen Beschlüsse der Unterinstanzen aufzuheben bzw. abzuändern, und zwar dahingehend, daß niemandem der Auftrag erteilt wird, Verwaltungsvollmachten zu widerrufen, den verwaltenden Sekretär J*** abzuberufen und diesem aufzutragen, Unterlagen herauszugeben".

Große Teile der Rechtsmittelausführungen legen die Ansicht des Rechtsmittelwerbers dar, daß die Bestellung des Kurators zu Unrecht, ja sogar in einer als offenbar gesetzwidrig zu bezeichnenden Weise, erfolgt wäre. Dazu behauptet der Rechtsmittelwerber, in einer am 25. Februar 1973 stattgefundenen Generalversammlung zum Präsidenten der Kirchengemeinde gewählt worden zu sein, der aber durch das damals zum Sekretär gewählte Kirchenmitglied vertreten werden sollte, weil er zwar bereits um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht gehabt habe, aber noch nicht österreichischer Staatsbürger gewesen sei. In der gemäß § 9 OrthG erstatteten Anzeige seien daher der Rechtsmittelwerber als Sekretär und das zum Sekretär gewählte Kirchengemeindemitglied als Präsident genannt worden. In späteren Generalversammlungen seien andere Personen zum Präsidenten, Vizepräsidenten, Sekretär und Kassier gewählt worden. Die Kirchengemeinde werde daher nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers durch die in der Generalversammlung vom 7. Februar 1982 gewählten Personen vertreten, und zwar unabhängig davon, ob eine ministerielle Beurkundung der Anzeige gemäß § 12 Abs 3 OrthG bereits erfolgt sei oder nicht (solange nur keine bescheidmäßige Ablehnung gemäß § 12 Abs 5 OrthG wirksam sei). Bei anderer Auffassung müßten die 1973 gewählten Personen nach wie vor als vertretungsbefugt angesehen werden.

Soweit der Rechtsmittelwerber damit darzulegen versucht, daß ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied des letzten für den staatlichen Bereich wirksam bestellten Organs der Kirchengemeinde im Pflegschaftsverfahren Beteiligtenstellung zuzubilligen wäre, und er offensichtlich in diesem Sinne nunmehr auch gegen die Bestätigung der Entscheidung zu Punkt 2 des erstinstanzlichen Beschlusses vom 5. Juni 1986, ON 33 (antragsgemäße Genehmigung von beabsichtigten Verwaltungshandlungen des Kurators) Revisionsrekurs erhebt, ist festzuhalten, daß dem Revisionsrekurswerber eine Ausfertigung des erstinstanzlichen Beschlusses ON 33 am 16. Juni 1986 im Wege postamtlicher Hinterlegung zugestellt wurde und er daraufhin einen anwaltlich verfaßten Rekurs ausdrücklich nur gegen die Punkte 3 und 4 der genannten Entscheidung ergriff, wobei er sich in seiner Eigenschaft als ordnungsgemäß bestellter Hausverwalter ausdrücklich als "Außenstehender" bezeichnete und gerade daraus folgerte, daß ihm das Gericht (im außerstreitigen Pflegschaftsverfahren) keine Aufträge erteilen dürfte.

Der Revisionsrekurswerber hat nicht behauptet, daß sich seine organschaftliche Stellung innerhalb der Kirchengemeinde seit der Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses geändert hätte. Hat er daher nur die Entscheidungen zu den Punkten 3 und 4 des erstinstanzlichen Beschlusses mit Rekurs angefochten, stünde ihm auch als ehemals zum Präsidenten gewählten und mit den Aufgaben eines Sekretärs betrauten Mitglied der Kirchengemeinde kein Recht zur Anfechtung der Rekursentscheidung in Ansehung der Teile zu, in denen er den erstinstanzlichen Beschluß unangefochten gelassen hat. In seiner Eigenschaft als Vertragspartner der Kirchengemeinde ist der Revisionsrekurswerber, wie er in seinem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß zutreffend selbst hervorgehoben hat, ein außenstehender Dritter, dem in Ansehung der Genehmigung von Verwaltungshandlungen des Kurators, auch wenn sie Vertragsbeziehungen zwischen der Kirchengemeinde und ihm zum Gegenstand haben, keine Beteiligtenstellung und daher auch kein Rechtsmittelrecht zukommt.

Unmittelbar berührt wird aber die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers durch die an ihn gerichteten gerichtlichen Aufträge, denen schon im Hinblick auf die beigefügte Fristsetzung und vor allem wegen der an die Kreditunternehmung als Drittschuldner erteilten Weisung keinesfalls bloß der Charakter einer gerichtlichen Anregung zur Vermeidung einer sonst drohenden gerichtlichen Austragung beigelegt werden könnte, sondern die Eigenschaft eines gerichtlichen Leistungsbefehles zuerkannt werden muß. Mit einem derartigen Leistungsbefehl an den Rechtsmittelwerber, der von sich behauptet, die Hausverwaltungsunterlagen und das Sparbuch nicht kraft Organstellung bei der unter Kuratel gestellten Kirchengemeinde innezuhaben, sondern auf Grund eines ihm rechtsgeschäftlich erteilten Hausverwaltungsauftrages, was sich inhaltlich auch mit Punkt 2 des erstinstanzlichen Beschlusses über eine Genehmigung zur Abberufung des Verwalters und zum Widerruf bestehender Verwaltungsvollmachten deckt, hat das Pflegschaftsgericht die Grenzen seiner außerstreitigen Gerichtsbarkeit überschritten (§ 2 Abs 2 Z 1 AußStrG). Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind in diesem Umfang nichtig. Sie waren aus diesem Grunde ersatzlos aufzuheben.

Das Rekursgericht wird daran erinnert, daß es sich

noch - nunmehr unter Bedachtnahme auf die hiemit erfolgte Aufhebung der Punkte 3 und 4 des erstinstanzlichen Beschlusses ON 33 - der Entscheidung über den Rekurs der unter Kuratel gestellten Kirchengemeinde (ON 34) zu unterziehen haben wird (vgl. den Auftrag nach Punkt 2 der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. November 1986, 6 Ob 666/86 = ON 49 a).

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