Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.766,25 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 978,75 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Beklagte hat als Landtagsabgeordneter im Verlaufe einer Pressekonferenz am 25.März 1987 Behauptungen über die Preiskalkulation eines Landesversorgungsunternehmens und das Verhältnis der Abnehmerpreise zu denen in anderen Bundesländern geäußert und das Unternehmen in diesem Zusammenhang als "Preistreiber" bezeichnet.
Die von diesen Äußerungen betroffene Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zum Widerruf seiner als wahrheitswidrig und erwerbsgefährdend bezeichneten Behauptungen und zu einer näher umschriebenen Veröffentlichung der geforderten Widerrufserklärung. Der Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Diese erachtete er in seiner beruflichen Immunität als Landtagsabgeordneter nach Art. 96 Abs 1, Art. 57 Abs 1 B-VG begründet.
Die Klägerin widersprach der Auffassung, daß eine außerhalb des Vertretungskörpers gemachte mündliche oder schriftliche Äußerung eines Abgeordneten, insbesondere Erklärungen im Verlaufe einer Pressekonferenz unter die Regelungen der beruflichen Immunität fielen.
Das Prozeßgericht erster Instanz wies in Stattgebung der Unzuständigkeitseinrede die Klage zurück.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der erstinstanzliche Beschluß (ersatzlos) aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens (über das Klagebegehren) aufgetragen werde. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt. Der Beklagte ficht die abändernde Rekursentscheidung mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Klagszurückweisungsbeschlusses zielenden Abänderungsantrag an. Die Klägerin erachtet den Revisionsrekurs, weil ihm kein Rechtskraftvorbehalt beigesetzt wurde, als unzulässig. Im übrigen strebt sie eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht hat der Sache nach die Prozeßeinrede verworfen, damit über diese in einem der erstinstanzlichen Beschlußfassung entgegengesetzten Sinne abschließend erkannt und die erstinstanzliche Entscheidung daher abgeändert. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung liegt kein "Musterfall einer aufhebenden Rekursentscheidung", sondern vielmehr ein anerkannter Fall einer abändernden Rekursentscheidung vor (vgl. Fasching, Komm., IV, 441). Entscheidungsgegenstand war die Prozeßeinrede, in Ansehung der das Erstgericht die abgesonderte Verhandlung und Entscheidung beschlossen hatte. Die Fortsetzung des Verfahrens über das Klagebegehren ist nur die verfahrensrechtliche Folgerung aus der für die Instanz abschließenden Entscheidung über die Prozeßeinrede. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung (SZ 46/65 ua) ist die angefochtene Rekursentscheidung abändernder und nicht aufhebender Art. § 527 Abs 2 ZPO ist unanwendbar, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof im Sinne des § 528 ZPO zulässig.
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Landtagsabgeordnete dürfen wegen der in Ausübung ihres Berufes gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen nur vom Landtag verantwortlich gemacht werden (Art. 57 Abs 1 B-VG; Art. 24 L-VG Bgld). Die berufliche Immunität schließt zwar nach weitaus herrschender Auffassung (Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 226; Funk, Einführung, 106; Pree, Österreichisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 59, Walter/Mayer, Österreichisches Bundesverfassungsrecht5, 119; Ringhofer, Die Österreichische Bundesverfassung, 186; Berchtold, ÖJZ 1979, 505; Zagler, JBl 1971, 604 ff insbes. 608; aA Ermacora, Österreichische Verfassungslehre (1970), 245 in Anm. 2) auch jede zivilrechtliche Verantwortlichkeit aus, ist aber nach herrschender Ansicht auf Äußerungen im Rahmen der parlamentarischen Tätigkeit im Vertretungskörper und seinen Ausschüssen beschränkt und erfaßt die Äußerungen eines Abgeordneten in einer Pressekonferenz, mögen sie auch das Thema eines im Vertretungskörper behandelten Gegenstandes zum Inhalt haben, nicht (Adamovich, Handbuch6, 219; Adamovich-Funk aaO; Ermacora aaO und Österreichische Verfassungslehre II (1980), 30; Funk aaO; Czerny/Fischer Komm. zur GONR2, 26; Zagler aaO). Die außerberufliche Immunität gewährt nach allgemeiner Ansicht keinesfalls Schutz vor der Geltendmachung bürgerlich-rechtlicher Verantwortlichkeit (statt vieler Zagler ÖVA 1970, 141 ff insbes. 148 f).
Die im Revisionsrekurs vertretene Ansicht über eine Erweiterung der durch die Immunität geschützten beruflichen Tätigkeit eines Abgeordneten findet im Wortlaut der Immunitätsnovelle (BGBl. Nr. 134/1979), in den Materialien hiezu (1240 BlgNR XIV. GP) und in der zitierten Literatur keine Stütze. Die Ansicht wurde auch bereits vom Obersten Gerichtshof abgelehnt (2 Ob 668/87). Dem Revisionsrekurs war ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens als eines selbständigen Zwischenstreites beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2, und den §§ 41 und 50 ZPO (Fasching, Komm., IV, 362).
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