OGH 6Ob516/88

OGH6Ob516/8811.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Abhandlung des inländischen unbeweglichen Nachlasses nach der am 31. Mai 1983 in Lissabon gestorbenen portugiesischen Staatsangehörigen Helena S***, geborene B***, zuletzt wohnhaft in Lissabon, Rua do Ataide 9, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erben 1.) Cyril d'A*** E S***, Paris, rue de Lisbonne 24, derzeit Wien 19., Felix Mottlstraße 27/2, und 2.) Patrick d'A*** E S***, wohnhaft in Tours, rue de Verdun 7 oder Lissabon Rua do Ataide 9, beide vertreten durch Dr. Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 29. September 1987, GZ. 43 R 535/87-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13. Oktober 1986, GZ. 9 A 114/86-13, im Ausspruch über die Annahme der Erbserklärung des Staates Israel bestätigt und im Ausspruch darüber, daß das Erbrecht dieses Erbansprechers nach der Aktenlage für ausgewiesen erklärt werde, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Erblasserin ist am 31. Mai 1983 im 95. Lebensjahr in Lissabon gestorben. Sie war portugiesische Staatsangehörige. Nach der Aktenlage war sie Witwe und wurde von einem in Paris lebenden Sohn und einer in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Tochter überlebt; ein weiterer Sohn der Erblasserin war viereinhalb Monate vor ihr gestorben. Nach den Angaben in der Todfallsaufnahme hatte dieser vorverstorbene Sohn keine Kinder.

Im Erbgang nach ihrem vorverstorbenen Sohn war die Erblasserin (ihre Verlassenschaft) Eigentümerin einer im 15. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Liegenschaft mit einem steuerlichen Einheitswert von 484.000 S geworden.

Ein ausländischer Staat gab als Erbschaftsgeschenknehmer des überlebenden Sohnes der Erblasserin durch einen bevollmächtigten Notar zur Hälfte des in Österreich abzuhandelnden Nachlasses aufgrund des Gesetzes und der Erbschaftsschenkung die bedingte Erbserklärung ab und beantragte förmlich diese Erbserklärung zu Gericht anzunehmen und sein Erbrecht nach der Aktenlage für ausgewiesen zu erkennen. Zur Bescheinigung der Berufung des überlebenden Sohnes als Erben zu einer Erbquote von einer Hälfte legte der Erbansprecher die vom Erbenvertreter vidimierte Fotokopie des von einer Lissabonner Notariatskanzlei ausgestellten Erbscheines vom 18.Oktober 1983 samt Übersetzung des Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft Lissabon vom 22.November 1983 und zur Bescheinigung der Erbschaftsschenkung durch den überlebenden Sohn, der nach der Aktenlage französischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Paris ist, eine Ausfertigung des Notariatsaktes eines Wiener Notars vom 23.Januar 1986 vor. Danach gab ein Wiener Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder als Machthaber des Schenkers als auch des Geschenknehmers die Rechtsgeschäftserklärungen zur Erbschaftsschenkung ab, wobei er sich für den Erbschaftsschenker mit einer in deutscher Sprache abgefaßten und dem Ausstellungsort "Paris" sowie dem Ausstellungstag "18.Feb. 1985" bezeichneten Vollmachtsurkunde auswies, auf der die Unterschrift des Ausstellers am 18.2.1985 vom israelischen Generalkonsul in Paris in hebräischer Sprache beglaubigt wurde.

Nach dem Inhalt der unter Verwendung eines Formblattes abgefaßten Vollmachtsurkunde erteilte der überlebende Sohn der Erblasserin dem Wiener Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder neben zwei Lissabonner Anwälten Einzelvertretungsvollmacht im Abhandlungsverfahren nach seiner Mutter. Die erteilte Vollmacht sollte nach ihrem Wortlaut zur vollständigen Erledigung der Verlassenschaftsangelegenheit berechtigen. Dies wurde in der beispielhaften Aufzählung nach dem Formularvordruck unter Zahl 2 mit den Worten erläutert:

"Zur Ausschlagung der Erbschaft". Daneben steht in maschinschriftlicher Ergänzung

"und Errichtung einer Erbschaftsschenkung". Diese Maschinschriftzeichen sind augenfällig kleiner als die bei der sonstigen Ausfüllung des Vollmachtsformulars abgedruckten Maschinschriftzeichen.

Etwa gleichzeitig mit der Erbserklärung des ausländischen Staates langte beim Abhandlungsgericht das Schreiben eines französischen Advokaten ein, mit dem dieser mitteilte, daß die beiden nunmehrigen Rechtsmittelwerber unter anderem auch gegen den überlebenden Sohn der Erblasserin vor dem Großen Instanzgericht in Tours eine Abstammungsklage erhoben hätten, mit denen sie geltend machten, nicht vom Ehemann ihrer Mutter, sondern vom vorverstorbenen Sohn der Erblasserin abzustammen (also Ehebruchskinder zu sein). Diese Eingabe und ihre Beilagen waren in französischer Sprache abgefaßt. Das Abhandlungsgericht forderte den französischen Advokaten zum Anschluß beglaubigter Übersetzungen in die deutsche Sprache auf. Noch vor dem Einlangen dieser Übersetzungen oder sonstiger Erklärungen der nunmehrigen Rechtsmittelwerber faßte das Abhandlungsgericht seinen Beschluß vom 13.Oktober 1986. Mit diesem nahm es unter anderem die vom ausländischen Staat aufgrund des Gesetzes und der Erbschaftsschenkung zur Hälfte des Nachlasses abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht an und erklärte das Erbrecht des ausländischen Staates für ausgewiesen (in Punkt 3 des Beschlusses ON 13).

Am 11.Mai 1987 gaben die beiden nunmehrigen Rechtsmittelwerber als leibliche Söhne des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin unter Berufung auf ihr Eintrittsrecht nach portugiesischem Erbrecht aufgrund eines Testamentes vom 23.Juni 1982 je zur Hälfte des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab. Gleichzeitig beantragten sie in Ansehung der mit ihren eigenen Erbserklärungen im Widerspruch stehenden Erbserklärungen, also auch in Ansehung jener des ausländischen Staates, die Vorgangsweise nach den §§ 125 ff AußStrG. Eineinhalb Monate später brachten die Rechtsmittelwerber jedoch einen Rekurs gegen die Annahme der Erbserklärung des ausländischen Staates und gegen den Ausspruch zur Postaufgabe, daß das Erbrecht dieses Erbansprechers - gemäß § 123 Abs.1 AußStrG - als ausgewiesen erklärt wurde.

Im einzelnen machten die Rechtsmittelwerber geltend, die Erbschaftsschenkung, auf die der ausländische Staat seine Erbserklärung gestützt habe, sei formunwirksam, weil der Schenkungsvertrag der gewählten Notariatsaktform bedurft habe, der für den Geschenkgeber eingeschrittene Vertreter aber keine der Regelung nach § 69 Abs.1 NO Genüge leistende Vollmachtsurkunde vorgewiesen hätte. Überdies hätte es einer auf die Erbschaftsschenkung an den ausländischen Staat lautenden Spezialvollmacht - und bei Beurteilung nach österreichischem Recht überdies einer in Notariatsaktform errichteten Vollmacht - bedurft. Darüber hinaus sei die Doppelvertretung von Geschenkgeber und Geschenknehmer durch dieselbe Person (nach dem in dieser Hinsicht anzuwendenden französischen Recht) unzulässig gewesen. Das Rekursgericht hat in teilweiser Stattgebung des Rekurses zwar die Annahme der Erbserklärung des ausländischen Staates zu Gericht bestätigt, den Ausspruch darüber aber, daß das Erbrecht dieses Erbansprechers für ausgewiesen erkannt werde, dahin abgeändert, daß dies nicht der Fall sei.

Im einzelnen folgerte das Rekursgericht:

Auch wenn auf die - in Beziehung auf den in Österreich abzuhandelnden Nachlaß nach einer portugiesischen Staatsangehörigen - am 23.Januar 1986 vor einem österreichischen Amtsträger in Notariatsaktform abgeschlossene Erbschaftsschenkung gemäß § 37 IPR-Gesetz zufolge der französischen Staatsangehörigkeit des Geschenkgebers französisches Recht anzuwenden wäre, wären doch Voraussetzungen und Wirkungen der Stellvertretung nach dem Stellvertretungsstatut gemäß § 49 IPR-Gesetz zu beurteilen. Wenn nicht schon nach dessen Abs.1, so jedenfalls nach dessen Abs.2 und allenfalls nach dessen Abs.3 sei daher auf das österreichische Recht verwiesen, das auch in Anwendung der Kollisionsnorm des § 28 Abs.2 IPR-Gesetz heranzuziehen wäre. Nach österreichischem Recht sei Doppelvertretung grundsätzlich zulässig.

Die Vollmacht des Geschenkgebers werde dem Erfordernis nach § 1008 ABGB gerecht, weil es sich um eine unbeschränkte Vollmacht handle, in der die Gattung der Schenkungen ausdrücklich erwähnt sei. Einer auf das einzelne Geschäft ausgestellten Vollmacht habe es nicht bedurft.

Vom Erfordernis des § 69 Abs.2 NO habe abgesehen werden können, weil bei analoger Anwendung der für den Erbschaftskauf im § 1278 Abs.2 ABGB aufgestellten Formvorschrift berücksichtigt werden müsse, daß anstelle der tatsächlich gewählten Notariatsaktform auch eine Beurteilung durch gerichtliches Protokoll hingereicht hätte. Der Notar habe zwar bei seiner Mitwirkung bei der Erbschaftsschenkung nicht als Beauftragter des Gerichtes gehandelt, wäre aber aufgrund seiner Amtsstellung grundsätzlich zur Ausübung solcher Behördentätigkeit befähigt und hätte in der Eigenschaft als Gerichtskommissär eine Erbschaftsschenkung in gleicher Weise zu Protokoll nehmen dürfen wie ein beamtetes Gerichtsorgan. Für das Einschreiten eines Vertreters für den Erbschaftsschenker im Falle der Beurkundung des Vertrages durch gerichtliches Protokoll bestünden aber keine besonderen Formvorschriften für die Vollmacht. Es sei daher nicht ersichtlich, warum eine unbeglaubigte Vollmachtsurkunde zum Abschluß eines Notariatsaktes über eine Erbschaftsschenkung nicht genügen sollte: § 69 Abs.1 NO müsse nach dem Zweck der Formvorschrift einschränkend dahin ausgelegt werden, daß die Vollmachtsform nur für solche Akte gelte, die in Befolgung einer ausnahmslos, nicht aber bloß wahlweise vorgesehenen Notariatsaktform für das beurkundete Rechtsgeschäft errichtet würden. Die Rechtsmittelwerber fechten die Rekursentscheidung in deren bestätigendem Teil mit einem auf Zurückweisung der vom ausländischen Staat abgegebenen Erbserklärung zielenden Abänderungsantrag an. Der am letzten Tag der Rekursfrist zur Postaufgabe gebrachten Rechtsmittelschrift ist ein als "Blatt 2" bezeichnetes weiteres Blatt angeschlossen, von dem ungeklärt ist, wie und wann es zu den Akten gekommen ist. Nach der Faltung dieses Blattes kann es sich nicht in dem am 13.November 1987 zur Postaufgabe gebrachten Briefumschlag befunden haben.

Rechtliche Beurteilung

Die angefochtene Rekursentscheidung ist in ihrem bekämpften Ausspruch zur Annahme der Erbserklärung bestätigender Art. Der Ausspruch über die Ausweisung des Erbrechtes hat einen verfahrensrechtlich selbständigen Inhalt und steht mit der Annahme der Erbserklärung nicht in einem zwingenden untrennbaren Zusammenhang. Der Rekurs ist daher nur insoweit zulässig, als er sich auf einen gemäß § 16 Abs.1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrund stützt.

Keine einzige Rekursausführung (einschließlich jener auf dem erwähnten Ergänzungsblatt) kann den Rechtsmittelgründen der Aktenwidrigkeit oder der Nichtigkeit unterstellt werden. Sämtliche Rekursausführungen sind dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen. Gemäß § 16 Abs.1 AußStrG dürfen sie aber nur unter der Voraussetzung beachtet werden, daß sie eine offenbare Gesetzwidrigkeit schlüssig darzulegen vermögen.

Das ist nicht der Fall:

Das Abhandlungsgericht hat die Erbserklärung des ausländischen Staates zu Gericht angenommen, das Rekursgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Der Erbansprecher hatte seine Erklärung der Erbschaftsantretung in einer verfahrensrechtlich zureichenden Weise vorgenommen. Als erbrechtlichen Berufungsgrund hat er zunächst das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Sohnes der Erblasserin als eines von zwei überlebenden Kindern behauptet und sodann eine rechtsgeschäftliche Übertragung der aus dieser Berufung abzuleitenden Rechtsstellung zur Antretung der Erbschaft vom berufenen Sohn auf ihn selbst.

Die Rechtsmittelwerber haben eine Formunwirksamkeit des Übertragungsgeschäftes, der Erbschaftsschenkung, sowie die Unwirksamkeit dieses Vertrages wegen unzulässiger Doppelvertretung geltend gemacht.

Auch bei Anwendung französischen Sachrechtes auf die Außenwirkungen der behaupteten Erbschaftsschenkung und der Beurteilung der Formerfordernisse für eine Bevollmächtigung des Vertreters der Vertragsteile nach diesem Recht fände sich keine eindeutige und klare gesetzliche Regelung, die das vom Rechtsmittelwerber behauptete grundsätzliche Verbot der Übernahme von Doppelmandaten (double mandat) sowie die Rechtsfolge der absoluten Unwirksamkeit (Nichtigkeit) eines durch einen beiderseits bevollmächtigten Machthaber geschlossenen Schenkungsvertrages anordnete.

Ein bloß mit Formmängeln behafteter Vertrag oder ein in Vollmachtsüberschreitung geschlossener Vertrag ist der Heilung (Genehmigung) zugänglich.

Es kann nicht gesagt werden, daß aufgrund des vom ausländischen Staat bei seiner Erbserklärung in Anspruch genommenen doppelgliedrigen Berufungstatbestandes eine Einantwortung auf alle Fälle ausgeschlossen sein müßte. Die Beurteilung der Vorinstanzen im Sinne des § 122 AußStrG kann daher nicht offenbar gesetzwidrig sein. Mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs.1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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